L 3 R 282/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 97 R 5934/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 282/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist - nach Teilanerkenntnis durch die Beklagte - noch, ob die Klägerin bereits ab dem 01. Februar 2005 und nicht erst ab dem 01. Oktober 2005 Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen hat.

Die 1942 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert. Eine im Juli 1957 begonnene Lehre in einer Krawattenfabrik brach sie aus persönlichen Gründen nach kurzer Zeit ab, war dann Hilfsarbeiterin in der Montage und in einer Schneiderei (Zubringerin), dann Kartonarbeiterin und zuletzt vom 14. August 1961 bis zum 24. Juni 1963 Druckerei-Hilfsarbeiterin (Kartonagen-Hefterin); diese Beschäftigung gab sie aus persönlichen Gründen (Kindererziehung) auf. Für den Zeitraum vom 01. Juli 1963 bis zum 30. November 2005 zahlte die Klägerin freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung.

Am 22. Februar 2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Beigefügt waren dem Rentenantrag diverse ärztliche Unterlagen (Bericht des Ev. Krankenhauses H betreffend Untersuchung der Gallenblase und Behandlung der Refluxkrankheit sowie Bericht über Durchführung einer Co-loskopie; ärztliche Bescheinigung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie R vom 13. Februar 2004 sowie Kalenderaufzeichnungen der Klägerin betreffend ihren jeweiligen Gesundheitszustand).

Die Beklagte beauftragte den Arzt für Innere Medizin Dr. F und die Ärztin für Psychiatrie Dr. S mit der Begutachtung der Klägerin.

Dr. F stellte in seinem Gutachten vom 26. April 2005 folgende Diagnosen: 1. Sigmadivertikulose 2. Refluxkrankheit/laproskopische Fundoplicatio 2001 3. belastungsinduzierte Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden 4. labile arterielle Hypertonie 5. belastungsinduzierte Schulter- und Kniegelenkbeschwerden 6. Adipositas per magna. Dr. F führte aus, dass die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Leiden als Druckereihilfskraft nur noch unter 3 Stunden täglich erwerbstätig sein könne, dass aber unter kontinuierlicher Blutdruckeinstellung und Gewichtsreduktion für leichte Tätigkeiten in gelegentlich wechselnder Haltung unter Vermeidung von Kälte, Nässe, Zugluft, Überkopfarbeiten und besonderem Zeitdruck ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe. Öffentliche Verkehrsmittel könnten benutzt werden.

Die Sachverständige Dr. S stellte in ihrem Gutachten vom 01. Juni 2005 folgende Diagnosen: 1. Somatisierungsstörung 2. weitestgehend abgeklungene Anpassungsstörung. Bei der Klägerin sei es infolge einer zahnärztlichen Behandlung im Jahr 2001, bei der mehrere Behandlungsfehler aufgetreten seien, so dass deshalb ein Gerichtsprozess anhängig sei, zu einer depressiven Symptomatik und vielfältigen körperlichen Symptomen gekommen. Die in diesem Zusammenhang aufgetretene Anpassungsstörung und depressive Symptomatik habe sich im Verlauf deutlich gebessert. Von der behandelnden Nervenärztin sei im Februar 2004 eine Befundbesserung dokumentiert worden. Eine Psychotherapie sei nicht durchgeführt worden und eine nervenärztliche Medikation werde nicht eingenommen. Die von der behandelnden Nervenärztin mitgeteilte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung werde nicht geteilt. Die Klägerin könne zwar nur noch unter 3 Stunden als Fabrikhilfsarbeiterin tätig sein, jedoch liege noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten mit Haltungswechsel unter Vermeidung von Nachtschichten und Zeitdruck vor.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag mit Bescheid vom 09. Juni 2005 ab, da weder die Schwerbehinderteneigenschaft i. S. d. § 1 Schwerbehindertengesetz noch Berufsunfähigkeit (BU) oder Erwerbsunfähigkeit (EU) nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht vorliege.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin – neben anderen hier nicht entscheidungsrelevanten Punkten - geltend, dass die Beklagte ihre Leistungsfähigkeit unzutreffend eingeschätzt habe.

Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. S vom 26. August 2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2005 den Widerspruch als unbegründet zurück. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen könne die Klägerin zwar nicht mehr ihre letzte Tätigkeit als Druckereimitarbeiterin, wohl aber andere Arbeiten, die ihr sozial zumutbar seien, noch vollschichtig ausüben. Weil sie keine Berufsausbildung durchlaufen habe, sei sie der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen, so dass ihr Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar seien. Ihr Restleitungsvermögen reiche aus, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise anfallenden körperlichen Verrichtungen auszuführen.

Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin beanstandet, dass von den begutachtenden Ärzten ein Vordruck nach dem ab dem 01. Januar 2001 geltenden Recht benutzt worden sei. Tatsächlich sei auf sie das bis zum 31. Dezember 2000 geltende Recht anzuwenden, das für die Beurteilung ihres Leistungsvermögens eine Staffelung in vier Stufen vorsehe, wodurch BU unter Umständen schon bei 7 Stunden Restleistungsvermögen ("halb- bis untervollschichtig") und verschlossenem Arbeitsmarkt vorliegen könne. Zudem seien ihre zahlreichen gesundheitlichen Einschränkungen, die sie bereits im Haushalt und Alltag erheblich beeinträchtigten, nicht ausreichend gewürdigt worden. Zu den bereits bekannten Erkrankungen sei zwischenzeitlich eine Psoriasis arthritis (chronisch entzündliche Gelenkerkrankung bei Schuppenflechte) als Auslöser für die Gelenkbeschwerden festgestellt worden.

