Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AL 653/10 WA
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 AL 29/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 89/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.12.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld - ALG - für den Zeitraum vom 01.02.bis 31.07.2006.
Die 1967 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen. Zuletzt war sie seit Februar 2000 als "Competencemanagerin" beschäftigt. Ihr monatliches Bruttogehalt betrug 2001 10.052,- DM. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden bis zur damaligen Beitragsbemessungsgrenze (8.700,- DM) abgeführt. Versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt hatte sie zuletzt im August 2001 erhalten. Wegen der Geburt ihres Kindes am 24.09.2001 war sie ab 12.08.2001 in Mutterschutz. Danach ruhte das Arbeitsverhältnis, da sich die Klägerin in Elternzeit, während der ihr zweites Kind am 08.08.2003 geboren wurde, befand. Das Arbeitsverhältnis wurde, ohne dass die Klägerin ihre Beschäftigung wieder aufgenommen hatte, beendet. Der Arbeitgeber hatte der Klägerin mit der Begründung, ihr Arbeitsplatz sei weggefallen, den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit Abfindung angeboten. Eine von der Klägerin erhobene Beschäftigungsklage endete mit einem am 12.08.2005 protokollierten gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 31.01.2006 endete und aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin eine Abfindung von 50.000,- EUR gezahlt wurde.
Zum 01.02.2006 meldete sich die Klägerin, auf deren Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III zu Jahresbeginn eingetragen war, arbeitslos und beantragte die Gewährung von ALG. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 25.01.2006 ALG ab 01.02.2006 mit einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen zu einem täglichen Leistungsbetrag von 45,90 EUR, ermittelt aus einem täglichen Bemessungsentgelt von 98,- EUR (Leistungsentgelt 68,51 EUR, Prozentsatz 67). Den dagegen unter anderem wegen der Leistungshöhe eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2006 zurück. Der Klägerin sei unter Berücksichtigung ihres Lebensalters ALG mit der größtmöglichen Anspruchsdauer bewilligt worden. Auch die Leistungshöhe sei nicht zu beanstanden. Da auch im auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen (hier: 01.02.2004 - 31.01.2006) weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten seien, habe gemäß § 132 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III - als Bemessungentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt bestimmt werden müssen. Zu Gunsten der Klägerin sei das höchstmögliche Arbeitsentgelt von einem 300stel der Bezugsgröße entsprechend der Qualifikationsgruppe 1 nach § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III zu Grunde gelegt worden, da sie über eine Hochschulausbildung verfüge. Dieser Qualifikationsstufe entspreche ein tägliches Bemessungsentgelt von 98,- EUR, das unter Berücksichtigung von Steuerklasse und Kinderfreibeträgen zu einem erhöhten Leistungssatz von täglich 45,90 EUR führe.
Mit der dagegen gerichteten Klage vom 02. Mai 2006 hat die Klägerin geltend gemacht, ihr müsse ALG in einer Höhe gewährt werden, die sich ergebe, wenn der Zeitraum der Elternzeit außer Acht gelassen werde. Durch die fiktive Bemessung werde sie trotz Zugrundelegung der höchsten Qualifikationsgruppe erheblich benachteiligt, weil ihr ausgehend vom zuletzt durchschnittlich erzielten monatlichen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt ALG nach einem Bemessungsentgelt von 145,61 EUR zustehe. Dies abzulehnen stelle einen Verstoß gegen die Art. 3, 6 und 14 des Grundgesetzes sowie gegen Gemeinschaftsrecht dar, weil eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts durch die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften erfolge. § 130 Abs. 2 SGB III sehe zwar vor, dass bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums Zeiten, in denen der Arbeitslose Erziehungsgeld bezogen bzw. Kinder unter drei Jahren betreut habe, außer Betracht blieben. Durch die starre Begrenzung des Bemessungsrahmens auf maximal zwei Jahre könnten sich diese Schutzvorschriften jedoch jedenfalls dann nicht auswirken, wenn der Anspruch auf Elternzeit voll ausgeschöpft werde. Die fiktive Bemessung als gesetzliche Folge führe in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer Schlechterstellung des Versicherten wegen Wahrnehmung von elterlichen Pflichten. Da in Deutschland weit überwiegend Mütter Elternzeit in Anspruch nähmen, führe dies zu einer mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung.
Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass § 132 SGB III erst während der von ihr genommenen Elternzeit neu gefasst worden sei und sie deshalb keine Möglichkeit gehabt habe, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen. Die sie benachteiligenden gesetzlichen Regelungen beruhten zudem auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers, der ausweislich der Gesetzesbegründung mit der Rechtsänderung keine Leistungseinschränkungen für Bezieher von ALG beabsichtigt habe. Dies könne aber beispielsweise nach Erziehungszeiten nur dadurch sichergestellt werden, dass die entsprechenden Zeiträume nicht nur bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums - wie es § 130 Abs. 2 SGB III vorsehe -, sondern auch bei der Festlegung des Bemessungsrahmens außer Betracht blieben. Das einer verfassungskonformen Auslegung durch die Gerichte zugängliche Redaktionsversehen des Gesetzgebers bestehe deshalb in der fehlenden Anpassung des Begriffs "Bemessungszeitraum" an die neu eingeführte Terminologie des "Bemessungsrahmens". Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15.08.2006 antragsgemäß einen Gründungszuschuss für die Zeit vom 01.08.2006 bis 30.04.2007 in Höhe von monatlich 1.677,- EUR wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bewilligt. Als Rechtsmittelbelehrung enthielt der Bescheid einen Hinweis auf einen dagegen zulässigen Widerspruch. Die Klägerin hat den Widerspruch nicht eingelegt, sondern mit Schriftsatz vom 17.10.2006 beantragt, den Beschied vom 15.08.2006 analog § 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in das laufende Verfahren einzubeziehen. Dies sei geboten, weil der Gründungszuschuss sich gemäß § 58 SGB III nach der Höhe des zuletzt bezogenen ALG richte.
