Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 2928/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 40/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2011 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das ihn verpflichtet hat, an den am ... 1996 geborenen Antragsteller für die Zeit vom 3. September 2010 bis zum 4. Februar 2011 vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Nachhilfekosten in Höhe von 175 EUR monatlich zu zahlen. Der Antragsteller, der zusammen mit seinen Eltern und weiteren drei Geschwistern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, bezieht Sozialgeld nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er besucht die 7. Klasse der Sekundarschule "H. Ch ..." in N ... Während der Wiederholung der sechsten Klasse erhielt er am 5. Februar 2010 den Hinweis, dass aufgrund des zum Schulhalbjahr erreichten Leistungsstandes und der Entwicklung der Leistungen zu erwarten sei, dass er seine Ausbildung im auf den Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht fortsetze.
Seit 8. Februar 2010 nahm der Antragsteller Nachhilfeunterricht in den Fächern Englisch, Deutsch und Mathematik in Anspruch. Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 beantragte seine Mutter für ihn eine Beihilfe für den Nachhilfeunterricht, den dieser benötige, um an den Stand in der Schule anzuknüpfen. Mit Bescheid vom 6. Mai 2010 lehnte der Antragsgegner den Antrag im Wesentlichen unter Hinweis auf die Teilnahme an den schulischen Förderangeboten und die Prognose der Schule vom 12. April 2010, wonach das Leistungsdefizit nicht innerhalb von sechs Monaten regulierbar sei, ab. Den dagegen mit Schreiben vom 25. Mai 2010 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2010 als unbegründet zurück. Um sein Ziel weiter zu verfolgen, erhob der Antragsgegner Klage beim Sozialgericht, die unter dem Aktenzeichen S 19 AS 2769/10 geführt wird.
Mit Beschluss der Klassenkonferenz wurde der Antragsteller aufgrund seines Leistungsstandes mit Beginn des Schuljahres 2010/2011 in den auf den Realschulabschluss bezogenen Unterricht eingestuft.
Am 3. September 2010 hat er beim Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die Kosten für den Nachhilfeunterricht im Fach Englisch für sieben Doppelstunden zu je 25,00 EUR monatlich zu gewähren. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. Januar 2011 den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 3. September 2010 bis zum 4. Februar 2011 vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Nachhilfekosten von monatlich 175 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die zur Deckung des Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 6 SGB II in der ab dem 3. Juni 2010 geltenden Fassung erforderlichen Mittel glaubhaft gemacht. Bei schulpflichtigen Kindern gehörten auch die notwendigen Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zu ihrem existenziellen Bedarf. Dem Antragsteller sei insoweit bei Abwägung seiner Interessen an der Sicherung seines Bildungsgrundbedarfes angesichts des kurzen Zeitraums bis zu Zeugniserteilung nicht zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Interessen des Antragsgegners hätten angesichts der Gefahr, dass der Antragsteller das Klassenziel verfehle, zurückzutreten. Der Antragsteller habe einen Bedarf zur Inanspruchnahme eines Nachhilfeunterrichts glaubhaft gemacht. Unabhängig vom Vorliegen einer ärztlichen Diagnose, z. B. hinsichtlich einer Lese- oder Rechtschreibschwäche, bestehe bei ihm ein schulisches Leistungsdefizit, welches sich nach den Ausführungen der Schule vom 12. April 2010 auf seine Leistungen im Fach Englisch auswirke und einen erhöhten, zusätzlichen schulexternen Nacharbeitungs- und Unterstützungsbedarf für ihn bedinge. Der Antragsteller erhalte demnach auch bereits seit dem 5. Schuljahr schulischen Förderunterricht in Deutsch, Mathematik und Englisch. Trotzdem sei er nicht in die sechste Klasse versetzt worden. Im Fach Englisch seien seine Leistung lediglich mit "ungenügend", in den Fächern Deutsch und Mathematik mit "ausreichend" bewertet worden. Seit einer Teilnahme an der privaten Förderung ab 8. Februar 2010 habe der Antragsteller seine Leistungen verbessert und sei in die