Die Klägerin hat ärztliche Befundberichte (BB) des Facharztes für Orthopädie Dr. B vom 12. Oktober 2005 mit Anlagen (Magnetresonanztomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 14. Juli 2005 sowie des rechten Hüftgelenks und Knies vom 10. Oktober 2005) und der Kardiologischen Praxis Dr. B vom 20. Oktober 2005 vorgelegt.

Mit Bescheid vom 09. März 2006 gewährte die Beklagte der Klägerin ab dem 01. Dezember 2005 Altersrente für langjährig Versicherte.

Das SG hat BB der Fachärztin für Innere Medizin Dr. R vom 05. Mai 2006, des Facharztes für Orthopädie Dr. B vom 12. Oktober 2005, des Facharztes für Innere Medizin D vom 17. Mai 2006 und des Facharztes für Innere Medizin Dr. R vom 15. Juli 2006 eingeholt und den Facharzt für Orthopädie Dr. G mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt.

In seinem Gutachten vom 10. Januar 2007 hat Dr. G nach Untersuchung der Klägerin am 02. November 2006 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - Chronisches Pseudoradikulärsyndrom der Halswirbelsäule (HWS), der Brust- wirbelsäule (BWS) und der LWS - Facettengelenkarthrose LWK 4/5 und LWK 5/S1 - Outlet-Impingement-Syndrom beider Schultergelenke, AC-Gelenksarthrose beidseits - Epicondylitis humeri radialis et ulnaris beidseits - Polyarthralgien der Hände - Initiale Coxarthrose beidseits - Initiale Gonarthrose beidseits, Retropatellararthrose rechts, Chondromalazie III. bis IV. Grades rechts - Fußfehlstatik, Senk-Spreiz-Fuß, Hallux valgus et rigidus beidseits. Die Belastbarkeit der Arme sei auf Grund des Outlet-Impingement-Syndroms und der AC-Gelenksarthrose eingeschränkt, die Belastbarkeit der Beine wegen der beginnenden Coxarthrose und Gonarthrose beidseits sowie der Retrolpatellararthrose rechts und der Fußfehlstatik mit Hallux valgus reduziert. Trotz dieser Beeinträchtigungen könne die Klägerin regelmäßig noch körperliche leichte Tätigkeiten unter bestimmten qualitativen Einschränkungen verrichten. Arbeiten überwiegend oder teilweise am Computer seien ihr möglich. Die Klägerin sei wegefähig. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden täglich aus. Die qualitativen Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit bestünden seit Rentenantragstellung am 22. Februar 2005. Unter Berücksichtigung der hohen psychosomatischen Komponente werde auf das nervenärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung verwiesen.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass streitig das Vorliegen von BU nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht sei, weil dies die Voraussetzung für den Bezug einer abschlagsfreien Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei. Es gehe also letztlich nicht um eine Rente wegen BU oder EU, sondern um die Voraussetzungen einer Al-tersrente ohne Abschläge von 7,2 % monatlich. BU nach altem Recht liege auch vor bei halb- bis untervollschichtiger Leistungsfähigkeit in Verbindung mit verschlossenem Arbeitsmarkt. Dass sie wegen der Vielzahl der gesundheitlichen Einschränkungen in körperlicher und psychischer Hinsicht nicht in der Lage sei, täglich 8 Stunden zu arbeiten, sondern nur halb- bis untervollschichtig arbeiten könne, sei wiederholt von mehreren Medizinern bestätigt worden. Der Gutachter Dr. G, der zu einer abweichenden Auffassung gelangt sei, würdige das Krankheitsbild der Fibromyalgie nicht ausreichend. Zudem bestehe wegen Sauerstoffmangels und Schlafstörungen eine permanente Müdigkeit, so dass sie ständig erschöpft sei und auch am Tage überall, vorwiegend sitzend, einschlafe. Derzeit werde eine Langzeit-Therapie mit zusätzlicher Sauerstoffgabe durchgeführt, bei der sie mindestens 16 Stunden täglich an einem Sauerstoff-Konzentrator angeschlossen sei.

Im Auftrag des SG hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L am 15. April 2008 ein nervenärztliches Gutachten erstattet und ist zu den Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstöung (ICD 10:F45.4) und dem Verdacht auf neurotische Fehlentwicklung (ICD 10:F60.9) gelangt. Gegenüber den vorliegenden ärztlichen Unterlagen seien keine neuen Befunde erhoben worden. Trotz der festgestellten psychischen Leiden sei die Klägerin noch in der Lage, 8 Stunden täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten unter gewissen qualitativen Einschränkungen, die seit Antragstellung bestünden, zu verrichten. In der Ausübung geistiger Arbeiten sei die Klägerin entsprechend ihrem Bildungsniveau bzw. dem bisherigen intellektuellen Anforderungsniveau nicht eingeschränkt. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle seien nicht zu berücksichtigen. Die Beschwerden aufgrund der somatoformen Schmerzstörung seien durch Anpassung der Psychopharmakotherapie und Psychotherapie zu bessern. Von den Diagnosen und Bewertungen in den bisher erstellten Gutachten werde nicht wesentlich abgewichen.