Nach zwischenzeitlichem Ruhen des Rechtsstreits wegen beim Bundessozialgericht und beim Bundesverfassungsgericht anhängiger Verfahren mit vergleichbarem Streitgegenstand hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 30.12.2011 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe unter richtiger Anwendung der gesetzlichen Vorschriften ein fiktives Bemessungsentgelt von 98,- EUR ermittelt, das bei Zugrundelegung der Steuerklasse III und dem erhöhten Leistungssatz zu einem täglichen Anspruch in Höhe von 45,90 EUR führe. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf Urteile vom 29.05.2008, B 11a / 7a AL 45/06 R und B 11a AL 23/07 R) halte das Gericht die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften für verfassungsgemäß und europarechtskonform. Der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Unzulässig sei die Klage, soweit sie sich gegen den Bescheid vom 15.08.2006 richte. Da dieser weder den Bescheid über die Bewilligung von ALG abändere, noch ersetze, sondern eine Regelung über eine andere Leistung treffe, sei dieser Verwaltungsakt nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Eine analoge Anwendung von § 96 SGG komme schon deshalb nicht in Betracht, weil dies nicht prozessökonomisch wäre.
Gegen das ihr am 10.01.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.01.2011 Berufung eingelegt und sich zu deren Begründung voll umfänglich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag bezogen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.12.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2006 zu verurteilen, ihr höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung des vor der Elternzeit bezogenen Arbeitsentgeltes zu gewähren,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeizuführen, ob § 130 Abs. 2 Nr. 3 iVm § 132 SGB III gegen die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 verstößt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide und das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Frage der Berechnung des Gründungszuschusses haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verglichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die übrigen Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Die die Klägerin betreffenden Leistungsakten der Beklagten haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere ist die Berufung wegen des Streitwertes nicht ausgeschlossen, denn die von der Klägerin gewünschte Berechnung würde zu kalendertäglichen (siehe § 134 SGB III) Mehrleistungen von 16,20 EUR führen, so dass auch bezogen auf den beschränkten Zeitraum von Februar bis Juli 2006, in dem von ihr ALG bezogen wurde, ein Wert des Beschwerdegegenstandes von über 750 EUR gegeben ist.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Der Klägerin, die sämtliche Anspruchsvoraussetzungen (siehe § 118 SGB III) für den Bezug von ALG im fraglichen Zeitraum erfüllt, stehen keine höheren Leistungen zu. Die Beklagte hat die Leistungshöhe unter richtiger Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zutreffend ermittelt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und in dem erstinstanzlichen Urteil gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Die von der Klägerin gegen die Berechnung der Leistungshöhe vorgebrachten Einwendungen vermögen nicht zu überzeugen.
Anhaltspunkte dafür, dass in § 130 Abs. 2 SGB III in der seit 01.01.2005 geltenden Fassung aufgrund eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers der Begriff "Bemessungszeitraum" nicht in "Bemessungsrahmen" ausgetauscht wurde, bestehen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des Arbeitsförderungsrechts einen feststehenden Bemessungsrahmen eingeführt, um die vielen bis dahin bestehenden diesbezüglichen Sonder- und Ausnahmeregelungen, die geschaffen wurden, um ein hohes Maß an Einzelfallgerechtigkeit zu ermöglichen, die aber sowohl für Fachleute als auch für die Betroffenen nur noch schwer durchschaubar waren und einen hohen Ermittlungsaufwand mit sich bringen konnten, durch weniger komplizierte und damit einfacher handhabbare Regelungen zu ersetzen (siehe BT-Drucks 15/1515 S. 85). Für Versicherte mit Kindererziehungszeiten in zeitlicher Nähe zur Arbeitslosigkeit waren ersichtlich keine Ausnahmen, die den Reformbestrebungen zuwider gelaufen wären, gewollt. Deshalb fehlt es auch an entsprechenden Übergangsregelungen. § 434 d Abs. 2 SGB III sah demgegenüber wegen der zum 01.01.2003 erfolgten Rechtsänderung eine Weitergeltung der zuvor bestehende Rechtslage für hier nicht relevante Übergangszeiträume vor. § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung beinhaltete nämlich die von der Klägerin gewünschte Regelung, dass beispielsweise Betreuungs- und Erziehungszeiten nicht in die Rahmenfrist eingerechnet werden und sich diese damit um solche Zeiten verlängert. Diese Regelung ist aber nur für vor dem 01.01.2003 liegende Kindererziehungs- oder Betreuungszeiten, über die die Klägerin nicht verfügt, weiterhin nach § 434d Abs. 2 SGB III anwendbar (siehe auch Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 29.05.2008, B 11a / 7a AL 64/06 R zur Rdnr. 19 der Wiedergabe bei juris).
