L 7 AS 664/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 21 AS 2644/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 664/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Studierende unterfallen auch während eines Urlaubssemesters dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II.


2. Die Gründe für die Beurlaubung können allenfalls zur Annahme einer besonderen Härte iSv § 7 Abs 5 S 2
SGB 2 führen.
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09. September 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für Zeiten, in denen sie während ihres Studiums der Ostslavistik beurlaubt war.

Die 1983 geborene Klägerin war vom 01.10.2005 bis zum 30.09.2007 als Studentin der Universität L immatrikuliert. Im Sommersemester 2007, welches vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 dauerte, befand sie sich ausweislich der vorgelegten Immatrikulationsbescheinigung im Urlaubssemester. Das Urlaubssemester habe sie beantragt, weil sie entschieden habe, sich für einen Studienplatz am Deutschen Literaturinstitut L zu bewerben. Da sie sich noch nicht im Klaren darüber gewesen sei, ob sie angenommen werden und ob sie anderenfalls ihr vorheriges Studium fortführen würde, habe sie ein Urlaubssemester beantragt, auch aus der Befürchtung heraus, bei einer Ablehnung keine Ausbildungsmöglichkeit mehr zu haben und da sie nicht sofort alles hätte aufgeben wollen. Ihre Bewerbung am Deutschen Literaturinstitut sei abgelehnt worden, am 30.09.2007 sei sie von der Universität L exmatrikuliert worden.

Mit Antrag vom 24.04.2007, eingegangen beim Beklagten und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) am 18.06.2007, beantragte sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dem Antrag war u.a. ein Untermietvertrag beigefügt, wonach sie vom 01.05.2007 bis 31.12.2007 ein Zimmer zur Untermiete für 145,00 EUR zuzüglich pauschaler Nebenkosten von 55,00 EUR monatlich in der Z St ... in L angemietet hatte. Des Weiteren war eine Praktikumsvereinbarung beigefügt, wonach die Klägerin in der Zeit vom 01.04.2007 bis 31.07.2007 ein Praktikum bei L N B durchführe. Ziel des Praktikums sei es, sie an das Mediengeschäft heranzuführen und insbesondere mit Funktion und Aufgaben eines Locations Scouts vertraut zu machen. Sie werde während des gesamten Zeitraums einem Location Scouts assistieren, aufgrund der variierenden Auftragslage bedeute das einen Zeitaufwand zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche. Ein Entgelt für dieses Praktikum werde nicht gezahlt. Durch Ankreuzen gab die Klägerin auf dem Antragsformular an, sie könne ihrer Einschätzung nach eine Tätigkeit für mindestens drei Stunden täglich nicht ausüben, weil sie zurzeit ein Praktikum mache. An Einkommen erhalte sie Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich. Für April und Mai 2007 habe sie zwar BAföG in Höhe von jeweils 486,37 EUR monatlich erhalten, dieses müsse aber zurückgezahlt werden, weil sie sich im Urlaubssemester befinde.

Mit Bescheid vom 28.06.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Ein Leistungsanspruch nach dem SGB II bestehe nicht, weil sich die Klägerin in Ausbildung befinde und diese Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 25.07.2007 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2007 zurück.

Auf die am Montag, dem 08.10.2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig (SG) mit Urteil vom 09.09.2010 den Bescheid des Beklagten vom 28.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2007 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 24.04.2007 bis 30.09.2007 Arbeitslosengeld II zu gewähren. Die Klägerin sei nicht gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, denn solange ein Student von der Hochschule beurlaubt sei, fehle es jedenfalls im Sommersemester 2007 an der Grundvoraussetzung für eine Förderung nach dem BAföG, nämlich dem Besuch einer Hochschule nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG. Auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (SächsLSG) ergebe sich jedenfalls für Urlaubssemester, die vollständig vor dem Inkrafttreten der hochschulrechtlichen Neuregelung lägen (§ 20 Abs. 3 Sächsisches Hochschulgesetz (SächsHSG) ab 01.01.2009, wonach beurlaubten Studenten ermöglicht werden solle, Studien- und Prüfungsleistungen zu erbringen) nichts anderes.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Bei der Beurteilung, ob eine grundsätzliche Förderfähigkeit nach dem BAföG bestehe, komme es nicht darauf an, ob Ausbildungsförderung tatsächlich geleistet werde oder ob die Förderung zum Beispiel wegen längerer Krankheit, Inanspruchnahme eines Urlaubssemesters oder dem Nichterbringen von Leistungsnachweisen nicht erfolge. Entscheidend für die abstrakte Förderfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BAföG sei daher allein die tatsächliche Immatrikulation, selbst wenn das Studium nicht betrieben werde oder nicht mit gewisser Regelmäßigkeit Prüfungsleistungen erbracht würden. Der Begriff "Besuch" sei lediglich im Sinne tatsächlicher Immatrikulation und nicht im Sinne tatsächlicher körperlicher Anwesenheit zu verstehen, so dass bereits aus diesem Grund die Förderfähigkeit der Ausbildung gegeben sei. Unabhängig davon habe die Klägerin jedoch in ihrem Schriftsatz vom 20.06.2008 ausdrücklich eingeräumt, dass sie trotz des gewährten Urlaubssemesters weiterhin Lehrveranstaltungen besucht habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09.09.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Weil sie aufgrund des Urlaubssemesters keinen Anspruch auf BAföG gehabt habe, sei sie mittellos und hilfebedürftig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist begründet.

Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid des Beklagten vom 28.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, weil ihre Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist.

Zwar erfüllt sie die Voraussetzungen des § 19 i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB II, da sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sie ist auch erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 SGB II), hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist sie aber gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II als Auszubildende ausgeschlossen.

Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dem Grunde nach förderungsfähig in diesem Sinne ist eine Hochschulausbildung nach Ansicht des Senates auch dann, wenn ein an einer Hochschule Eingeschriebener (an einer Universität Immatrikulierter) ein Urlaubssemester - aus welchem Grunde auch immer - absolviert (so auch SächsLSG, Beschluss vom 30.11. 2010 – L 3 AS 649/10 B ER; a.A. SächsLSG, Beschluss vom 13.01.2010 - L 2 AS 762/09 B ER – nicht veröffentlicht –; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.02.2008 - L 25 B 146/08 AS ER, RdNr. 7; SG Leipzig, Beschluss vom 05.11.2009 - S 9 AS 3293/09 ER, RdNr. 22, beide zitiert nach Juris). Hierbei folgt der Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), soweit dieses in seiner Entscheidung vom 01.07.2009 (Az. B 4 AS 67/08 R, RdNr. 14) in einem Verfahren, in welchem der Kläger zwar immatrikuliert war (im streitgegenständlichen Zeitraum im 32. Fach- und 29. Hochschulsemester, wobei er sich seit mehreren Semestern in der Phase des Abschlusses des Hauptstudiums befand), es nicht für maßgeblich erachtet hat, in welchem Umfang die Hochschule tatsächlich besucht wurde, sondern wegen der Immatrikulation an der Hochschule das Vorliegen einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung bejaht hat.

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 25.08.1999 - 5 B 153/99, 5 PKH 53/99) steht dem nach Auffassung des Senates schon deshalb nicht entgegen, weil es sich im dortige Verfahren um einen gegenüber dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbaren Lebenssachverhalt handelt. Soweit bezüglich der Entscheidung des BVerwG in der Datenbank Juris als "Orientierungssatz" formuliert ist, es fehle an der Grundvoraussetzung für eine Förderung nach dem BAföG, dem Besuch einer Ausbildungsstätte, wenn und solange der Auszubildende von der Ausbildungsstätte beurlaubt sei und deshalb stehe § 26 Bundessozialhilfegesetz - der fast wortgleich mit § 7 Abs. 5 SGB II war - einem Anspruch auf Sozialhilfe nicht entgegen, betrifft dies nach den Gründen der Entscheidung eine Fallgestaltung, in welcher eine Beurlaubung wegen Pflege und Erziehung eines Kindes der dortigen Klägerin erfolgt war, weswegen eine Missbrauchsbefürchtung nicht gerechtfertigt gewesen sei (a.a.O., RdNr. 3).

Die Förderfähigkeit einer Hochschulausbildung führt hiernach bei gegebener Immatrikulation zum Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II, ohne dass es darauf ankäme, ob das Studium betrieben wird. Hierzu hat der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 29.06.2010 (L 7 AS 756/09 B ER; m.w.N.) Folgendes ausgeführt:

"Die Ausschlussregelung ist auf die Erwägung zurückzuführen, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und deshalb im Grundsatz die Grundsicherung nicht dazu dient, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung davon befreien, eine – versteckte – Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R, RdNr. 13). [ ] Bei einem Hochschulstudium handelt es sich um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG. Allein die Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach zieht die Folge des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nach sich. Individuelle Versagensgründe, die im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung eingetreten sind, bleiben außer Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 36/06 R, RdNr. 15 ff. m.w.N.) Dies gilt auch dann, wenn die Ausbildung tatsächlich nicht betrieben wird."