Die Klägerin hat gegen das Gutachten des Dr. Leingewandt, er würde heftige Beschwerden und Belastungseinschränkungen als nicht vorhanden erklären. Nach den Angaben des behandelnden Facharztes Dr. R sei an der Diagnose Fibromyalgie-Syndrom nicht zu zweifeln, gleichwohl würden viele Ärzte den Begriff Fibromyalgie ablehnen. Durch den Ausschluss der Diagnose würden auch die ihr zuzuordnenden Begleitsymptome in der Leistungsbeurteilung nicht berücksichtigt. Das Gutachten stütze sich wiederum nur auf die messbaren bzw. objektivierbaren Befunde und ignoriere die neben den ständigen quälenden Schmerzen im ganzen Körper subjektiv belastenden Befindlichkeitsstörungen durch chronische Ermüdung, Muskelschwäche, Kraftmangel, Berührungsempfindlichkeit, Schwellungen an Händen und Beinen, Atemnot, Wetterfühligkeit und Depressivität. Sie sei ca. 5 bis 6 Mal beim Absteigen vom Fahrrad mit diesem zusammen umgekippt, weil ihr die Kraft zum Abstützen gefehlt habe und sie fahre seitdem (2004) nicht mehr Rad. Sie sei mehrmals gestolpert und hingefallen und habe aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen können. Mehrfach sei sie von einer hohen Stufe gestürzt, weil sie den letzten Schritt aus Kräftemangel nicht habe abfedern können. Die vom Gutachter dargestellten Abläufe ihrer Urlaube stimmten mit der Realität nicht überein, die Urlaubsaktivitäten würden ausschließlich nur noch aus Ruhe, Erholung, Wärme bestehen. Der Gutachter berücksichtige auch nicht, dass ihre behandelnden Ärzte das Vorliegen eines Fibromyalgie-Syndroms bescheinigt und festgestellt hätten, dass sie keine Tätigkeiten über 4 Stunden mehr ausüben könne. Die Klägerin hat zum Nachweis ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. K vom 01. November 2006, BB des Facharztes für Innere Medizin Dr. R vom 15. September 2008 sowie BB des Facharztes für Neurologie vom 29. Juli 2008 vorgelegt.

In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 06. Oktober 2008 hat Dr. L ausgeführt, dass er die von den behandelnden Ärzten der Klägerin gestellte Diagnose einer Fibromyalgie nicht teile. Im vorgelegten Attest des Arztes für Neurologie Dr. K würden (fachfremd) die Diagnosen somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome gestellt. Der dokumentierte neurologische Befund sei weitgehend normal, auffällig seien eine gewissen Hypomimie (herabgesetzte mimische Beweglichkeit) und eine etwas gebundenes Gangbild gewesen. Aus allen ärztlichen Äußerungen ergebe sich kein Anlass, von der im Gutachten abgegebenen Einschätzung abzuweichen.

Die Klägerin hat zu der ergänzenden Stellungnahme des Dr. L vom 06. Oktober 2008 eingewendet, dass die von ihm aufgezeigten diagnostischen Kriterien für das Krankheitsbild der Fibromyalgie nicht mehr dem aktuellen Wissensstand entsprechen würden und hat auszugsweise die derzeit geltenden Diagnose-Leitlinien und eine Krankheitsbeschreibung aus dem Magazin der Deutschen Rheuma-Liga beigefügt. Der abschließenden Beurteilung sei das vorliegende Fibromyalgie-Syndrom und dessen Be-gleitsymptome mit der Folge einer maßgeblichen Einbuße an Erwerbsfähigkeit unter Berücksichtigung der Diagnose des Rheumatologen Dr. R in seinem BB vom 15. September 2008 zugrundezulegen. Bevor diese Diagnose erstmals gestellt worden sei, habe sie sich seit ca. 2000/2001 über Jahre von Arzt zu Arzt verschiedener Fachrich-tungen gequält, ohne einen konkreten Befund zu erhalten, und sich diversen, teils wirkungslosen Therapien unterzogen. Sie möchte sich darum auch keiner weiteren Begutachtung unterziehen.

Das SG hat Ablichtungen aus den Verwaltungsakten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales gefertigt (u. a. fachchirurgische Stellungnahme zum SB-Klageverfahren der Fachärztin für Chirurgie Dr. L vom 25. März 2008 und lungenfachärztliche Stellungnahme des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S vom 18. April 2008).

Zwischenzeitlich hatte das Versorgungsamt Berlin mit Bescheid vom 19. Mai 2008 bei der Klägerin mit Wirkung ab September 2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von nunmehr 50 v. H. anerkannt. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 28. November 2008 der Klägerin für die Zeit ab dem 01. Oktober 2005 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gewährt.

Mit Urteil vom 30. Januar 2009 hat das SG Berlin die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits ab Februar 2005 habe. Die Voraussetzungen des § 236a Abs. 1 SGB VI seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei am 01. Februar 2005 unstreitig nicht als schwerbehinderter Mensch anerkannt, zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 SGB VI in bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a. F.) gewesen. Im Rahmen der Prüfung der BU sei als bisheriger Beruf der Klägerin im rentenrechtlichen Sinne die Tätigkeit als Druckerei-Hilfsarbeiterin zugrunde zu legen, in der sie zuletzt beschäftigt gewesen sei. Auch wenn die Klägerin wegen der bei ihr festgestellten Leiden in diesem Beruf nicht mehr tätig sein könne, führe dieser Umstand für sich genommen noch nicht zur BU im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. Der Klägerin, die keine Berufsausbildung absolviert habe und zuletzt als Hilfsarbeiterin tätig gewesen sei, sei kein Berufsschutz zuzubilligen, sie sei vielmehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bzw. auf ungelernte Tätigkeiten zu verweisen. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung der getätigten Ermittlungen im Februar 2005 noch vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten können. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung seien nicht gegeben, so dass die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich sei. Diese Einschätzung ergebe sich unter Berücksichtigung der sorgfältig erstellten und überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. G und Dr. L, die der Klägerin auch jetzt noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigt hätten. Die im Einzelnen erhobenen Befunde würden jeweils aufgeführt und die daraus hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gezogenen Schlussfolgerungen seien jeweils in sich schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Die Sachverständigen hätten sich jeweils auch mit den in der Verwaltungsakte und der Gerichtsakte enthaltenen medizinischen Unterlagen gründlich und umfassend auseinandergesetzt und ihre Auffassungen überzeugend und nachvollziehbar begründet. Unter Berücksichtigung dieser Gutachten sei der BB des behandelnden Internisten und Rheumatologen Dr. R vom 15. Juli 2006 insoweit widerlegt, als dieser die Auffassung vertrete, die Klägerin sei wegen der extremen Müdigkeit nicht in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. Diese Einschätzung stehe auch im Widerspruch zu den Feststellungen des behandelnden Orthopäden Dr. B in seinem BB vom 09. Mai 2006 sowie der Sachverständigen Dr. F und Dr. S in ihren Gutachten vom 26. April 2005 und vom 01. Juni 2005, die sämtlich zu dem Ergebnis gelangt seien, dass die Klägerin körperlich leichte Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Die Klägerin sei somit am 01. Februar 2005 nicht berufsunfähig im Sinne der §§ 43 SGB VI a. F. gewesen. Sie sei im Februar 2005 auch nicht als erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. anzusehen. Erwerbsunfähig sei nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben könne, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen sei (§ 44 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F.). Die Klägerin sei im Februar 2005 noch in der Lage gewesen, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung hält die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen an ihrem Begehren fest und reicht zur Untermauerung ihrer Auffassung Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 03. März 1999 (L 16 RJ 89/96) und des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09. April 2003 (B 5 RJ 36/02 R), die ein vergleichbares Krankheitsbild beträfen, ein und legt des Weiteren Ablichtungen aus den Patientenkarteien des Hausarztes Dr. D sowie der Orthopäden Dr. B und Dr. B betreffend den Zeitraum vom 17. Januar 2005 bis zum 20. Juli 2006, eine ärztliche Bescheinigung des Rheumatologen Dr. R vom 03. März 2009 sowie einen Aufsatz "Fibromyalgie - Die rätselhafte Schmerz-Krankheit" aus www.welt.de/wissenschaft/medizin vom 12. Juni 2009 und eine Abhandlung "Fibromyalgiesyndrom: Klassifikation, Diagnose" aus dem Deutschen Ärzteblatt: Archiv vor.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2009 aufzuheben und den Bescheid vom 09. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2005 sowie des Bescheides vom 28. November 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits ab Februar 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, dass sich aus den übersandten medizinischen Unterlagen keine neuen medizinischen Sachverhalte ergeben würden, die nicht bereits in den vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen ausreichend gewürdigt worden seien.

Der Senat hat mit Schreiben vom 11. Juni, 09. Oktober und 11. November 2009 die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie vom SG entschieden, ist der Bescheid vom 09. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2005 sowie des Bescheides vom 28. November 2008, mit welchem die Beklagte es abgelehnt hat, der Klägerin bereits ab dem 01. Februar 2005 die Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu gewähren, rechtmäßig.

Nach § 236 a SGB VI in der ab 2002 geltenden Fassung (BGBl. 2002 I, S. 754 ff.) haben Versicherte, die vor dem 01. Januar 1951 geboren sind, Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben, bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)) anerkannt, berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht sind und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben.

Diese Voraussetzungen liegen zum Zeitpunkt des von der Klägerin begehrten Rentenbeginns vor dem 01. Oktober 2005, d. h. ab dem 01. Februar 2005, nicht vor. Die Klägerin ist zwar vor dem 01. Januar 1951, nämlich am 24. November 1942, geboren und hatte am 23. November 2002 ihr 60. Lebensjahr vollendet. Auch hat sie die Wartezeit von 35 Jahren, d. h. 420 Monate mit rentenrechtlichen Zeiten - erfüllt; denn ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 06. Juni 2005 weist ihr Versicherungskonto bis dahin 570 Monate mit Beitragszeiten (§§ 54, 55 SGB VI) auf. Die Klägerin bezog zum beantragten Beginn einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab Februar 2005 keine Rente wegen EU oder BU nach §§ 43, 44 SGB VI a. F. und sie war auch nicht als Schwerbehinderte i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt. Dies ge-schah erst mit Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 19. Mai 2008 mit Wirkung ab September 2005 und wurde von der Beklagten entsprechend im Bescheid vom 28. November 2008 berücksichtigt.

Die Klägerin war zum maßgeblichen Zeitpunkt, d. h. vor Oktober 2005, aber auch nicht berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 SGB VI a. F.

Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit und Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von kör-perlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Ausgangspunkt für die Beurteilung des Vorliegens von BU ist der bisherige Beruf, d. h. die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit, hier die Tätigkeit als Druckereihilfsarbeiterin. Die Klägerin war wegen der bei ihr festgestellten Leiden im Februar 2005 nicht mehr in der Lage, diese Tätigkeit vollschichtig auszuüben, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Dieser Umstand führt aber noch nicht zur BU im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. Der Klägerin, die keine Berufsausbildung absolviert hat und zuletzt als Hilfsarbeiterin tätig gewesen ist, hat keinen Berufsschutz, sie ist vielmehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bzw. auf ungelernte Tätigkeiten zu verweisen.

