Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 1865/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Strahlenschutzwerker sind Facharbeiter
2. Zur Verweisung als Registrator oder Poststellenmitarbeiter
2. Zur Verweisung als Registrator oder Poststellenmitarbeiter
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2009 verurteilt, dem Kläger ab 01.11.2008 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. 2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer Rente verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Der am 17.04.1955 geborene Kläger hat die im Beruf des Kfz-Schlossers erlernt und war zuletzt als Strahlenschutzwerker versicherungspflichtig beschäftigt. Von seinem Arbeitgeber wurde er im Jahr 2003 aus gesundheitlichen Gründen vom "Kontrollbereich" in den Bereich "Versorgung" versetzt und hatte dort im Wesentlichen die Aufgaben eines Atemschutzgerätewarts zu erfüllen. Seit dem 02.03.2007 war der Kläger arbeitsunfähig. Inzwischen ist er seit dem 01.07.2009 arbeitslos.
Am 30.10.2007 beantragte der Kläger zunächst, gexxxt im Wesentlichen auf die zur Arbeitsunfähigkeit führende Myasthenia gravis mit Augenmuskellähmung, eine Maß-nahme zur medizinischen Rehabilitation. Diese bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.11.2007.
Aufgrund November 2007 eingetretener Wirbelfrakturen konnte der Kläger die bewilligte Rehabilitationsmaßnahme zunächst nicht antreten. Auf Antrag der AOK Xxx Xxx vom 01.02.2008 prüfte die Beklagte die Umdeutung des Rehabilitations- in einen Rentenantrag. Hierzu fertigte ihr sozialmedizinischer Dienst ein mehrfachärztliches Gutachten (Gutachten des Medizinaldirektors Xxx vom 02.07.2008) mit orthopädischer (Gutachten Dr. Xxx vom 27.05.2008) und nervenfachärztlichen (Gutachten Dr. Xxx vom 02.06.2008) Zusatzbegutachtung. Darin wurde die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme aus medizinischer Sicht weiter befürwortet.
Vom 31.08.2008 bis zum 11.09.2008 absolvierte der Kläger die bewilligte Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der Rehabilitationsklinik Xxx in Xxx. Im Entlas-sungsbericht von 17.09.2008 empfahl die Rehabilitationsklinik eine stufenweise Wie-dereingliederung des Klägers in seinen bisherigen Beruf. Dies lehnte der Arbeitgeber des Klägers unter Hinweis auf eine Stellungnahme seines Werksarztes Dr. Xxx vom 19.09.2008 ab.
Nach Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme Dr. Xxx vom 07.10.2008), der eine Wiedereingliederung in den bisherigen Beruf als für mit den im Rahmen des Heilverfahrens festgestellten qualitativen Einschränkungen nicht vereinbar erachtete, bot die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 08.10.2008 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an.
Am 17.10.2008 stellte der Kläger einen Formantrag auf Erwerbsminderung des Rente bei der Beklagten.
Nach Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme Dr. Xxx vom 27.11.2008) lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 02.12.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin sechs Stunden und mehr täglich tätig sein. Er sei damit weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 09.12.2008, verwies auf die orthopädische Situation und machte außerdem Berufsschutz in seiner Tätigkeit als Strahlenschutzwerker geltend.
Nach erneuter Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme Dr. Xxx vom 11.02.2009) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Wider-spruchsbescheid vom 03.04.2009 zurück. Sie führte aus, die zuletzt ausgeübte Be-schäftigung als Strahlenschutzwerker seit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen. Der Kläger müsse sich deshalb auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen, die er nach Auffassung ihres sozialmedizinischen Dienstes noch sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag ausüben könne.
Hiergegen richtet sich die am 29.04.2009 erhobene Klage. Der Kläger verweist weiter auf seine orthopädischen Gesundheitsbeschwerden sowie das Bestehen Berufsschutz als Strahlenschutzwerker. Er hat hierzu Unterlagen zu den Mindestanforderungen an die Ausbildung zum Strahlenschutzwerker vorgelegt, ob die im Einzelnen Bezug genommen wird.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der den Kläger be-handelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Auf den Inhalt der sachverständigen Zeugenaussagen der Nervenärztin Dr. Xxx (Auskunft vom 06.11.2009), des Neurologen Prof. Dr. Xxx (Auskunft vom 06.11.2009), der Augenärztin Dr. Xxx (Auskunft vom 14.11.2009), des Orthopäden Dr. Xxx (Auskunft vom 16.11.2009) und der Hausärztin des Klägers Dr. Xxx (Auskunft vom 03.11.2009) wird Bezug genommen.
Die Kammer hat außerdem den ehemaligen Arbeitgeber des Kläger zur Art und tarif-liche Einstufung der ausgeübten Tätigkeit als Strahlenschutzwerker gehört. Auf die Arbeitgeberauskunft vom 03.12.2009 mit ergänzender Auskunft vom 10.02.2010 wird Bezug genommen.
Schließlich hat die Kammer einen medizinisches Sachverständigengutachten auf orthopädischem Fachgebiet veranlasst. In seinem Gutachten vom 21.04.2011 kommt Dr. Xxx zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden eine Deformierung mehrerer Wirbel im Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich mit daraus folgender Fehlform der Wir-belsäule nach osteoporotischen Spontanfrakturen mit derzeit normalisierter Kno-chendichte sowie ein Ellenrinnensyndrom links. Damit könne der Kläger leichte kör-perliche Arbeiten im Wechselrhytmus zwischen Gehen, Stehen und Sitzen noch sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag ausüben. Auszuschließen sein schwere und mittel-schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten in ungünstiger Position über fünf Kilogramm, ansonsten bis zehn Kilogramm, ausschließliches Gehen, Stehen und Sitzen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Die bisherige Tätigkeit als Strahlenschutzwerker sei unter Zugrundelegung der Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers nicht mehr leidensgerecht. Der jetzige Gesundheitszustand bestehe seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit an 02.03.2007.
Die Beklagte nunmehr mit Schriftsatz vom 24.05.2011 eingeräumt, Berufsschutz des Klägers als Facharbeiter komme zwar in Betracht. Der Kläger müsse sich jedoch unter Berücksichtigung seiner Leistungseinschränkungen auf eine Tätigkeit als Registrator oder Poststellenmitarbeiter verweisen lassen.
Dem tritt der Kläger entgegen. Er trägt vor, eine Tätigkeit als Registrator vermöge er mit dem vorhandenen Kenntnissen nicht innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten zu erlernen. Im Übrigen seien die benannten Verweisungstätigkeiten auch nicht leidensgerecht. Der Kläger hat hierzu eine Stellungnahme der behandelnden Nervenärztin Dr. Xxx vom 19.07.2011 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2009 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.11.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ergänzende Stellungnahmen ihres sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahmen Dr. Xxx vom 26.01.2010 und vom 20.02.2010) vorgelegt, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird.
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und wird durch die in-soweit rechtswidrige Ablehnungsentscheidung der Beklagten in seinen Rechten verletzt.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Ver-sicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI). Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten ent-sprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 SGB VI).
a) Der Kläger ist im Jahr 1955 geboren und gehört daher zum Kreis der gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich Anspruchsberechtigten.
b) Der Kläger ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen auch berufs-unfähig. Die entsprechenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen nach den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. Xxx im Gutachten vom 21.04.2011 seit Beginn der Ar-beitsunfähigkeit am 02.03.2007.
aa) Der Kläger kann seinen bisherigen Beruf als Strahlenschutzwerker mit den auf orthopädischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen nicht mehr mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag ausüben. Insbesondere ist ihm, wie Dr. Xxx nachvollziehbar ausgeführt hat, das Hantieren mit Atemschutzflaschen, das zu den Aufgaben eines Atemschutzgerätewarts gehört, nicht mehr zumutbar. Dass der bisherige Beruf als Strahlenschutzwerker nicht mehr leidensgerecht ist, hat im Übrigen auch der sozialmedizinische Dienst der Beklagten in Übereinstimmung mit dem Werksarzt des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers Dr. Xxx bereits am 26.09.2008 bestätigt (Stellungnahme Dr. Xxx).
bb) Die Beklagte hat keine Tätigkeit benannt, die dem dem Kläger verbliebenen Leis-tungsvermögen entspricht und ihm sozial zumutbar ist. Die die Frage nach der sozialen Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach dem so ge-nannten Mehrstufenschema (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93; Urteil vom 14.05.1996 – 4 RA 60/94; Urteil vom 24.03.1998 – B 4 RA 44/96 R (Juris); von Koch, in: KREIKEBOHM, SGB VI, 3. Auflage 2008, § 240 Rdnrn. 13 ff. m.w.N.). Die Arbeiterberufe werden danach in vier Gruppen unterteilt, welche durch die Leitberufe des hochqualifizierten Facharbeiters oder Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (erste Stufe), des Facharbeiters in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren (zweite Stufe), des angelernten Arbeiters in einem sonstigen Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren (dritte Stufe) und des ungelernten Arbeiters (vierte Stufe) charakterisiert werden. Fachlich-qualitativ gleichwertig und damit grundsätzlich zumutbar sind dabei alle Verweisungsberufe, die nach dem Mehrstufenschema in die gleiche oder die nächst niedrigere Stufe einzuordnen sind.
Die Tätigkeit als Strahlenschutzwerker ist – wie die Beklagte inzwischen einge-räumt hat – dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen. Nach den vorgelegten Mindestanforderungen an die Ausbildung zum Strahlenschutzwerker des Verbandes der Großkraftwerksbetreiber (VGB) wird hierfür eine abgeschlossene Be-rufsausbildung in einem technischen Ausbildungsberuf, über die der Kläger als gelernter Kfz-Schlosser verfügt, oder eine bestimmte Berufserfahrung als Strah-lenschutzhelfer vorausgesetzt. Auch die tariflichen Einstufung (Entgeltstufe E 6 gemäß Bundesentgelttarifvertrag der Chemischen Industrie) entspricht derjenigen einer Facharbeitertätigkeit. Der Kläger kann daher sozial zumutbar nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens drei Monaten erfordern und sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder aufgrund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben und deshalb einer Anlernzeit gleichstehen, von ihm jedoch nach einer höchstens bis zu drei Monate dauernden Einarbeitungs- und Einweisungszeit ausgeübt werden können (vgl. von Koch, in: KREIKEBOHM, SGB VI, 3. Aufl. 2008 m.w.N. auf die st. Rspr.).
Auf die von der Beklagten benannten Tätigkeiten eines Registrators oder eines Poststellenmitarbeiters kann der Kläger zumutbar nicht verwiesen werden.
(1) Die Tätigkeit als Registrator entspricht nicht dem Leistungsbild des Klägers. Denn sie kann neben körperlich leichten Büroarbeiten auch mit mittelschweren, teils auch schweren körperlichen Arbeiten verbunden sein, wenn beispielsweise Aktenordner aussortiert und in Büroräume verbracht werden müssen. Ungeeignet sind Registraturarbeiten insbesondere für Personen, die wie der Kläger an gravierenden Schäden am Stütz-und Bewegungsapparat leiden, da häufig auch schwere Ordner aus allen Etagen der Registraturschränke entnommen werden müssen (vgl. die Stellungnahme des Landesarbeitsamts Hessen vom 20.09.2010 im Verfahren S 3 R 138/09 des Sozialgerichts Fulda (www.sozialgerichtsbarkeit.de)). Eine Tätigkeit als Registrator scheitert beim Kläger unter Berücksichtigung dessen im Übrigen bereits daran, dass sie mit dem sowohl von Dr. Xxx im Gutachten vom 21.04.2011 als auch bereits im Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 17.09.2008 ausgeschlossenen Besteigen von Leitern verbunden ist (vgl. hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2006 – L 10 R 3434/06, Rdnr. 36 (Juris)).
Die Kammer ist zudem davon überzeugt, dass sich der Kläger die für eine Tätigkeit als Registrator erforderlichen Kenntnisse nicht binnen einer Einweisungszeit von höchstens drei Monaten aneignen kann. Die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst ist nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt. Sie reicht von der vor-wiegend mechanischen Tätigkeit (BAT X) und den einfacheren Arbeiten (BAT IX) über schwierigere Tätigkeiten (BAT VIII) bis zu Arbeiten mit gründlichen und be-sonders qualifizierten Fachkenntnissen und/oder leitenden Funktionen (BAT VII bis V). Die Vergütungsgruppe VIII BAT (jetzt Entgeltgruppe 3) erfasst Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z.B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung). In die Vergütungsgruppe IX b BAT werden Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfacheren Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien z.B. Zettelkatalogen, nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung, Schreibmaterialienverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher) eingruppiert. Die Vergütungsgruppen sind im Verhältnis zueinander zu sehen. Eine "schwierigere Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe VIII BAT muss an den "einfacheren Arbeiten" der Vergütungsgruppe IX b BAT gemessen werden. Deshalb ist unter den schwierigeren Tätigkeiten nach VIII BAT weniger als eine schwierige Tätigkeit zu verstehen; der Komparativ "schwierigere" wird hier als Steigerung gegenüber den "einfacheren" Arbeiten der Vergütungsgruppe IX b Fallgruppe 1 gebraucht. Die schwierigeren Tätigkeiten zeichnen sich durch Verantwortlichkeit, große Selbständigkeit, eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere Initiative, besondere eigene Überlegung und eine Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten im Sinne von Vergütungsgruppe IX b nicht gefordert wird, aus. Schwierigere Tätigkeiten liegen gegenüber einfacheren Tätigkeiten dann vor, wenn die Tätigkeit den Einsatz qua-lifizierterer Fähigkeiten der Angestellten, gleich in welcher Hinsicht, im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten verlangt. Die schwierigere Tätigkeit muss damit im Schwierigkeitsgrad einerseits deutlich erkennbar über den Anforderungen der Postabfertigung liegen, andererseits ist für eine solche Tätigkeit die Anwendung von "gründlichen Fachkenntnissen" nicht erforderlich. Im Gegensatz zur Vergü-tungsgruppe IX b BAT handelt es sich bei der Vergütungsgruppe VIII BAT um eine Tätigkeit für Angelernte und damit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verwaltungstätigkeit. Üblicherweise wird für die qualifizierte Registraturtätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten vorausgesetzt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2007 – L 11 R 4310/06, Rdnr. 24; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil 16.09.2009 – L 4 R 54/06, Rdnrn. 52 ff.; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 27.10.2009 – L 6 R 1276/07, Rdnr. 33, jeweils m.w.N. (Juris)). Der Kläger verfügt nach seiner beruflichen Vita – auch unter Berücksichtigung der besuchten Anwenderschulung zu der in der Atemschutzwerkstatt verwendeten Software und den am bisherigen Arbeitsplatz durchgeführten einfachsten PC-Tätigkeiten – über keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für die Ausübung der kaufmännisch-verwaltenden Tätigkeit eines Registrators jedenfalls im sozial nur zumutbaren qualifizierten Bereich. Er hat keine Erfahrung in der Ausübung von Bürotätigkeiten, geschweige denn hinsichtlich des Anlegens von Akten, der Vergabe von Aktenzeichen, der Überwachung von Terminen oder der Archivierung und Aussonderung von Unterlagen, wie sie für die Führung von Registraturen verlangt werden. Es ist daher nicht ersichtlich, wie er eine solche Tätigkeit schwieriger Art mit der hierfür erforderlichen Verantwortlichkeit, Selbständigkeit, Eigeninitiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besonderen Initiative und besonderen eigenen Überlegung nach drei Monaten Einarbeitungszeit vollwertig verrichten können soll. Soweit die Beklagte offenbar davon ausgeht, die Berufung auf eine Qualifikation als Facharbeiter bedinge, dass sich der Betreffende stets innerhalb von drei Monaten auch in schwierigere Registratorentätigkeiten einarbeiten können müsse, lässt sie eine nachvollziehbare Begründung für diese These vermissen und verkennt darüber hinaus die Einzelfallbezogenheit der hier durchzuführenden Prüfung.
(2) Der Kläger muss sich auch nicht auf eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter verweisen lassen. Unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei überhaupt um eine für Facharbeiter sozial zumutbare Verweisungstätigkeit handelt (verneinend z.B. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil 16.09.2009 – L 4 R 54/06, Rdnrn. 51; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 27.10.2009 – L 6 R 1276/07, Rdnr. 32), ist auch diese Tätigkeit nicht mehr leidensgerecht. Denn die ein Poststellenmitarbeiter muss nicht ausschließlich dem Kläger noch mögliche leichte, sondern gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten verrichten. So kann es vorkommen, dass häufiger Pakete, Postkörbe und Postsäcke mit mehr als zehn Kilogramm zu tragen sind (siehe hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2006 – L 10 R 3434/06, Rdnr. 35 m.w.N.; vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15.04.2011 – L 5 R 331/09, Rdnr. 38 (Juris)). Das auch gelegentliche Heben derartiger Lasten ist für den Kläger, der bereits mehrere Wirbelfrakturen erlitten hat und bei dem ein weiteres Frakturrisiko vom Sachverständigen Dr. Xxx nicht ausgeschlossen werden konnte, denkbar ungeeignet. Die Beklagte kann insbesondere nicht damit gehört werden, dass entsprechende Gewichte stets nur von bestimmten Mitarbeitern bewegt werden bzw. in ihrer eigenen Poststelle nicht anfallen. Eine Verweisung nur auf einen Teilbereich einer Tätigkeit ist bereits nicht zulässig und widerspricht Sinn und Zweck der Obliegenheit zur Benennung von Verweisungstätigkeiten. Die Verweisungstätigkeit muss vielmehr vollwertig verrichtet werden können, zumal es auch nicht plausibel ist, dass Arbeitgeber mit dem Bewegen größerer Lasten nur bestimmte Mitarbeiter betrauen. Vielmehr dürfte der Kläger mit den vorhandenen qualitativen Einschränkungen hinsichtlich einer Anstellung als Poststellenmitarbeiter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht konkurrenzfähig sein. Die organisatorischen Besonderheiten in der eigenen Poststelle der Beklagten ist dabei für das allgemeine Berufsbild eines Poststellenmitarbeiters ohne Belang. Dieses entspricht wie dargelegt nicht seinem verbliebenen Leistungsvermögen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer Rente verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Der am 17.04.1955 geborene Kläger hat die im Beruf des Kfz-Schlossers erlernt und war zuletzt als Strahlenschutzwerker versicherungspflichtig beschäftigt. Von seinem Arbeitgeber wurde er im Jahr 2003 aus gesundheitlichen Gründen vom "Kontrollbereich" in den Bereich "Versorgung" versetzt und hatte dort im Wesentlichen die Aufgaben eines Atemschutzgerätewarts zu erfüllen. Seit dem 02.03.2007 war der Kläger arbeitsunfähig. Inzwischen ist er seit dem 01.07.2009 arbeitslos.
Am 30.10.2007 beantragte der Kläger zunächst, gexxxt im Wesentlichen auf die zur Arbeitsunfähigkeit führende Myasthenia gravis mit Augenmuskellähmung, eine Maß-nahme zur medizinischen Rehabilitation. Diese bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.11.2007.
Aufgrund November 2007 eingetretener Wirbelfrakturen konnte der Kläger die bewilligte Rehabilitationsmaßnahme zunächst nicht antreten. Auf Antrag der AOK Xxx Xxx vom 01.02.2008 prüfte die Beklagte die Umdeutung des Rehabilitations- in einen Rentenantrag. Hierzu fertigte ihr sozialmedizinischer Dienst ein mehrfachärztliches Gutachten (Gutachten des Medizinaldirektors Xxx vom 02.07.2008) mit orthopädischer (Gutachten Dr. Xxx vom 27.05.2008) und nervenfachärztlichen (Gutachten Dr. Xxx vom 02.06.2008) Zusatzbegutachtung. Darin wurde die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme aus medizinischer Sicht weiter befürwortet.
Vom 31.08.2008 bis zum 11.09.2008 absolvierte der Kläger die bewilligte Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der Rehabilitationsklinik Xxx in Xxx. Im Entlas-sungsbericht von 17.09.2008 empfahl die Rehabilitationsklinik eine stufenweise Wie-dereingliederung des Klägers in seinen bisherigen Beruf. Dies lehnte der Arbeitgeber des Klägers unter Hinweis auf eine Stellungnahme seines Werksarztes Dr. Xxx vom 19.09.2008 ab.
Nach Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme Dr. Xxx vom 07.10.2008), der eine Wiedereingliederung in den bisherigen Beruf als für mit den im Rahmen des Heilverfahrens festgestellten qualitativen Einschränkungen nicht vereinbar erachtete, bot die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 08.10.2008 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an.
Am 17.10.2008 stellte der Kläger einen Formantrag auf Erwerbsminderung des Rente bei der Beklagten.
Nach Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme Dr. Xxx vom 27.11.2008) lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 02.12.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin sechs Stunden und mehr täglich tätig sein. Er sei damit weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 09.12.2008, verwies auf die orthopädische Situation und machte außerdem Berufsschutz in seiner Tätigkeit als Strahlenschutzwerker geltend.
Nach erneuter Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme Dr. Xxx vom 11.02.2009) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Wider-spruchsbescheid vom 03.04.2009 zurück. Sie führte aus, die zuletzt ausgeübte Be-schäftigung als Strahlenschutzwerker seit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen. Der Kläger müsse sich deshalb auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen, die er nach Auffassung ihres sozialmedizinischen Dienstes noch sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag ausüben könne.
Hiergegen richtet sich die am 29.04.2009 erhobene Klage. Der Kläger verweist weiter auf seine orthopädischen Gesundheitsbeschwerden sowie das Bestehen Berufsschutz als Strahlenschutzwerker. Er hat hierzu Unterlagen zu den Mindestanforderungen an die Ausbildung zum Strahlenschutzwerker vorgelegt, ob die im Einzelnen Bezug genommen wird.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der den Kläger be-handelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Auf den Inhalt der sachverständigen Zeugenaussagen der Nervenärztin Dr. Xxx (Auskunft vom 06.11.2009), des Neurologen Prof. Dr. Xxx (Auskunft vom 06.11.2009), der Augenärztin Dr. Xxx (Auskunft vom 14.11.2009), des Orthopäden Dr. Xxx (Auskunft vom 16.11.2009) und der Hausärztin des Klägers Dr. Xxx (Auskunft vom 03.11.2009) wird Bezug genommen.
Die Kammer hat außerdem den ehemaligen Arbeitgeber des Kläger zur Art und tarif-liche Einstufung der ausgeübten Tätigkeit als Strahlenschutzwerker gehört. Auf die Arbeitgeberauskunft vom 03.12.2009 mit ergänzender Auskunft vom 10.02.2010 wird Bezug genommen.
Schließlich hat die Kammer einen medizinisches Sachverständigengutachten auf orthopädischem Fachgebiet veranlasst. In seinem Gutachten vom 21.04.2011 kommt Dr. Xxx zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden eine Deformierung mehrerer Wirbel im Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich mit daraus folgender Fehlform der Wir-belsäule nach osteoporotischen Spontanfrakturen mit derzeit normalisierter Kno-chendichte sowie ein Ellenrinnensyndrom links. Damit könne der Kläger leichte kör-perliche Arbeiten im Wechselrhytmus zwischen Gehen, Stehen und Sitzen noch sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag ausüben. Auszuschließen sein schwere und mittel-schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten in ungünstiger Position über fünf Kilogramm, ansonsten bis zehn Kilogramm, ausschließliches Gehen, Stehen und Sitzen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Die bisherige Tätigkeit als Strahlenschutzwerker sei unter Zugrundelegung der Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers nicht mehr leidensgerecht. Der jetzige Gesundheitszustand bestehe seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit an 02.03.2007.
Die Beklagte nunmehr mit Schriftsatz vom 24.05.2011 eingeräumt, Berufsschutz des Klägers als Facharbeiter komme zwar in Betracht. Der Kläger müsse sich jedoch unter Berücksichtigung seiner Leistungseinschränkungen auf eine Tätigkeit als Registrator oder Poststellenmitarbeiter verweisen lassen.
Dem tritt der Kläger entgegen. Er trägt vor, eine Tätigkeit als Registrator vermöge er mit dem vorhandenen Kenntnissen nicht innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten zu erlernen. Im Übrigen seien die benannten Verweisungstätigkeiten auch nicht leidensgerecht. Der Kläger hat hierzu eine Stellungnahme der behandelnden Nervenärztin Dr. Xxx vom 19.07.2011 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2009 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.11.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ergänzende Stellungnahmen ihres sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahmen Dr. Xxx vom 26.01.2010 und vom 20.02.2010) vorgelegt, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird.
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und wird durch die in-soweit rechtswidrige Ablehnungsentscheidung der Beklagten in seinen Rechten verletzt.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Ver-sicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI). Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten ent-sprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 SGB VI).
a) Der Kläger ist im Jahr 1955 geboren und gehört daher zum Kreis der gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich Anspruchsberechtigten.
b) Der Kläger ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen auch berufs-unfähig. Die entsprechenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen nach den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. Xxx im Gutachten vom 21.04.2011 seit Beginn der Ar-beitsunfähigkeit am 02.03.2007.
aa) Der Kläger kann seinen bisherigen Beruf als Strahlenschutzwerker mit den auf orthopädischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen nicht mehr mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag ausüben. Insbesondere ist ihm, wie Dr. Xxx nachvollziehbar ausgeführt hat, das Hantieren mit Atemschutzflaschen, das zu den Aufgaben eines Atemschutzgerätewarts gehört, nicht mehr zumutbar. Dass der bisherige Beruf als Strahlenschutzwerker nicht mehr leidensgerecht ist, hat im Übrigen auch der sozialmedizinische Dienst der Beklagten in Übereinstimmung mit dem Werksarzt des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers Dr. Xxx bereits am 26.09.2008 bestätigt (Stellungnahme Dr. Xxx).
bb) Die Beklagte hat keine Tätigkeit benannt, die dem dem Kläger verbliebenen Leis-tungsvermögen entspricht und ihm sozial zumutbar ist. Die die Frage nach der sozialen Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach dem so ge-nannten Mehrstufenschema (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93; Urteil vom 14.05.1996 – 4 RA 60/94; Urteil vom 24.03.1998 – B 4 RA 44/96 R (Juris); von Koch, in: KREIKEBOHM, SGB VI, 3. Auflage 2008, § 240 Rdnrn. 13 ff. m.w.N.). Die Arbeiterberufe werden danach in vier Gruppen unterteilt, welche durch die Leitberufe des hochqualifizierten Facharbeiters oder Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (erste Stufe), des Facharbeiters in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren (zweite Stufe), des angelernten Arbeiters in einem sonstigen Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren (dritte Stufe) und des ungelernten Arbeiters (vierte Stufe) charakterisiert werden. Fachlich-qualitativ gleichwertig und damit grundsätzlich zumutbar sind dabei alle Verweisungsberufe, die nach dem Mehrstufenschema in die gleiche oder die nächst niedrigere Stufe einzuordnen sind.
Die Tätigkeit als Strahlenschutzwerker ist – wie die Beklagte inzwischen einge-räumt hat – dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen. Nach den vorgelegten Mindestanforderungen an die Ausbildung zum Strahlenschutzwerker des Verbandes der Großkraftwerksbetreiber (VGB) wird hierfür eine abgeschlossene Be-rufsausbildung in einem technischen Ausbildungsberuf, über die der Kläger als gelernter Kfz-Schlosser verfügt, oder eine bestimmte Berufserfahrung als Strah-lenschutzhelfer vorausgesetzt. Auch die tariflichen Einstufung (Entgeltstufe E 6 gemäß Bundesentgelttarifvertrag der Chemischen Industrie) entspricht derjenigen einer Facharbeitertätigkeit. Der Kläger kann daher sozial zumutbar nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens drei Monaten erfordern und sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder aufgrund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben und deshalb einer Anlernzeit gleichstehen, von ihm jedoch nach einer höchstens bis zu drei Monate dauernden Einarbeitungs- und Einweisungszeit ausgeübt werden können (vgl. von Koch, in: KREIKEBOHM, SGB VI, 3. Aufl. 2008 m.w.N. auf die st. Rspr.).
Auf die von der Beklagten benannten Tätigkeiten eines Registrators oder eines Poststellenmitarbeiters kann der Kläger zumutbar nicht verwiesen werden.
(1) Die Tätigkeit als Registrator entspricht nicht dem Leistungsbild des Klägers. Denn sie kann neben körperlich leichten Büroarbeiten auch mit mittelschweren, teils auch schweren körperlichen Arbeiten verbunden sein, wenn beispielsweise Aktenordner aussortiert und in Büroräume verbracht werden müssen. Ungeeignet sind Registraturarbeiten insbesondere für Personen, die wie der Kläger an gravierenden Schäden am Stütz-und Bewegungsapparat leiden, da häufig auch schwere Ordner aus allen Etagen der Registraturschränke entnommen werden müssen (vgl. die Stellungnahme des Landesarbeitsamts Hessen vom 20.09.2010 im Verfahren S 3 R 138/09 des Sozialgerichts Fulda (www.sozialgerichtsbarkeit.de)). Eine Tätigkeit als Registrator scheitert beim Kläger unter Berücksichtigung dessen im Übrigen bereits daran, dass sie mit dem sowohl von Dr. Xxx im Gutachten vom 21.04.2011 als auch bereits im Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 17.09.2008 ausgeschlossenen Besteigen von Leitern verbunden ist (vgl. hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2006 – L 10 R 3434/06, Rdnr. 36 (Juris)).
Die Kammer ist zudem davon überzeugt, dass sich der Kläger die für eine Tätigkeit als Registrator erforderlichen Kenntnisse nicht binnen einer Einweisungszeit von höchstens drei Monaten aneignen kann. Die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst ist nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt. Sie reicht von der vor-wiegend mechanischen Tätigkeit (BAT X) und den einfacheren Arbeiten (BAT IX) über schwierigere Tätigkeiten (BAT VIII) bis zu Arbeiten mit gründlichen und be-sonders qualifizierten Fachkenntnissen und/oder leitenden Funktionen (BAT VII bis V). Die Vergütungsgruppe VIII BAT (jetzt Entgeltgruppe 3) erfasst Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z.B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung). In die Vergütungsgruppe IX b BAT werden Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfacheren Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien z.B. Zettelkatalogen, nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung, Schreibmaterialienverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher) eingruppiert. Die Vergütungsgruppen sind im Verhältnis zueinander zu sehen. Eine "schwierigere Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe VIII BAT muss an den "einfacheren Arbeiten" der Vergütungsgruppe IX b BAT gemessen werden. Deshalb ist unter den schwierigeren Tätigkeiten nach VIII BAT weniger als eine schwierige Tätigkeit zu verstehen; der Komparativ "schwierigere" wird hier als Steigerung gegenüber den "einfacheren" Arbeiten der Vergütungsgruppe IX b Fallgruppe 1 gebraucht. Die schwierigeren Tätigkeiten zeichnen sich durch Verantwortlichkeit, große Selbständigkeit, eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere Initiative, besondere eigene Überlegung und eine Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten im Sinne von Vergütungsgruppe IX b nicht gefordert wird, aus. Schwierigere Tätigkeiten liegen gegenüber einfacheren Tätigkeiten dann vor, wenn die Tätigkeit den Einsatz qua-lifizierterer Fähigkeiten der Angestellten, gleich in welcher Hinsicht, im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten verlangt. Die schwierigere Tätigkeit muss damit im Schwierigkeitsgrad einerseits deutlich erkennbar über den Anforderungen der Postabfertigung liegen, andererseits ist für eine solche Tätigkeit die Anwendung von "gründlichen Fachkenntnissen" nicht erforderlich. Im Gegensatz zur Vergü-tungsgruppe IX b BAT handelt es sich bei der Vergütungsgruppe VIII BAT um eine Tätigkeit für Angelernte und damit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verwaltungstätigkeit. Üblicherweise wird für die qualifizierte Registraturtätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten vorausgesetzt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2007 – L 11 R 4310/06, Rdnr. 24; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil 16.09.2009 – L 4 R 54/06, Rdnrn. 52 ff.; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 27.10.2009 – L 6 R 1276/07, Rdnr. 33, jeweils m.w.N. (Juris)). Der Kläger verfügt nach seiner beruflichen Vita – auch unter Berücksichtigung der besuchten Anwenderschulung zu der in der Atemschutzwerkstatt verwendeten Software und den am bisherigen Arbeitsplatz durchgeführten einfachsten PC-Tätigkeiten – über keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für die Ausübung der kaufmännisch-verwaltenden Tätigkeit eines Registrators jedenfalls im sozial nur zumutbaren qualifizierten Bereich. Er hat keine Erfahrung in der Ausübung von Bürotätigkeiten, geschweige denn hinsichtlich des Anlegens von Akten, der Vergabe von Aktenzeichen, der Überwachung von Terminen oder der Archivierung und Aussonderung von Unterlagen, wie sie für die Führung von Registraturen verlangt werden. Es ist daher nicht ersichtlich, wie er eine solche Tätigkeit schwieriger Art mit der hierfür erforderlichen Verantwortlichkeit, Selbständigkeit, Eigeninitiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besonderen Initiative und besonderen eigenen Überlegung nach drei Monaten Einarbeitungszeit vollwertig verrichten können soll. Soweit die Beklagte offenbar davon ausgeht, die Berufung auf eine Qualifikation als Facharbeiter bedinge, dass sich der Betreffende stets innerhalb von drei Monaten auch in schwierigere Registratorentätigkeiten einarbeiten können müsse, lässt sie eine nachvollziehbare Begründung für diese These vermissen und verkennt darüber hinaus die Einzelfallbezogenheit der hier durchzuführenden Prüfung.
(2) Der Kläger muss sich auch nicht auf eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter verweisen lassen. Unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei überhaupt um eine für Facharbeiter sozial zumutbare Verweisungstätigkeit handelt (verneinend z.B. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil 16.09.2009 – L 4 R 54/06, Rdnrn. 51; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 27.10.2009 – L 6 R 1276/07, Rdnr. 32), ist auch diese Tätigkeit nicht mehr leidensgerecht. Denn die ein Poststellenmitarbeiter muss nicht ausschließlich dem Kläger noch mögliche leichte, sondern gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten verrichten. So kann es vorkommen, dass häufiger Pakete, Postkörbe und Postsäcke mit mehr als zehn Kilogramm zu tragen sind (siehe hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2006 – L 10 R 3434/06, Rdnr. 35 m.w.N.; vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15.04.2011 – L 5 R 331/09, Rdnr. 38 (Juris)). Das auch gelegentliche Heben derartiger Lasten ist für den Kläger, der bereits mehrere Wirbelfrakturen erlitten hat und bei dem ein weiteres Frakturrisiko vom Sachverständigen Dr. Xxx nicht ausgeschlossen werden konnte, denkbar ungeeignet. Die Beklagte kann insbesondere nicht damit gehört werden, dass entsprechende Gewichte stets nur von bestimmten Mitarbeitern bewegt werden bzw. in ihrer eigenen Poststelle nicht anfallen. Eine Verweisung nur auf einen Teilbereich einer Tätigkeit ist bereits nicht zulässig und widerspricht Sinn und Zweck der Obliegenheit zur Benennung von Verweisungstätigkeiten. Die Verweisungstätigkeit muss vielmehr vollwertig verrichtet werden können, zumal es auch nicht plausibel ist, dass Arbeitgeber mit dem Bewegen größerer Lasten nur bestimmte Mitarbeiter betrauen. Vielmehr dürfte der Kläger mit den vorhandenen qualitativen Einschränkungen hinsichtlich einer Anstellung als Poststellenmitarbeiter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht konkurrenzfähig sein. Die organisatorischen Besonderheiten in der eigenen Poststelle der Beklagten ist dabei für das allgemeine Berufsbild eines Poststellenmitarbeiters ohne Belang. Dieses entspricht wie dargelegt nicht seinem verbliebenen Leistungsvermögen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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