S 20 SO 129/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 SO 129/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen i. H. v. 4851,59 EUR nach dem SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) hat.

Die 1980 geborene serbische Staatsangehörige D. wurde im November 2005 um 15:45 Uhr in die Klinik H., deren Träger die Klägerin ist, zur Geburt ihres Kindes aufgenommen. Sie war zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer Duldung. Bei der Aufnahme gab sie an, Deutsche zu sein und bei der AOK Bayern – über ihren Vater Herrn O. D. als Hauptversicherten - versichert zu sein. Tatsächlich bestand zu diesem Zeitpunkt kein Krankenversicherungsschutz. Als nächster Angehöriger wurde der Freund Herr M. H. sowie dessen Handynummer angegeben. Zwischen der Klägerin und Frau D. wurde ein Behandlungsvertrag geschlossen. Am 18. November 2005 gebar Frau D. in der Klinik einen Sohn, D. H. Sie verblieb dann bis zum 24. November 2005 in der Klinik. Für die Behandlung und medizinische Versorgung von Frau D. und ihrem Sohn stellte die Klägerin 4851,59 EUR in Rechnung.

Am 22. Dezember 2005 beantragte Frau D. Leistungen nach dem SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) bei der ARGE Nürnberg. Von dort wurden ihr ab Dezember 2005 Leistungen gewährt. Die Leistungsbewilligung wurde zum 1. Juni 2006 aufgehoben und Frau D. an das Sozialamt der Stadt Nürnberg verwiesen. Dort stellte sie am 6. Juni 2006 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe nach dem AsylbLG (Asylbewerber-leistungsgesetz). Sie bezog dann ab Juni 2006 Leistungen.

Am 14. Dezember 2005 teilte die AOK Bayern der Klägerin im Rahmen der Kostenabrechnung mit, dass bereits seit 2003 kein Krankenversicherungsschutz für Frau D. mehr bestehe. Daraufhin versandte die Klägerin am 19. Dezember 2005 eine Rechnung an Herrn O. D., den Vater von Frau D. Dieser teilte mit, dass er schon seit etlichen Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter habe. Die Klägerin übersandte am 20. Dezember 2005 auch an Frau D. selbst eine Rechnung. Eine erste Mahnung (über einen Betrag von 1.375,01 EUR) erfolgte am 20. Februar 2006, eine weitere am 14. März 2006. Am 2. Mai 2006 beantragte die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheids, der am 9. Mai 2006 erlassen wurde. Am 21. Juni 2006 leitete die Klägerin aufgrund des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 6. Juni 2006 die Zwangsvollstreckung ein. Zugleich beantragte sie, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Frau D. und vorsorglich den Erlass eines Haftbefehls. Am 12. Juli 2006 und am 17. August 2006 versuchte die zuständige Gerichtsvollzieherin erfolglos, bei Frau D. eine Vollstreckung durchzuführen: Die Schuldnerin wurde nicht angetroffen. Nachdem Frau D. trotz ordnungsgemäßer Ladung auch zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 22. September 2006 nicht erschienen war, beantragte der zuständige Gerichtsvollzieher am 28. September 2006 den Erlass eines Haftbefehls. Am 28. November 2006 erteilte die Klägerin Verhaftungsauftrag. Am 13. Dezember 2006 gab Frau D. die eidesstattliche Versicherung ab.

Nunmehr beantragte die Klägerin am 21. Dezember 2006 bei der Beklagten, den Sachverhalt und die Möglichkeit einer etwaigen Übernahme der Krankenhausbehandlungskosten zu überprüfen.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2006 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Es wurde angeregt, bei der ARGE Nürnberg nachzufragen, ob sie dort im Bezug von Arbeitslosengeld II gestanden habe. Der Ablehnungsbescheid war mit keiner Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