siebte Klasse versetzt worden. Er habe im Fach Englisch die Note "Vier" erreicht. Seine Leistungen in den Fächern Deutsch und Mathematik seien mit "befriedigend" bewertet worden. Der Antragsteller sei fleißig und bestrebt, trotz der Lernschwäche den Schulabschluss der Sekundarschule zu schaffen. Er strebe nicht allein eine schlichte Notenverbesserung an. Der Nachhilfeunterricht sei erforderlich, um das Klassenziel zu erreichen, da er ohne diese zusätzliche Unterstützung im Sinne der Versetzungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt versetzungsgefährdet wäre. Die Ansicht des Antragsgegners, wonach im ersten Schulhalbjahr gar keine Versetzungsgefährdung bestehen könne und allenfalls eine Förderung im zweiten Schulhalbjahr in Betracht komme, habe die Kammer nicht überzeugt. Es ergebe wenig Sinn, den Bedarf an Nachhilfeunterricht immer nur kurzfristig und punktuell für unabweisbar zu halten, wenn akut eine Versetzung gefährdet sei. Zudem sei nur eine mehrmonatige Nachhilfe sinnvoll, um den Förderzweck zu erreichen. Andere Möglichkeiten, diesen besonderen Bedarf zu decken, seien weder dargelegt noch ersichtlich. So habe die Schule des Antragstellers auf Nachfrage am 25. November 2010 klargestellt, dass mit der Erteilung von zwei Wochenstunden Englischunterricht und einer Wochenstunde Einzelförderung deren zusätzliche Fördermöglichkeiten erschöpft seien. Auch eine häusliche Förderung des Antragstellers sei nach Auskunft der Schule nicht möglich. Der Nachhilfeunterricht könne auch nicht aus eigenen Mitteln finanziert werden.
Im gegen den ihm am 2. Februar 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 4. Februar 2011 Beschwerde eingelegt und zudem beantragt, die Vollstreckung des Beschlusses einstweilen auszusetzen. Für eine Aussetzung der Vollstreckung spreche bereits, dass im Falle einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und einer damit einhergehenden Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zwischenzeitlich erbrachte Leistungen wohl aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr erstattet werden könnten. Dem stehe auch nicht das Interesse des Antragstellers entgegen, vorläufig Leistungen zu erhalten. Zum einen sei bislang nicht glaubhaft gemacht, dass über den 31. August 2010 hinaus privater Nachhilfeunterricht in Anspruch genommen worden sei. Entsprechende Quittungen seien nicht eingereicht worden. Zum Vorliegen eines Anordnungsanspruchs hat der Antragsgegner ergänzend darauf hingewiesen, dass sowohl die Schule als auch das Sozialgericht einschätzten, dass der vom Antragsteller begehrte Nachhilfeunterricht für einen Zeitraum von über sechs Monaten erforderlich sei, um eine Stabilisierung und Kontinuität sicherzustellen. Hierbei werde jedoch verkannt, dass der Antragsteller gerade im Fach Englisch zusätzliche schulische Förderung erhalte. Mit dem begehrten Nachhilfeunterricht würde er in einem Umfang unterrichtet, der mehr als die doppelte Anzahl der Unterrichtseinheiten in diesem Fach für einen durchschnittlichen Schüler der Sekundarstufe I betrage. Zu beachten sei auch, dass der Antragsteller ausweislich der "Information der Erziehungsberechtigten über die voraussichtliche Einstufung in den abschlussbezogenen Unterricht des 7. Schuljahrganges der Sekundarschule" vom 5. Februar 2010 für die Beschulung im auf den Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht vorgesehen war.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2011 ist auf Antrag des Antragsgegners die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2011 ausgesetzt worden. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ergäben sich bei offenem Ausgang des Beschwerdeverfahrens rechtliche Bedenken an der Entscheidung des Sozialgerichts. Möglicherweise habe es in der angegriffenen Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Antragsteller nach der voraussichtlichen Einstufung in den abschlussbezogenen Unterricht des 7. Schuljahrganges der Sekundarschule seine Ausbildung in dem auf den Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht fortsetzen sollte. Diese Schulform scheine nach den vorliegenden Unterlagen dem Leistungsvermögen des Antragstellers zu entsprechen. Hingegen seien die im Verfahren vorgelegten Einschätzungen und Empfehlungen der Schule vom 1. Oktober 2010 und im undatierten Telefonvermerk der Kammervorsitzenden mit der Schulleiterin Frau G ... D ... auf ein Erreichen des Realschulabschlusses gerichtet. Auch das Halbjahreszeugnis zum 4. Februar 2011 weise die Teilnahme an dem auf den Realschulabschluss bezogenen Unterricht aus. Es sei davon auszugehen, dass mit dem differenzierten staatlichen Schulangebot der "schulische Grundbedarf" eines Schülers gedeckt sei. Je nach individuellem Leistungsvermögen stünden unterschiedliche Schulformen zur Verfügung, die durch besondere Angebote im Bedarfsfall (Förderunterricht) ergänzt würden. Hinzu komme, dass im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung der streitige Zeitraum, für den die Leistungen begehrt worden seien, bereits fast vollständig abgelaufen gewesen sei, sodass der Beschluss faktisch wie eine vorläufige Verpflichtung zur Kostenerstattung wirke. Da sich der Antragsteller nach seinen Ausführungen im streitigen Zeitraum die begehrte Nachhilfe selbst beschafft habe, könne ggf. eine Auszahlung der Leistungen voraussichtlich schadlos zu einem späteren Zeitpunkt nach Ergehen einer Beschwerdeentscheidung erfolgen.
Der Antragsgegner beantragt nunmehr, den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und ihm Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Er verweist darauf, dass er ohne die zusätzliche Förderung wohl nicht versetzt würde. Auch die Schule halte einen außerschulischen Nachhilfeunterricht für erforderlich, damit er in der Lage sei, den Realschulabschluss zu erreichen.
Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsteller mitgeteilt, das einstweilige Anordnungsverfahren betreffe den Zeitraum vom 3. September 2010 bis 4. Februar 2011. Die weiteren Zeiträume blieben der Hauptsache vorbehalten. Seine Mutter habe inzwischen eine Nebenbeschäftigung gefunden und versuche, so die Kosten des Nachhilfeunterrichts zu decken.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll vom 12. November 2010 sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Die Beschwer des Antragsgegners liegt über dem Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR. Er ist vom Sozialgerichts verpflichtet worden, an den Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 3. September 2010 bis zum 4. Februar 2011 weitere Leistungen in Höhe von 175 EUR/Monat, mithin insgesamt 875 EUR, zu zahlen. Die Beschwerde ist begründet.
Der Senat hat zum einen Zweifel an der Erforderlichkeit einer zusätzlichen Nachhilfe im Fach Englisch. Das Sozialgericht hat gänzlich unberücksichtigt gelassen, dass der Antragsteller erst nach einer sechsmonatigen Nachhilfe die Empfehlung zur Teilnahme an einem auf den Realschulabschluss bezogenen Unterricht erhalten hat. Da er zuvor immer die Empfehlung für einen die Hauptschule abschließenden Unterricht erhalten hatte, deutet dieser Umstand darauf hin, dass der Hauptschul- und nicht der Realschulzweig für ihn die richtige Schulform ist. Darauf weist auch das Vorbringen des Antragstellers hin, wonach er wegen erheblich vom Durchschnitt abweichender Lernschwäche längerfristiger Nachhilfe bedürfe. Ein Wechsel zu einer höheren Schulform nur mit Hilfe einer kontinuierlichen Nachhilfeleistung kann jedoch nicht die Grundlage für die Bewilligung einer Förderung nach § 28 Abs. 5 SGB II bilden. Außerschulische Lernförderung ist nach dem Willen des Gesetzgebers als Mehrbedarf nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich und damit notwendig. In der Regel - so der Gesetzgeber in seiner Begründung zur Neuregelung des § 28 Abs. 5 SGB II weiter - ist sie nur kurzzeitig notwendig, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. Sie soll unmittelbare schulische Angebote lediglich ergänzen. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung bezieht sich auf das wesentliche Lernziel, das sich wiederum im Einzelfall je nach Schulform und Klassenstufe aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergibt. Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe ist regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe beziehungsweise ein ausreichendes Leistungsniveau (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 105).
