S 25 AS 2324/11 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 25 AS 2324/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 2) für den Zeitraum vom 28.6.2011 bis 30.11.2011 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren, wobei er davon auszugehen hat, dass die Antragsteller eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft bilden, so dass der Antragsteller zu 2) für die Zeiten seiner Besuche bei dem Antragsteller zu 1) Leistungen nach dem SGB II erhält. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich zum einen gegen die Entscheidung des Antragsgegners, ab 1.4.2011 keine zeitweise Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller mehr anzuerkennen, und zum anderen gegen eine Aufforderung des Antragsgegners an den Antragsteller zu 1), die Kosten der Unterkunft zu senken.

Der 1959 geborene Antragsteller zu 1) bezieht von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er ist der Vater des am 00.0.1993 geborenen Antragstellers zu 2). Der Antragsteller zu 1) bewohnt eine 64 m² große Mietwohnung, für die insgesamt Kosten in Höhe von monatlich 397,30 EUR anfallen (Kaltmiete 267,30 EUR, Vorauszahlung für Betriebskosten 75,00 EUR sowie für Heizkosten 55,00 EUR).

Der Antragsteller zu 2) lebt bei seiner Mutter, der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers zu 1), und besucht den Antragsteller zu 1) regelmäßig, zumeist jedes zweite Wochenende sowie teilweise in den Schulferien (die exakte Vereinbarung des Umgangsrechts ist beschrieben in dem Urteil des LSG NRW vom 18.8.2008, L 20 AS 29/07 (Bl. 176 ff. der Leistungsakte des Antragsgegners (LA))). Der Antragsteller zu 2) besuchte im Schuljahr 2010/2011 die 11. Jahrgangsstufe der N1-N2-Gesamtschule in N3.

Mit Bescheid vom 13.10.2010 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller zu 1) Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.11.2010 bis 30.4.2011 in Höhe von monatlich 756,30 EUR. Er ging hierbei von einem Regelbedarf in Höhe von 359,00 EUR sowie einem Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 397,30 EUR aus. Diesen Bescheid änderte der Antragsgegner aufgrund der Neufestsetzung der Regelbedarfe mit Bescheid vom 26.3.2011 für die Zeit vom 1.1.2011 bis 30.4.2011, indem er für diesen Zeitraum Leistungen in Höhe von monatlich 761,30 EUR bewilligte (Regelbedarf 364,00 EUR).

Mit Bescheid vom 13.4.2011 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller zu 1) Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.5.2011 bis 31.10.2011 in Höhe von monatlich 761,30 EUR.

Mit Schreiben vom 2.5.2011 teilte der Antragsteller zu 2) dem Antragsgegner mit, an welchen Tagen er seinen Vater in der Zeit vom 1.11.2010 bis 30.4.2011 besucht habe. Ferner reichte er eine aktuelle Schulbescheinigung ein, wonach er die Gesamtschule voraussichtlich bis 31.7.2013 besuchen wird.

Daraufhin bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern mit Änderungsbescheid vom 10.5.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.11.2010 bis 31.3.2011 in monatlich wechselnder Höhe, wobei er die Besuchszeiten des Antragstellers zu 2) bei dem Antragsteller zu 1) berücksichtigte. Für diese Zeiten erhielt der Antragsteller zu 2) anteilige Leistungen für den Regelbedarf (ausgehend von einem monatlichen Regelbedarf in Höhe von 287,00 EUR) sowie für den Bedarf für Unterkunft und Heizung (ausgehend von einem monatlichen Bedarf in Höhe von 198,65 EUR). Hinsichtlich der Leistungshöhe in den jeweiligen Monaten verweist das Gericht auf die Ausführungen und Berechnungen in dem Bescheid.

Mit weiterem Bescheid vom 10.5.2011 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller zu 1) mit, dass seinem Antrag zur zeitweisen Bedarfsgemeinschaft ab dem 1.4.2011 nicht mehr entsprochen werden könne. Sein Sohn habe am 29.3.2011 (richtig: 27.3.2011) das 18. Lebensjahr vollendet. Somit bestehe kein Anspruch mehr.

Ferner teilte der Antragsgegner dem Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 10.5.2011 mit, die Kaltmiete seiner Wohnung in Höhe von 267,30 EUR sei nicht angemessen. Angemessen sei für eine Einzelperson eine Kaltmiete von maximal 218,70 EUR (45 m² x 4,86 EUR/m²). Der Antragsgegner forderte den Antragsteller zu 1) auf, seine Mietkosten zu senken. Eine Frist hierfür setzte er dem Antragsteller zu 1) ausdrücklich nicht, wies aber darauf hin, dass nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II unangemessene Mietkosten längstens für sechs Monate übernommen werden könnten.