Auch wegen der neuen Begrifflichkeiten "Bemessungsrahmen" statt "Rahmenfrist" muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bewusst einen starren einjährigen Bemessungsrahmen (mit Erweiterungsmöglichkeit auf zwei Jahre) eingeführt hat und die bei der Ermittlung des Bemessungszeitraumes gemäß § 130 Abs. 2 SGB III außer Betracht bleibenden Zeiten allein davor schützen sollen, dass bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts Zeiten mit untypisch niedrigem Arbeitsentgelt einfließen (so auch BSG Urteil vom 29.05.2008, B 11a / 7a AL 64/06 R zur Rdnr. 27 bei juris sowie BSG Urteil vom 29.05.2008, B 11a AL 23/07 R zur Rdnr. 23 bei juris). Für eine Auslegung der Vorschriften im Sinne der Klägerin ist deshalb kein Raum. Das BSG (zur Rdnr. 30 der Wiedergabe des zuvor genannten Urteils bei juris) führt bezugnehmend auf die Gesetzesbegründung aus, der Gesetzgeber habe die bisherige sukzessive Erweiterung des Bemessungszeitraumes um einzelne Abrechnungszeiträume ablösen wollen. Daraus folge, dass der Bemessung seit der Rechtsänderung 2005 keine Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr zu Grunde gelegt werden könnten, die nicht wenigstens im erweiterten Bemessungsrahmen liegen. Wegen der strikten Trennung von Bemessungsrahmen und Bemessungszeitraum könnten auch Zeiten, die aufgrund von Sonderregelungen bei der Bestimmung des Bemessungszeitraumes außer Betracht bleiben, zu keiner Ausweitung des rein kalendermäßig ablaufenden Bemessungsrahmens führen (siehe dazu auch BSG Urteil vom 29.05.2008, B 11a AL 23/07 R zur Rdnr. 28f. bei juris sowie Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.03.2011, 1 BvL 13/07 zur Rdnr. 38 bei juris). Dieser überzeugenden Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.
Verfügt die Klägerin mithin auch im auf zwei Jahre verlängerten Bemessungsrahmen über weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, ist gemäß § 132 Abs. 1 SGB III als Bemessungentgelt für das ALG ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das sich nach den in § 132 Abs. 2 SGB III genannten Qualifikationsgruppen bestimmt. Da die Beklagte zutreffend die höchste Qualifikationsgruppe, der das größtmögliche Entgelt zugeordnet ist, der Berechnung zu Grunde gelegt hat, bedarf die Gruppenzuordnung hier keiner näheren Betrachtung.
Die nach den vorgenannten gesetzlichen Regelungen vorzunehmende Bestimmung der Höhe des der Klägerin zustehenden ALG verstößt nicht gegen Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht, so dass die Aussetzung des Verfahrens und Anrufung des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs nicht zu erfolgen hatte.
Der Senat folgt auch insoweit der Rechtsprechung des BSG in den bereits benannten Urteilen vom 29.05.2008. Danach verstoßen die maßgeblichen Regelungen nicht gegen Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz - GG -, weil aus dieser Wertentscheidung der Verfassung in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip keine konkreten Folgerungen abgeleitet werden können, wie in einzelnen Rechtsgebieten und Teilsystemen ein Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist. Insoweit besteht vielmehr eine grundsätzliche Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, weshalb konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen aus dem verfassungsrechtlichen Familienförderungsgebot nicht hergeleitet werden können.
Auch Artikel 6 Abs. 4 GG führt zu keiner anderen Betrachtung. Dies schon deshalb, weil eine fiktive Bemessung als Folge eines schon länger zurückliegenden Arbeitsentgeltbezugs nicht allein Mütter betrifft, sondern insbesondere bei Versicherungspflichtverhältnissen gemäß § 26 SGB III ohne Arbeitsentgeltbezug allgemein in Betracht kommt. Die betroffenen Personengruppen erfüllen zwar die Anwartschaftzeit für ALG, haben jedoch regelmäßig keine oder nur geringe Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt zeitnah zum Anspruch auf ALG zurückgelegt. Die sonstigen Personengruppen sind auch keinesfalls gegenüber Kinder erziehenden zahlenmäßig zu vernachlässigen. Beispielsweise bringt es die Altersstruktur der Bevölkerung mit sich, dass die Zahl derjenigen, die wegen einer Pflegezeit versicherungspflichtig sind, stetig zunimmt. Beim erkennenden Senat sind zudem bereits mehrere Verfahren anhängig geworden, denen eine fiktive Bemessung wegen einer längerfristigen Erkrankung mit anschließender Rehabilitation bzw. befristeter Erwerbsminderungsrente (bei männlichen Versicherten) zu Grunde lag. Der Anwendungsbereich des § 132 SGB III ist mithin vielgestaltig. Unabhängig davon, dass die angegriffenen gesetzlichen Regelungen demgemäß nicht allein oder auch nur überwiegend Mütter betreffen, folgt aus dem Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 4 GG nicht, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung voll umfänglich und ohne Rücksicht auf sonstige Belange auszugleichen. Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, Mütter von der sachgerechten und für alle Versicherten geltenden Regelung auszunehmen, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Höhe der Leistung anhand eines aktualisierten (fiktiven) Arbeitsentgelts zu bemessen ist.