Die Klägerin war zum maßgeblichen Zeitpunkt auch noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 8 Stunden täglich leichte Tätigkeiten mit bestimmten qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Sie war somit nicht berufsunfähig, wie unten noch im Einzelnen dargelegt wird.

Die Klägerin war ab Februar 2005 auch nicht erwerbsunfähig. Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. Versicherte, die wegen Krankheit und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Da die Klägerin nicht berufsunfähig war, kann sie auch nicht erwerbsunfähig sein, da dies eine noch größere Leistungseinschränkung voraussetzen würde.

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin stützt sich der Senat vor allem auf die vom SG Berlin eingeholten Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. G vom 10. Januar 2007 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 15. April 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 06. Oktober 2008, die überein-stimmend die Auffassung vertreten haben, dass die Klägerin auch nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht leistungsfähig war, also 8 Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten mit noch aufzuführenden qualitativen Einschränkungen verrichten konnte. Diesen Gutachten lag jeweils eine Beweisanordnung mit ausdrücklicher Nachfrage zur Leistungsfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht (8 Stunden arbeitstäglich) zugrunde. Insoweit hat das SG Berlin dem – von der Klägerin zu Recht erhobenen – Einwand, dass die von der Beklagten beauftragten Gutachter Dr. F und Dr. S (zunächst) einen Vordruck zum neuen, ab dem 01. Januar 2001 geltenden Recht benutzt und eine "vollschichtige" Leistungsfähigkeit im Sinne einer Dauer von 6 Stunden und mehr angenommen hätten, Rechnung getragen. Jedoch hatte bereits Dr. S in der von der Beklagten im Widerspruchsverfahren angeforderten Stellungnahme vom 26. August 2005 ergänzend eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin auf einem Vordruck zu dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Erwerbsminderungsrecht vorgenommen und eine vollschichtige Leistungsfähigkeit (mind. 8 Stunden) für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bejaht.

Dr. G stellte nach eingehender Untersuchung der Klägerin und Auswertung der von ihm anlässlich der Begutachtung selbst gefertigten sowie der fremd gefertigten Röntgen- und MRT-Aufnahmen und eines 2-Phasenknochenszintigramms vom 19. Oktober 2008 die Diagnosen eines chronischen Pseudoradikulärsyndroms der HWS, der BWS und der LWS, einer Facettengelenkarthrose LWK 4/5 und LWK 5/S1, eines Outlet-Impingement-Syndroms beider Schultergelenke, einer AC-Gelenksarthrose beid-seits, einer Epicondylitis beidseits, Polyarthralgien der Hände, einer beginnenden Cox- und Gonarthrose beidseits, einer Retropatellararthrose rechts, einer Chondromalazie III. bis IV. Grades rechts, eines Senk-Spreiz-Fußes und eines Hallux valgus beidseits. Diese Gesundheitsbeeinträchtigungen hätten zur Folge, dass die Belastbarkeit der Arme, der Beine und der Wirbelsäule eingeschränkt sei. Gleichwohl könne die Klägerin noch regelmäßig körperliche leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung extremer klimatischer Bedingungen im Wechsel der Haltungsarten, dabei überwiegend sitzend verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung, in Zwangshaltungen, unter Zeitdruck, mit Heben und Tragen von Lasten über 5 Kilogramm, in Wechsel- und Nachtschichten und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit. Arbeiten überwiegend oder teilweise am Computer könnten durchgeführt werden. Die Klägerin sei auch wegefähig. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden täglich aus. Die festgestellten qualitativen Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit bestünden seit Rentenantragstellung am 22. Februar 2005.

Dieser Leistungseinschätzung in orthopädischer Hinsicht ist zu folgen. So war die Klägerin nach den gutachterlichen Feststellungen in der Lage, bei der Untersuchung 60 Minuten zu sitzen, obwohl sie angegeben hatte, dass sie nach 10 Minuten wegen innerer Unruhe aufstehen müsse. Bewegungsabläufe und Positionsänderungen wurden zwar verlangsamt und teilweise unter Schmerzangabe vorgeführt, waren aber bis auf die Einnahme der Hockstellung möglich. Die nach der Neutral-Null-Methode gemessenen Bewegungen ergaben Einschränkungen, die im Wesentlichem dem Alter der Klägerin von 64 Jahren bei der Untersuchung und den beginnenden degenerativen Veränderungen entsprachen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die den objektiven Befund übersteigenden subjektiven Beschwerden durch eine psychosomatische Komponente als Schmerzverstärkung am Bewegungsapparat wahr genommen würden.

Übereinstimmung besteht insoweit auch mit den Diagnosen und Befunden des von der Beklagten beauftragten Arztes für Innere Medizin Dr. F der bei der Begutachtung der Klägerin einen guten Allgemeinzustand, einen überwiegend zügigen Bewegungsablauf und Lagewechsel - bei zeitweise verzögertem Ablauf (Verdeutlichungstendenz) – und eine unauffällige Lungenfunktion feststellte und die Auffassung vertrat, dass die diagnostizierten Erkrankungen, nämlich Sigmadivertikulose, Refluxkrankheit, belastungsinduzierte HWS- und LWS-Beschwerden, labile arterielle Hypertonie, belas-tungsinduzierte Schulter-, Kniegelenk- und Großzehenbeschwerden, Muskelverspan-nungen, zeitweiliger Belastungs-Dyspnoe, Magendruck, nur qualitative Einschränkungen, nicht jedoch eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens bedingen würden. So könne die Klägerin unter kontinuierlicher Blutdruckeinstellung und Gewichtsreduktion leichte Tätigkeiten in gelegentlich wechselnder Haltung und unter Vermeidung von Nachtschichten und Zeitdruck vollschichtig – allerdings nach dem ab dem 01. Januar 2001 geltenden Recht - ausüben. Öffentliche Verkehrsmittel könnten benutzt werden.

Auch der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vertrat in seinem am 15. April 2008 erstatteten nervenärztlichen Gutachten nach über zweistündiger psychiatrischer Exploration mit anschließender körperlicher Untersuchung und in der ergänzenden Stellungnahme vom 06. Oktober 2008 die Auffassung, die Klägerin könne noch vollschichtig, also 8 Stunden arbeitstäglich, erwerbstätig sein. Dr. L, der gegenüber den vorliegenden ärztlichen Unterlagen keine neuen Befunde erhoben und Diagnosen gestellt hat, gelangte auf seinem Fachgebiet zu den Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstöung (ICD 10:F45.4) und einem V. a. neurotische Fehlentwicklung (ICD 10:F60.9). Bei der Klägerin sei eine seelische Erkrankung in Form einer gestörten Erlebnisverarbeitung/psychisches Fehlverhalten festzustellen, welches sich in nicht objektiv sichtbaren und objektiv wahrnehmbaren Fehlregulationen äußere. Die Klägerin sei sich der Fehlhaltung nicht bewusst, sie simuliere oder aggraviere nicht und sei auch nicht in der Lage, die Fehlhaltung zu überwinden, denn es handele sich um einen unbewussten, chronifizierten, durch Lebensgeschichte und besondere Lebensereignisse verursachten Prozess. Durch ärztliche Behandlung sei aber Einfluss auf die Fehlhaltung und damit Besserung der Befindlichkeit möglich. Die Klägerin sei durch die festgestellten Leiden nicht in der Ausübung geistiger Arbeiten entsprechend ihrem Bildungsniveau bzw. entsprechend dem bisherigen intellektuellen Anforderungsniveau beschränkt. Das Hör- und Sehvermögen sei altersentsprechend, das Reaktionsvermögen aufgrund der eingenommenen Medikamente eingeschränkt. Die Lese- und Schreibgewandtheit, die Auffassungsgabe, die Lern-, Merk- Konzentrations-, Entschluss-, Verantwortungs-, Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit und das Gedächtnis seien nicht eingeschränkt. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien möglich. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle seien nicht zu berücksichtigen. Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen bestünden seit Antragstellung.

Dieser Einschätzung entsprechen auch die Feststellungen der von der Beklagten beauftragten Ärztin für Psychiatrie Dr. S, die in ihrem Gutachten vom 01. Juni 2005 eine Somatisierungsstörung und eine im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behand-lung im Jahr 2001 aufgetretene, aber weitestgehend abgeklungene Anpassungsstö-rung diagnostiziert hat. Die letzten nervenärztlichen Vorstellungen seien im November 2003 und 10. Februar 2004 erfolgt. Die Klägerin achte auf ihr Äußeres, bewältige ih-ren Haushalt allein, sei in ihrem Freizeit- und Urlaubsverhalten aktiv und unterhalte soziale Kontakte, was gegen eine schwerere Depression spricht. Die von der behandelnden Nervenärztin mitgeteilte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung werde nicht geteilt, denn es fehlten die spezifischen Symptomen (Intrusionen, Vermeidungsverhalten). In ihrer Stellungnahme vom 26. August 2005 beurteilte die Gutachterin das Leistungsvermögen der Klägerin ebenfalls für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als noch vollschichtig im Sinne des bis zum 31. Dezem-ber 2000 geltenden Erwerbsminderungsrechts.

Die Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen werden zum Teil auch gestützt durch Angaben der die Klägerin behandelnden Ärzte. So lassen sich dem BB des Facharztes für Orthopädie Dr. B vom 12. Oktober 2005 ebenfalls keine Gesundheitsstörungen entnehmen, die das Leistungsvermögen über die genannten qualitativen Einschränkungen hinausgehend auch quantitativ vermindern würden. So diagnostizierte Dr. B ein rezidivierendes LWS-Syndrom mit Blockierungen, ein BWS-Syndrom mit Blockierungen und eine Chondropathia patellae rechts, die als altersentsprechend beurteilt wurde. Das am 14. Juli 2005 durchgeführte MRT der LWS zeigte eine Fehlsteilstellung der LWS und eine Degeneration der Bandscheiben mit geringer Protrusion ohne relevante Stenose LWK 3 bis SWK 1, aber keinen Anhalt für einen lumbalen Bandscheibenvorfall. Des Weiteren wurde der Verdacht einer Iliosakral-Sklerose, Atrophie der Rückenmuskulatur, geringgradiges Facetten-Syndrom betont LWK 4/5 rechts geäußert. Das MRT des rechten Hüftgelenks vom 10. Oktober 2005 ergab keinen Anhalt für eine Osteonekrose, es wurde eine Chrondropathie Grad II bis III ohne relevante Bursitis sowie eine dezente Coxitis festgestellt. Das am selben Tag durchgeführte MRT des rechten Knies ergab eine Chrondropathie patellae Grad III bis IV, eine Synovialitis akuta, eine kleinere Bakercyste, eine Meniskopathie bds. ohne Anhalt für eine akute Ruptur, eine Degeneration des vorderen Kreuzbandes bei intakten Kreuz- und Seitenbändern. Die Klägerin wurde umfassend behandelt, und zwar medikamentös, mittels Injektionen und Chirotherapie, Reizstrom, Krankengymnastik, Akupunktur und Rehasport. Funktionseinschränkungen wurden durch Dr. Bnicht berichtet. Vielmehr wies er darauf hin, dass körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tagen schwerer Lasten im Jahr 2005 von der Klägerin vollschichtig zu verrichten gewesen seien.

