L 12 AS 751/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AS 5077/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 751/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 streitig.

Die 1947 geborene Klägerin, die erwerbsfähig ist und weder über Einkommen noch Vermögen verfügt, bezieht seit 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Beklagten. Die Klägerin ist verheiratet mit P.K.; P.K. bekommt seit Juni 2005 eine Regelaltersrente in Höhe von 665,89 EUR (ab Juli 2008) bzw. 681,93 EUR (ab Juli 2009) ausgezahlt. Die Klägerin bewohnt eine Wohnung in der M.-S.-Straße ... in H., zu der ein Dachgeschosszimmer gehört, das von P.K. bewohnt wird. Die Eheleute haben eine Nutzungsgebühr für Wohnung in Höhe von 262,88 EUR zu entrichten. Die Wohnung wird mit einem Holzofen beheizt; die Klägerin erhält durch den Beklagten gesondert für die Anschaffung von Holz Brennstoffbeihilfen.

Nachdem die Klägerin und P.K. geltend gemacht hatten, dass sie sich getrennt hätten, und ein Außendienstmitarbeiter des Beklagten einen Hausbesuchs durchgeführt hatte, ging der Beklagte ab Mai 2005 von einem Getrenntleben der Eheleute aus und gewährte der Klägerin die Regelleistung für Alleinstehende, einen krankheitsbedingten Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung im Hinblick auf eine von Dr. B. bescheinigte Hyperlipidämie und Hypertonie bei Adipositas sowie die Hälfte der Kosten der Unterkunft.

Mit Bescheid vom 22. April 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 01. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 in Höhe von insgesamt 521,34 EUR (347,- EUR Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige; 35,79 EUR Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für kostenaufwendige Ernährung; 138,55 EUR Kosten für Unterkunft) und mit Änderungsbescheid vom 17. Mai 2005 für die Zeit vom 01. Juli 2008 bis zum 30. November 2008 in Höhe von 525,34 EUR (351 EUR Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige; 35,79 EUR Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für kostenaufwendige Ernährung; 138,55 EUR Kosten für Unterkunft). Gegen beide Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein (Widerspruchsschreiben vom 26. April 2008 und 30. Mai 2008).

Gegen die beiden Bewilligungsbescheide hat die Klägerin am 08. Oktober 2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Während des Klageverfahrens wies der Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2009).

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01. Februar 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhielten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Hilfebedürftig nach § 9 Abs. 1 SGB II sei der, der seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in seiner Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig gewesen, weshalb ihr der Beklagte Leistungen nach dem SGB II gewähre. Dabei sei der in diesem Zeitraum maßgebliche Regelsatz in Höhe von 347 EUR bzw. 351 EUR nach § 20 Abs. 1 und 2 SGB II gewährt worden sowie die Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe von 138,55 EUR. Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächlichen Kosten für Unterkunft der Klägerin höher seien als die gewährten 138,55 EUR, seien für die Kammer nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Ein Anspruch generell auf höhere Leistungen sei daher für die Kammer nicht ersichtlich. Nach § 21 Abs. 5 SGB V erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürften, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Der Beklagte habe der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum wegen Hyperlipidämie und Hypertonie bereits einen Mehrbedarf in Anlehnung an die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge herausgegebenen Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe in der Zweiten Auflage von 1997 gewährt. Auch mit der Höhe des gewährten Mehrbedarfs von 35,79 EUR folge der Beklagte diesen Empfehlungen. Soweit die Klägerin geltend mache, ihr sei kein Mehrbedarf gewährt worden, sei dies aufgrund der eindeutigen Bewilligung in den Bescheiden nicht nachvollziehbar. Für die Kammer sei weiterhin nicht ersichtlich, inwieweit der Klägerin ein höherer Mehrbedarf insbesondere in der geltend gemachten Höhe von 120 EUR monatlich entstanden sein soll. Zudem sei nach den neuesten Empfehlungen des Deutschen Vereins vom Oktober 2008 bei den bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen ein Mehrbedarf nicht mehr vorhanden, da bei diesen Erkrankungen eine Ernährung mit Vollkost, die bereits vom Regelsatz umfasst sei, ausreichend sei.

Gegen den ihr am 05. Februar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. Februar 2010 eingelegte Berufung der Klägerin. 8 Klagen mit verschiedenen Leistungsbescheiden seien von der 19. Kammer des SG beiseitegeschoben worden. Im Land Baden-Württemberg würden die Gesetze von den Behörden und von den Richtern missbraucht und umgedreht, so dass der kleine Mann überhaupt keine Chance zum Überleben haben. Nach dem SGB II stehe ihr ein höherer Leistungsbetrag zu. Nach § 21 Abs. 5 SGB II habe sie aus medizinischen Gründen einen Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung in Höhe von monatlich 120 EUR.