Dies gilt schon deshalb, weil die Regelungen dem sachgerechten Ziel dienen, ALG als Lohnersatzleistung in der Höhe zu bemessen, in der Arbeitsentgelt bei einer typisierenden und pauschalierenden Betrachtung im Moment der Arbeitslosigkeit tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt erzielbar wäre. Dies schließt Absenkungen im Verhältnis zum zuletzt erzielten Arbeitsentgelt nicht aus. Eine Verminderung ist jedoch nicht zwangsläufige Folge. Hat der Arbeitslose beispielsweise eine im Verhältnis zur Qualität seiner Ausbildung nur schlecht vergütete Tätigkeit zuletzt ausgeübt, kann ihm eine fiktive Bemessung sogar zum Vorteil gereichen. Andererseits kann eine Verminderung des Bemessungsentgelts in Betacht kommen, weil nach einer mehrjährigen Unterbrechung des Erwerbslebens die Vermutung nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt ist, dass der Arbeitslose sein letztes Arbeitsentgelt auch im Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung noch auf dem Arbeitsmarkt erzielen kann. Die Forderung der Klägerin, ihr ALG müsse ausgehend von dem zuletzt erzielten Verdienst ermittelt werden, trägt mithin dem Umstand keine Rechnung, dass bei einem mehrjährigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben schon wegen der immer schneller fortschreitenden Veränderungen der Arbeitswelt mit dem Wiedereinstieg in dieselbe jedenfalls nicht unbedingt sofort ein Einkommen in vormaliger Höhe erzielbar ist. Unabhängig von ihren Ursachen schmälert nämlich in der Regel eine längere Zeit der Erwerbslosigkeit die Arbeitsmarktchancen erheblich. Dies bestätigen beispielsweise die besonderen Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen. Im direkten Vergleich zu langjährig durchgehend Beschäftigten sind jedenfalls geringere Einkommen von beruflichen Wiedereinsteigern nicht untypisch. Dies dürfte insbesondere für die zur Leistungsgruppe I gehörenden vorwiegend geistigen Tätigkeiten gelten, während bei einfachen manuellen Arbeiten der unteren Qualifikationsgruppen der hinzunehmende Abschlag schon deshalb geringer ausfallen dürfte, weil diese Tätigkeiten regelmäßig tariflich entlohnt werden, während das Einkommen von Hochschulabsolventen oftmals Ergebnis von Verhandlungen der Arbeitsvertragsparteien ist. Sind die angefochtenen Regelungen mithin sachlich gerechtfertigt, liegt weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor noch handelt es sich um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinien 79/7/EWG, denn die gewählten Mittel dienen einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des Mitgliedsstaates.
Auch die nähere Ausgestaltung der maßgeblichen Regelungen ist verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch insoweit kann auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den bereits benannten Urteilen vom 29. Mai 2008 Bezug genommen werden (siehe auch Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 10.03.2010 und 14.03.2011 1 BvL 11/07 und 1 BvL 13/07). Der Senat ist mit dem BSG der Auffassung, dass der Gesetzgeber von Verfassungswegen nicht gehindert war, pauschalisierende Regelungen zur Bestimmung des Bemessungsentgelts bei länger zurückliegenden Zeiten mit Arbeitsentgelt einzuführen. Damit ist weder das Sicherungsniveau der Arbeitslosenversicherung insgesamt beeinträchtigt worden, noch ist ersichtlich, dass diese Pauschalierung in zahlreichen Fällen zu besonders schwerwiegenden Härten führt. Da die Verdienstmöglichkeiten regelmäßig von der beruflichen Qualifikation abhängig sind, ist die Bemessung nach Qualifikationsgruppen eine geeignete Methode, wenn auf zeitnah vor Eintritt des Versicherungsfalls erzieltes Arbeitsentgelt nicht zurückgegriffen werden kann. Der erkennende Senat schließt sich auch der Einschätzung des BSG an, dass die den einzelnen Qualifikationsgruppen jeweils zugeordneten Arbeitsentgelte nicht als unangemessen zu beanstanden sind. Nach einem längeren Ausscheiden aus dem Erwerbsleben erscheint es vielmehr sachgerecht, die maßgeblichen Entgelte abgestuft anhand der durchschnittlichen Arbeitsentgelte aller Bezieher von ALG zu bestimmen. Jedenfalls ist eine derartige Berechnungsmethode durch den weitreichenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers legitimiert. Die Umstände des Einzelfalls der Klägerin gebieten hier keine andere Beurteilung. Auch wenn die Klägerin durch die fiktive Bemessung nicht unerhebliche Einbußen hat hinnehmen müssen, darf nicht unberücksichtigt bleiben - worauf bereits hingewiesen wurde - dass bei qualitativ hochwertigeren Tätigkeiten die effektiven Lohneinbußen nach mehrjähriger Arbeitsunterbrechung regelmäßig größer ausfallen dürften, als bei einfachen Tätigkeiten.
Die Auffassung der Klägerin, den angefochtenen Bescheiden liege eine nachträgliche Änderung der Rechtslage zu ihrem Nachteil zu Grunde, ist nicht zutreffend. Denn auch nach § 133 Abs. 4 SGB III in der vom 01.08.1999 bis 31.12.2004 geltenden Fassung wäre eine fiktive Bemessung erforderlich gewesen, wenn - so wie hier - innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs nicht mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorhanden waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestanden nicht. Die Rechtslage ist durch die Urteile des BSG vom 29.05.2008 hinreichend geklärt. Die Beschlüsse des Verfassungsgerichts vom 10.03.2010 und 14.03.2011 rechtfertigen keine andere Betrachtung. Die Richtervorlagen wurden als unzulässig angesehen und aus den Entscheidungsgründen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesverfassungsgericht die materielle Rechtslage anders als das BSG beurteilen könnte. Die Revision war auch nicht wegen der beim 11. Senat des BSG derzeit noch anhängigen vier Revisionsverfahren mit vergleichbarem Streitgegenstand zuzulassen. Denn diese Verfahren waren offensichtlich wegen der zwischenzeitlich erfolgten und nunmehr beschiedenen Richtervorlagen an das Bundesverfassungsgericht zum Ruhen gebracht worden. Nach dessen Entscheidung fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, das BSG werde seine bisherige Rechtsprechung aufgeben.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld - ALG - für den Zeitraum vom 01.02.bis 31.07.2006.
