Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 962/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 53/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Vertrag zur integrierten Versorgung mit einer Managementgesellschaft für Ärzte bedarf der vertraglichen Einbindung der einzelnen Leistungserbringer. Es reicht nicht aus, die Einbindung über Absprachen mit der Managementgesellschaft herzustellen, ohne dass eine klare, rechtlich verbindliche Verpflichtung zur Leistungserbringung, gerade auch gegenüber der Krankenkasse, geregelt wird.
Es spricht einiges dafür, dass für den Fall, dass eine Krankenkasse ihrer Verpflichtung zur Rechnungslegung nach § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V nicht nachkommt, sie, ggf. unter Setzung einer Nachfrist, die einbehaltenen Beträge ganz oder teilweise zurückzuzahlen hat.
Es spricht einiges dafür, dass für den Fall, dass eine Krankenkasse ihrer Verpflichtung zur Rechnungslegung nach § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V nicht nachkommt, sie, ggf. unter Setzung einer Nachfrist, die einbehaltenen Beträge ganz oder teilweise zurückzuzahlen hat.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 73.814,82 EUR zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer weiteren Gesamtvergütung in Höhe von 73.814,82 EUR wegen einbehaltener Vergütungsanteile aufgrund der Regelungen zur integrierten Versorgung.
Die Klägerin hat am 23.12.2009 Stufenklage erhoben und zunächst Auskunft von der Beklagten begehrt. Nach Vorlage des Vertrages zur integrierten Versorgung hat die Klägerin ihre Klage auf den noch strittigen Zahlungsanspruch umgestellt.
Die Klägerin trägt vor, sie habe mit Schriftsatz vom 03.12.2009 unter Fristsetzung die Beklagte aufgefordert, unter Vorlage aussagekräftiger Belege differenzierte Angaben zu den gemäß § 140d Abs. 1 SGB V vorgenommenen Einbehalten im Zuge der nach § 140d Abs. 1 Satz 4 SGB V vorgesehenen Rechnungslegung vorzulegen. Die Beklagte habe daraufhin mit Schreiben vom 11.12.2009 auf eine sog. Konformitätserklärung verwiesen, darüber hinaus aber keinen weiteren Auskunftsanspruch anerkannt. Die Beklagte habe auf die Einrede der Verjährung nicht verzichtet, weshalb sie Klage erhoben habe. Der zwischen der Beklagten und der M. GmbH & CoKG geschlossene Vertrag entspreche nicht den Vorgaben des Bundessozialgerichts an derartige IV-Verträge. Der Vertrag sei zwischen dem BKK Landesverband Hessen und der Firma M. GmbH & CoKG geschlossen worden. Aus dem Vertrag selbst werde nicht erkennbar, mit welcher Legitimation dieser auf Seiten der Firma geschlossen worden sei. So sei insbesondere nicht erkennbar, ob es sich hierbei um einen in § 140b Abs. 1 SGB V genannten Vertragspartner handle. Ob der in § 3 Abs. 1 des Vertrages enthaltene Hinweis auf § 140b Abs.1 Nr. 4 SGB V zutreffend und damit ausreichend sei, könne von ihr nicht geprüft werden. Der Vertrag entspreche nicht den Vorgaben für eine integrierte Versorgung. Die Firma M. GmbH & CoKG (im Vertrag " Ärztenetzwerk" genannt) schließe diese Vereinbarung für ihre Mitglieder, bei denen es sich um Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung, die als Fachärzte für Orthopädie/orthopädische Chirurgie tätig seien, handle, die bestimmte weitere Voraussetzungen vorweisen könnten. Weitere Leistungserbringer seien formell an diesem IV-Vertrag nicht beteiligt. Gerade dies wäre aber erforderlich gewesen. Allein die in § 3 Abs. 2 letzter Satz für das "Ärztenetzwerk" vorgesehene Verpflichtung, Operationsstandorte bzw. Operationenseinrichtungen, Hilfsmittellieferanten sowie Heilmittelerbringung bzw. stationäre Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V zu nennen, genüge – auch in Kombination mit der dem Vertrag als Anlage 1 beigefügten Liste der "kooperierenden Leistungserbringer" – diesen Ansprüchen nicht. Vorgaben für den Beitritt weiterer Leistungserbringer enthalte der Vertrag nicht. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die vorliegende Konzeption der Integrationsversorgung sich als eine Alternative zur Regelversorgung darstelle. Für die Verknüpfung verschiedener Leistungssektoren reiche die Einbeziehung von kooperierenden Krankenhäusern, die "durch die betreffenden Mitglieder und Krankenhäuser einzelvertraglich und im eigenen Ermessen" zu regeln sei, nicht. Es handle sich vielmehr um eine nur leicht modifizierte Form der üblichen ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Bereits im Rahmen der Regelversorgung sei in jedem Fall gewährleistet, dass der Patient neben den reinen ärztlichen Leistungen auch die im konkreten Einzelfall erforderlichen Heilmittel, Hilfsmittel usw. erhalte. Insoweit werde auf § 7 des IV-Vertrages verwiesen, in dem sich dieses weitgehend widerspiegle und dem letztlich weitgehend auf für die allgemeine vertragsärztliche Versorgung maßgeblichen Vorschriften verwiesen werde. Auch die Einbeziehung von der Rehabilitationsleistung stelle in Anbetracht der Tatsache, dass Träger der einschlägigen Einrichtung weder Vertragspartner seien, noch dem Vertrag ausdrücklich beitreten müssten, kein Indiz für eine leistungssektorenübergreifende Versorgung dar. Der Vertrag erfülle nicht die für eine integrierte Versorgung zu stellenden Ansprüche, weshalb für die seitens der Beklagten einbehaltene Anschubfinanzierung keine Rechtsgrundlage bestanden habe. Der Zinsanspruch stützte sich dem Grunde nach auf den 1980 gesamtvertraglich vereinbarten Zinssatz, wobei die Höhe des vertraglichen Zinssatzes durch den nunmehr erhöhten gesetzlichen Zinssatz des BGB zu modifizieren sei. In Anlehnung an einen – bislang nicht schriftlich fixierten – Konsens zwischen den Gesamtvertragspartnern gehe sie – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – von einem Zinssatz in Höhe von 1 % über dem Basiszinssatz aus. Mit Eintritt der Rechtsfähigkeit sei die streitige Hauptforderung statt mit Verzugszinsen nach dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen nunmehr mit Prozesszinsen nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu verzinsen (Zinsen von 8 % über den Basiszinssatz gemäß §§ 291, 288 Abs. 2 BGB).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.08.2011 haben die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:
1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die maximale Gesamtforderung den strittigen Betrag in Höhe von 73.814,82 EUR beträgt und dass dieser Betrag grundsätzlich fällig ist, soweit der hier strittige Vertrag zur integrierten Versorgung nicht den Anforderungen an die gesetzlichen Regelungen entspricht.
2. Hinsichtlich eines Zinsanspruchs der Klägerin sind sich die Beteiligten darüber einig, dass dieser zunächst vom Ausgang des Streitverfahrens abhängt. Soweit die Klägerin obsiegen sollte, erklärt sich die Beklagte auf Nachweis zu einer entsprechenden Verzinsung bereit. Zwischen den Beteiligten maßgebend sind ausschließlich die gesamtvertraglich vereinbarten Zinsen, d. h. ab Rechtshängigkeit gilt auch dieser Zinssatz.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.814,82 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, auch Managementgesellschaften kämen als Vertragspartner für Verträge zur integrierten Versorgung in Betracht. In § 140b Abs. 2 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung sei die Regelung zum Vertragsschluss mit Gemeinschaften von Leistungserbringern im vierten Aufzählungspunkt geregelt. Hierauf nehme der Vertrag unter Verweis auf "Nr. 4" Bezug. Zum Zeitpunkt ihres Vertragsbeitritts hätte die Verweisung aufgrund verschiedener Gesetzesänderungen auf Nr. 5 erfolgen müssen. Dies sei jedoch unerheblich. Die Firma M. GmbH & CoKG sei eine solche Managementgesellschaft für neue Versorgungsformen. Sie sei 2005 von A. und B. gegründet worden. Beide hätten langjährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen der Gesundheitswirtschaft. Ausweislich der Internetseite arbeite diese mit über 4.000 Leistungserbringern und weit über 150 Krankenkassen zusammen. Angaben zu Tätigkeiten ließen sich der Internetseite entnehmen. Die Firma M. arbeite ihrerseits mit Leistungserbringern "interdisziplinär – fachübergreifend" durch den Abschluss von Kooperationsverträgen mit weiteren Leistungserbringern zusammen. Schon allein die Tatsache, dass Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen im Vertrag kooperierten, reiche für die Erfüllung der Vorgaben des BSG. Unschädlich sei in diesem Zusammenhang, dass die weiteren Leistungserbringer nicht unmittelbar selbst Vertragspartner seien. Ein solches Mittelbarkeitserfordernis stelle § 140b Abs. 1 SGB V nicht auf. Eine mittelbare Verknüpfung müsse ausreichen, solange der zu erbringende Leistungsinhalt auch im Rahmen der Rechtsbeziehung Krankenkasse – Managementgesellschaft formuliert sei. Dies sei im angegriffenen Vertrag der Fall. Aus dem Leistungsspektrum nach §§ 6 und 7 des Vertrages in Verbindung mit dessen Anlage 5, das durch die in § 3 genannten Leistungserbringer erbracht werde, ergebe sich, dass die Voraussetzungen einer "interdisziplinär – fachübergreifenden Versorgung" nachhaltig erfüllt würden. Unabhängig davon seien auch weitere Leistungserbringer im Rahmen des Vertrages eingebunden (vgl. § 11 a bis f des Vertrags). Damit gewährleiste der Vertrag gerade auch eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung. Im Vertrag werde gerade die Verzahnung von ambulanten Operationen und anschließender Rehabilitation in stationären Einrichtungen geregelt. So regle etwa die Anlage 5 den Leistungsinhalt der integrierten Versorgung bei einer kurzstationären Versorgung mit einer Oberflächenersatzprothese der Hüfte nebst stationärer Rehabilitation. Zu den weiteren sektor-übergreifenden Leistungen gehörten stationäre Nachsorge, Transportfahrten, kurzstationäre Unterbringung des Patienten, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln einschließlich Rehabilitationsmaßnahmen. Ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Versorgung außerhalb der Regelversorgung liege vor, wenn Leistungserbringer oder deren Managementgesellschaften eine übergreifende Budgetverantwortung obliege und Leistungserbringer für eine Gesamtbehandlung eine Komplexpauschale erhielten. Genau dies sei im streitgegenständlichen Vertrag in § 9 Ziffer 4 in Verbindung der Anlage 5 und § 7 vorgesehen. Dagegen erfolge in der Regelversorgung beispielsweise die Versorgung mit Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln mittels ausgestellter Verordnungen gemäß Vordruckverordnung durch den Vertragsarzt nach den Grundsätzen der §§ 32, 33 SGB V in Verbindung mit den Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien, §§ 30, 34, 35 BMV-Ä und Anlage 2 BMV-Ä. Die erbrachten Leistungen würden dort durch die Leistungserbringer nach §§ 125 und 126, 127 in Verbindung mit 302 SGB V direkt zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden. In der Gesamtschau handle es sich um einen Vertrag zur integrierten Versorgung und habe sie die Anschubfinanzierung zu Recht einbehalten. Bereits von daher fielen auch keine Verzugs- oder Prozesszinsen an. Höchst hilfsweise weise sie darauf hin, dass Prozesszinsen nicht höher sein könnten als Verzugszinsen. Die Vereinbarung der Höhe der Verzugszinsen verdränge wegen des Weiterlaufens des Verzugs während des Prozesses auch den gesetzlichen Prozesszinssatz.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der 73.814,82 EUR.
Die Beklagte war nicht berechtigt, den strittigen Betrag auf der Grundlage des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes v. 26.03.2007, BGBl. I S. 378 von der an die Klägerin gemäß § 85 Abs. 1 SGB V zu entrichtenden Gesamtvergütung einzubehalten. Aufgrund des zischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleichs konnte die Kammer auch von der Fälligkeit der Forderung ausgehen.
Zur Förderung der integrierten Versorgung hat jede Krankenkasse in den Jahren 2004 bis 2008 jeweils Mittel bis zu 1 vom Hundert von der nach § 85 Abs. 2 an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen erforderlich sind. Satz 1 gilt nicht für die vertragszahnärztlichen Gesamtvergütungen. Die nach Satz 1 einbehaltenen Mittel sind ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140c Abs. 1 Satz 1 vereinbarten Vergütungen zu verwenden. Sie sollen in dem Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung, an die die nach Satz 1 verringerten Gesamtvergütungen gezahlt wurden, verwendet werden. Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten Mittel spätestens zum 31. März 2009 an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser, soweit die Mittel in den Jahren 2007 und 2008 einbehalten wurden, entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen (§ 140d Abs. 1 SGB V i. d. F. d. G. v. 26.03.2007, BGBl. I S. 378 (gültige Fassung bis 31.03.2007)).
Nach § 140d Abs. 1 Satz 3 SGB V dürfen die nach Satz 1 einbehaltenen Mittel ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140c Abs. 1 Satz 1 SGB V vereinbarten Vergütungen verwendet werden. Nach dieser Vorschrift legen die Verträge zur integrierten Versorgung die Vergütung der in diesem Rahmen erbrachten Leistungen fest. Bei dem hier zu beurteilenden Vertrag handelt es sich jedoch nicht um einen Vertrag zur integrierten Versorgung im Sinne dieser Vorschrift. Dabei sind sich die Beteiligten einig, wovon auch die Kammer ausgeht, dass der gesamte strittige Betrag ausschließlich wegen der Finanzierung des zwischen dem Landesverband der Betriebskrankenkassen in Hessen und der M. GmbH und CoKG geschlossene Vertrags, dem die Beklagte am 28.02.2007 mit Wirkung zum 01.03.2007 beigetreten ist, einbehalten wurde. Dieser Vertrag, einschließlich der Folge- bzw. Änderungsverträge, die insofern, soweit hier maßgeblich, gleichlautende Regelungen enthalten, ist kein Vertrag zur integrierten Versorgung i. S. des § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V. Integrationsverträge können nach dieser Vorschrift nur über eine "interdisziplinär-fachübergreifende" oder über eine "verschiedene Leistungssektoren übergreifende" Versorgung geschlossen werden.
Eine leistungssektorenübergreifende Versorgung ist eine Versorgung, die ambulante und stationäre Behandlungen oder die innerhalb des ambulanten oder des stationären Hauptsektors weiter zu unterscheidende Leistungssektoren umfasst, so etwa die Verzahnung von ambulanten Operationen und anschließender Versorgung der Patienten in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen. Funktionell geht es um Überwindung von Schnittstellenproblemen, so u. a.die Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen, von Koordinationsproblemen im Behandlungsablauf und von Wartezeiten, die im Interesse der betroffenen Patienten durch ein Versorgungsangebot aus einer Hand überwunden werden können (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 - B 6 KA 27/07 R - BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 § 140d Nr. 1 = GesR 2008, 260 = ZMGR 2008, 208 = USK 2008-21 = KRS 08.020, juris Rdnr. 17 f.). Neben dem Erfordernis der leistungssektorenübergreifenden Versorgung müssen die Verträge Leistungen, die bislang Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind, künftig ersetzen (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 B 6 KA 27/07 R - a.a.O., Rdnr. 20).
Eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung setzt eine Kooperation von Hausärzten und Fachärzten oder von Fachärzten unterschiedlicher Gebiete voraus. Die Kooperationen müssen die Fachgebietsgrenzen des ärztlichen Weiterbildungsrechts überschreiten. Sie müssen zudem im ambulanten Bereich über die traditionelle Zusammenarbeit durch Überweisungen an Ärzte eines anderen Fachgebiets bzw. im stationären Bereich über die traditionelle Zusammenarbeit der Abteilungen der unterschiedlichen Fachgebiete innerhalb eines Krankenhauses hinausgehen. Hierfür unzureichend ist insbesondere die Zusammenarbeit zwischen dem Arzt bzw. der Abteilung des operierenden Fachgebiets und dem Anästhesisten bzw. seinem Fachgebiet, wie sie traditionellerweise ohnehin in jeder Einrichtung stattfindet. Erforderlich ist vielmehr ein Konzept längerfristiger, gemeinsam aufeinander abgestimmter Behandlungen von Haus- und Fachärzten oder von Fachärzten unterschiedlicher Gebiete, wobei die Anforderungen im Einzelnen keiner Entscheidung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bedürfen (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008- B 6 KA 5/07 R - juris Rn. - SozR 4-2500 § 140a Nr. 2 = KHR 2008, 103 = GesR 2008, 493 = USK 2008-22 = MedR 2009, 110 = KRS 08.019, juris Rdnr. 17).
Auf der Grundlage des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen nur berechtigt, Gesamtvergütungsanteile zur Finanzierung konkreter Integrationsverträge einzubehalten. Mit dieser Regelung wäre es nicht vereinbar, wenn Krankenkassen pauschal und ohne näheren Hinweis auf Inhalt und finanzielles Volumen von Integrationsverträgen zunächst Gesamtvergütungsbestandteile einbehielten und allenfalls später (ganz oder anteilig) zurückerstatteten (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 - B 6 KA 27/07 R - a.a.O., Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 06.02.2008- B 6 KA 5/07 R - SozR 4-2500 § 140a Nr. 2 = KHR 2008, 103 = GesR 2008, 493 = USK 2008-22 = MedR 2009, 110 = KRS 08.019, juris Rdnr. 15).
Das Bundessozialgericht hat weiter dargelegt, dass § 145d Abs. 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich verlange, dass es sich um bereits abgeschlossene Verträge handele, nicht um Verträge, die sich erst noch im Planungs- oder Verhandlungsstadium befänden. Von daher scheide eine rückwirkende Inkraftsetzung eines Vertrages aus. Es müssten auch unterschriebene Verträge vorgelegt werden. Die Verträge müssten auch vollständig vorliegen, im konkreten Fall ist erst zu einem späteren Zeitpunkt ein Dokumentationskonzept abgeschlossen worden. Eine rückwirkende Inkraftsetzung eines Vertrages sei, so das BSG weiter, rechtlich nicht zulässig. Es müsse auf einer vertraglichen Grundlage sichergestellt werden, dass die Vertragspartner eine integrierte Versorgung auch rechtlich leisten könnten. Solle – wie im konkreten Fall des BSG – die integrative Zusammenarbeit von niedergelassenen Vertragsärzten mit einem Krankenhaus stattfinden, so liege ein Vertrag erst dann vor, wenn tatsächlich auch die als potentielle Vertragsteilnehmer angesprochenen Vertragsärzte vertraglich einbezogen worden seien. Daran fehle es, wenn die Einbeziehungsvereinbarung mit Vertragsärzten nicht vorliege, nicht einmal in Form eines – hierfür aber auch nicht ausreichenden – Musters. Unzureichend sei auch ein Vertragstext, der sich einer vertraglichen Einbeziehung von konkreten Vertragsärzten, die von dieser ihnen eingeräumten Option auch Gebrauch machten, enthalte (vgl. BSG, Urt. v. 02.11.2010 - B 1 KR 11/10 R - GesR 2011, 104 = USK 2010-64, hier zitiert nach juris, Rdnr. 22 ff.; s. a. BSG, Urt. v. 25.11.2010 - B 3 KR 6/10 R - juris Rdnr. 15 ff.).
Ausgehend von diesen Maßstäben genügt der strittige Vertrag nicht den Anforderungen an einen Vertrag zur integrierten Versorgung.
Der Landesverband der Betriebskrankenkassen in Hessen hat den Vertrag mit der M. GmbH und CoKG geschlossenen. Diese wird im Vertrag als eine Dienstleistungsgesellschaft bezeichnet und tritt als Managementgesellschaft für Ärzte nach § 140b Abs. 1 Nr. 4 SGB V auf (§ 3 Nr. 1 Vertrag).
Ziel des Vertrages (hier beispielhaft erläutert am Vertrag über integrierten Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V in der ab dem 01.07.2006 gültigen Fassung) ist es nach der Präambel, die Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung von Versicherten der BKK in Hessen durch eine problemorientierte, sektoren- und fachübergreifende Zusammenarbeit in Form einer integrierten Versorgungskette zwischen den Beteiligten Versorgungseinrichtungen zu verbessern. Nach § 1 des Vertrages (Grundsätze und Ziele der Vereinbarung), verpflichten sich die an der Versorgung nach diesem Vertrag teilnehmenden Leistungserbringer zu einer qualitätsgesicherten, wirksamen, individuell angepassten, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten. Die beteiligten Leistungserbringer sorgen dafür, dass sie die organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen für die vereinbarte integrierte Versorgung erfüllen und weiterhin, dass die medizinischen und medizin-technischen Voraussetzungen dem allgemeinen anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse und des medizinischen Fortschritts entsprechen. Ein internes Qualitätsmanagement und die Teilnahme an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135a SGB V sind verpflichtend. Ziel ist es, die Versorgung der Versicherten der BKK im Rahmen einer abgestimmten, qualitätsgesicherten und effizienten orthopädischen operativen Versorgung sowie der anschließenden medizinischen Rehabilitation weiterzuentwickeln und im Gesundheitssystem zu etablieren. Dabei soll eine flächendeckende Ausrichtung der Versorgungsangebote die Bedürfnisse und Besonderheiten der Versorgungsstrukturen in Hessen berücksichtigen und weiterentwickeln.
Der Vertrag sieht nach § 3 als teilnehmende Leistungserbringer die M. GmbH u. Co. KG als Dienstleistungsgesellschaft und Managementgesellschaft vor. Diese schließt die Vereinbarung für ihre Mitglieder. Mitglieder sind Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die als Fachärzte für Orthopädie/orthopädische Chirurgie tätig sind. Teilnehmen können niedergelassene Ärzte, die die Abrechnungsgenehmigung für ambulante Operationen der jeweiligen KV vorweisen. Zudem sind vom Ärztenetzwerk die Operationsstandorte bzw. Operationseinrichtungen, Hilfsmittellieferanten sowie Heilmittelerbringer bzw. stationäre Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V zu nennen (Anlage 1). Die Mitglieder von M. GmbH u. Co. KG, die diesem Vertrag beigetreten sind, sind berechtigt an diesem Vertrag teilzunehmen. Der Beitritt der Ärzte wird gegenüber dem Ärztenetzwerk schriftlich erklärt. Für die Teilnahme ist die schriftliche Zustimmung durch das Ärztenetzwerk erforderlich. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Mitgliedern des Ärztenetzwerks und den mit diesen kooperierenden gesetzlich zugelassenen Krankenhäusern wird durch die betreffenden Mitglieder und Krankenhäuser einzelvertraglich und im eigenen Ermessen geregelt. Ambulante Operationszentren haben die Voraussetzungen des § 11b dieses Vertrages zu erfüllen. Hilfsmittellieferanten (Sanitätshäuser) haben den Qualitätsanforderungen nach § 11d des Vertrages zu entsprechen. Leistungserbringer bei ambulanter Heilmittelerbringer haben den Qualitätsanforderungen nach § 11e des Vertrages zu entsprechen. Leistungserbringer bei stationärer Rehabilitation müssen gem. § 11f des Vertrages zugelassene Einrichtungen nach § 111 SGB V sein. Der Leistungserbringer kann seine Teilnahme schriftlich gegenüber dem Ärztenetzwerk kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt vier Wochen zum Ende des Quartals. Der Vertragsausschuss kann Leistungserbringer, die ihren Verpflichtungen im Rahmen dieses Vertrages nicht nachkommen, von der weiteren Teilnahme an diesem Vertrag ausschließen. § 6 des Vertrages regelt die einzelnen medizinischen Eingriffe wie arthroskopische resenszierende Gelenkeingriffe am Knie, Endoprothetik, arthroskopische Eingriffe an der Schulter, Hand und Fuß, was im Einzelnen in 17 Anlagen konkretisiert wird. Nach § 7 richtet sich die integrierte Versorgungsleistung nach diesen Anlagen. Der Umfang der Leistungen wird in § 7 weiter konkretisiert. Die Anlagen 5a ff. lassen hierbei durchaus eine sektorenübergreifende Versorgung erkennen. So sieht z. B. Anlage 5a bzgl. der Kreuzbandplastiken vor, dass von der Pauschalvergütung in Höhe von 4.958,00 EUR bzw. ohne Physiotherapie von 3.628,00 EUR die Voruntersuchung zur Operation inkl. des notwenigen Vorgesprächs, der operative Eingriff, notwendige Anästhesien, ambulante Nachsorge inkl. Hausbesuche durch den Physiotherapeuten in der ersten postoperativen Woche, notwendige Transportfahrten zwischen OP-Zentrum und Wohnort des Versicherten, notwendige Transportfahrten zwischen dem Heilmittelerbringer und dem Wohnort des Versicherten, wunschweise Unterbringung des Patienten im ambulanten OP-Zentrum für die postoperative Nacht, Versorgung mit Hilfsmitteln, Versorgung mit Heilmitteln (ambulant), Bewegungsschiene bei einer Höchstbehandlungsdauer von sechs Monaten umfasst werden.
Der Vertrag regelt aber an keiner Stelle, wie diese Koordination auch verpflichtend gegenüber der abschließenden Krankenkasse, die insoweit auch die Sicherstellung zu garantieren hat, erfolgt. So erfolgt z. B. gerade die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern, wie bereits zitiert, durch einzelvertragliche Kooperation seitens des Arztes als Mitglied des Ärztenetzwerkes. Wie diese Kooperation zu erfolgen hat, wird nicht ersichtlich. Diese wird auch nicht ersichtlich aus den beispielhaft vorgelegten Beitrittserklärungen, aus denen nicht einmal entnommen werden kann, welche Leistungen der einzelne beitretende Leistungserbringer verpflichtet ist, zu erbringen. Soweit hierbei in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagtenvertreters auf die Managementgesellschaft verwiesen wird, so verkennt die Kammer nicht, dass dieser Koordinations- und Überwachungsaufgaben zukommen können, hält es aber im Sinne der §§ 140a ff. SGB V für unzulässig, dass diesbezüglich keine klaren vertraglichen Absprachen und Regelungen im Vertrag gegenüber der letztlich verantwortlichen Krankenkasse getroffen werden. Insofern fehlt es aus Sicht der Kammer gerade an der vertraglichen Einbindung der einzelnen Leistungserbringer und konnte die Kammer weiter davon absehen, dass die Beklagte bisher nicht in der Lage war, darzulegen, welche Leistungserbringer für welche Leistungen in Anspruch genommen werden konnten und wann sie zu dem Vertrag beigetreten sind. Auch aus den vorgelegten Beitrittserklärungen eines Krankenhauses und einer Arztpraxis mit mehreren Behandlern konnte die Kammer nicht entnehmen, zu welchen Leistungen diese Leistungserbringer verpflichtet waren. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung auf die Koordinationsaufgabe der Managementgesellschaft hingewiesen hat, hält die Kammer dies zwar grundsätzlich für zulässig, sieht aber aufgrund des Erfordernisses der vertraglichen Einbindung aller Leistungserbringer es für notwendig an, dass im Vertrag selbst die Art und Weise der Koordination und die Verpflichtungen vertraglich geregelt werden. So kann die Kammer dem Vertrag keine Behandlungspflicht entnehmen, so z. B. nicht für die beitretenden Krankenhäuser oder die anderen Leistungserbringer im beispielsweise Hilfsmittel- oder Heilmittelbereich. Offensichtlich erfolgt deren Einbindung über Absprache mit der Managementgesellschaft, eine klare rechtlich verbindliche Verpflichtung zur Leistungserbringung, gerade auch gegenüber der Krankenkasse,
konnte die Kammer dem Vertrag jedoch nicht entnehmen. Von daher kam es für die Kammer auch nicht darauf an, ob die Beklagte überhaupt in der Lage ist, die weiteren Beitrittserklärungen vorzulegen.
Bereits aus diesem Grund war der Klage stattzugeben. Von daher konnte dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch der Klägerin nicht auch bereits aus § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V besteht, da die Beklagte offensichtlich ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abrechnung bis zum 31. März 2009 nicht nachgekommen ist und von daher es überhaupt an einem Nachweis fehlt, dass Mittel für den strittigen Vertrag auch aufgewandt wurden. Es spricht einiges dafür, dass für den Fall, dass eine Krankenkasse dieser Verpflichtung nicht nachkommt, sie, ggf. unter Setzung einer Nachfrist, verpflichtet ist, die einbehaltenen Beträge ganz oder teilweise – sofern eine Abrechnung nur teilweise erfolgt - zurückzuzahlen hat. § 140d SGB V ermöglichte es den Krankenkassen, aufgrund lediglich einer Prognose für den Aufwand bereits abgeschlossener Verträge zur integrierten Versorgung bis zu 1 % der Gesamtvergütung einzubehalten. Dabei entspricht es auch einem üblichen Geschäftsverhalten der Krankenkassen, wie die insofern sachkundig mit einem Vertreter der Krankenkassen besetzte Kammer weiß, nach Ablauf des ersten Jahres eines Vertrages ihre Prognose ggf. aufgrund der Erfahrungen mit dem IV-Vertrag anzupassen und ggf. eine korrigierte Meldung an die BQS zu senden, was die Beklagte offensichtlich nicht getan hat. Die Verpflichtung zur Abrechnung bis zum 31. März 2009 beinhaltet eine Schlussrechnung dergestalt, dass den jahresweise einbehaltenen Abzügen die jahres- und vertragsbezogenen tatsächlichen Ausgaben gegenübergestellt werden. Trotz des über 1 ½ jährigen Rechtsstreits und eines vorausgehenden Schriftwechsels mit der Beklagten hat die Beklagte auch nicht ansatzweise dargelegt, wofür sie die einbehaltenen Teile der Gesamtvergütung verauslagt hat, obwohl die Beklagte dies gerügt hat. Auch von daher dürfte davon auszugehen sein, dass der Rechtsgrund für den Einbehalt jedenfalls weggefallen ist und ein Zahlungsanspruch der Klägerin besteht.
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer weiteren Gesamtvergütung in Höhe von 73.814,82 EUR wegen einbehaltener Vergütungsanteile aufgrund der Regelungen zur integrierten Versorgung.
Die Klägerin hat am 23.12.2009 Stufenklage erhoben und zunächst Auskunft von der Beklagten begehrt. Nach Vorlage des Vertrages zur integrierten Versorgung hat die Klägerin ihre Klage auf den noch strittigen Zahlungsanspruch umgestellt.
Die Klägerin trägt vor, sie habe mit Schriftsatz vom 03.12.2009 unter Fristsetzung die Beklagte aufgefordert, unter Vorlage aussagekräftiger Belege differenzierte Angaben zu den gemäß § 140d Abs. 1 SGB V vorgenommenen Einbehalten im Zuge der nach § 140d Abs. 1 Satz 4 SGB V vorgesehenen Rechnungslegung vorzulegen. Die Beklagte habe daraufhin mit Schreiben vom 11.12.2009 auf eine sog. Konformitätserklärung verwiesen, darüber hinaus aber keinen weiteren Auskunftsanspruch anerkannt. Die Beklagte habe auf die Einrede der Verjährung nicht verzichtet, weshalb sie Klage erhoben habe. Der zwischen der Beklagten und der M. GmbH & CoKG geschlossene Vertrag entspreche nicht den Vorgaben des Bundessozialgerichts an derartige IV-Verträge. Der Vertrag sei zwischen dem BKK Landesverband Hessen und der Firma M. GmbH & CoKG geschlossen worden. Aus dem Vertrag selbst werde nicht erkennbar, mit welcher Legitimation dieser auf Seiten der Firma geschlossen worden sei. So sei insbesondere nicht erkennbar, ob es sich hierbei um einen in § 140b Abs. 1 SGB V genannten Vertragspartner handle. Ob der in § 3 Abs. 1 des Vertrages enthaltene Hinweis auf § 140b Abs.1 Nr. 4 SGB V zutreffend und damit ausreichend sei, könne von ihr nicht geprüft werden. Der Vertrag entspreche nicht den Vorgaben für eine integrierte Versorgung. Die Firma M. GmbH & CoKG (im Vertrag " Ärztenetzwerk" genannt) schließe diese Vereinbarung für ihre Mitglieder, bei denen es sich um Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung, die als Fachärzte für Orthopädie/orthopädische Chirurgie tätig seien, handle, die bestimmte weitere Voraussetzungen vorweisen könnten. Weitere Leistungserbringer seien formell an diesem IV-Vertrag nicht beteiligt. Gerade dies wäre aber erforderlich gewesen. Allein die in § 3 Abs. 2 letzter Satz für das "Ärztenetzwerk" vorgesehene Verpflichtung, Operationsstandorte bzw. Operationenseinrichtungen, Hilfsmittellieferanten sowie Heilmittelerbringung bzw. stationäre Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V zu nennen, genüge – auch in Kombination mit der dem Vertrag als Anlage 1 beigefügten Liste der "kooperierenden Leistungserbringer" – diesen Ansprüchen nicht. Vorgaben für den Beitritt weiterer Leistungserbringer enthalte der Vertrag nicht. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die vorliegende Konzeption der Integrationsversorgung sich als eine Alternative zur Regelversorgung darstelle. Für die Verknüpfung verschiedener Leistungssektoren reiche die Einbeziehung von kooperierenden Krankenhäusern, die "durch die betreffenden Mitglieder und Krankenhäuser einzelvertraglich und im eigenen Ermessen" zu regeln sei, nicht. Es handle sich vielmehr um eine nur leicht modifizierte Form der üblichen ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Bereits im Rahmen der Regelversorgung sei in jedem Fall gewährleistet, dass der Patient neben den reinen ärztlichen Leistungen auch die im konkreten Einzelfall erforderlichen Heilmittel, Hilfsmittel usw. erhalte. Insoweit werde auf § 7 des IV-Vertrages verwiesen, in dem sich dieses weitgehend widerspiegle und dem letztlich weitgehend auf für die allgemeine vertragsärztliche Versorgung maßgeblichen Vorschriften verwiesen werde. Auch die Einbeziehung von der Rehabilitationsleistung stelle in Anbetracht der Tatsache, dass Träger der einschlägigen Einrichtung weder Vertragspartner seien, noch dem Vertrag ausdrücklich beitreten müssten, kein Indiz für eine leistungssektorenübergreifende Versorgung dar. Der Vertrag erfülle nicht die für eine integrierte Versorgung zu stellenden Ansprüche, weshalb für die seitens der Beklagten einbehaltene Anschubfinanzierung keine Rechtsgrundlage bestanden habe. Der Zinsanspruch stützte sich dem Grunde nach auf den 1980 gesamtvertraglich vereinbarten Zinssatz, wobei die Höhe des vertraglichen Zinssatzes durch den nunmehr erhöhten gesetzlichen Zinssatz des BGB zu modifizieren sei. In Anlehnung an einen – bislang nicht schriftlich fixierten – Konsens zwischen den Gesamtvertragspartnern gehe sie – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – von einem Zinssatz in Höhe von 1 % über dem Basiszinssatz aus. Mit Eintritt der Rechtsfähigkeit sei die streitige Hauptforderung statt mit Verzugszinsen nach dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen nunmehr mit Prozesszinsen nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu verzinsen (Zinsen von 8 % über den Basiszinssatz gemäß §§ 291, 288 Abs. 2 BGB).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.08.2011 haben die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:
1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die maximale Gesamtforderung den strittigen Betrag in Höhe von 73.814,82 EUR beträgt und dass dieser Betrag grundsätzlich fällig ist, soweit der hier strittige Vertrag zur integrierten Versorgung nicht den Anforderungen an die gesetzlichen Regelungen entspricht.
2. Hinsichtlich eines Zinsanspruchs der Klägerin sind sich die Beteiligten darüber einig, dass dieser zunächst vom Ausgang des Streitverfahrens abhängt. Soweit die Klägerin obsiegen sollte, erklärt sich die Beklagte auf Nachweis zu einer entsprechenden Verzinsung bereit. Zwischen den Beteiligten maßgebend sind ausschließlich die gesamtvertraglich vereinbarten Zinsen, d. h. ab Rechtshängigkeit gilt auch dieser Zinssatz.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.814,82 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, auch Managementgesellschaften kämen als Vertragspartner für Verträge zur integrierten Versorgung in Betracht. In § 140b Abs. 2 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung sei die Regelung zum Vertragsschluss mit Gemeinschaften von Leistungserbringern im vierten Aufzählungspunkt geregelt. Hierauf nehme der Vertrag unter Verweis auf "Nr. 4" Bezug. Zum Zeitpunkt ihres Vertragsbeitritts hätte die Verweisung aufgrund verschiedener Gesetzesänderungen auf Nr. 5 erfolgen müssen. Dies sei jedoch unerheblich. Die Firma M. GmbH & CoKG sei eine solche Managementgesellschaft für neue Versorgungsformen. Sie sei 2005 von A. und B. gegründet worden. Beide hätten langjährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen der Gesundheitswirtschaft. Ausweislich der Internetseite arbeite diese mit über 4.000 Leistungserbringern und weit über 150 Krankenkassen zusammen. Angaben zu Tätigkeiten ließen sich der Internetseite entnehmen. Die Firma M. arbeite ihrerseits mit Leistungserbringern "interdisziplinär – fachübergreifend" durch den Abschluss von Kooperationsverträgen mit weiteren Leistungserbringern zusammen. Schon allein die Tatsache, dass Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen im Vertrag kooperierten, reiche für die Erfüllung der Vorgaben des BSG. Unschädlich sei in diesem Zusammenhang, dass die weiteren Leistungserbringer nicht unmittelbar selbst Vertragspartner seien. Ein solches Mittelbarkeitserfordernis stelle § 140b Abs. 1 SGB V nicht auf. Eine mittelbare Verknüpfung müsse ausreichen, solange der zu erbringende Leistungsinhalt auch im Rahmen der Rechtsbeziehung Krankenkasse – Managementgesellschaft formuliert sei. Dies sei im angegriffenen Vertrag der Fall. Aus dem Leistungsspektrum nach §§ 6 und 7 des Vertrages in Verbindung mit dessen Anlage 5, das durch die in § 3 genannten Leistungserbringer erbracht werde, ergebe sich, dass die Voraussetzungen einer "interdisziplinär – fachübergreifenden Versorgung" nachhaltig erfüllt würden. Unabhängig davon seien auch weitere Leistungserbringer im Rahmen des Vertrages eingebunden (vgl. § 11 a bis f des Vertrags). Damit gewährleiste der Vertrag gerade auch eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung. Im Vertrag werde gerade die Verzahnung von ambulanten Operationen und anschließender Rehabilitation in stationären Einrichtungen geregelt. So regle etwa die Anlage 5 den Leistungsinhalt der integrierten Versorgung bei einer kurzstationären Versorgung mit einer Oberflächenersatzprothese der Hüfte nebst stationärer Rehabilitation. Zu den weiteren sektor-übergreifenden Leistungen gehörten stationäre Nachsorge, Transportfahrten, kurzstationäre Unterbringung des Patienten, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln einschließlich Rehabilitationsmaßnahmen. Ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Versorgung außerhalb der Regelversorgung liege vor, wenn Leistungserbringer oder deren Managementgesellschaften eine übergreifende Budgetverantwortung obliege und Leistungserbringer für eine Gesamtbehandlung eine Komplexpauschale erhielten. Genau dies sei im streitgegenständlichen Vertrag in § 9 Ziffer 4 in Verbindung der Anlage 5 und § 7 vorgesehen. Dagegen erfolge in der Regelversorgung beispielsweise die Versorgung mit Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln mittels ausgestellter Verordnungen gemäß Vordruckverordnung durch den Vertragsarzt nach den Grundsätzen der §§ 32, 33 SGB V in Verbindung mit den Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien, §§ 30, 34, 35 BMV-Ä und Anlage 2 BMV-Ä. Die erbrachten Leistungen würden dort durch die Leistungserbringer nach §§ 125 und 126, 127 in Verbindung mit 302 SGB V direkt zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden. In der Gesamtschau handle es sich um einen Vertrag zur integrierten Versorgung und habe sie die Anschubfinanzierung zu Recht einbehalten. Bereits von daher fielen auch keine Verzugs- oder Prozesszinsen an. Höchst hilfsweise weise sie darauf hin, dass Prozesszinsen nicht höher sein könnten als Verzugszinsen. Die Vereinbarung der Höhe der Verzugszinsen verdränge wegen des Weiterlaufens des Verzugs während des Prozesses auch den gesetzlichen Prozesszinssatz.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der 73.814,82 EUR.
Die Beklagte war nicht berechtigt, den strittigen Betrag auf der Grundlage des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes v. 26.03.2007, BGBl. I S. 378 von der an die Klägerin gemäß § 85 Abs. 1 SGB V zu entrichtenden Gesamtvergütung einzubehalten. Aufgrund des zischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleichs konnte die Kammer auch von der Fälligkeit der Forderung ausgehen.
Zur Förderung der integrierten Versorgung hat jede Krankenkasse in den Jahren 2004 bis 2008 jeweils Mittel bis zu 1 vom Hundert von der nach § 85 Abs. 2 an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen erforderlich sind. Satz 1 gilt nicht für die vertragszahnärztlichen Gesamtvergütungen. Die nach Satz 1 einbehaltenen Mittel sind ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140c Abs. 1 Satz 1 vereinbarten Vergütungen zu verwenden. Sie sollen in dem Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung, an die die nach Satz 1 verringerten Gesamtvergütungen gezahlt wurden, verwendet werden. Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten Mittel spätestens zum 31. März 2009 an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser, soweit die Mittel in den Jahren 2007 und 2008 einbehalten wurden, entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen (§ 140d Abs. 1 SGB V i. d. F. d. G. v. 26.03.2007, BGBl. I S. 378 (gültige Fassung bis 31.03.2007)).
Nach § 140d Abs. 1 Satz 3 SGB V dürfen die nach Satz 1 einbehaltenen Mittel ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140c Abs. 1 Satz 1 SGB V vereinbarten Vergütungen verwendet werden. Nach dieser Vorschrift legen die Verträge zur integrierten Versorgung die Vergütung der in diesem Rahmen erbrachten Leistungen fest. Bei dem hier zu beurteilenden Vertrag handelt es sich jedoch nicht um einen Vertrag zur integrierten Versorgung im Sinne dieser Vorschrift. Dabei sind sich die Beteiligten einig, wovon auch die Kammer ausgeht, dass der gesamte strittige Betrag ausschließlich wegen der Finanzierung des zwischen dem Landesverband der Betriebskrankenkassen in Hessen und der M. GmbH und CoKG geschlossene Vertrags, dem die Beklagte am 28.02.2007 mit Wirkung zum 01.03.2007 beigetreten ist, einbehalten wurde. Dieser Vertrag, einschließlich der Folge- bzw. Änderungsverträge, die insofern, soweit hier maßgeblich, gleichlautende Regelungen enthalten, ist kein Vertrag zur integrierten Versorgung i. S. des § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V. Integrationsverträge können nach dieser Vorschrift nur über eine "interdisziplinär-fachübergreifende" oder über eine "verschiedene Leistungssektoren übergreifende" Versorgung geschlossen werden.
Eine leistungssektorenübergreifende Versorgung ist eine Versorgung, die ambulante und stationäre Behandlungen oder die innerhalb des ambulanten oder des stationären Hauptsektors weiter zu unterscheidende Leistungssektoren umfasst, so etwa die Verzahnung von ambulanten Operationen und anschließender Versorgung der Patienten in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen. Funktionell geht es um Überwindung von Schnittstellenproblemen, so u. a.die Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen, von Koordinationsproblemen im Behandlungsablauf und von Wartezeiten, die im Interesse der betroffenen Patienten durch ein Versorgungsangebot aus einer Hand überwunden werden können (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 - B 6 KA 27/07 R - BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 § 140d Nr. 1 = GesR 2008, 260 = ZMGR 2008, 208 = USK 2008-21 = KRS 08.020, juris Rdnr. 17 f.). Neben dem Erfordernis der leistungssektorenübergreifenden Versorgung müssen die Verträge Leistungen, die bislang Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind, künftig ersetzen (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 B 6 KA 27/07 R - a.a.O., Rdnr. 20).
Eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung setzt eine Kooperation von Hausärzten und Fachärzten oder von Fachärzten unterschiedlicher Gebiete voraus. Die Kooperationen müssen die Fachgebietsgrenzen des ärztlichen Weiterbildungsrechts überschreiten. Sie müssen zudem im ambulanten Bereich über die traditionelle Zusammenarbeit durch Überweisungen an Ärzte eines anderen Fachgebiets bzw. im stationären Bereich über die traditionelle Zusammenarbeit der Abteilungen der unterschiedlichen Fachgebiete innerhalb eines Krankenhauses hinausgehen. Hierfür unzureichend ist insbesondere die Zusammenarbeit zwischen dem Arzt bzw. der Abteilung des operierenden Fachgebiets und dem Anästhesisten bzw. seinem Fachgebiet, wie sie traditionellerweise ohnehin in jeder Einrichtung stattfindet. Erforderlich ist vielmehr ein Konzept längerfristiger, gemeinsam aufeinander abgestimmter Behandlungen von Haus- und Fachärzten oder von Fachärzten unterschiedlicher Gebiete, wobei die Anforderungen im Einzelnen keiner Entscheidung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bedürfen (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008- B 6 KA 5/07 R - juris Rn. - SozR 4-2500 § 140a Nr. 2 = KHR 2008, 103 = GesR 2008, 493 = USK 2008-22 = MedR 2009, 110 = KRS 08.019, juris Rdnr. 17).
Auf der Grundlage des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen nur berechtigt, Gesamtvergütungsanteile zur Finanzierung konkreter Integrationsverträge einzubehalten. Mit dieser Regelung wäre es nicht vereinbar, wenn Krankenkassen pauschal und ohne näheren Hinweis auf Inhalt und finanzielles Volumen von Integrationsverträgen zunächst Gesamtvergütungsbestandteile einbehielten und allenfalls später (ganz oder anteilig) zurückerstatteten (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 - B 6 KA 27/07 R - a.a.O., Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 06.02.2008- B 6 KA 5/07 R - SozR 4-2500 § 140a Nr. 2 = KHR 2008, 103 = GesR 2008, 493 = USK 2008-22 = MedR 2009, 110 = KRS 08.019, juris Rdnr. 15).
Das Bundessozialgericht hat weiter dargelegt, dass § 145d Abs. 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich verlange, dass es sich um bereits abgeschlossene Verträge handele, nicht um Verträge, die sich erst noch im Planungs- oder Verhandlungsstadium befänden. Von daher scheide eine rückwirkende Inkraftsetzung eines Vertrages aus. Es müssten auch unterschriebene Verträge vorgelegt werden. Die Verträge müssten auch vollständig vorliegen, im konkreten Fall ist erst zu einem späteren Zeitpunkt ein Dokumentationskonzept abgeschlossen worden. Eine rückwirkende Inkraftsetzung eines Vertrages sei, so das BSG weiter, rechtlich nicht zulässig. Es müsse auf einer vertraglichen Grundlage sichergestellt werden, dass die Vertragspartner eine integrierte Versorgung auch rechtlich leisten könnten. Solle – wie im konkreten Fall des BSG – die integrative Zusammenarbeit von niedergelassenen Vertragsärzten mit einem Krankenhaus stattfinden, so liege ein Vertrag erst dann vor, wenn tatsächlich auch die als potentielle Vertragsteilnehmer angesprochenen Vertragsärzte vertraglich einbezogen worden seien. Daran fehle es, wenn die Einbeziehungsvereinbarung mit Vertragsärzten nicht vorliege, nicht einmal in Form eines – hierfür aber auch nicht ausreichenden – Musters. Unzureichend sei auch ein Vertragstext, der sich einer vertraglichen Einbeziehung von konkreten Vertragsärzten, die von dieser ihnen eingeräumten Option auch Gebrauch machten, enthalte (vgl. BSG, Urt. v. 02.11.2010 - B 1 KR 11/10 R - GesR 2011, 104 = USK 2010-64, hier zitiert nach juris, Rdnr. 22 ff.; s. a. BSG, Urt. v. 25.11.2010 - B 3 KR 6/10 R - juris Rdnr. 15 ff.).
Ausgehend von diesen Maßstäben genügt der strittige Vertrag nicht den Anforderungen an einen Vertrag zur integrierten Versorgung.
Der Landesverband der Betriebskrankenkassen in Hessen hat den Vertrag mit der M. GmbH und CoKG geschlossenen. Diese wird im Vertrag als eine Dienstleistungsgesellschaft bezeichnet und tritt als Managementgesellschaft für Ärzte nach § 140b Abs. 1 Nr. 4 SGB V auf (§ 3 Nr. 1 Vertrag).
Ziel des Vertrages (hier beispielhaft erläutert am Vertrag über integrierten Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V in der ab dem 01.07.2006 gültigen Fassung) ist es nach der Präambel, die Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung von Versicherten der BKK in Hessen durch eine problemorientierte, sektoren- und fachübergreifende Zusammenarbeit in Form einer integrierten Versorgungskette zwischen den Beteiligten Versorgungseinrichtungen zu verbessern. Nach § 1 des Vertrages (Grundsätze und Ziele der Vereinbarung), verpflichten sich die an der Versorgung nach diesem Vertrag teilnehmenden Leistungserbringer zu einer qualitätsgesicherten, wirksamen, individuell angepassten, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten. Die beteiligten Leistungserbringer sorgen dafür, dass sie die organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen für die vereinbarte integrierte Versorgung erfüllen und weiterhin, dass die medizinischen und medizin-technischen Voraussetzungen dem allgemeinen anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse und des medizinischen Fortschritts entsprechen. Ein internes Qualitätsmanagement und die Teilnahme an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135a SGB V sind verpflichtend. Ziel ist es, die Versorgung der Versicherten der BKK im Rahmen einer abgestimmten, qualitätsgesicherten und effizienten orthopädischen operativen Versorgung sowie der anschließenden medizinischen Rehabilitation weiterzuentwickeln und im Gesundheitssystem zu etablieren. Dabei soll eine flächendeckende Ausrichtung der Versorgungsangebote die Bedürfnisse und Besonderheiten der Versorgungsstrukturen in Hessen berücksichtigen und weiterentwickeln.
Der Vertrag sieht nach § 3 als teilnehmende Leistungserbringer die M. GmbH u. Co. KG als Dienstleistungsgesellschaft und Managementgesellschaft vor. Diese schließt die Vereinbarung für ihre Mitglieder. Mitglieder sind Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die als Fachärzte für Orthopädie/orthopädische Chirurgie tätig sind. Teilnehmen können niedergelassene Ärzte, die die Abrechnungsgenehmigung für ambulante Operationen der jeweiligen KV vorweisen. Zudem sind vom Ärztenetzwerk die Operationsstandorte bzw. Operationseinrichtungen, Hilfsmittellieferanten sowie Heilmittelerbringer bzw. stationäre Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V zu nennen (Anlage 1). Die Mitglieder von M. GmbH u. Co. KG, die diesem Vertrag beigetreten sind, sind berechtigt an diesem Vertrag teilzunehmen. Der Beitritt der Ärzte wird gegenüber dem Ärztenetzwerk schriftlich erklärt. Für die Teilnahme ist die schriftliche Zustimmung durch das Ärztenetzwerk erforderlich. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Mitgliedern des Ärztenetzwerks und den mit diesen kooperierenden gesetzlich zugelassenen Krankenhäusern wird durch die betreffenden Mitglieder und Krankenhäuser einzelvertraglich und im eigenen Ermessen geregelt. Ambulante Operationszentren haben die Voraussetzungen des § 11b dieses Vertrages zu erfüllen. Hilfsmittellieferanten (Sanitätshäuser) haben den Qualitätsanforderungen nach § 11d des Vertrages zu entsprechen. Leistungserbringer bei ambulanter Heilmittelerbringer haben den Qualitätsanforderungen nach § 11e des Vertrages zu entsprechen. Leistungserbringer bei stationärer Rehabilitation müssen gem. § 11f des Vertrages zugelassene Einrichtungen nach § 111 SGB V sein. Der Leistungserbringer kann seine Teilnahme schriftlich gegenüber dem Ärztenetzwerk kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt vier Wochen zum Ende des Quartals. Der Vertragsausschuss kann Leistungserbringer, die ihren Verpflichtungen im Rahmen dieses Vertrages nicht nachkommen, von der weiteren Teilnahme an diesem Vertrag ausschließen. § 6 des Vertrages regelt die einzelnen medizinischen Eingriffe wie arthroskopische resenszierende Gelenkeingriffe am Knie, Endoprothetik, arthroskopische Eingriffe an der Schulter, Hand und Fuß, was im Einzelnen in 17 Anlagen konkretisiert wird. Nach § 7 richtet sich die integrierte Versorgungsleistung nach diesen Anlagen. Der Umfang der Leistungen wird in § 7 weiter konkretisiert. Die Anlagen 5a ff. lassen hierbei durchaus eine sektorenübergreifende Versorgung erkennen. So sieht z. B. Anlage 5a bzgl. der Kreuzbandplastiken vor, dass von der Pauschalvergütung in Höhe von 4.958,00 EUR bzw. ohne Physiotherapie von 3.628,00 EUR die Voruntersuchung zur Operation inkl. des notwenigen Vorgesprächs, der operative Eingriff, notwendige Anästhesien, ambulante Nachsorge inkl. Hausbesuche durch den Physiotherapeuten in der ersten postoperativen Woche, notwendige Transportfahrten zwischen OP-Zentrum und Wohnort des Versicherten, notwendige Transportfahrten zwischen dem Heilmittelerbringer und dem Wohnort des Versicherten, wunschweise Unterbringung des Patienten im ambulanten OP-Zentrum für die postoperative Nacht, Versorgung mit Hilfsmitteln, Versorgung mit Heilmitteln (ambulant), Bewegungsschiene bei einer Höchstbehandlungsdauer von sechs Monaten umfasst werden.
Der Vertrag regelt aber an keiner Stelle, wie diese Koordination auch verpflichtend gegenüber der abschließenden Krankenkasse, die insoweit auch die Sicherstellung zu garantieren hat, erfolgt. So erfolgt z. B. gerade die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern, wie bereits zitiert, durch einzelvertragliche Kooperation seitens des Arztes als Mitglied des Ärztenetzwerkes. Wie diese Kooperation zu erfolgen hat, wird nicht ersichtlich. Diese wird auch nicht ersichtlich aus den beispielhaft vorgelegten Beitrittserklärungen, aus denen nicht einmal entnommen werden kann, welche Leistungen der einzelne beitretende Leistungserbringer verpflichtet ist, zu erbringen. Soweit hierbei in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagtenvertreters auf die Managementgesellschaft verwiesen wird, so verkennt die Kammer nicht, dass dieser Koordinations- und Überwachungsaufgaben zukommen können, hält es aber im Sinne der §§ 140a ff. SGB V für unzulässig, dass diesbezüglich keine klaren vertraglichen Absprachen und Regelungen im Vertrag gegenüber der letztlich verantwortlichen Krankenkasse getroffen werden. Insofern fehlt es aus Sicht der Kammer gerade an der vertraglichen Einbindung der einzelnen Leistungserbringer und konnte die Kammer weiter davon absehen, dass die Beklagte bisher nicht in der Lage war, darzulegen, welche Leistungserbringer für welche Leistungen in Anspruch genommen werden konnten und wann sie zu dem Vertrag beigetreten sind. Auch aus den vorgelegten Beitrittserklärungen eines Krankenhauses und einer Arztpraxis mit mehreren Behandlern konnte die Kammer nicht entnehmen, zu welchen Leistungen diese Leistungserbringer verpflichtet waren. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung auf die Koordinationsaufgabe der Managementgesellschaft hingewiesen hat, hält die Kammer dies zwar grundsätzlich für zulässig, sieht aber aufgrund des Erfordernisses der vertraglichen Einbindung aller Leistungserbringer es für notwendig an, dass im Vertrag selbst die Art und Weise der Koordination und die Verpflichtungen vertraglich geregelt werden. So kann die Kammer dem Vertrag keine Behandlungspflicht entnehmen, so z. B. nicht für die beitretenden Krankenhäuser oder die anderen Leistungserbringer im beispielsweise Hilfsmittel- oder Heilmittelbereich. Offensichtlich erfolgt deren Einbindung über Absprache mit der Managementgesellschaft, eine klare rechtlich verbindliche Verpflichtung zur Leistungserbringung, gerade auch gegenüber der Krankenkasse,
konnte die Kammer dem Vertrag jedoch nicht entnehmen. Von daher kam es für die Kammer auch nicht darauf an, ob die Beklagte überhaupt in der Lage ist, die weiteren Beitrittserklärungen vorzulegen.
Bereits aus diesem Grund war der Klage stattzugeben. Von daher konnte dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch der Klägerin nicht auch bereits aus § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V besteht, da die Beklagte offensichtlich ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abrechnung bis zum 31. März 2009 nicht nachgekommen ist und von daher es überhaupt an einem Nachweis fehlt, dass Mittel für den strittigen Vertrag auch aufgewandt wurden. Es spricht einiges dafür, dass für den Fall, dass eine Krankenkasse dieser Verpflichtung nicht nachkommt, sie, ggf. unter Setzung einer Nachfrist, verpflichtet ist, die einbehaltenen Beträge ganz oder teilweise – sofern eine Abrechnung nur teilweise erfolgt - zurückzuzahlen hat. § 140d SGB V ermöglichte es den Krankenkassen, aufgrund lediglich einer Prognose für den Aufwand bereits abgeschlossener Verträge zur integrierten Versorgung bis zu 1 % der Gesamtvergütung einzubehalten. Dabei entspricht es auch einem üblichen Geschäftsverhalten der Krankenkassen, wie die insofern sachkundig mit einem Vertreter der Krankenkassen besetzte Kammer weiß, nach Ablauf des ersten Jahres eines Vertrages ihre Prognose ggf. aufgrund der Erfahrungen mit dem IV-Vertrag anzupassen und ggf. eine korrigierte Meldung an die BQS zu senden, was die Beklagte offensichtlich nicht getan hat. Die Verpflichtung zur Abrechnung bis zum 31. März 2009 beinhaltet eine Schlussrechnung dergestalt, dass den jahresweise einbehaltenen Abzügen die jahres- und vertragsbezogenen tatsächlichen Ausgaben gegenübergestellt werden. Trotz des über 1 ½ jährigen Rechtsstreits und eines vorausgehenden Schriftwechsels mit der Beklagten hat die Beklagte auch nicht ansatzweise dargelegt, wofür sie die einbehaltenen Teile der Gesamtvergütung verauslagt hat, obwohl die Beklagte dies gerügt hat. Auch von daher dürfte davon auszugehen sein, dass der Rechtsgrund für den Einbehalt jedenfalls weggefallen ist und ein Zahlungsanspruch der Klägerin besteht.
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved