L 3 U 137/11 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 U 61/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 137/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 29. April 2011 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Der Streitwert wird auf 442,61 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, ein Bauunternehmen und als solches Mitglied der Antragsgegnerin, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen einen Haftungsbescheid.

Im Rahmen des Bauvorhabens des Bezirksamtes M von B "Waldpflanzengarten" am E (L Kanal), welches ein Gesamtauftragsvolumen von 794.099,18 Euro brutto hatte, war die Antragstellerin mit Mauerwerksanierungsarbeiten im Umfang von insgesamt 470.304,52 Euro brutto beauftragt worden. Einen Teil der Bauleistungen ließ sie im Jahr 2005 von der U-Bau GmbH erbringen. Die U-Bau GmbH stellte mit Abschlagsrechnungen vom 06. Juni, 27. Juni und 18. Juli 2005 der Antragstellerin für ausgeführte Bauleistungen am Bauvorhaben "L Kanal" in Berlin insgesamt 87.177,42 Euro netto in Rechnung. Durch Beschluss des Amtsgerichts P vom 21. November 2005 (35 IN 1208/05) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U Bau GmbH eröffnet.

Nachdem die Antragsgegnerin bei der U Bau GmbH eine Betriebsprüfung durchgeführt sowie der Insolvenzverwalter den Lohnnachweis für die Zeit vom 01. Januar bis zum 20. November 2005 (Lohnsumme für den Gewerbezweig Hochbau aller Art: 316.521,- Euro) erstellt hatte, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 07. Juni 2006 die noch offenen Beiträge für das Jahr 2005 i. H. v. 6.950,70 Euro (= 20.855,20 Euro abzgl. geleistete Teilzahlungen i. H. v. 14.427,- Euro und zzgl. Säumniszuschlag i. H. v. 522,59 Euro) fest und forderte diese vom Insolvenzverwalter an. Eine Befriedigung der in die Tabelle aufgenommenen Beitragsforderung erfolgte im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht.

Mit Schreiben vom 15. September 2010 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur beabsichtigten Inanspruchnahme für die offenen Beitragsverpflichtungen der U-Bau GmbH aus dem Jahr 2005 nach § 150 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. § 28e Abs. 3a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) an. Hierbei wies sie auf die Wertgrenze in § 28e Abs. 3d SGB IV (500.000,- Euro) wie auch auf die Exkulpationsmöglichkeit nach § 28e Abs. 3b SGB IV hin. Daraufhin führte die Antragstellerin aus, ihr Gesamtauftragsvolumen für das Bauvorhaben "L Kanal" habe insgesamt nur 470.304,52 Euro betragen, wie sich aus der Zahlungsfreigabe des bauleitenden Architekten des Bezirksamtes M von B, der Fa. H, ergebe.

Auf Nachfragen der Antragsgegnerin übermittelte die Fa. H die Gesamtrechnungsübersicht für das Bauvorhaben "Waldpflanzengarten" (794.099,18 Euro; davon entfielen 470.304,52 Euro auf die Bauleistungen der Antragstellerin, weitere 35.126,15 Euro auf die Sanierung von Mauerwerk durch einen anderen Unternehmer, 68.562,15 Euro auf Stahlbauarbeiten, 11.953,72 Euro auf Tiefbrunnenarbeiten und 208.152,64 Euro auf den Waldpflanzengarten).

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 nahm die Antragsgegnerin die Antragstellerin aufgrund des Bauauftrages "E (L Kanal)" für die Beitragsrückstände der U-Bau GmbH für das Jahr 2005 i. H. v. 885, 22 Euro gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII i. V. m. § 28e Abs. 3a SGB IV in Anspruch. Sie legte dar, dass die bei der Ausführung des Auftrages angefallenen Arbeitsentgelte mangels detaillierter Angaben der Antragstellerin geschätzt worden seien. Hierbei sei man nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter Berücksichtigung eines Materialanteils von 50 % der Nettoauftragssumme bei einem Nettoauftragsvolumen von 87.177,42 Euro von beitragspflichtigen Arbeitsentgelten für das Jahr 2005 i. H. v. 43.588,- Euro ausgegangen. Die auf die ursprünglichen Beiträge von der U-Bau GmbH geleisteten Teilzahlungen seien anteilig auf die Haftungsforderung angerechnet worden, so dass sich statt eines Betrages von 2.871,95 Euro der Betrag von 885,22 Euro ergebe. Neben der Antragstellerin sei für das Jahr 2005 ein weiterer Auftraggeber als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden.

Am 26. Januar 2011 erhob die Antragstellerin Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung aus dem Haftungsbescheid.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2011 wies die Antragsgegnerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung zurück, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes. Zudem lägen Anhaltspunkte für eine unbillige Härte nicht vor.

Am 14. April 2011 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Potsdam Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen den Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2010 gestellt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Beitragsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig, denn die Berechnungen der Antragsgegnerin seien nicht nachvollziehbar und aus den Verwaltungsvorgängen würde sich hierzu nichts ergeben. Zudem lägen die Voraussetzungen für eine Beitragshaftung nicht vor, da die Bauleistungen am Bauwerk "L Kanal" keinen Gesamtwert von 500.000,- Euro erreicht hätten. Auch sei der Bescheid wegen Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör rechtswidrig. Der Verwaltungsvorgang bestehe nur aus einzelnen Kopien, die Feststellungen des Betriebsprüfers sowie die Bezifferung der Ausgangszahlen für die Berechnungen würden dem Haftungsschuldner nicht offen gelegt.

Das SG Potsdam hat den Antrag mit Beschluss vom 29. April 2011, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, zurückgewiesen.

Gegen den ihr am 05. Mai 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 06. Juni 2005 Beschwerde eingelegt. Sie hat ausgeführt, nach einer telefonischen Auskunft der Fa. H entfalle nur ein Teil der Gesamtauftragssumme auf Baukosten, ca. 300.000,- Euro würden auf Gartenbauleistungen für anzulegende Wege in der Parklandschaft entfallen und damit nicht der Zuständigkeit der Antragstellerin unterliegen. Abgesehen davon habe die U-Bau GmbH vor Auftragsgewährung auf ihre Bitten hin eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister sowie eine Bescheinigung über die Aktualisierung im Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis (ULV) der Stadt P für ihr Gewerk vorgelegt. Diese ursprünglich im Interesse der öffentlichen Hand geführte Zertifizierung weise heute Allgemeincharakter auf und gewähre Vertrauen dahingehend, dass zur Erreichung dieser Zertifizierung von dem Unternehmen Erklärungen zur fehlenden Insolvenz sowie Nachweise über die Zahlung von Steuern, Beiträgen an die Krankenkasse, Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Berufsgenossenschaften etc. vorgelegt worden seien. Im Rechtsverkehr sei es üblich und allgemein anerkannt, dass ein derartiges Unternehmen, welches die ULV-Zertifizierung nachweise, auch die entsprechenden Unbedenklichkeitsbescheinigungen zeitnah weiterhin gegenüber der Zertifizierungsstelle einreiche bzw. bisher eingereicht habe. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Antragstellerin die Bescheinigung über die Aktualisierung im ULV der Stadt P vom 08. September 2004 (Gültigkeit bis zum 07. September 2005) für die U-Bau GmbH, die Auskunft aus dem Gewerbezentralregister vom 21. Januar 2005 betreffend die U-Bau GmbH und die Vertragsbedingungen für die Eintragung in das gemeinsame Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis für öffentliche Aufträge (ULV – VOB und VOL –) der Länder Berlin und Brandenburg (unterzeichnet von der Antragstellerin am 29. Juni 2007) in Kopie zur Akte gereicht.

Die Antragsgegnerin hat hierzu u. a. vorgetragen, die vorgelegten Vertragsbedingungen für die Eintragung in das gemeinsame ULV würden nicht für die Jahre 2004/2005 gelten. Zudem sei diesen zu entnehmen, dass selbst bei bestehenden Beitragsrückständen eine Eintragung in das ULV vorgenommen werde. Insoweit könne dadurch keine Exkulpation nach § 28e Abs. 3b SGB VI bewirkt werden. Hierfür seien in der Regel entsprechende Unbedenklichkeitsbescheinigungen der zuständigen Berufsgenossenschaft für den gesamten Bauzeitraum erforderlich und ausreichend. Solch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung habe die Antragstellerin offensichtlich nicht von ihren Nachunternehmen gefordert. Im Übrigen sei von der Gesamtauftragssumme bzgl. des Bauvorhabens "L Kanal" auszugehen. Ein Bauwerk sei ein wesentlich mit Mitteln und Techniken des Hoch- und Tiefbaus erstelltes Objekt, welches nach funktionalen Gesichtspunkten oder den Zielvorstellungen und Plänen der Bauherren eine Einheit bilde oder bilden solle. Dabei sei es selbstverständlich, dass je nach Art des Bauwerkes von der Planung bis zur Fertigstellung eine Vielzahl von unterschiedlichen Tätigkeiten und einzelnen Arbeitsschritten erforderlich sei. Diese bildeten eine Einheit, wenn durch die Summe aller jeweiligen Arbeitsschritte oder Gewerke ein gewünschtes Endergebnis verwirklicht werde. Wenn ein Bauwerk erst durch die abschließende Anlage eines Gartens oder Parks die gewollte Funktion oder Ästhetik erreiche, seien die Garten- oder Parkanlagen demnach auch Teil des Bauwerkes. Bauleistungen seien alle Leistungen, die der Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienten, ohne dass es eine Rolle spiele, wer diese Aufträge erteilt habe. Dies schließe ebenfalls die Garten- und Landschaftsbaugewerke mit ein.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte wie auch der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 und 3 Zif. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Zif. 1 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 173 SGG) der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat das SG Potsdam im angefochtenen Beschluss vom 29. April 2011 den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 26. Januar 2011 gegen den Haftungsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. Dezember 2010 nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 1 S. 1 SGG grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß Abs. 2 Nr. 1 der genannten Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung jedoch bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Dies ist hier der Fall, denn bei dem Haftungsbescheid nach § 150 Abs. 3 SGB VII i. V. m. § 28e Abs. 3a SGB IV handelt es sich um einen Verwaltungsakt, mit dem die Antragsgegnerin von der Antragstellerin die Beiträge zur Unfallversicherung einfordert, die von dem ursprünglichen Schuldner - der -Bau GmbH - nicht bezahlt worden sind. Seine Rechtsgrundlage findet er in § 168 SGB VII (vgl. hierzu ausführlich: BSG Urteile vom 27. Mai 2008 – B 2 U 11/07 R und B 2 U 21/07 R -, in juris).

Jedoch liegen die sonstigen Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, wobei das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen (vgl. zum Meinungsstand: Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, RN 197 ff). Ist in diesem Sinne eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu bejahen, ist weiterhin Voraussetzung, dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, also ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit besteht.

Vorliegend bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des nach §§ 168 Abs. 1, 150 Abs. 3 SGB VII i. V. m. § 28e Abs. 3a bis 3f SGB IV erlassenen Beitragshaftungsbescheides vom 16. Dezember 2010. Nach den zuvor genannten Vorschriften, wobei hinsichtlich § 28e Abs. 3b und 3d Satz 1 SGB IV gemäß § 116a SGB IV auf die am 28. September 2009 geltende Fassung (a. F.) abzustellen ist, haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 175 Abs. 2 (bzw. bis zum 31. März 2006: § 211 Abs. 1) Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beauftragt, für die Erfüllung der Beitragspflicht dieses Unternehmers wie ein selbstschuldnerischer Bürge.

Diese Voraussetzungen liegen nach summarischer Prüfung zweifellos vor. So greift nach § 28e Abs. 3d Satz 1 SGB IV a. F. die Haftung des Abs. 3a ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 500.000,- Euro ein. Maßgeblich ist hierbei nicht der Wert des für den konkreten Haftungsanspruch in Rede stehenden Auftrages, sondern der Gesamtwert aller für das Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen, ohne das es eine Rolle spielt, wer diese Aufträge erteilt hat. Die Haftung greift erst ab einer bestimmten Größe des Bauwerkes, für das der Auftrag erteilt wurde, ein (vgl. BSG Urteile vom 27. Mai 2008 – B 2 U 11/07 R und B 2 U 21/07 R -, m. w. N., in juris; s. auch die Anmerkung hierzu von Brettschneider/Rixen in SGb 2009, 564, 568). Vorliegend ist daher auf das Bauwerk "Waldpflanzengarten" am E (L Kanal) abzustellen, welches ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Gesamtrechnungsübersicht der bauleitenden Fa. H ein Gesamtauftragsvolumen von 794.099,18 Euro brutto bzw. 684.184,67 Euro netto hatte. Ob – wie die Antragstellerin meint – das auf Garten-/Landschaftsbauarbeiten entfallende Auftragsvolumen bei der Schätzung des Gesamtauftragswertes des Bauwerkes nicht zu berücksichtigen ist, muss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend entschieden werden. Denn nach der Gesamtrechnungsübersicht erreicht bereits der Auftragswert aller Bauleistungen ohne Garten-/Landschaftsbauarbeiten (794.099,18 Euro brutto abzgl. 208.152,64 Euro brutto bzw. 684.184,67 Euro netto abzgl. 179.058,35 Euro netto) einen Betrag von über 500.000,- Euro. Abgesehen davon gilt es zu bedenken, dass – wie von der Antragsgegnerin dargelegt - der Bezugspunkt des Bauwerkes eine Beschränkung auf Werkaufträge nur für bestimmte Gewerke im Rahmen der Schätzung nach § 28e Abs. 3d Satz 1 SGB IV schwerlich zu begründen vermag (in diesem Sinne wohl auch Brettschneider/Rixen a. a. O.).

Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides kann auch nicht unter dem Aspekt der Exkulpation im Sinne von § 28e Abs. 3b SGB IV a. F. bejaht werden. Der Vortrag der Antragstellerin hierzu reicht auch unter
Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen derzeit für die Führung des Nachweises, dass die Antragsstellerin ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass die -Bau GmbH ihre Zahlungspflichten gegenüber der Antragsgegenerin erfüllt, noch nicht aus. Danach hat sich die Antragstellerin bei der Auftragsvergabe von der -Bau GmbH weder eine von der Antragsgegnerin noch eine von einer Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf den Bauzeitraum ausgestellte Bescheinigung über die Erfüllung der Beitragszahlungsverpflichtungen vorlegen lassen. Ob die im September 2004 von der Stadt P für die -Bau GmbH ausgestellte Bescheinigung über die Aktualisierung im ULV zur Führung des Nachweises, dass die Antragstellerin bei der Auswahl des Nachunternehmers die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns angewandt hatte, geeignet ist, kann nur nach genauer Kenntnis der Voraussetzungen für die Aufnahme ins ULV beurteilt werden. Dazu müssten die damals geltenden Vertragsbedingungen eingereicht und zur Auftragserteilung an die -Bau GmbH detailliertere Angaben gemacht werden.

Eine Fehlerhaftigkeit der Berechnung des Haftungsbetrages ist nicht ersichtlich. So hat die Antragsgegnerin bei Schätzung der Lohnsumme nach § 165 Abs. 3 SGB VII allein auf die von der U-Bau GmbH für die Antragstellerin im Jahr 2005 erbrachten Bauleistungen im Wert von 87.177,42 Euro netto abgestellt und hiervon für (vermutete) Materialleistungen 50 % in Abzug gebracht. Die Antragstellerin hat auch nicht konkret dargelegt, dass nach dem der Auftragserteilung zugrunde liegenden Angebot von einem höheren Materialanteil ausgegangen werden müsse. Den sich aus einer Lohn-summe von 43.588,- Euro ergebenden Gesamtbeitrag in Höhe von 2.871,95 Euro hat die Antragsgegnerin sodann nicht in voller Höhe geltend gemacht, sondern die An-tragstellerin nur entsprechend der Quote des ungedeckten Gesamtjahresbeitrages für 2005 (20.855,20 Euro abzgl. 14.427,- Euro erfolgter Teilzahlungen für 2005) am Ge-samtjahresbeitrag in Haftung genommen.

Des Weiteren fehlt es an Anhaltspunkten, die ernstliche Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides begründen könnten. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG hierzu im angefochtenen Beschluss vom 29. April 2011 Bezug genommen. Zudem ist der Hinweis der Antragsgegnerin, dass die
Antragstellerin als ihr Mitgliedsunternehmen mit den Grundlagen der Beitragsberechnung hinreichend vertraut sein dürfte, nicht von der Hand zu weisen.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Vollziehung des Haftungsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Hierfür ist zu fordern, dass die Antragstellerin durch die Zahlung des geforderten Betrages in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geriete oder sogar in ihrer Existenz gefährdet wäre. Dass dies der Fall sein könnte, hat die Antragstellerin weder behauptet noch glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert in Höhe der Hälfte der Beitragsforderung bestimmt sich nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 47, 52 Abs. 1 und 3 Grichtskostengesetz (GKG) und trägt dem Umstand Rechnung, dass vorliegend nicht die Hauptsache, sondern eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren streitbefangen war (vgl. Staßfeld, SGb 2008, 199 ff, 121, 122).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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