Letztlich kann die Erforderlichkeit der Nachhilfe jedoch dahinstehen. Der Antragsteller hat in seiner Beschwerde klargestellt, dass es ihm allein um den Zeitraum vom 3. September 2010 bis 4. Februar 2011, mithin letztlich um die Erstattung der im streitgegenständlichen Zeitraum angefallenen Nachhilfekosten geht. Die durch Rechnungen glaubhaften Verbindlichkeiten betragen 455 EUR. Er hat jedoch dafür keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung bietet, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage, die der Antragsteller hier nicht glaubhaft gemacht hat. Ihm ist vielmehr das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten.
Die mit der Durchführung des Hauptsacheverfahrens verbundene zeitliche Verzögerung einer Entscheidung über den Kostenerstattungsanspruch führt regelmäßig und auch im vorliegenden Fall weder zu einem Verlust dieses Anspruchs noch zu einer wesentlichen Erschwerung seiner Durchsetzung. Ebenso wenig hat der Antragsteller durch die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren sonstige wesentliche Nachteile zu befürchten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ihm aus der Weigerung des Antragsgegners, die geltend gemachten Leistungen zu erbringen, noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts irreversible Einbußen drohten, weil die Sozialgerichte nur diese durch eine zukunftsgerichtete einstweilige Anordnung noch abwenden könnten und müssten. Nur der Abwendung dieser gegenwärtigen Gefahren dient der in § 86b Abs. 2 SGG normierte Eilrechtsschutz. Nur dieser Zweck rechtfertigt es auch, einem Antragsteller die Leistung regelmäßig unter Vorwegnahme der Hauptsache ohne eine vollständige Prüfung der materiellen Rechtslage im Wege einer Folgenabwägung zuzusprechen.
Daraus ergibt sich weiterhin, dass die vom Antragsteller für die Selbstbeschaffung der Nachhilfeleistungen eingegangenen Verbindlichkeiten grundsätzlich selbst dann keine wesentlichen Nachteile i. S. d. § 86b Abs. 2 SGG begründen, wenn sie, wie wohl hier, sein Leistungsvermögen übersteigen. Soweit die Nachhilfelehrerin nicht bereit sein sollte, dem Antragsteller die geschuldeten Honorare bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu stunden, wird dieser durch §§ 708 ff. und 850 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ausreichend geschützt. § 86b Abs. 2 SGG bezweckt nicht, den durch diese Schuldnerschutzvorschriften gewährten Schutz des Vermögens des Antragstellers zu erweitern. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die eingegangenen Verbindlichkeiten dazu führen, dass sich kein Nachhilfelehrer findet, der bereit ist, dem Antragsteller Nachhilfeleistungen zu erbringen oder er für diese Leistung eigenes Vermögen verwenden müsste, das er auch im Falle einer späteren Kostenerstattung durch den Antragsgegner nicht wiederbeschaffen könnte (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2011, L 9 KR 283/10 B ER, Rn. 4, 5, Juris zur Kostenerstattung im Krankenversicherungsrecht). Eine solche Notsituation ist hier jedoch weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Der Antragsteller erhält zurzeit weiterhin Unterricht von seiner Nachhilfelehrerin; seine Mutter ist in der Lage, die laufenden Kosten aufzubringen. Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass weitere Leistungen nur vorbehaltlich der sofortigen Zahlung der bis 4. Februar 2011 entstandenen Verbindlichkeiten erbracht würden.
Der Beschluss des Sozialgerichts war mithin aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Dem Antragsteller war nach §§ 73a SGG, 114 f. ZPO Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen. Er ist bedürftig. Die Erfolgsaussichten waren, da der Antragsgegner Beschwerdeführer ist, nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Kosten sind nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das ihn verpflichtet hat, an den am ... 1996 geborenen Antragsteller für die Zeit vom 3. September 2010 bis zum 4. Februar 2011 vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Nachhilfekosten in Höhe von 175 EUR monatlich zu zahlen. Der Antragsteller, der zusammen mit seinen Eltern und weiteren drei Geschwistern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, bezieht Sozialgeld nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er besucht die 7. Klasse der Sekundarschule "H. Ch ..." in N ... Während der Wiederholung der sechsten Klasse erhielt er am 5. Februar 2010 den Hinweis, dass aufgrund des zum Schulhalbjahr erreichten Leistungsstandes und der Entwicklung der Leistungen zu erwarten sei, dass er seine Ausbildung im auf den Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht fortsetze.
Seit 8. Februar 2010 nahm der Antragsteller Nachhilfeunterricht in den Fächern Englisch, Deutsch und Mathematik in Anspruch. Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 beantragte seine Mutter für ihn eine Beihilfe für den Nachhilfeunterricht, den dieser benötige, um an den Stand in der Schule anzuknüpfen. Mit Bescheid vom 6. Mai 2010 lehnte der Antragsgegner den Antrag im Wesentlichen unter Hinweis auf die Teilnahme an den schulischen Förderangeboten und die Prognose der Schule vom 12. April 2010, wonach das Leistungsdefizit nicht innerhalb von sechs Monaten regulierbar sei, ab. Den dagegen mit Schreiben vom 25. Mai 2010 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2010 als unbegründet zurück. Um sein Ziel weiter zu verfolgen, erhob der Antragsgegner Klage beim Sozialgericht, die unter dem Aktenzeichen S 19 AS 2769/10 geführt wird.
Mit Beschluss der Klassenkonferenz wurde der Antragsteller aufgrund seines Leistungsstandes mit Beginn des Schuljahres 2010/2011 in den auf den Realschulabschluss bezogenen Unterricht eingestuft.
Am 3. September 2010 hat er beim Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die Kosten für den Nachhilfeunterricht im Fach Englisch für sieben Doppelstunden zu je 25,00 EUR monatlich zu gewähren. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. Januar 2011 den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 3. September 2010 bis zum 4. Februar 2011 vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Nachhilfekosten von monatlich 175 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die zur Deckung des Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 6 SGB II in der ab dem 3. Juni 2010 geltenden Fassung erforderlichen Mittel glaubhaft gemacht. Bei schulpflichtigen Kindern gehörten auch die notwendigen Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zu ihrem existenziellen Bedarf. Dem Antragsteller sei insoweit bei Abwägung seiner Interessen an der Sicherung seines Bildungsgrundbedarfes angesichts des kurzen Zeitraums bis zu Zeugniserteilung nicht zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Interessen des Antragsgegners hätten angesichts der Gefahr, dass der Antragsteller das Klassenziel verfehle, zurückzutreten. Der Antragsteller habe einen Bedarf zur Inanspruchnahme eines Nachhilfeunterrichts glaubhaft gemacht. Unabhängig vom Vorliegen einer ärztlichen Diagnose, z. B. hinsichtlich einer Lese- oder Rechtschreibschwäche, bestehe bei ihm ein schulisches Leistungsdefizit, welches sich nach den Ausführungen der Schule vom 12. April 2010 auf seine Leistungen im Fach Englisch auswirke und einen erhöhten, zusätzlichen schulexternen Nacharbeitungs- und Unterstützungsbedarf für ihn bedinge. Der Antragsteller erhalte demnach auch bereits seit dem 5. Schuljahr schulischen Förderunterricht in Deutsch, Mathematik und Englisch. Trotzdem sei er nicht in die sechste Klasse versetzt worden. Im Fach Englisch seien seine Leistung lediglich mit "ungenügend", in den Fächern Deutsch und Mathematik mit "ausreichend" bewertet worden. Seit