Am 21. Februar 2007 beantragte die Klägerin nochmals bei der Beklagten die Prüfung, ob eine Erstattung der Krankenhausbehandlungskosten im Wege des Aufwendungsersatzes nach § 25 SGB XII möglich sei. Die Entbindung und medizinische Versorgung von Frau D. und ihrem Kind habe eine Hilfeleistung in einer Notlage dargestellt. Die Klägerin habe hierfür Aufwendungen in Höhe der Krankenhausrechnung getätigt. Die sozialhilferechtliche Hilfebedürftigkeit von Frau D. zum Zeitpunkt des Klinikaufenthalts sei erwiesen. Erst Ende November 2006, als ein Verhaftungsauftrag gegen Frau D. ergehen musste, habe die Klägerin von der Mittellosigkeit und Hilfebedürftigkeit von Frau D. ausgehen können. Daraufhin sei die Kostenübernahme bei der Beklagten zügig beantragt worden.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenerstattung ab. Sie führte unter anderem aus, dass eine Übernahme der Behandlungskosten für den Sohn von Frau D. bereits deshalb nicht in Betracht käme, da für die Kosten vorrangig dessen Vater, Herr M. H., aufkommen müsse. Zudem sei nicht nachgewiesen, dass Frau D. zum Zeitpunkt ihres Krankenhausaufenthalts tatsächlich hilfebedürftig gewesen sei. Allein aus der Tatsache, dass sie ab 22. Dezember 2005 Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, könne man nicht folgern, dass sie bereits zum 17. November 2005 hilfebedürftig gewesen sei. Zudem habe die Klägerin den Erstattungsantrag nicht innerhalb einer angemessenen Frist gestellt. So habe die Klägerin den Antrag erst am 15. Dezember 2006, also erhebliche Zeit nach dem stationären Aufenthalt gestellt. Dies hätte sie aber spätestens zu dem Zeitpunkt der nicht beglichenen Kostenabrechnung durch die Krankenkasse von Frau D. tun müssen. Durch die verspätete Antragstellung werde eine Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht. Auch könnten eventuell vorrangige Ansprüche, die zum damaligen Zeitpunkt bestanden hätten, nicht mehr geltend gemacht werden.

Am 22. März 2007 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte unter anderem aus, die Behandlung aufgrund einer Schwangerschaft bei Terminsüberschreitung wie im vorliegenden Fall stelle einen Eilfall im Sinne des § 25 SGB XII dar. Die Behandlungskosten seien nach den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen abgerechnet worden. Nach ihrer Auffassung sei auch durch den zeitnahen Bezug von Leistungen nach dem SGB II der Nachweis der Hilfebedürftigkeit erbracht. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch gegen den Kindsvater stünde ihr nicht zu. Sie habe gegen diesen - anders als eventuell die Beklagte - keinen Rückgriffsanspruch auf Ersatz der Entbindungskosten. Schließlich sei die Antragstellung bei der Beklagten auch innerhalb angemessener Frist erfolgt. Für den Fristbeginn komme es einzig und allein auf die konkrete Kenntnis des Nothelfers von der Bedürftigkeit des Hilfeempfängers an. Diese habe erst bestanden, als Ende November 2006 ein Verhaftungsauftrag gegen Frau D. ergehen musste, weil diese zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht erschienen sei. Erst zu diesem Zeitpunkt habe sie von einer Mittellosigkeit und Hilfebedürftigkeit der Frau D. ausgehen müssen. Zuvor sei sie sachgerecht von einer bloßen Zahlungsunwilligkeit von Frau D. ausgegangen und habe versucht, zügig ihre vorrangigen Ansprüche gegen diese durchzusetzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2007 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch zurück. Sie stützte ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Antrag auf Erstattung der Behandlungskosten nicht innerhalb angemessener Frist gestellt worden sei. Bereits zu dem Zeitpunkt, als die Krankenkasse von Frau D. der Klägerin mitgeteilt habe, dass ein Versicherungsschutz nicht bestehe, hätte vorsorglich eine Meldung an die Beklagte erfolgen müssen. Spätestens aber nach Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens Ende Juni 2006. Die Meldung am 15. Dezember 2006 sei daher nicht mehr fristgerecht gewesen.