Gegen diese Bescheide bzw. Schreiben vom 10.5.2011 erhob der Antragsteller zu 1), teilweise auch in Vollmacht für den Antragsteller zu 2), mit drei separaten Schreiben vom 16.5.2011 Widerspruch. Sämtliche Widersprüche begründete er damit, dass die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft noch gegeben seien, da sein Sohn weiterhin die Gesamtschule besuche.

Den Widerspruch gegen die Kostensenkungsaufforderung wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 25.5.2011 als unzulässig zurück.

Die beiden weiteren Widersprüche wies der Antragsgegner mit zwei inhaltsgleichen, an beide Antragsteller separat ergangenen Widerspruchsbescheiden vom 26.5.2011 als unbegründet zurück. Dies begründete der Antragsgegner damit, dass eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft zwischen den Antragstellern nicht mehr bestehe, seitdem der Antragsteller zu 2) das 18. Lebensjahr vollendet habe. Seit diesem Zeitpunkt bestehe ein Umgangsrecht des Antragstellers zu 1), das eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft begründen könne, nicht mehr. Ab dem Eintritt der Volljährigkeit des Antragstellers zu 2) sei die elterliche Sorge nicht mehr gegeben. Auch ein Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern liege nicht mehr vor. Ab dem Eintritt der Volljährigkeit des Antragstellers zu 2) sei die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht mehr in der Weise auszulegen, dass für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft ein dauerhafter Zustand in der Form genüge, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit länger als einen Tag bei einem Elternteil wohnen, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen.

Die Antragsteller beantragten am 28.6.2011 – gleichzeitig mit der Erhebung der Klage gegen die ergangenen Bescheide – beim Sozialgericht Düsseldorf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf Anerkennung der weiterhin bestehenden zeitweisen Bedarfsgemeinschaft.

Sie tragen vor, der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beziehe sich insbesondere auf die Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten. Dieser Aufforderung sei innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nachzukommen. Eine rechtskräftige Entscheidung sei aber in so kurzer Zeit nicht zu erwarten. Grundsätzlich bestehe eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Eltern und ihren Kindern bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Nach der Auffassung des Antragsgegners sei das bei zeitweisen Bedarfsgemeinschaften aber nicht der Fall. Dies sei mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu bringen. Der Unterschied zwischen einer dauerhaft bestehenden Bedarfsgemeinschaft und einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft sei quantitativer, nicht aber qualitativer Natur. An den grundlegenden Bedingungen, insbesondere dem Schulbesuch des Antragstellers zu 2), habe sich auch nach Eintritt der Volljährigkeit nichts geändert. Für den Zeitraum von April bis August 2011 bezifferten die Antragsteller die Nachteile, die dem Antragsteller zu 2) dadurch eingetreten seien, dass er nun von dem Antragsgegner keine Leistungen nach dem SGB II mehr erhalte, mit einem Betrag in Höhe von 499,11 EUR.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zu 2) für den Zeitraum ab 1.4.2011 Leistungen nach dem SGB II zu zahlen und hierbei die zeitweise Bedarfsgemeinschaft zwischen den beiden Antragsteller fortzuführen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er trägt vor, eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht ersichtlich. Durch die Aufforderung zur Kostensenkung seien die Antragsteller noch nicht beschwert. Zurzeit übernehme der Antragsgegner immer noch die tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Eine Eilbedürftigkeit sei auch nicht ersichtlich, soweit es um etwaige Leistungsansprüche des Antragstellers zu 2) im Rahmen einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft gehe. Schließlich bestehe aber auch kein Anordnungsanspruch. Insofern wiederholte der Antragsgegner die Ausführungen aus den Widerspruchsbescheiden vom 26.5.2011.

Die die Antragsteller betreffende Verwaltungsakte des Antragsgegners lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.

Insbesondere ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Antragstellers zu 2) zulässig, da dieser seit 27.3.2011 volljährig und damit uneingeschränkt prozessfähig im Sinne des § 71 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist. Eine Genehmigung der Prozesserklärungen des Antragstellers zu 2) durch dessen Mutter, die diese in der Vergangenheit ausdrücklich verweigert hat (vgl. Sitzungsniederschrift vom 18.8.2008 in dem Verfahren L 20 AS 29/07 vor dem LSG NRW), ist nicht länger erforderlich.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, dass eine solche Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Damit setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nur die Glaubhaftmachung des Bestehens des geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruches voraus (hier: auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II), sondern auch einer besonderen Eilbedürftigkeit zur Durchsetzung dieses Begehrens (sog. Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht worden sein. Erforderlich ist der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit; trotz der Möglichkeit des Gegenteils dürfen Zweifel nicht überwiegen (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, III. Kapitel, Rn. 157). Dies ist grundsätzlich im Rahmen einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln (LSG NRW, Beschluss vom 19.07.2006, L 20 B 146/06 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 12.06.2006, L 12 B 14/06 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 19.01.2006, L 1 B 17/05 AS ER). Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss eine umfassende Folgenabwägung, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt, erfolgen (BVerfG, a.a.O.; LSG NRW, Beschluss vom 10.05.2010, L 7 AS 134/10 B ER, und Beschluss vom 26.02.2010, L 6 B 154/09 AS ER). Für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes müssen schwere und unzumutbare Nachteile geltend gemacht werden, die durch ein bereits anhängiges Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (LSG NRW, Beschluss vom 06.12.2006, L 20 B 291/06 AS ER).

Ein Anordnungsgrund in dem oben beschriebenen Sinne besteht nicht, soweit sich der Antragsteller zu 1) gegen die Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten mit Schreiben vom 10.5.2011 wendet. Diese Aufforderung hat lediglich informatorischen Charakter und stellt insbesondere keinen Verwaltungsakt dar. Auswirkungen auf die Höhe des Leistungsanspruchs des Antragstellers zu 1) hat sie daher aktuell noch nicht. So hat der Antragsgegner auch mit Bescheid vom 13.4.2011 für die Zeit bis 31.10.2011 die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe berücksichtigt. Insoweit ist daher der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet.

Dies gilt ebenfalls für die Zeit vor Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht, also für die Zeit vor dem 28.6.2011. Sofern Leistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum geltend gemacht werden, ist ein Anordnungsgrund nur dann zu bejahen, wenn noch ein gegenwärtiger schwerer unzumutbarer Nachteil besteht, der glaubhaft gemacht wird (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 3.12.2009, L 8 SO 191/09 B ER; LSG Sachsen, Beschluss vom 25.3.2008, L 2 B 51/08 AS-ER, m.w.N.). Es ist nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in Angelegenheiten der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, Notlagen, die in der Vergangenheit lagen, zu beheben (LSG NRW, Beschluss vom 29.12.2009, L 12 (20) B124/04 AS ER). Insoweit fehlt es regelmäßig an einer spezifischen, dem Verfahren innewohnenden Dringlichkeit, derentwegen es zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, einer einstweiligen Regelung bedarf (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.3.2010, L 25 B 1612/08 AS PKH). Dass den Antragstellern, insbesondere dem Antragsteller zu 2), hier ausnahmsweise schwere und unzumutbare Nachteile gedroht hätten, die in der Vergangenheit eingetreten wären, noch immer fortwirkten und zu deren Abwendung es der von Ihnen begehrten einstweiligen Ordnung bedürfe, kann ihrem Vorbringen nicht entnommen werden; dafür ist auch sonst nicht ersichtlich.

Im Übrigen jedoch, also hinsichtlich eines Anspruchs des Antragstellers zu 2) auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeiten seiner Besuche bei seinem Vater ab 28.6.2011, sind sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund glaubhaft gemacht.

Der Anordnungsgrund ergibt sich bereits daraus, dass die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens, mithin der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates dienen, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (grundlegend BVerfG, Urteil vom 9.2.2010, 1 BvL 1/09 u.a.). Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung bliebe das Existenzminimum des Antragstellers zu 2) für die Zeiten seiner Besuche bei seinem Vater, die nach dem Vortrag der Antragsteller (s. Schriftsatz vom 15.8.2011) auch weiterhin fortgeführt werden, noch für Monate nicht gedeckt. Dabei handelte es sich um eine erhebliche Beeinträchtigung, die auch nachträglich bei einem erfolgreichen Abschluss des Klageverfahrens nicht mehr bzw. nur mit längerer Verzögerung ausgeglichen werden könnte. Damit ist dem Antragsteller zu 2) ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar. Aus demselben Grund ist die Vorwegnahme der Hauptsache zulässig.

Des Weiteren besteht ein Anordnungsanspruch des Antragstellers zu 2) auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 ff. SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl. I Seite 453). Nach Auffassung des Gerichts bilden die Antragsteller weiterhin eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bilden. Hieran hat sich trotz des Eintritts der Volljährigkeit des Antragstellers zu 2) nichts geändert.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Dies ist vorliegend der Fall.

Denn einem Haushalt kann auch derjenige angehören, der mit einer gewissen Regelmäßigkeit in einem nicht unerheblichen Umfang ein Elternteil besucht (vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 7.11.2006, B 7b AS 14/06 R; ebenso LSG NRW, Urteil vom 21.4.2008, L 20 AS 112/06). Die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II verlangt schon nach ihrem Wortlaut ("dem Haushalt angehörend") kein dauerhaftes "Leben" im Haushalt wie etwa § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB II. Es genügt vielmehr ein dauerhafter Zustand in der Form, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit – wie vorliegend – bei dem Elternteil länger als einen Tag wohnen, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen. Auch nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung kann bei Kindern eine getrennte und damit doppelte Bedarfsgemeinschaft sowohl mit dem einen als auch mit dem anderen Elternteil angenommen werden, etwa wenn sich die Eltern darauf einigen, die Kinder abwechselnd im Haushalt des einen und des anderen zu versorgen. Diese Situation unterscheidet sich jedenfalls qualitativ nicht von der vorliegenden Konstellation, dass die Kinder nur an wenigen Tagen außerhalb des Haushalts der Mutter dem Haushalt des Vaters angehören. Der rein quantitative Unterschied der Anzahl der Tage kann jedoch nicht bedeuten, dass die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft, die sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen Elternteil besteht, ausgeschlossen ist. Auf diese Weise ergibt sich zumindest zum Teil eine SGB-II-immanente Lösung des Problems der Umgangskosten, die der Lösung des SGB XII in dessen § 28 Abs. 1 Satz 2 nahe kommt und der besonderen Förderungspflicht des Staates nach Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz gerecht wird (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006, B 7b AS 14/06 R).

Nach der Auffassung des Gerichts ist die Möglichkeit, eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft zu bilden, auch nicht auf die Zeit der Minderjährigkeit der Kinder beschränkt. Vielmehr ist hierbei von der Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auszugehen, der die Altersgrenze für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen Eltern und ihren Kindern auf die Vollendung des 25. Lebensjahrs festlegt. Eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft können daher Eltern mit ihren unter 25jährigen Kindern bilden, wenn die Kinder die Eltern mit einer gewissen Regelmäßigkeit in einem nicht unerheblichen Umfang besuchen.

Das Gericht folgt nicht der Auslegung und Begründungsweise des Antragsgegners, der nicht von der Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ausgeht, sondern die zivilrechtlichen Regelungen über das Umgangsrecht heranzieht und über diese eine Begrenzung der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft bis zum Eintritt der Volljährigkeit der Kinder begründet.

Diesem zivilrechtlichen Ansatz des Antragsgegners kann das Gericht jedoch nicht folgen. Nicht das Zivilrecht entscheidet über das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II; ausschlaggebend sind hierfür vielmehr allein die Regelungen in § 7 Abs. 3 SGB II. Auch volljährige Kinder, die ihre Eltern in gewisser Regelmäßigkeit besuchen, haben Bedarfe nach §§ 19 ff. SGB II, insbesondere einen anteiligen Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II. Diese Bedarfe entstehen unabhängig davon, ob die Kinder minderjährig oder volljährig sind.

Des Weiteren würde, wenn man der Auffassung des Antragsgegners folgen würde, die Entscheidung des Gesetzgebers konterkariert, der die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl. I Seite 558) in der Weise geändert hat, dass mit Wirkung vom 1.7.2006 Kinder mit ihren Eltern eine Bedarfsgemeinschaft nicht nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, sondern bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bilden. Auch volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, sollten künftig in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 39).

Selbst wenn die Änderung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II aus dem Grunde getroffen wurde, um den unter 25jährigen Kindern, die im Haushalt der Eltern leben, keinen Anspruch auf die volle Regelleistung zu geben und keinen Anreiz zum Auszug aus dem elterlichen Haushalt und zur Gründung eines eigenen Hausstandes zu setzen, also um Kosten zu sparen, muss die nunmehr geltende Rechtslage auch zu Gunsten der volljährigen Kinder gelten, die ein Elternteil regelmäßig besuchen und daher jedenfalls im Stadium der Minderjährigkeit mit diesen eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft gebildet haben. Für das Gericht sind keine Gründe ersichtlich, die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft nur für die Zeit der Minderjährigkeit der Kinder gebildet werden kann.

In dem vorliegenden Fall spricht für dieses Ergebnis auch, dass sich an den Lebensumständen des insoweit allein anspruchsberechtigten Antragstellers zu 2) allein durch den Eintritt der Volljährigkeit nichts geändert hat. Er befindet sich weiterhin in der allgemeinen Schulausbildung, so dass er trotz seiner Volljährigkeit einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern hat.

Der Antragsteller zu 2) hat somit als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeiten seiner Besuche bei dem Antragsteller zu 1).

Das Gericht hat den Geltungszeitraum der einstweiligen Anordnung auf den Zeitraum ab Eingang des Eilantrags bei Gericht, also ab 28.6.2011, bis 30.11.2011 beschränkt, um die Hauptsache nicht vorwegzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig. Ein Ausschluss der Beschwerde gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG besteht nach Auffassung des Gerichts nicht, da derzeit nicht abgesehen werden kann, in welcher Höhe der Antragsteller zu 2) bzw. der Antragsgegner durch die erlassene einstweilige Anordnung beschwert sind. Denn die Besuchszeiten des Antragstellers zu 2) bei seinem Vater stehen noch nicht fest.
Rechtskraft
Aus
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