einer Teilnahme an der privaten Förderung ab 8. Februar 2010 habe der Antragsteller seine Leistungen verbessert und sei in die siebte Klasse versetzt worden. Er habe im Fach Englisch die Note "Vier" erreicht. Seine Leistungen in den Fächern Deutsch und Mathematik seien mit "befriedigend" bewertet worden. Der Antragsteller sei fleißig und bestrebt, trotz der Lernschwäche den Schulabschluss der Sekundarschule zu schaffen. Er strebe nicht allein eine schlichte Notenverbesserung an. Der Nachhilfeunterricht sei erforderlich, um das Klassenziel zu erreichen, da er ohne diese zusätzliche Unterstützung im Sinne der Versetzungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt versetzungsgefährdet wäre. Die Ansicht des Antragsgegners, wonach im ersten Schulhalbjahr gar keine Versetzungsgefährdung bestehen könne und allenfalls eine Förderung im zweiten Schulhalbjahr in Betracht komme, habe die Kammer nicht überzeugt. Es ergebe wenig Sinn, den Bedarf an Nachhilfeunterricht immer nur kurzfristig und punktuell für unabweisbar zu halten, wenn akut eine Versetzung gefährdet sei. Zudem sei nur eine mehrmonatige Nachhilfe sinnvoll, um den Förderzweck zu erreichen. Andere Möglichkeiten, diesen besonderen Bedarf zu decken, seien weder dargelegt noch ersichtlich. So habe die Schule des Antragstellers auf Nachfrage am 25. November 2010 klargestellt, dass mit der Erteilung von zwei Wochenstunden Englischunterricht und einer Wochenstunde Einzelförderung deren zusätzliche Fördermöglichkeiten erschöpft seien. Auch eine häusliche Förderung des Antragstellers sei nach Auskunft der Schule nicht möglich. Der Nachhilfeunterricht könne auch nicht aus eigenen Mitteln finanziert werden.
Im gegen den ihm am 2. Februar 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 4. Februar 2011 Beschwerde eingelegt und zudem beantragt, die Vollstreckung des Beschlusses einstweilen auszusetzen. Für eine Aussetzung der Vollstreckung spreche bereits, dass im Falle einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und einer damit einhergehenden Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zwischenzeitlich erbrachte Leistungen wohl aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr erstattet werden könnten. Dem stehe auch nicht das Interesse des Antragstellers entgegen, vorläufig Leistungen zu erhalten. Zum einen sei bislang nicht glaubhaft gemacht, dass über den 31. August 2010 hinaus privater Nachhilfeunterricht in Anspruch genommen worden sei. Entsprechende Quittungen seien nicht eingereicht worden. Zum Vorliegen eines Anordnungsanspruchs hat der Antragsgegner ergänzend darauf hingewiesen, dass sowohl die Schule als auch das Sozialgericht einschätzten, dass der vom Antragsteller begehrte Nachhilfeunterricht für einen Zeitraum von über sechs Monaten erforderlich sei, um eine Stabilisierung und Kontinuität sicherzustellen. Hierbei werde jedoch verkannt, dass der Antragsteller gerade im Fach Englisch zusätzliche schulische Förderung erhalte. Mit dem begehrten Nachhilfeunterricht würde er in einem Umfang unterrichtet, der mehr als die doppelte Anzahl der Unterrichtseinheiten in diesem Fach für einen durchschnittlichen Schüler der Sekundarstufe I betrage. Zu beachten sei auch, dass der Antragsteller ausweislich der "Information der Erziehungsberechtigten über die voraussichtliche Einstufung in den abschlussbezogenen Unterricht des 7. Schuljahrganges der Sekundarschule" vom 5. Februar 2010 für die Beschulung im auf den Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht vorgesehen war.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2011 ist auf Antrag des Antragsgegners die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2011 ausgesetzt worden. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ergäben sich bei offenem Ausgang des Beschwerdeverfahrens rechtliche Bedenken an der Entscheidung des Sozialgerichts. Möglicherweise habe es in der angegriffenen Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Antragsteller nach der voraussichtlichen Einstufung in den abschlussbezogenen Unterricht des 7. Schuljahrganges der Sekundarschule seine Ausbildung in dem auf den Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht fortsetzen sollte. Diese Schulform scheine nach den vorliegenden Unterlagen dem Leistungsvermögen des Antragstellers zu entsprechen. Hingegen seien die im Verfahren vorgelegten Einschätzungen und Empfehlungen der Schule vom 1. Oktober 2010 und im undatierten Telefonvermerk der Kammervorsitzenden mit der Schulleiterin Frau G ... D ... auf ein Erreichen des Realschulabschlusses gerichtet. Auch das Halbjahreszeugnis zum 4. Februar 2011 weise die Teilnahme an dem auf den Realschulabschluss bezogenen Unterricht aus. Es sei davon auszugehen, dass mit dem differenzierten staatlichen Schulangebot der "schulische Grundbedarf" eines Schülers gedeckt sei. Je nach individuellem Leistungsvermögen stünden unterschiedliche Schulformen zur Verfügung, die durch besondere Angebote im Bedarfsfall (Förderunterricht) ergänzt würden. Hinzu komme, dass im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung der streitige Zeitraum, für den die Leistungen begehrt worden seien, bereits fast vollständig abgelaufen gewesen sei, sodass der Beschluss faktisch wie eine vorläufige Verpflichtung zur Kostenerstattung wirke. Da sich der Antragsteller nach seinen Ausführungen im streitigen Zeitraum die begehrte Nachhilfe selbst beschafft habe, könne ggf. eine Auszahlung der Leistungen voraussichtlich schadlos zu einem späteren Zeitpunkt nach Ergehen einer Beschwerdeentscheidung erfolgen.
Der Antragsgegner beantragt nunmehr, den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und ihm Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Er verweist darauf, dass er ohne die zusätzliche Förderung wohl nicht versetzt würde. Auch die Schule halte einen außerschulischen Nachhilfeunterricht für erforderlich, damit er in der Lage sei, den Realschulabschluss zu erreichen.
Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsteller mitgeteilt, das einstweilige Anordnungsverfahren betreffe den Zeitraum vom 3. September 2010 bis 4. Februar 2011. Die weiteren Zeiträume blieben der Hauptsache vorbehalten. Seine Mutter habe inzwischen eine Nebenbeschäftigung gefunden und versuche, so die Kosten des Nachhilfeunterrichts zu decken.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll vom 12. November 2010 sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Die Beschwer des Antragsgegners liegt über dem Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR. Er ist vom Sozialgerichts verpflichtet worden, an den Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 3. September 2010 bis zum 4. Februar 2011 weitere Leistungen in Höhe von 175 EUR/Monat, mithin insgesamt 875 EUR, zu zahlen. Die Beschwerde ist begründet.
Der Senat hat zum einen Zweifel an der Erforderlichkeit einer zusätzlichen Nachhilfe im Fach Englisch. Das Sozialgericht hat gänzlich unberücksichtigt gelassen, dass der Antragsteller erst nach einer sechsmonatigen Nachhilfe die Empfehlung zur Teilnahme an einem auf den Realschulabschluss bezogenen Unterricht erhalten hat. Da er zuvor immer die Empfehlung für einen die Hauptschule abschließenden Unterricht erhalten hatte, deutet dieser Umstand darauf hin, dass der Hauptschul- und nicht der Realschulzweig für ihn die richtige Schulform ist. Darauf weist auch das Vorbringen des Antragstellers hin, wonach er wegen erheblich vom Durchschnitt abweichender Lernschwäche längerfristiger Nachhilfe bedürfe. Ein Wechsel zu einer höheren Schulform nur mit Hilfe einer kontinuierlichen Nachhilfeleistung kann jedoch nicht die Grundlage für die Bewilligung einer Förderung nach § 28 Abs. 5 SGB II bilden. Außerschulische Lernförderung ist nach dem Willen des Gesetzgebers als Mehrbedarf nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich und damit notwendig. In der Regel - so der Gesetzgeber in seiner Begründung zur Neuregelung des § 28 Abs. 5 SGB II weiter - ist sie nur kurzzeitig notwendig, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. Sie soll unmittelbare schulische Angebote lediglich ergänzen. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung bezieht sich auf das wesentliche Lernziel, das sich wiederum im Einzelfall je nach Schulform und Klassenstufe aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergibt. Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe ist regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe beziehungsweise ein ausreichendes Leistungsniveau (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 105).