Am 27. August 2007 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Zur Begründung des geltend gemachten Klageanspruches wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Zudem führt sie aus, dass sie im Dezember 2005 lediglich davon ausgehen konnte, dass kein Krankenversicherungsschutz von Frau D. über die von ihr angegebene Krankenkasse besteht. Da sie auch nichts von dem Leistungsbezug nach dem SGB II wusste, konnte sie nicht von der Mittellosigkeit von Frau D. ausgehen. Auch eine rein vorsorgliche Meldung des Falles an die Beklagte habe nicht erfolgen müssen. Dies sei rechtlich nicht vorgesehen und wäre im Hinblick auf die Anzahl vergleichbarer Fälle allein an den beiden Nürnberger Krankenhausbetrieben verwaltungstechnisch nicht zu bewältigen. Vielmehr habe sie richtigerweise zunächst versucht, ihre Forderungen selbst durchzusetzen. Das sei in zügiger und angemessener Geschwindigkeit erfolgt. Im Übrigen sei dem Regelungszweck des § 25 S. 2 SGB XII im vorliegenden Fall auch dadurch entsprochen worden, dass eine Bedürftigkeitsprüfung bei Frau D. durch die ARGE Nürnberg zeitnah im Dezember 2005 und damit wenige Wochen nach dem Krankenhaus-aufenthalt erfolgt sei. Auch wenn die Klägerin den Fall schon früher gemeldet hätte, hätte vor diesem Zeitpunkt keine Prüfung der Vermögensverhältnisse von Frau D. erfolgen können. Eine Antragstellung innerhalb angemessener Frist sei somit erfolgt. Auch stelle die Aufnahme einer schwangeren Frau, deren Entbindungstermin um 10 Tage überschritten sei, ins Krankenhaus zur Behandlung einen medizinischen Notfall und damit einen Eilfall im Sinne des Gesetzes dar.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2007 zu verpflichten, ihr Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 4851,59 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages ihre Ausführungen im Rahmen der Entscheidung vom 23. Februar 2007. Im Übrigen habe bei Frau D. kein Eilfall vorgelegen. Zudem müsse sich die Klägerin vorhalten lassen, die Angaben von Frau D. bei ihrer Aufnahme in die Klinik nicht mit der gebotenen Sorgfalt überprüft zu haben. Im Hinblick auf das Alter von Frau D. sei das Bestehen einer Familienversicherung beim Vater mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen gewesen. Des Weiteren teilt die Beklagte mit, dass das Sozialamt der Stadt Nürnberg am Donnerstag, dem 17. November 2005 in der Kernzeit von 8.30 bis 15.30 Uhr erreichbar gewesen sei, am Freitag von 8.30 bis 14.00 Uhr.

Am 17. Dezember 2010 hat mit den Beteiligten eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

Auf Anfrage des Gerichts wurden seitens der Klägerin verschiedene Stellungnahmen der zuständigen Mitarbeiter in der Patientenverwaltung bzw. des Chefarztes der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe zum Ablauf des Klinikaufenthalts von Frau D. vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2011 hat die Beklagte und mit Schriftsatz vom 18. Mai 2011 hat die Klägerin ihr Einverständnis mit einer gerichtlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift, sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet aufgrund der von den Beteiligten erklärten Einverständnisse oh-ne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 (2) SGG (Sozialgerichtsgesetz)).

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2006 in Fassung des ergänzenden Bescheids vom 23. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2007. Das Gericht wertet das Schreiben der Klägerin vom 21. Februar 2007, das erkennbar auf eine Überprüfung der Ablehnung der Beklagten vom 28. Dezember 2006 gerichtet war, als Widerspruch im Sinne des § 83 SGG. Da der Bescheid vom 28. Dezember 2006 nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, wurde die Widerspruchsfrist gemäß § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 S. 1 SGG gewahrt. Der Bescheid vom 23. Februar 2007 ist gemäß § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2006 in Fassung des ergänzenden Bescheids vom 23. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2007 ist rechtmäßig ergangen, die Klägerin so-mit in ihren Rechten nicht verletzt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die Krankenhausbehandlung von Frau D. im Zeitraum 17. bis 24. November 2005.

§ 25 SGB XII besagt: Hat jemand in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, sind ihm die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat (S. 1). Dies gilt nur, wenn die Erstattung innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beantragt wird (S. 2).

Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer Aufwendungen scheitert - unabhängig davon, ob die Voraussetzungen nach § 25 S. 1 SGB XII vorliegen - jedenfalls daran, dass sie eine Erstattung ihrer Aufwendungen für Frau D. nicht innerhalb angemessener Frist bei der Beklagten beantragt hat.

Die angemessene Frist i.S.d. § 25 S. 2 SGB XII lässt sich nicht allgemein bestimmen. Vielmehr richtet sich die Angemessenheit der Frist, innerhalb derer der Leistungserbringer (und mutmaßlich Erstattungsberechtigte) die Erstattung seiner Aufwendungen beim Soziahilfeträger zu beantragen hat, nach den besonderen Umständen des Einzelfalles. Hierbei sind sowohl die Interessen des Leistungserbringers und des Leistungsempfängers als auch die Belange des Sozialhilfeträgers zu berücksichtigen. Auf der Seite des Leistungserbringers ist zu berücksichtigen, dass dieser möglicherweise zunächst versucht, seinen Anspruch gegenüber dem Leistungsempfänger selbst oder einem eventuell vorrangig leistungspflichtigen Träger durchzusetzen. Demgegenüber geht das Interesse des Sozialhilfeträgers dahin, möglichst alsbald von dem Erstattungsfall unterrichtet zu werden, um gegebenenfalls seinerseits noch Vorkehrungen treffen zu können (vgl. u.a. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 8. Senat, Urt. v. 26. November 2009 - L 8 SO 172/07, Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 20. Senat, Urt. v. 25. Februar 2008 - L 20 SO 63/07, Bieback in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 25 Rn. 34, jeweils m.w.N.).

Die Frist zur Stellung eines Antrags auf Erstattung beim Sozialhilfeträger beginnt mit der Beendigung der Leistungserbringung i.S.v. § 25 S. 1 SGB XII, also sobald der mutmaßlich Erstattungsberechtigte seine Aufwendungen getätigt hat. Zu diesem Zeitpunkt ist der Sachverhalt abgeschlossen, nach dem sich das Vorliegen eines Erstattungsanspruches beurteilt. Für diesen Anknüpfungspunkt spricht auch der Wortlaut des § 25 S. 2 SGB XII, der an die Erstattung (der Aufwendungen) anknüpft und somit an das Vorliegen der tatbestandlichen Vorraussetzungen nach Satz 1 der Vorschrift. Demgegenüber ist es nicht erforderlich, den Fristbeginn abhängig von der subjektiven Vorstellung des Anspruchsberechtigten bezüglich des Vorliegens von Sozialhilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers zu bestimmen (so aber Bieback a.a.O. Rn. 35; ihm folgend SG Aachen 20. Kammer, Urteil v. 20. November 2007 - S 20 SO 67/06). Zwar ist die Sozialhilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers mit maßgeblich für das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nach § 25 S. 1 SGB XII. Das Wissen des Anspruchsberechtigten von einer (möglichen) Sozialhilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers ist jedoch zusammen mit den übrigen besonderen Umständen des Einzelfalls bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Antragstellung letztlich innerhalb einer Frist erfolgt