Die 1967 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen. Zuletzt war sie seit Februar 2000 als "Competencemanagerin" beschäftigt. Ihr monatliches Bruttogehalt betrug 2001 10.052,- DM. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden bis zur damaligen Beitragsbemessungsgrenze (8.700,- DM) abgeführt. Versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt hatte sie zuletzt im August 2001 erhalten. Wegen der Geburt ihres Kindes am 24.09.2001 war sie ab 12.08.2001 in Mutterschutz. Danach ruhte das Arbeitsverhältnis, da sich die Klägerin in Elternzeit, während der ihr zweites Kind am 08.08.2003 geboren wurde, befand. Das Arbeitsverhältnis wurde, ohne dass die Klägerin ihre Beschäftigung wieder aufgenommen hatte, beendet. Der Arbeitgeber hatte der Klägerin mit der Begründung, ihr Arbeitsplatz sei weggefallen, den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit Abfindung angeboten. Eine von der Klägerin erhobene Beschäftigungsklage endete mit einem am 12.08.2005 protokollierten gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 31.01.2006 endete und aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin eine Abfindung von 50.000,- EUR gezahlt wurde.
Zum 01.02.2006 meldete sich die Klägerin, auf deren Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III zu Jahresbeginn eingetragen war, arbeitslos und beantragte die Gewährung von ALG. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 25.01.2006 ALG ab 01.02.2006 mit einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen zu einem täglichen Leistungsbetrag von 45,90 EUR, ermittelt aus einem täglichen Bemessungsentgelt von 98,- EUR (Leistungsentgelt 68,51 EUR, Prozentsatz 67). Den dagegen unter anderem wegen der Leistungshöhe eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2006 zurück. Der Klägerin sei unter Berücksichtigung ihres Lebensalters ALG mit der größtmöglichen Anspruchsdauer bewilligt worden. Auch die Leistungshöhe sei nicht zu beanstanden. Da auch im auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen (hier: 01.02.2004 - 31.01.2006) weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten seien, habe gemäß § 132 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III - als Bemessungentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt bestimmt werden müssen. Zu Gunsten der Klägerin sei das höchstmögliche Arbeitsentgelt von einem 300stel der Bezugsgröße entsprechend der Qualifikationsgruppe 1 nach § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III zu Grunde gelegt worden, da sie über eine Hochschulausbildung verfüge. Dieser Qualifikationsstufe entspreche ein tägliches Bemessungsentgelt von 98,- EUR, das unter Berücksichtigung von Steuerklasse und Kinderfreibeträgen zu einem erhöhten Leistungssatz von täglich 45,90 EUR führe.
Mit der dagegen gerichteten Klage vom 02. Mai 2006 hat die Klägerin geltend gemacht, ihr müsse ALG in einer Höhe gewährt werden, die sich ergebe, wenn der Zeitraum der Elternzeit außer Acht gelassen werde. Durch die fiktive Bemessung werde sie trotz Zugrundelegung der höchsten Qualifikationsgruppe erheblich benachteiligt, weil ihr ausgehend vom zuletzt durchschnittlich erzielten monatlichen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt ALG nach einem Bemessungsentgelt von 145,61 EUR zustehe. Dies abzulehnen stelle einen Verstoß gegen die Art. 3, 6 und 14 des Grundgesetzes sowie gegen Gemeinschaftsrecht dar, weil eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts durch die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften erfolge. § 130 Abs. 2 SGB III sehe zwar vor, dass bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums Zeiten, in denen der Arbeitslose Erziehungsgeld bezogen bzw. Kinder unter drei Jahren betreut habe, außer Betracht blieben. Durch die starre Begrenzung des Bemessungsrahmens auf maximal zwei Jahre könnten sich diese Schutzvorschriften jedoch jedenfalls dann nicht auswirken, wenn der Anspruch auf Elternzeit voll ausgeschöpft werde. Die fiktive Bemessung als gesetzliche Folge führe in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer Schlechterstellung des Versicherten wegen Wahrnehmung von elterlichen Pflichten. Da in Deutschland weit überwiegend Mütter Elternzeit in Anspruch nähmen, führe dies zu einer mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung.
Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass § 132 SGB III erst während der von ihr genommenen Elternzeit neu gefasst worden sei und sie deshalb keine Möglichkeit gehabt habe, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen. Die sie benachteiligenden gesetzlichen Regelungen beruhten zudem auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers, der ausweislich der Gesetzesbegründung mit der Rechtsänderung keine Leistungseinschränkungen für Bezieher von ALG beabsichtigt habe. Dies könne aber beispielsweise nach Erziehungszeiten nur dadurch sichergestellt werden, dass die entsprechenden Zeiträume nicht nur bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums - wie es § 130 Abs. 2 SGB III vorsehe -, sondern auch bei der Festlegung des Bemessungsrahmens außer Betracht blieben. Das einer verfassungskonformen Auslegung durch die Gerichte zugängliche Redaktionsversehen des Gesetzgebers bestehe deshalb in der fehlenden Anpassung des Begriffs "Bemessungszeitraum" an die neu eingeführte Terminologie des "Bemessungsrahmens". Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15.08.2006 antragsgemäß einen Gründungszuschuss für die Zeit vom 01.08.2006 bis 30.04.2007 in Höhe von monatlich 1.677,- EUR wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bewilligt. Als Rechtsmittelbelehrung enthielt der Bescheid einen Hinweis auf einen dagegen zulässigen Widerspruch. Die Klägerin hat den Widerspruch nicht eingelegt, sondern mit Schriftsatz vom 17.10.2006 beantragt, den Beschied vom 15.08.2006 analog § 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in das laufende Verfahren einzubeziehen. Dies sei geboten, weil der Gründungszuschuss sich gemäß § 58 SGB III nach der Höhe des zuletzt bezogenen ALG richte.