Die Klägerin beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 01. Februar 2010 aufzuheben, 2. unter Abänderung des Bescheids vom 22. April 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2009 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. November 2008 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren,

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat im Berufungsverfahren L12 AS 6064/09 den behandelnden Arzt der Klägerin als sachverständigen Zeugen schriftlich einvernommen. Der Internist Dr. B. teilte mit Schreiben vom 2. Mai 2011 mit, dass die Klägerin seit 2008 in seiner regelmäßigen Behandlung mit zwei Arzt-Patienten-Kontakten pro Quartal sei. Bei der Klägerin liege eine Hypertonie, eine Gonarthrose beidseits, Spreizfüße mit Hallux-Valgus beidseits, ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit Fehlhaltung der Wirbelsäule, eine chronische venöse Insuffizienz bei Zustand nach Varizen-Operation, eine Innenohrerkrankung, Schlafstörung, Migräne und eine Fettstoffwechselstörung vor. Das maßgebliche Leiden der Klägerin liege auf orthopädischem Gebiet. Die Klägerin sei angehalten, eine kohlenhydrat- und fettarme Kost einzuhalten. Eine konsumierende Erkrankung sei nicht bekannt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Rechtsstreits L 12 AS 6064/09 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Bescheid vom 22. April 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2009, mit dem der Beklagte für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juni bis zum 30. November 2008 über die Gewährung von Alg II entschieden hat.

3. Der Klägerin steht gegen den Beklagten für diesen Zeitraum kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als die bewilligten Beträge zu.

a. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben gemäß § 7 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Streitig ist vorliegend allein, in welcher Höhe der Klägerin Leistungen zustehen. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus seinen eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr.2), sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

b. Die Klägerin erzielte im oben genannten Zeitraum kein Einkommen und verfügte über kein zu berücksichtigendes Vermögen. Es kann offen bleiben, ob die Klägerin im streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitt mit P.K. eine Bedarfsgemeinschaft bildete mit der Folge, dass bei der Bestimmung ihrer Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen des P.K. in diesem Zeitraum zu berücksichtigen wäre (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Denn der Beklagte hat jedenfalls den Bedarf der Klägerin mit den bewilligten Beträgen vollständig gedeckt.

Dabei berechnet sich die Höhe des Bedarfs der Klägerin aus dem ihr zustehenden Regelsatz in einer Höhe von 347,- EUR bzw. ab 1. Juli 2008 von 351,- EUR (§ 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung [a.F.] i.V.m. den Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II vom 18. Juni 2007 [BGBl. I, S. 1139] und vom 26. Juni 2008 [BGBl. I, S. 1102]). Hinzu kommen die anteiligen Kosten der Unterkunft in Höhe von 131,44 EUR, wobei die Unterkunftskosten hälftig zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann aufzuteilen sind, da sie die Wohnung, die auch das Zimmer im Dachgeschoss umfasst, gemeinsam nutzen (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14/7b AS 8/07 R -). Die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für Heizung übernimmt der Beklagte durch gesonderte Brennstoffbeihilfen, so dass sich die Heizkosten im Rahmen der laufenden Leistungen nicht bedarfserhöhend auswirken.

Ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II ist zugunsten der Klägerin nicht zu berücksichtigen. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Klägerin an einer Krankheit leidet und sie deshalb aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedarf. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Als Erkrankungen, die einen ernährungsbedingten Mehrbedarf verursachen können, kommt lediglich eine Hypertonie und eine Fettstoffwechselstörung in Betracht. Eine Erkrankung, die einen erhöhten Energiebedarf und insoweit höhere Kosten für Ernährung verursacht, konnte durch die sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Arztes Dr. B. ausgeschlossen werden. Auch aufgrund der vorliegenden Hypertonie und Fettstoffwechselstörung bedarf die Klägerin nicht einer kostenaufwendigen Ernährung. Denn nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist bei diesen Erkrankungen eine Ernährungsform, die einen finanziellen Mehraufwand bedeutet, nicht erforderlich. Aufgrund der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Stand 01. Oktober 2008, ist ein ernährungsbedingter Mehrbedarf weder bei Hypertonie noch bei Hyperlipidämie anzunehmen; der noch in den Empfehlungen des Vereins Stand 1997 angenommene Standpunkt wurde darin revidiert. Insoweit hat der Senat die aktuellen Empfehlungen zu berücksichtigen, denn die in ihnen enthaltenen wissenschaftlichen Erkenntnisse gelten nicht erst ab dem Datum der Veröffentlichung im Oktober 2008 (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 25. November 2010 - L 12 AS 5098/08 -). Danach (vgl. Ziffer 4 ff. der Empfehlungen) ist unter anderem bei Diabetes mellitus gleich welchen Typs, Hypercholesterinämie (Hyperlipidämie) und arterieller Hypertonie ein krankheitsbedingt erhöhter Mehrbedarf zu verneinen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (EVS 2003) bemessene Regelsatz den notwendigen Aufwand für eine Vollkost deckt. Ob es sich bei den Empfehlungen des Deutschen Vereins um ein antizipiertes Sachverständigengutachten handelt (bejahend: z.B. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - L 8 B 386/08 - und Urteil vom 09. März 2009 - L 8 AS 68/08 -; LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 03. Februar 2009 - L 9 B 339/08 AS -; LSG Sachsen, Urteile vom 27. August 2009 - L 3 AS 245/08 - und vom 22. Juni 2009 - L 7 AS 250/08 -; LSG Bayern, Urteil vom 23. April 2009 - L 11 AS 124/08 -) und ob insoweit eine Abweichung von der Entscheidung des BSG vom 27. Februar 2008 (B 14/7 B AS 64/06 R) vorliegt, kann offenbleiben (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Oktober 2010 - L 19 AS 1140/10). Die Empfehlungen des Deutschen Vereins haben nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG jedenfalls den Charakter einer Orientierungshilfe. Sie können im Regelfall zur Feststellung des angemessenen Mehrbedarfs im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II herangezogen werden (Urteile des BSG vom 27. Februar 2008 - B 14/7 B AS 64/06 R - sowie B 14/7 B AS 32/06 R; Urteil des BSG vom 25.04.2008 - B 14 /11 B AS 3/07 R -). Die Empfehlungen gelten nur dann nicht, wenn im Einzelfall anzustellende Ermittlungen Hinweise auf einen von den Empfehlungen abweichenden Mehrbedarf ergeben (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 a.a.O.). Abweichungen von den Empfehlungen sind auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründungsbedürftig (Beschluss vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 2673/05 -). Vorliegend ist weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus der Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. B. ersichtlich, dass und aus welchen Gründen von den Empfehlungen abzuweichen ist. Soweit Dr. B. ausführt, dass die Klägerin eine kohlenhydrat- und fettarme Kost einzuhalten habe, begründet dies keine von der Vollkost, definiert als eine Kost, die den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt (1.), in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt (2.), Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und auch zur Therapie berücksichtigt (3.) und in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1. - 3. nicht tangiert werden (4.), abweichende Kostform. Dessen Empfehlungen können im Rahmen der Vollkost umgesetzt werden. Der Kostenaufwand für eine Ernährung mit Vollkost wird nach einer in die Empfehlungen des Deutschen Vereins eingegangenen wissenschaftlichen Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema: Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung, April 2008 durch den bei der Bemessung des Regelsatzes für Ernährung eingeflossenen Betrag gedeckt (http://www.dge.de/pdf/ws/Lebensmittelkosten-vollwertige-Ernaehrung.pdf). Es muss daher nunmehr als wissenschaftlich gesichert gelten, dass Vollkost nicht teurer als "normale ungesunde" Kost ist, oder doch jedenfalls aus dem für Ernährung vorgesehenen Anteil des Regelsatzes finanziert werden kann (vgl. Senatsurteil vom 23. Oktober 2009 - L 12 AS 4179/08 - m.w.N.). Einzelfallbezogene Ermittlungen, welchen Kostenaufwand eine vollwertige Ernährung verursacht, sind daher vorliegend nicht erforderlich. Demnach besteht kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Zuschlags für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Wegen des Verbots der reformatio in peius verbleibt es indes bei dem von der Beklagten zuerkannten Mehrbedarf in Höhe von 35,79 EUR monatlich. Schließlich liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Klägerin aus sonstigen Gründen, insbesondere wegen eines Mehrbedarfs (§ 21 SGB II), ein Anspruch auf höhere Leistungen zusteht.

c. Auch die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte verfassungswidrige Ermittlung der Regelleistung (vgl. Urteil vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -) führt nicht dazu, dass die Klägerin eine höhere Regelleistung verlangen kann. Denn das Bundesverfassungsgericht konnte gerade nicht feststellen, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge unzureichend sind, daher sah es den Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen als verpflichtet an, für die Zeit ab Inkrafttreten des SGB II ab 01. Januar 2005 höhere Leistungen festzusetzen. Da die Vorschriften des SGB II weiterhin anwendbar sind und der Gesetzgeber nach den Ausführungen in den Urteilsgründen nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet ist, steht fest, dass es bei dem im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II festgesetzten Regelleistungsbetrag bleibt und die Klägerin mit ihrem Begehren auf höhere Leistungen nicht durchdringen kann (bspw. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2010 - 1 BvR 395/09 -). Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderungen des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 23. März 2011 (BGBl. I, S. 453 ff.) mit Wirkung zum 1. Januar 2011 den Regelbedarf für alleinstehende Personen auf monatlich 364,- EUR festgesetzt, ohne jedoch eine Änderung für die Vergangenheit vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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