ist, die noch als angemessen zu sehen ist (siehe dazu die obigen Ausführungen). Solange dem Leistungserbringer keine Anhaltspunkte für eine Sozialhilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers vorliegen, besteht für ihn auch keine Veranlassung, einen Erstattungsanspruch beim Sozialhilfeträger geltend zu machen. Um seinen Interessen gerecht zu werden, ist bei der Beurteilung, ob ein Antrag nach § 25 S. 2 SGB XII innerhalb angemessener Frist gestellt wurde, daher auch zu berücksichtigen, ob und gegebenenfalls wann der Leistungserbringer Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, aufgrund derer er sich veranlasst sehen musste, einen Antrag auf Aufwendungserstattung beim Sozialhilfeträger zu stellen. Um dies annehmen zu können, ist es allerdings nicht erforderlich, dass der Antragsteller zuvor Kenntnis von der Sozialhilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers zum Zeitpunkt der Leistungserbringung in Form sicheren Wissens erlangt hat. Ein solches Erfordernis würde die Frist, innerhalb derer die Beantragung einer Erstattung nach § 25 SGB XII noch möglich ist, in unabsehbarer Weise ausdehnen. Damit könnte der Zweck des § 25 S. 2 SGB XII, die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers für geleistete Aufwendungen zeitlich zu begrenzen, in vielen Fällen nicht erreicht werden. Es dürfte dem Leistungserbringer nur selten gelingen, selbst vollumfänglich aufzuklären, ob beim Leistungsempfänger die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialhilfe gegeben waren. Zudem würde dem Interesse des Sozialhilfeträgers, möglichst alsbald vom Erstattungsfall unterrichtet zu werden, nicht ausreichend Rechnung getragen. Im Übrigen ist der Sozialhilfeträger gem. § 20 SGB X (Zehntes Buches Sozialgesetzbuch) von Amts wegen verpflichtet zu erforschen, ob die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gegeben sind (BVerwG 5. Senat, Beschluss v. 30. Dezember 1996 - 5 B 202/95). Insofern ist es nicht erforderlich, dass der mutmaßlich Erstattungsberechtigte die Sozialhilfebedürf-tigkeit des Leistungsempfängers abschließend selbst prüft. Vielmehr liegt es gerade auch in seinem Interesse, die Sozialhilfeverwaltung vom möglichen Erstattungsfall zeitnah zu unterrichten, um ihr eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts zu ermöglichen. Grundsätzlich ist der Leistungserbringer daher gehalten, den Sozialhilfeträger vom möglichen Erstattungsfall in Kenntnis zu setzen, sobald der ihm bekannte Sachverhalt eine Sozialhilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers zum Zeitpunkt der Leistungserbringung als wahrscheinlich erscheinen lässt (in diesem Sinne auch Bieback a.a.O., SG Aachen 20. Kammer, Urteil v. 20. November 2007 - S 20 SO 67/06). Dabei kommt auch die vorsorgliche Anmeldung eines Erstattungsanspruchs in Betracht (siehe dazu Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 20. Senat, Urt. v. 25. Februar 2008 - L 20 SO 63/07).