Nach zwischenzeitlichem Ruhen des Rechtsstreits wegen beim Bundessozialgericht und beim Bundesverfassungsgericht anhängiger Verfahren mit vergleichbarem Streitgegenstand hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 30.12.2011 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe unter richtiger Anwendung der gesetzlichen Vorschriften ein fiktives Bemessungsentgelt von 98,- EUR ermittelt, das bei Zugrundelegung der Steuerklasse III und dem erhöhten Leistungssatz zu einem täglichen Anspruch in Höhe von 45,90 EUR führe. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf Urteile vom 29.05.2008, B 11a / 7a AL 45/06 R und B 11a AL 23/07 R) halte das Gericht die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften für verfassungsgemäß und europarechtskonform. Der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Unzulässig sei die Klage, soweit sie sich gegen den Bescheid vom 15.08.2006 richte. Da dieser weder den Bescheid über die Bewilligung von ALG abändere, noch ersetze, sondern eine Regelung über eine andere Leistung treffe, sei dieser Verwaltungsakt nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Eine analoge Anwendung von § 96 SGG komme schon deshalb nicht in Betracht, weil dies nicht prozessökonomisch wäre.
Gegen das ihr am 10.01.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.01.2011 Berufung eingelegt und sich zu deren Begründung voll umfänglich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag bezogen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.12.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2006 zu verurteilen, ihr höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung des vor der Elternzeit bezogenen Arbeitsentgeltes zu gewähren,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeizuführen, ob § 130 Abs. 2 Nr. 3 iVm § 132 SGB III gegen die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 verstößt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide und das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Frage der Berechnung des Gründungszuschusses haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verglichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die übrigen Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Die die Klägerin betreffenden Leistungsakten der Beklagten haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere ist die Berufung wegen des Streitwertes nicht ausgeschlossen, denn die von der Klägerin gewünschte Berechnung würde zu kalendertäglichen (siehe § 134 SGB III) Mehrleistungen von 16,20 EUR führen, so dass auch bezogen auf den beschränkten Zeitraum von Februar bis Juli 2006, in dem von ihr ALG bezogen wurde, ein Wert des Beschwerdegegenstandes von über 750 EUR gegeben ist.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Der Klägerin, die sämtliche Anspruchsvoraussetzungen (siehe § 118 SGB III) für den Bezug von ALG im fraglichen Zeitraum erfüllt, stehen keine höheren Leistungen zu. Die Beklagte hat die Leistungshöhe unter richtiger Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zutreffend ermittelt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und in dem erstinstanzlichen Urteil gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Die von der Klägerin gegen die Berechnung der Leistungshöhe vorgebrachten Einwendungen vermögen nicht zu überzeugen.
Anhaltspunkte dafür, dass in § 130 Abs. 2 SGB III in der seit 01.01.2005 geltenden Fassung aufgrund eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers der Begriff "Bemessungszeitraum" nicht in "Bemessungsrahmen" ausgetauscht wurde, bestehen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des Arbeitsförderungsrechts einen feststehenden Bemessungsrahmen eingeführt, um die vielen bis dahin bestehenden diesbezüglichen Sonder- und Ausnahmeregelungen, die geschaffen wurden, um ein hohes Maß an Einzelfallgerechtigkeit zu ermöglichen, die aber sowohl für Fachleute als auch für die Betroffenen nur noch schwer durchschaubar waren und einen hohen Ermittlungsaufwand mit sich bringen konnten, durch weniger komplizierte und damit einfacher handhabbare Regelungen zu ersetzen (siehe BT-Drucks 15/1515 S. 85). Für Versicherte mit Kindererziehungszeiten in zeitlicher Nähe zur Arbeitslosigkeit waren ersichtlich keine Ausnahmen, die den Reformbestrebungen zuwider gelaufen wären, gewollt. Deshalb fehlt es auch an entsprechenden Übergangsregelungen. § 434 d Abs. 2 SGB III sah demgegenüber wegen der zum 01.01.2003 erfolgten Rechtsänderung eine Weitergeltung der zuvor bestehende Rechtslage für hier nicht relevante Übergangszeiträume vor. § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung beinhaltete nämlich die von der Klägerin gewünschte Regelung, dass beispielsweise Betreuungs- und Erziehungszeiten nicht in die Rahmenfrist eingerechnet werden und sich diese damit um solche Zeiten verlängert. Diese Regelung ist aber nur für vor dem 01.01.2003 liegende Kindererziehungs- oder Betreuungszeiten, über die die Klägerin nicht verfügt, weiterhin nach § 434d Abs. 2 SGB III anwendbar (siehe auch Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 29.05.2008, B 11a / 7a AL 64/06 R zur Rdnr. 19 der Wiedergabe bei juris).