Letztlich kann die Erforderlichkeit der Nachhilfe jedoch dahinstehen. Der Antragsteller hat in seiner Beschwerde klargestellt, dass es ihm allein um den Zeitraum vom 3. September 2010 bis 4. Februar 2011, mithin letztlich um die Erstattung der im streitgegenständlichen Zeitraum angefallenen Nachhilfekosten geht. Die durch Rechnungen glaubhaften Verbindlichkeiten betragen 455 EUR. Er hat jedoch dafür keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung bietet, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage, die der Antragsteller hier nicht glaubhaft gemacht hat. Ihm ist vielmehr das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten.
Die mit der Durchführung des Hauptsacheverfahrens verbundene zeitliche Verzögerung einer Entscheidung über den Kostenerstattungsanspruch führt regelmäßig und auch im vorliegenden Fall weder zu einem Verlust dieses Anspruchs noch zu einer wesentlichen Erschwerung seiner Durchsetzung. Ebenso wenig hat der Antragsteller durch die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren sonstige wesentliche Nachteile zu befürchten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ihm aus der Weigerung des Antragsgegners, die geltend gemachten Leistungen zu erbringen, noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts irreversible Einbußen drohten, weil die Sozialgerichte nur diese durch eine zukunftsgerichtete einstweilige Anordnung noch abwenden könnten und müssten. Nur der Abwendung dieser gegenwärtigen Gefahren dient der in § 86b Abs. 2 SGG normierte Eilrechtsschutz. Nur dieser Zweck rechtfertigt es auch, einem Antragsteller die Leistung regelmäßig unter Vorwegnahme der Hauptsache ohne eine vollständige Prüfung der materiellen Rechtslage im Wege einer Folgenabwägung zuzusprechen.
Daraus ergibt sich weiterhin, dass die vom Antragsteller für die Selbstbeschaffung der Nachhilfeleistungen eingegangenen Verbindlichkeiten grundsätzlich selbst dann keine wesentlichen Nachteile i. S. d. § 86b Abs. 2 SGG begründen, wenn sie, wie wohl hier, sein Leistungsvermögen übersteigen. Soweit die Nachhilfelehrerin nicht bereit sein sollte, dem Antragsteller die geschuldeten Honorare bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu stunden, wird dieser durch §§ 708 ff. und 850 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ausreichend geschützt. § 86b Abs. 2 SGG bezweckt nicht, den durch diese Schuldnerschutzvorschriften gewährten Schutz des Vermögens des Antragstellers zu erweitern. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die eingegangenen Verbindlichkeiten dazu führen, dass sich kein Nachhilfelehrer findet, der bereit ist, dem Antragsteller Nachhilfeleistungen zu erbringen oder er für diese Leistung eigenes Vermögen verwenden müsste, das er auch im Falle einer späteren Kostenerstattung durch den Antragsgegner nicht wiederbeschaffen könnte (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2011, L 9 KR 283/10 B ER, Rn. 4, 5, Juris zur Kostenerstattung im Krankenversicherungsrecht). Eine solche Notsituation ist hier jedoch weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Der Antragsteller erhält zurzeit weiterhin Unterricht von seiner Nachhilfelehrerin; seine Mutter ist in der Lage, die laufenden Kosten aufzubringen. Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass weitere Leistungen nur vorbehaltlich der sofortigen Zahlung der bis 4. Februar 2011 entstandenen Verbindlichkeiten erbracht würden.
Der Beschluss des Sozialgerichts war mithin aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Dem Antragsteller war nach §§ 73a SGG, 114 f. ZPO Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen. Er ist bedürftig. Die Erfolgsaussichten waren, da der Antragsgegner Beschwerdeführer ist, nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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