L 1 R 246/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 R 598/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 246/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin streitet mit der Beklagten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1973 geborene Klägerin durchlief eine Ausbildung zur Handelsfachpackerin und arbeitete, unterbrochen durch Zeiten der beruflichen Fortbildung und Arbeitslosigkeit, als Verkäuferin und Kassiererin. Am 20. April 2007 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, dass sie wegen einer Operation am Kopf 1998 (Entfernung einer Zyste am Gehirn), Kopfschmerzen, Kreislaufproblemen (zu niedriger Blutdruck), Schwindel und Schmerzen des linken Armes beim Heben keine Arbeiten mehr verrichten könne. Die Beklagte beauftragte Dr. J., Facharzt f. Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Erstellung eines Gutachtens auf seinem Fachgebiet. In seinem Gutachten vom 16. Mai 2007 kam der Gutachter u. Zugrundelegung der Diagnose

leichte depressive Episode

zu der Einschätzung, dass die Klägerin weder leistungsgemindert noch ihr Leistungsvermögen gefährdet sei. Sie sei als Verkäuferin sechs Stunden und mehr einsetzbar. Mit Bescheid vom 20. Juni 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege. Am 29. Juni 2007 erhob die Klägerin Widerspruch, da die bei ihr bestehenden medizinischen Probleme nicht gewürdigt worden seien. Sie könne den linken Arm nicht richtig heben und habe Kreislaufprobleme. Die Beklagte beauftragte Dr. B., Facharzt f. Orthopädie, Chirotherapie und Homöopathie, mit der Erstellung eines Gutachtens auf orthopädischem Gebiet. In seinem Gutachten vom 10. August 2007 kam der Gutachter unter Zugrundelegung der Diagnosen

lumbales Wirbelsäulenschmerzsyndrom mit gesicherten ligamentären und myalgiformen Veränderungen sowie segmentalen Funktionsstörungen,

chronisches cervikales Wirbelsäulenschmerzsyndrom mit gesicherten myalgiformen und segmentalen Funktionsstörungen,

Arthralgie beider Schultergelenke und

chronischer Kopfschmerz

zu der Einschätzung, dass sich für die Klägerin Einschränkungen hinsichtlich anhaltender schwerer wirbelsäulenbeanspruchender Tätigkeiten ergäben. Als Verkäuferin sei sie jedoch vollzeitig leistungsfähig. Zu vermeiden seien anhaltende Wirbelsäulenbelastungen und Überkopfarbeiten, das Heben und Tragen schwerer Lasten, anhaltende statische Zwangshaltungen und extreme klimatische Bedingungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 29. November 2007 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Die Hautärztin, Dipl.-Med. K., hat unter dem 8. Januar 2008 mitgeteilt, die Klägerin leide an Juckreiz, Rötungen, Schuppungen und brennenden Hauterscheinungen im Gesicht. Eine Arbeitsunfähigkeit habe nicht bestanden. Hinsichtlich der Beschwerden sei der Verlauf bei zeitweiligen Verbesserungen und Verschlechterungen wechselhaft. Dr. Dr. S., die behandelnde Psychiaterin., hat in ihrem Befundbericht vom 14. Januar 2008 mitgeteilt, die Klägerin leide an einem depressiven Syndrom leichter Ausprägung. Vom 16. August 2006 bis zum 6. November 2006 sei sie deswegen krankgeschrieben gewesen. Das Syndrom habe sich nach Medikamentengabe gebessert. Nach der Entfernung eines gutartigen Tumors 1998 wären keine Rezidive aufgetreten. Nach dem Befundbericht des Frauenarztes Dipl.-Med. R. vom 16. Januar 2008 ist bei der Klägerin Ende September 2007 im Krankenhaus K. eine vaginale Hysterektomie ohne Adnexe durchgeführt worden. Deshalb sei sie durch ihn vom 18. September 2007 bis zum 14. Januar 2008 krankgeschrieben worden. Nach der Operation sei es zu einer Besserung einer bei der Klägerin bestehenden Anämie und Dysmenorrhoe gekommen. Neu seien klimakterische Beschwerden. Dr. K., Fachärztin f. Innere Medizin, hat in ihrem Befundbericht vom 28. Januar 2008 mitgeteilt, dass die Klägerin an einem euthyreoten Knotenstruma, Hämorrhoiden und einer vegetativen Dysregulation leide. Außerdem neige sie zu niedrigem Blutdruck. Arbeitsunfähigkeit habe sie, Dr. K., nicht bescheinigt. Hauptsächlich habe sie das kleine euthyreote Knotenstruma behandelt. Aus einem von Dr. K. eingereichten Vermerk ergibt sich, dass sich im Juni 2007 bei einer Schilddrüsenuntersuchung der Klägerin keine sichtbaren Knoten oder Zysten gezeigt haben. Mit Urteil vom 23. Juni 2008 hat das SG die Klage abgewiesen, da die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Dies folge aus den Gutachten von Dr. J. und Dr. B ... Aus den eingeholten Befundberichten ergäben sich keine abweichenden Gesichtspunkte.