In seinem Beschluss vom 11.11.2010 – L 7 AS 435/10 hat der Senat seine bisherigen Erwägungen wie folgt vertieft:

"Während der Zeit der Beurlaubung bleiben die Rechte und Pflichten des Studenten gemäß § 22 SächsHSG mit Ausnahme der Verpflichtung zum ordnungsgemäßen Studium unberührt; es wird Studenten gemäß § 20 Abs. 3 SächsHSG sogar ermöglicht, Studien- und Prüfungsleistungen an der Hochschule, an der die Beurlaubung ausgesprochen wurde, zu erbringen. Somit sind die Studierenden nach den hochschulrechtlichen Bestimmungen durch eine Beurlaubung vom Studium gerade nicht daran gehindert, einzelne Studien- und Prüfungsleistungen abzulegen: Sie können also trotz Beurlaubung im Grunde ihr Studium weiter vorantreiben oder fortsetzen, ohne dass dieser Zeitraum auf die abgelegten Fachsemester angerechnet würde. Die hochschulrechtliche Möglichkeit, den Studienablauf flexibel zu gestalten, kann umgekehrt aber nicht dazu führen, dass entgegen dem gesetzgeberischen Anliegen der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 SGB II für eine an sich förderfähige Ausbildung an einer Hochschule Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erbracht werden, obwohl die Ausbildung auch während des genehmigten Urlaubssemesters rechtmäßig bzw. praktisch zulässig dadurch betrieben werden kann, dass einzelne Studien- und Prüfungsleistungen an der betreffenden Hochschule erbracht werden dürfen.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 01.07.2009, a.a.O.) kommt es somit auf die abstrakte Förderfähigkeit der Ausbildung an, nicht auf die Frage, ob die Ausbildungsstätte tatsächlich besucht wird. Denn von der Beschwerdeführerin kann auch nicht verlangt werden, dass sie dies im Einzelfall ermittelt, weil derartige Ermittlungen nicht mit den behördlichen Möglichkeiten und Gegebenheiten im Rahmen der Massenverwaltung im Einklang stehen. Hinzu kommt, dass anders als die anderen Hilfebedürftigen, die keine nach BAföG förderfähige Ausbildung verfolgen, die beurlaubten Studierenden auch nicht für die Vermittlung in ein Beschäftigungsverhältnis zur Verfügung stehen, gerade weil sie sich noch in der (Hochschul-)¬Ausbildung befinden.

Die vom 2. Senat des SächsLSG in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25.08.1999 – 5 B 153/99) zu der § 7 Abs. 5 SGB II entsprechenden Vorschrift des Bundessozialhilfegesetzes kann hier auch deshalb nicht ohne weiteres Geltung beanspruchen, weil im aufeinander abgestimmten Regelungsgefüge des SGB II die Härtefallregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II dazu dient, unerwünschte Ergebnisse im Einzelfall abzumildern. Es liegt insoweit nahe, das erforderliche sozialstaatliche Korrektiv bei der Anwendung des § 7 Abs. 5 SGB II in dieser Regelung für besondere Härtefälle zu erblicken und als abschließend anzusehen. Damit wird zudem der Gleichklang mit den Vorschriften des BAföG deutlich, wonach Leistungen zur Ausbildungsförderung ebenfalls teilweise als Darlehen gewährt werden (vgl. § 17 Abs. 2, 3 BAföG)."

An dieser Rechtsprechung, der im Ergebnis mittlerweile auch der 3. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts gefolgt ist (Beschluss vom 30.11.2010 – L 3 AS 649/10 B ER), hält der Senat fest. Der 3. Senat hat als weiteres entscheidendes Argument hervorgehoben, dass auch während eines Urlaubssemesters der "Besuch" einer Ausbildungsstätte im Sinne der organisatorischen Zugehörigkeit zu dieser Ausbildungsstätte (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 24/09 R –RdNr. 17 m.w.N.; SächsLSG, Beschuss vom 07.03.2011 - L 7 AS 735/10 B ER) nicht unterbrochen ist und das Studium nach den hochschulrechtlichen Vorschriften betrieben werden kann. Die Klägerin war nicht exmatrikuliert, sondern ausweislich der Immatrikulationsbescheinigung auch während des Urlaubssemesters immatrikuliert.

Entgegen der Ansicht der Klägerin und des SG kommt es demnach nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für den "Besuch" einer Ausbildungsstätte gemäß § 2 Abs. 1 BAföG nicht auf die tatsächliche körperliche Anwesenheit in der Ausbildungsstätte, sondern auf die organisatorische Zugehörigkeit zu dieser Ausbildungsstätte (vgl. dazu im Einzelnen Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG 4. Aufl. 2005, § 2 RdNr. 1) an, die aufgrund der Immatrikulation gegeben ist. Deshalb kann auch dahinstehen, ob es einem beurlaubten Studenten hochschulrechtlich ermöglicht wird, Studien- und Prüfungsleistungen zu erbringen und es gilt sowohl für die hochschulrechtliche Rechtslage vor dem 01.01.2009 als auch nach dem 01.01.2009 dasselbe.

Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Regelleistung einschließlich der Kosten der Unterkunft und Heizung als Zuschuss.

Sie hat auch keinen Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines Darlehens nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Danach können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, allerdings nur als Darlehen und nicht als Beihilfe oder Zuschuss gewährt werden. Liegt ein besonderer Härtefall vor, hat die Verwaltung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens Art und Umfang der Leistungsgewährung zu prüfen. Im Hinblick auf das "Ob" der Leistungsgewährung wird alsdann im Regelfall von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen sein (vgl. Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Februar 2007, § 7 RdNr. 93; so wohl auch Brühl/Schoch in Münder, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 7 RdNr. 103).

Bei dem Begriff des "besonderen Härtefalls" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt (vgl. zum Vorliegen einer besonderen Härte im Rahmen von § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 KfzHV auch BSG, Urteil vom 08.02.2007 - B 7a AL 34/06 R). Die Verwaltung hat keinen Beurteilungsspielraum; ihr steht auch keine Einschätzungsprärogative zu (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 30.10.2001 - B 3 P 2/01 R, BSGE 89, 44). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 28.06.2010 und 29.06.2010, a.a.O.) kann von einem besonderen Härtefall ausgegangen werden, wenn der Lebensunterhalt während der Ausbildung durch Förderung auf Grund von BAföG-Leistungen oder Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III); oder andere finanzielle Mittel – sei es Elternunterhalt oder Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit – gesichert war, die nun kurz vor Abschluss der Ausbildung entfallen. Gleiches gilt für den Fall der Unterbrechung einer bereits weit fortgeschrittenen und bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls etwa wegen einer Behinderung oder Erkrankung. Denkbar ist auch, dass die nicht mehr nach den Vorschriften des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III geförderte Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/11b AS 36/06 R, RdNrn. 21 - 24; BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 28/06 R). Das BSG (Urteile vom 06.09.2009 – B 14/7b AS 36/06 R und B 14/7b AS 28/06 R, RdNr. 32 ff.; vom 30.09.2009 – B 4 AS 28/07 R, und vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R) hat einen besonderen Härtefall beispielsweise dann angenommen, wenn wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf, das heißt Bedarf an Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts, entstanden ist, dieser durch Ausbildungsförderung oder Berufsausbildungsbeihilfe nicht gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit weiter bestehender Hilfebedürftigkeit. Dabei muss aber die durch objektive Gründe belegbare Aussicht bestehen, die Ausbildung werde mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in absehbarer Zeit zu Ende gebracht (vgl. BSG, Urteile vom 06.09.2009, vom 30.09.2009 und 01.07.2009, jeweils a.a.O.). Ein besonderer Härtefall ist hier nicht bereits deshalb zu bejahen, weil das von der Klägerin begonnene Studium die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellen würde (s. hierzu BSG, Urteile vom 06.09.2009 a.a.O.; BSG, Urteil vom 30.09. 2009, a.a.O., RdNr. 26; BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O., RdNr. 21). Die "Erwerbszentriertheit" des SGB II erfordert, so das BSG, eine Auslegung der Härtefallregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, die der Zielsetzung einer möglichst dauerhaften Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit Rechnung trägt. Danach kommt die darlehensweise Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht, wenn die Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt und der Berufsabschluss nicht auf andere Weise, insbesondere durch eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 77 SGB III, erreichbar ist (vgl. BSG, Urteile vom 30.09.2009 und 01.07.2009, jeweils a.a.O.).

Derartige Umstände liegen bei der Klägerin nicht vor. Insbesondere befand sie sich erst im 4. Fachsemester und hat damit noch keinen wesentlichen Teil ihres Studiums abgeschlossen, weshalb gerade nicht zu erwarten war, dass das Studium in absehbarer Zeit abgeschlossen werden würde. Zudem hat sie bereits bei Beantragung des Urlaubssemesters zum Ausdruck gebracht, das Studium nicht fortführen, sondern das Urlaubsemester zur Orientierung nutzen zu wollen. Dies stellt allerdings keinen den vom BSG gebildeten Fallgruppen vergleichbaren Härtefall dar, der es rechtfertigen würde, Grundsicherung für Arbeitssuchende zu gewähren. Von der Klägerin kann erwartet werden, ihre Orientierungsphase entweder anderweitig zu finanzieren oder sich zu exmatrikulieren, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen und sich dann mit Hilfe des Beklagen unter Nutzung der vielfältigen Instrumente des SGB II neu zu orientieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Klotzbücher Wagner Schuler
Rechtskraft
Aus
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