Auch wegen der neuen Begrifflichkeiten "Bemessungsrahmen" statt "Rahmenfrist" muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bewusst einen starren einjährigen Bemessungsrahmen (mit Erweiterungsmöglichkeit auf zwei Jahre) eingeführt hat und die bei der Ermittlung des Bemessungszeitraumes gemäß § 130 Abs. 2 SGB III außer Betracht bleibenden Zeiten allein davor schützen sollen, dass bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts Zeiten mit untypisch niedrigem Arbeitsentgelt einfließen (so auch BSG Urteil vom 29.05.2008, B 11a / 7a AL 64/06 R zur Rdnr. 27 bei juris sowie BSG Urteil vom 29.05.2008, B 11a AL 23/07 R zur Rdnr. 23 bei juris). Für eine Auslegung der Vorschriften im Sinne der Klägerin ist deshalb kein Raum. Das BSG (zur Rdnr. 30 der Wiedergabe des zuvor genannten Urteils bei juris) führt bezugnehmend auf die Gesetzesbegründung aus, der Gesetzgeber habe die bisherige sukzessive Erweiterung des Bemessungszeitraumes um einzelne Abrechnungszeiträume ablösen wollen. Daraus folge, dass der Bemessung seit der Rechtsänderung 2005 keine Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr zu Grunde gelegt werden könnten, die nicht wenigstens im erweiterten Bemessungsrahmen liegen. Wegen der strikten Trennung von Bemessungsrahmen und Bemessungszeitraum könnten auch Zeiten, die aufgrund von Sonderregelungen bei der Bestimmung des Bemessungszeitraumes außer Betracht bleiben, zu keiner Ausweitung des rein kalendermäßig ablaufenden Bemessungsrahmens führen (siehe dazu auch BSG Urteil vom 29.05.2008, B 11a AL 23/07 R zur Rdnr. 28f. bei juris sowie Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.03.2011, 1 BvL 13/07 zur Rdnr. 38 bei juris). Dieser überzeugenden Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.
Verfügt die Klägerin mithin auch im auf zwei Jahre verlängerten Bemessungsrahmen über weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, ist gemäß § 132 Abs. 1 SGB III als Bemessungentgelt für das ALG ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das sich nach den in § 132 Abs. 2 SGB III genannten Qualifikationsgruppen bestimmt. Da die Beklagte zutreffend die höchste Qualifikationsgruppe, der das größtmögliche Entgelt zugeordnet ist, der Berechnung zu Grunde gelegt hat, bedarf die Gruppenzuordnung hier keiner näheren Betrachtung.
Die nach den vorgenannten gesetzlichen Regelungen vorzunehmende Bestimmung der Höhe des der Klägerin zustehenden ALG verstößt nicht gegen Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht, so dass die Aussetzung des Verfahrens und Anrufung des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs nicht zu erfolgen hatte.
Der Senat folgt auch insoweit der Rechtsprechung des BSG in den bereits benannten Urteilen vom 29.05.2008. Danach verstoßen die maßgeblichen Regelungen nicht gegen Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz - GG -, weil aus dieser Wertentscheidung der Verfassung in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip keine konkreten Folgerungen abgeleitet werden können, wie in einzelnen Rechtsgebieten und Teilsystemen ein Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist. Insoweit besteht vielmehr eine grundsätzliche Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, weshalb konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen aus dem verfassungsrechtlichen Familienförderungsgebot nicht hergeleitet werden können.
Auch Artikel 6 Abs. 4 GG führt zu keiner anderen Betrachtung. Dies schon deshalb, weil eine fiktive Bemessung als Folge eines schon länger zurückliegenden Arbeitsentgeltbezugs nicht allein Mütter betrifft, sondern insbesondere bei Versicherungspflichtverhältnissen gemäß § 26 SGB III ohne Arbeitsentgeltbezug allgemein in Betracht kommt. Die betroffenen Personengruppen erfüllen zwar die Anwartschaftzeit für ALG, haben jedoch regelmäßig keine oder nur geringe Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt zeitnah zum Anspruch auf ALG zurückgelegt. Die sonstigen Personengruppen sind auch keinesfalls gegenüber Kinder erziehenden zahlenmäßig zu vernachlässigen. Beispielsweise bringt es die Altersstruktur der Bevölkerung mit sich, dass die Zahl derjenigen, die wegen einer Pflegezeit versicherungspflichtig sind, stetig zunimmt. Beim erkennenden Senat sind zudem bereits mehrere Verfahren anhängig geworden, denen eine fiktive Bemessung wegen einer längerfristigen Erkrankung mit anschließender Rehabilitation bzw. befristeter Erwerbsminderungsrente (bei männlichen Versicherten) zu Grunde lag. Der Anwendungsbereich des § 132 SGB III ist mithin vielgestaltig. Unabhängig davon, dass die angegriffenen gesetzlichen Regelungen demgemäß nicht allein oder auch nur überwiegend Mütter betreffen, folgt aus dem Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 4 GG nicht, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung voll umfänglich und ohne Rücksicht auf sonstige Belange auszugleichen. Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, Mütter von der sachgerechten und für alle Versicherten geltenden Regelung auszunehmen, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Höhe der Leistung anhand eines aktualisierten (fiktiven) Arbeitsentgelts zu bemessen ist.
Dies gilt schon deshalb, weil die Regelungen dem sachgerechten Ziel dienen, ALG als Lohnersatzleistung in der Höhe zu bemessen, in der Arbeitsentgelt bei einer typisierenden und pauschalierenden Betrachtung im Moment der Arbeitslosigkeit tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt erzielbar wäre. Dies schließt Absenkungen im Verhältnis zum zuletzt erzielten Arbeitsentgelt nicht aus. Eine Verminderung ist jedoch nicht zwangsläufige Folge. Hat der Arbeitslose beispielsweise eine im Verhältnis zur Qualität seiner Ausbildung nur schlecht vergütete Tätigkeit zuletzt ausgeübt, kann ihm eine fiktive Bemessung sogar zum Vorteil gereichen. Andererseits kann eine Verminderung des Bemessungsentgelts in Betacht kommen, weil nach einer mehrjährigen Unterbrechung des Erwerbslebens die Vermutung nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt ist, dass der Arbeitslose sein letztes Arbeitsentgelt auch im Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung noch auf dem Arbeitsmarkt erzielen kann. Die Forderung der Klägerin, ihr ALG müsse ausgehend von dem zuletzt erzielten Verdienst ermittelt werden, trägt mithin dem Umstand keine Rechnung, dass bei einem mehrjährigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben schon wegen der immer schneller fortschreitenden Veränderungen der Arbeitswelt mit dem Wiedereinstieg in dieselbe jedenfalls nicht unbedingt sofort ein Einkommen in vormaliger Höhe erzielbar ist. Unabhängig von ihren Ursachen schmälert nämlich in der Regel eine längere Zeit der Erwerbslosigkeit die Arbeitsmarktchancen erheblich. Dies bestätigen beispielsweise die besonderen Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen. Im direkten Vergleich zu langjährig durchgehend Beschäftigten sind jedenfalls geringere Einkommen von beruflichen Wiedereinsteigern nicht untypisch. Dies dürfte insbesondere für die zur Leistungsgruppe I gehörenden vorwiegend geistigen Tätigkeiten gelten, während bei einfachen manuellen Arbeiten der unteren Qualifikationsgruppen der hinzunehmende Abschlag schon deshalb geringer ausfallen dürfte, weil diese Tätigkeiten regelmäßig tariflich entlohnt werden, während das Einkommen von Hochschulabsolventen oftmals Ergebnis von Verhandlungen der Arbeitsvertragsparteien ist. Sind die angefochtenen Regelungen mithin sachlich gerechtfertigt, liegt weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor noch handelt es sich um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinien 79/7/EWG, denn die gewählten Mittel dienen einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des Mitgliedsstaates.
Auch die nähere Ausgestaltung der maßgeblichen Regelungen ist verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch insoweit kann auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den bereits benannten Urteilen vom 29. Mai 2008 Bezug genommen werden (siehe auch Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 10.03.2010 und 14.03.2011 1 BvL 11/07 und 1 BvL 13/07). Der Senat ist mit dem BSG der Auffassung, dass der Gesetzgeber von Verfassungswegen nicht gehindert war, pauschalisierende Regelungen zur Bestimmung des Bemessungsentgelts bei länger zurückliegenden Zeiten mit Arbeitsentgelt einzuführen. Damit ist weder das Sicherungsniveau der Arbeitslosenversicherung insgesamt beeinträchtigt worden, noch ist ersichtlich, dass diese Pauschalierung in zahlreichen Fällen zu besonders schwerwiegenden Härten führt. Da die Verdienstmöglichkeiten regelmäßig von der beruflichen Qualifikation abhängig sind, ist die Bemessung nach Qualifikationsgruppen eine geeignete Methode, wenn auf zeitnah vor Eintritt des Versicherungsfalls erzieltes Arbeitsentgelt nicht zurückgegriffen werden kann. Der erkennende Senat schließt sich auch der Einschätzung des BSG an, dass die den einzelnen Qualifikationsgruppen jeweils zugeordneten Arbeitsentgelte nicht als unangemessen zu beanstanden sind. Nach einem längeren Ausscheiden aus dem Erwerbsleben erscheint es vielmehr sachgerecht, die maßgeblichen Entgelte abgestuft anhand der durchschnittlichen Arbeitsentgelte aller Bezieher von ALG zu bestimmen. Jedenfalls ist eine derartige Berechnungsmethode durch den weitreichenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers legitimiert. Die Umstände des Einzelfalls der Klägerin gebieten hier keine andere Beurteilung. Auch wenn die Klägerin durch die fiktive Bemessung nicht unerhebliche Einbußen hat hinnehmen müssen, darf nicht unberücksichtigt bleiben - worauf bereits hingewiesen wurde - dass bei qualitativ hochwertigeren Tätigkeiten die effektiven Lohneinbußen nach mehrjähriger Arbeitsunterbrechung regelmäßig größer ausfallen dürften, als bei einfachen Tätigkeiten.
Die Auffassung der Klägerin, den angefochtenen Bescheiden liege eine nachträgliche Änderung der Rechtslage zu ihrem Nachteil zu Grunde, ist nicht zutreffend. Denn auch nach § 133 Abs. 4 SGB III in der vom 01.08.1999 bis 31.12.2004 geltenden Fassung wäre eine fiktive Bemessung erforderlich gewesen, wenn - so wie hier - innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs nicht mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorhanden waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestanden nicht. Die Rechtslage ist durch die Urteile des BSG vom 29.05.2008 hinreichend geklärt. Die Beschlüsse des Verfassungsgerichts vom 10.03.2010 und 14.03.2011 rechtfertigen keine andere Betrachtung. Die Richtervorlagen wurden als unzulässig angesehen und aus den Entscheidungsgründen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesverfassungsgericht die materielle Rechtslage anders als das BSG beurteilen könnte. Die Revision war auch nicht wegen der beim 11. Senat des BSG derzeit noch anhängigen vier Revisionsverfahren mit vergleichbarem Streitgegenstand zuzulassen. Denn diese Verfahren waren offensichtlich wegen der zwischenzeitlich erfolgten und nunmehr beschiedenen Richtervorlagen an das Bundesverfassungsgericht zum Ruhen gebracht worden. Nach dessen Entscheidung fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, das BSG werde seine bisherige Rechtsprechung aufgeben.
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