Gegen das ihr am 9. Juli 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. August 2008 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Die Berufung ist nicht begründet worden. Mit Beschluss vom 24. Februar 2011 hat das Gericht einen Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Juni 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf deren Inhalt verwiesen.

II.

Der Senat konnte die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die erforderliche Anhörung der Beteiligten ist erfolgt. Bei seiner nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung, durch Beschluss zu entscheiden, hat der Senat unter anderem berücksichtigt, dass es sich um einen einfachen Sachverhalt handelt, die Klägerin fachkundig vertreten ist und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG persönlich anwesend war und so ihren Standpunkt darstellen konnte.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, weil der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2007 die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da sie keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung hat.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI, in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19. Februar 2002, BGBl. I S. 754) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (Fassung ab 1. Januar 2008: bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (siehe Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung, RV – Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I S. 554)) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie u. a. teilweise erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist jedoch nach § 43 Abs. 3 Erster Halbsatz SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Bei der Klägerin liegt ungeachtet der anderen Voraussetzungen bereits keine teilweise bzw. volle Erwerbsminderung vor.

Für das Gericht steht aufgrund der durch die Beklagte eingeholten Gutachten fest, dass die Klägerin zumindest noch leichte Tätigkeiten unter Vermeidung anhaltender Wirbelsäulenbelastungen und Überkopfarbeiten, ohne das Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne anhaltende statische Zwangshaltungen und ohne extreme klimatische Bedingungen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Wochentagen ausüben kann. Die bei der Klägerin bestehenden orthopädischen Probleme werden mit den qualitativen Einschränkungen berücksichtigt. Eine quantitative Einschränkung ergibt sich aus den erhobenen Befunden nicht. Auch die von der Klägerin geschilderten Beschwerden begründen keine quantitative Leistungseinschränkung. Die Kreislaufprobleme, die auf den niedrigen Blutdruck zurückzuführen sind, waren auch kein Grund für die behandelnde Internistin, die Klägerin krankzuschreiben. Im Übrigen hat sich nach der Operation 2007, mit der auch der Blutarmut der Klägerin begegnet werden sollte, der Zustand gebessert. Auch bei der vorliegenden Depression ist es nach der Medikamentengabe zu einer Besserung gekommen. Sofern die Klägerin noch Schwindel beklagt, würden hieraus nur qualitative Einschränkungen folgen: keine Arbeit an laufenden Maschinen oder auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr. Auch die Probleme mit dem linken Arm begründen keine quantitativen Einschränkungen. Der gutartige Tumor, der 1998 operiert worden ist, zeigte keine Rezidive. Die Hauterkrankungen schließen eine mindestens sechsstündige Tätigkeit ebenfalls nicht aus.

Da die Klägerin 1973 geboren wurde, hat sie keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach den §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1 SGB VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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