Nach Maßgabe der vorhergehenden Ausführungen zur Bestimmung der angemessenen Frist i.S.v. § 25 S. 2 SGB XII hat die Klägerin die Erstattung ihrer Aufwendungen bei der Beklagten nicht innerhalb angemessener Frist beantragt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Erstattungsanspruch tatsächlich dem Grunde und der Höhe nach besteht.

Die Krankenhausbehandlung von Frau D. endete am 24. November 2005. Zu diesem Zeitpunkt war somit der Sachverhalt, durch den ein Erstattungsanspruch nach § 25 S. 1 SGB XII hätte begründet werden können, abgeschlossen. Damit lief für die Klägerin die Frist, innerhalb derer sie eine Erstattung ihrer Aufwendungen bei der Beklagten als zuständigem Sozialhilfeträger beantragen musste. Bereits am 14. Dezember 2005 teilte die von Frau D. als Kostenträger für die Krankenhausbehandlung angegebene Krankenkasse der Klägerin mit, dass schon seit 2003 kein Krankenversicherungsschutz für Frau D. mehr besteht. Auch der - auf welcher rechtlichen Grundlage auch immer - als weiterer möglicher Kostenträger in Betracht gezogene Vater von Frau D. erteilte der Klägerin Ende Dezember 2005 dahingehend Auskunft, dass er seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter habe. Bereits zu diesem Zeitpunkt musste die Klägerin also davon ausgehen, dass ein Dritter die Kosten der Krankenhausbehandlung nicht tragen würde. Die Klägerin hat auch keine anderweitigen Versuche mehr unternommen, die Kosten von Dritten bezahlt zu bekommen. Spätestens mit Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen Frau D. am 21. Juni 2006 durfte die Klägerin auch nicht mehr annehmen, dass diese die angefallenen Aufwendungen selbst tragen würde. Schließlich musste die Klägerin aufgrund der ihr bekannten Tatsachen - wenn nicht schon früher - am 9. Oktober 2006 davon ausgehen, dass Frau D. im November 2005 aller Wahrscheinlichkeit nach sozialhilfebedürftig gewesen ist. Hierfür sprach zunächst, dass Frau D. bei ihrer Aufnahme in die Klinik wahrheitswidrig einen Krankenversicherungsschutz angegeben hatte, der bereits seit Jahren nicht mehr bestand. Von dieser Täuschungshandlung hatte die Klägerin aufgrund der Mitteilung der AOK Bayern vom 14. Dezember 2005 Kenntnis. Ein derartiges Verhalten eines Patienten legt nahe, dass dieser keine Möglichkeit sieht bzw. aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse hat, die gewünschte Krankenhausbehandlung auf rechtmäßige Weise zu erlangen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass Frau D. bei ihrer stationären Aufnahme als Beruf "Arbeitskräfte ohne nähere Tätigk(eit)" angegeben und auch keinen Arbeitgeber benannt hat. Die Klägerin konnte also nicht davon ausgehen, dass Frau D. in einem Arbeitsverhältnis steht und über laufendes Arbeitseinkommen verfügt. Zudem konnte den Angaben von Frau D. nicht entnommen werden, dass sie Unterhalt oder Lohnersatzleistungen bezieht. Die Klägerin musste also annehmen, dass Frau D. einkommenslos ist. Auch das Verhalten von Frau D. nach der Geburt, das zur Einschaltung des Sozialdienstes der Klinik geführt hat, ließ darauf schließen, dass bei Frau D. keine unproblematischen sozialen Verhältnisse vorliegen. Hinzu kam noch, dass Frau D. auf sämtliche Rechnungsschreiben und Mahnungen der Klägerin sowie den Mahnbescheid des Amtsgerichts Coburg und die Zwangsvollstreckungsversuche durch die Gerichtsvollzieherin nicht reagierte. Sie hat sich weder gegenüber der Klägerin erklärt noch Versuche unternommen, die vorhandenen Schulden zu begleichen. Deshalb wurde sie schließlich im September 2006 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert. Spätestens nachdem Frau D. im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht erschienen war, obwohl sie nunmehr mit dem Erlass eines Haftbefehls rechnen musste, erschien eine Einkommens- und Vermögenslosigkeit von Frau D. wahrscheinlich. So hat die Klägerin im Schriftsatz an das Gericht vom 17. März 2010 (Seite 4) selbst geäußert, dass sie von einer Mittellosigkeit und Hilfsbedürftigkeit von Frau D. ausgehen musste, nachdem diese nicht im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erschienen war und deshalb Ende November 2006 ein Verhaftungsauftrag ergehen musste. Die zuständige Gerichtsvollzieherin hat die Klägerin vom Nichterscheinen von Frau D. im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aber bereits am 9. Oktober 2006 (vgl. Blatt 69 der Klageakte) in Kenntnis gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war auch bereits der Erlass eines Haftbefehls beantragt (vgl. Schreiben der Klägerin vom 21. Juni 2006 (Blatt 64 der Klageakte) sowie Schreiben der Gerichtsvollzieherin vom 28. September 2006 (Blatt 69 der Klageakte)). Spätestens jetzt hätte sich die Klägerin bei einer Gesamtbetrachtung des ihr bekannten Sachverhalts veranlasst sehen müssen, bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 25 SGB XII geltend zu machen, zumal keine Aussicht bestand, die Aufwendungen von anderer Seite erstattet zu bekommen (siehe dazu oben). Tatsächlich erfolgte die Antragstellung bei der Beklagten aber erst knapp zweieinhalb Monate später am 21. Dezember 2006, ohne dass Gründe für das weitere Zuwarten ersichtlich sind. Damit hat die Klägerin die Erstattung der Aufwendungen für die Krankenhausbehandlung von Frau D., unabhängig davon, ob hierauf ein Anspruch bestand, nicht innerhalb angemessener Frist beantragt.

Die Klage ist deshalb als unbegründet abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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