Der von allen Gutachtern übereinstimmend festgestellten subjektiv übersteigerten Wahrnehmung der bestehenden Leiden entsprechen die Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. L zu ihren häufigen Arztwechseln. So habe ihr die Ärztin für Innere Medizin Dr. R gesagt, sie solle sich einen anderen Arzt suchen, der Facharzt für Orthopädie Dr. B habe gesagt, dass andere seit Jahren im Rollstuhl säßen und auch noch arbeiten gingen, und dass die Rentenkassen leer seien. Den Hausarzt Dr. habe sie gewechselt, weil er ihre Leistungsfähigkeit nicht beurteilt habe, da es ein orthopädisches bzw. rheumatologisches Leiden darstelle.

Gegen das Vorliegen schwerwiegender seelischer Störungen oder Erkrankungen spricht auch, dass die Klägerin eine psychopharmakologische Behandlung nicht durchgeführt hat und diese auch ablehnt, und dass auch eine psychotherapeutische Behandlung nicht durchgeführt wurde, des Weiteren die Schilderung des Tagesablaufs und der Lebensumstände. So ist die Klägerin gesundheitlich in der Lage, dreimal im Jahr länger dauernde Auslandsreisen zu unternehmen (regelmäßige Urlaube auf Kos, in der Türkei und auf Gran Canaria) und sie reagiert bei sie ansprechenden und interessierenden Themen, etwa dem Besuch in einem Geschäft, das Liegen verkauft, nach Beobachtungen des Sachverständigen aktiv und spontan. Schließlich vermochten weder Dr. Lnoch Dr. S die von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie R im Bericht vom 13. Februar 2004 gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung zu bestätigen. Der äußerst belastende Suizid der Tochter im Jahr 1990 lag 16 Jahre zurück und ist offensichtlich durch das Ereignis einer misslungenen Zahnbehandlung verdrängt worden, die mittlerweile ebenso verarbeitet ist. Entsprechend wird auch eine Befundbesserung dokumentiert.

Auch aus den übrigen von der Klägerin eingereichten medizinischen Unterlagen ergibt sich kein Anhalt für die Annahme eines bereits im Februar 2005 aufgehobenen Leis-tungsvermögens. So stammen der dem Rentenantrag beigefügte Bericht des Ev. Krankenhauses H betreffend die Entfernung der Gallenblase aus Januar 2001, der Bericht über die Durchführung einer Coloskopie und der Bericht über ein durchgeführtes CT des Abdomens mit jeweils unauffälligem bzw. im Wesentlichen unauffälligem Befund aus Oktober bzw. aus Dezember 2002. Dem Bericht der Kardiologischen Praxis Dr. B vom 20. Oktober 2005 (Diagnosen: links ventrikuläre Hypertrophie, Zeichen diastolischer Funktionsstörung) lässt sich ebenfalls kein Befund entnehmen, der leichte körperliche Arbeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen als nicht zumutbar erscheinen ließe. Die Klägerin war nach ihren Angaben im Alltag körperlich kardial beschwerdefrei belastbar - entsprechend ihren Möglichkeiten –, Synkopen träten nicht auf. Gelegentlich auftretendem Schwindel und Beinödemen kann mit gelegentlichen Haltungsänderungen und gymnastischen Übungen, evtl. mit dem Tragen von Stützstrumpfhosen, vorgebeugt werden. Das erstmals im Herbst 2006, d. h. weit nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum, festgestellte mäßiggradige Schlaf-Apnoe-Syndrom ist nach den Ausführungen des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S im Schwerbehindertenverfahren vom 18. April 2008 unter Sauerstoff-Therapie gut eingestellt. Dass es nicht so ausgeprägt ist wird auch durch die Angaben der Klägerin bestätigt, wonach diese während ihrer längeren Reisen auf den Einsatz des Sauerstoffgerätes verzichtet. Die im Attest des Arztes für Neurologie Dr. K gestellten Diagnosen somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, sind nicht durch konkrete Befunde belegt. Zudem ist die Diagnosestellung für einen hier nicht relevanten Zeitraum im Jahr 2008 erfolgt.

Soweit die Klägerin sich im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen auf die Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit durch ein Fibromyalgie-Syndrom stützt und dies durch die Vorlage von fachmedizinischen Beiträgen zu untermauern versucht, vermag auch dieses Vorbringen ihrem Begehren nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar haben einige der die Klägerin behandelnden Ärzte diese Diagnose gestellt. Hierbei handelt es sich zunächst um ärztliche Äußerungen, die sämtlich nach dem hier entscheidenden Zeitraum abgegeben wurden. So diagnostizierte die Fachärztin für Innere Medizin Dr. R in ihrem BB vom 05. Mai 2006 neben einer Psoriasis-Arthropathie, ein sek. Fibromyalgie-Syndrom bzw. eine somatoforme Schmerzstörung und führte aus, die Klägerin habe schon seit Dezember 2004 Schmerzen am ganzen Körper und zunehmende Gelenkschmerzen ohne Gelenkschwellung und Krämpfe in den Händen. Insoweit handelt es sich ausschließlich um die Wiedergabe der von der Klägerin geäußerten Beschwerden, die nicht mit eigenen Feststellungen untermauert sind, weil die Klägerin sich zum ersten Mal am 13. Februar 2006, also ein Jahr nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt, vorgestellt hat. Folgerichtig antwortet die Ärztin auch auf die Frage, ob die Klägerin seit Februar 2005 noch fähig war, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten mit: "unbekannt". Dem als Anlage beigefügten Röntgenbefund für beide Hände vom 22. Februar 2006 (keine Anzeichen einer Arthritis, keine das Altersmaß überschreitenden degenerativen Veränderung) sowie für beide Vorfüße (geringfügiger Hallux valgus beidseits, rechts etwas stärker als links, mit Zeichen einer beginnenden Großzehengrundgelenksarthrose) lassen sich keine die Leistungsfähigkeit maßgeblich einschränkenden Befunde entnehmen, was auch der Sachverständige Dr. Gin seinem Gutachten vom 10. Januar 2007 festgestellt hat. Auch der Facharzt für Innere Medizin D diagnostiziert in seinem BB vom Mai 2006 einen Weichteilrheumatismus ohne laborchemische Entzündungsparameter sowie ein degeneratives LWS-Syndrom, vermochte aber über die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin keine Angaben zu machen. Beigefügt waren neben bereits bekannten Unterlagen ein Schilddrüsensonogramm, ein EKG und eine Echokardiografie des Herzens und eine Sonographie der Beinarterien mit im Wesentlichen Normalbefunden. Schließlich diagnostizierte auch der Facharzt für Innere Medizin Dr. R in seinem BB vom 15. Juli 2006 und in seinem Attest vom 15. September 2008 u. a. ein Fibromyalgie-Syndrom, eine Psoriaris vulga-ris und ein Schlafapnoe-Syndrom. Soweit Dr. R des Weiteren ausführt, die Klägerin sei wegen extremer Müdigkeit nicht in der Lage, vollschichtig zu arbeiten, stützt sich diese Beurteilung des Leistungsvermögens wiederum allein auf Angaben der Klägerin und wird nicht näher begründet.

Entscheidend ist aber, dass die durch Dr. R gestellte Diagnose eines Fibromyalgie-Syndroms von den Sachverständigen Dr. G und Dr. L nicht geteilt wird. Zutreffend weist Dr. L in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06. Oktober 2008 darauf hin, dass die Diagnose einer Fibromyalgie in Facharztkreisen kontrovers diskutiert werde und es sich weitgehend um eine Diagnose nach Ausschluss sämtlicher anderer Erkrankungen, die eine vergleichbare Symptomatik verursachen könnten, handele. Bei der Klägerin habe er unter Berücksichtigung der typischen Tender-Points sowie der nicht druckschmerzhaften Kontrollpunkte die Diagnose einer Fibromyalgie ausdrück-lich nicht gestellt.

Hierin liegt auch der Unterschied zu der Fallkonstellation, die dem von der Klägerin vorgelegten Urteil des Bayerischen LSG vom 03. März 1999 (L 16 RJ 89/96) zugrunde lag, wobei im dortigen Fall zu dem gesicherten Vorliegen eines Fibromaylgie-Syndroms eine ebenfalls gesicherte depressive Erkrankung in Form einer Dysthymie hinzukam, die hier ebenso fehlt. Abgesehen davon lassen sich Ergebnisse eines Gerichtsverfahrens, die durch Auswertung mehrerer Sachverständigengutachten, deren Einzelheiten nicht bekannt sind, gewonnen wurden, wegen des individuell zu beurteilenden Gesundheitszustandes des jeweiligen Klägers ohnehin nicht übertragen. Weiterführende Erkenntnisse oder Grundlagen mit Maßgeblichkeit auch für das vorliegende Verfahren lassen sich diesem Urteil nicht entnehmen. Auch das zitierte Urteil des BSG vom 09. April 2003 (B 5 RJ 36/02 R) enthält keine für dieses Verfahren maßgebliche Aussage. Dort wurde die vorausgehende Entscheidung eines LSG wegen Verletzung der Aufklärungspflicht aufgehoben, da einem Gerichtssachverständigen das nachfolgend erstattete Gutachten eines Internisten und Rheumatologen, der erstmals die Diagnose "generalisierte Tendomypathie (Fibromyalgie)" gestellt hatte, nicht zur Stellungnahme gegeben wurde. Auch dort lag also eine von einem gerichtlichen Sachverständigen gestellte Diagnose einer Fibromyalgie vor, die hier fehlt. Eine endgültige Entscheidung über eine eventuell gegebene Erwerbsminderung hat das BSG nicht getroffen.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die zur Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit verpflichten würden, sind hier nicht ersichtlich. Jedenfalls gehören Einschränkungen wie sie für die Klägerin festgestellt sind, etwa der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen erfordern, in Nässe oder Kälte oder in Zwangshaltungen zu leisten sind wie auch der Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, und der Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Fingerfertigkeit erfordern, nicht dazu (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996,GS 2/95, in Juris, RdNr. 37).

Da mithin nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin bereits vor dem Rentenbeginn am 01. Oktober 2005, d. h. ab Antragstellung im Februar 2005, berufsunfähig oder erwerbsunfähig war, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil, die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved