L 8 SO 26/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 55 SO 382/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 26/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine Begrenzung des Sozialhilfeanspruchs darf nur aus wirtschaftlichen Überlegungen in Auslegung des notwendigen Lebensunterhaltes nach § 27 SGB XII und nicht zur Erzwingung einer Verhaltensänderung erfolgen.
2. Die Angemessenheit des Aufwands iSv §32 Abs. 5 SGB XII ist nur Merkmal einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, ohne dass damit eine Verkürzung des Leistungsanspruchs verbunden werden kann.
3. Der Sozialhilfeträger kann bei der Erfüllung des aus § 32 Abs. 5 SGB XII zustehenden Anspruchs die Leistung nicht wegen Zweckverfehlung verweigern.
4. In § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII räumt des Gesetzgebers einen Rechtsanspruch im Sinne von § 38 SGB I, § 17 SGB XII ein, den die Verwaltung nicht im Wege der Erfüllung schmälern darf. Der Verwaltung sind nach § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII bei der Erfüllung der Leistung keine Gestaltungsmöglichkeiten gelassen.
5. Leistungen im so genannten Basistarif der substitutiven Krankenversicherung entsprechen dem Versorgungsniveau der Krankenbehandlung nach dem SGB V und dem der Ansprüche nach § 48 SGB XII.
6. Ein Wechsel in den Basistarifs ist zumutbar .Nach § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII besteht nur ein Anspruch auf Übernahme eines Aufwandes, der Leistungen im Umfang des Basistarifes sicherstellt.
7. In vielen Fällen reicht zur Bedarfsdeckung bei Hilfe zur Gesundheit eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers über die drohende Hilfebedürftigkeit, die zur Beitragsreduzierung führt und dem Versicherten die Entrichtung des hälftigen Beitrags selbst ermöglicht.
8. Sog. Bestandsversicherten (vor dem 01.01.2009 privat krankenversichert denn Sozialhilfeempfängern) muss vom Krankenversicherungsunternehmen nach § 193 Abs. 5 S. 2 VVG eine Versicherung im Basistarif eingeräumt werden.
9. Keine Notwendigkeit zur Beibehaltung und Erstattung des Wahltarifs in der privaten Übersiedelung, weil sonst Überschuldung droht.
10. Aus der Systematik des Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs und vermeintlich übergeordneten Grundsätzen des Sozialhilferechts entnimmt das Bundessozialgericht zurecht keine Ausschlussnormen.
11. Allgemein zur Krankenversicherung der Sozialhilfeempfänger
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Februar 2011 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 28. Februar 2009 529,00 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin 11/12 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung im Streit. Konkret geht der Streit um den Umfang der Leistungen (§ 42 SGB XII), um Beiträge zur privaten Krankenversicherung als zusätzlichen Bedarf nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB XII.

Die Klägerin ist als ehemalige Selbstständige bei der Bayerische Beamtenkrankenkasse privat krankenversichert. Der monatliche Beitrag zu dieser Kranken- und Pflegeversicherung betrug im streitigen Zeitraum rund 850 Euro (Jahresbeitrag 10.200 Euro) bei einem jährlichen Eigenanteil von 400 Euro. Einen nicht unerheblichen Anteil in Höhe von etwa 300 EUR monatlich macht ein Risikozuschlag aus. Im Jahr 2007 hat die Krankenkasse der Klägerin Versicherungsleistungen in Form von Krankheitskosten in Höhe von rund
63.558 Euro ausbezahlt. In den Vorjahren berücksichtigte der Beklagte beim Bedarf den vollen Beitrag zur privaten Krankenversicherung.

Die 1954 geborene Klägerin bezieht seit März 2003 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und nunmehr Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII in jeweils jährlichen Bewilligungsperioden. Am 07.05.2007 forderte die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf die Möglichkeit der Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII zur Kündigung der privaten Krankenversicherung auf.

Mit Bescheid vom 13.02.2008 erhielt die Klägerin für die Zeit vom 01.03.2008 bis einschließlich 28.02.2009 Leistungen der Grundsicherung nach den Vorschriften des
SGB XII in Höhe von monatlich 477,71 Euro. Die Übernahme der Kosten für die private Krankenversicherung wurde - entgegen den bisherigen Bewilligungen - ausdrücklich abgelehnt. Die Gewährung von Hilfe nach § 48 SGB XII wurde zugesichert. Später akzeptiere die Beklagte durch teilweise Rücknahme ihrer Berufung die Verurteilung zu höheren Leistungen für die Zeit bis zum 31.12.2008.

Am 23.4.2008 erging ein neuer Bescheid, weil der Regelsatz auf 371 EUR stieg. Zum Juli 2008 wurde mit Bescheid vom 30.6.2008 der Regelsatz auf 375 erhöht. Weitere Bescheide ergingen am 31.07.2008 und 29.08.2008, zuletzt über die Zeit vom 01.11.2008 bis 28.02.2009.

Den von der Klägerin mit der Forderung der Übernahme des vollen Beitrages erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 als unbegründet zurück. Die Aufwendungen seien unangemessen, da der monatliche Beitragssatz der Klägerin um ein sechs- bis siebenfaches höher als ein vergleichbarer Beitrag bei einer gesetzlichen Krankenversicherung (120 EUR bei der AOK,
124 EUR bei der DAK bzw. Barmer) sei. Angemessen sei ein Krankenkassenbeitrag in der Regel nur, wenn Leistungsumfang und Beitrag in etwa dem der billigsten gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen würden (Sozialhilferichtliniennummer 32.03 Abs. 1).

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Die Beiträge seien als angemessen anzusehen. Da sie seit Jahren bei ihrer Krankenversicherung versichert sei, sei es ihr unzumutbar, diese zu wechseln. Das Ermessen der Beklagten sei daher auf Null reduziert. Ein Wechsel in eine gesetzliche Krankenkasse würde zu einer erheblichen Einbuße bei der medizinischen Versorgung führen. Außerdem bestehe ein Vertrauenstatbestand, da die Beklagte die Beiträge seit ca. zehn Jahren gewährt habe. Die Übernahme der Beträge widerspräche auch nicht dem Interesse der Öffentlichkeit, da im Ergebnis die Finanzierung der Behandlungen im Wege der Krankenhilfe deutlich kostenaufwendiger wäre.

Mit Urteil vom 7. Februar 2011 hat das SG der Klage stattgegeben und den geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einschließlich des zu erbringenden jährlichen Selbstbehaltes nach § 32 Abs. 5 SGB XII festgestellt. Die Klägerin sei anspruchsberechtigt für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Gemäß § 42 Satz 1 Nr. 5, § 32 Abs. 5 SGB XII seien auch die Aufwendungen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen. Der Klägerin sei ein Wechsel in den Basistarif nicht möglich. Die Klägerin gehörte nicht zu dem Personenkreis des § 9 Abs. 1 SGB V, der einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig beitreten könne. Ein Wechsel den günstigen Standardtarif sei ihr nach den Vertragsbedingungen ihrer privaten Krankenversicherung ebenfalls nicht möglich. Auch könne die Klägerin nicht ab 01.01.2009 auf einen Wechsel in den sog. Basistarif ihrer Krankenkasse verwiesen werden. Nach § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 VVG seien Leistungsbezieher nach dem 4. Kapitel des SGB XII ausdrücklich von der Versicherungspflicht ausgenommen. Damit korrespondiere auch für die Krankenkasse nach § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG keine Verpflichtung, der Klägerin einen sog. Basistarif anzubieten. Daher sei als Vergleichsmaßstab die Summe der zu erwartenden Aufwendungen des Sozialhilfeträgers gemäß §§ 264 SGB V i.V.m. § 48 SGB XII heranzuziehen. Dabei komme es darauf an, ob die jährlichen Aufwendungen für die Krankenhilfe voraussichtlich über oder unter den jährlichen Beiträgen zu der privaten Krankenversicherung liegen würden. Einem Jahresbeitrag der Klägerin in Höhe von 10.200 Euro zuzüglich 400 Euro Eigenbeteiligung stünden Versicherungsleistungen in Form von Krankheitskosten in Höhe von rund 63.558 Euro für das Jahr 2007 gegenüber. Auch wenn Prognosen für die Zukunft schwierig seien und die Höhe der gewährten Leistungen in Zusammenhang mit der erhöhten Abrechnungsmöglichkeit eines Privatversicherten stünden, stehe auf Grund der Schwere der Erkrankungen der Klägerin fest, dass die Krankenhilfe auch weiterhin die teurere Form der Versorgung der kranken Klägerin darstellen werde. Die monatlichen Aufwendungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 850 Euro zuzüglich der anteiligen Kosten für den zu erbringenden Selbstbehalt seien daher angemessen.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung bringt sie vor, dass mit der Weiterführung der gewählten privaten Krankenversicherung eine nachhaltige Absicherung gegen Krankheit nicht gewährleistet sei. Vielmehr führe die Entrichtung der überteuerten Beiträge zu einer Verschuldung der Klägerin. Um dies zu vermeiden, sei auch nicht die Hälfte der Kosten des Basistarifs zu übernehmen.

Sie führte dazu aus, dass die Klägerin erstmalig am 07.05.2007 zum Wechsel in die Krankenhilfe (als Statusversicherte) aufgefordert worden sei. Nach Inkrafttreten des GKV-WSG zum 01.07.2007 sei die Klägerin zum Wechsel in den so genannten Standardtarif aufgefordert worden. Jetzt sei ihr ein Wechsel in den Basistarif möglich. Dazu habe eine Verpflichtung bestanden. Denn Aufwendungen dürften nach § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII nur übernommen werden, "soweit sie angemessen" seien. Dies würde vom Selbsthilfegrundsatz gefordert. Bei § 2 Abs. 1 SGB XII handele sich zwar nicht um eine isolierte Ausschlussnorm, jedoch sei dadurch eine Ausschlusswirkung ohne Rückgriff auf andere Normen in extremen Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn sich der bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließe und Ansprüche ohne weiteres realisierbar seien.

Am 10.11.2011 hat die Beklagte die Berufung begrenzt, weil nach eingeholter Auskunft des privaten Versicherungsunternehmens ein Wechsel in den Standardtarif nicht möglich gewesen sei, wohl aber ab 01.01.2009 ein Wechsel in den Basistarif.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit der Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 28. Februar 2009 betroffen ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Februar 2011 zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten beider Instanzen sowie der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ohne Zulassung (§ 144 Abs.1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Berufungsforderung überschreitet - maßgeblich ist der Streitwert bei Einlegung der Berufung - 750,00 Euro (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in der Fassung des 8. SGG-ÄndG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs.1, 87 Abs. 1 S. 2 SGG).

Zulässig verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch (§ 123 SGG) mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG). Auf die beantragte Leistung besteht ein Rechtsanspruch gemäß § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII. Weiter ist auch der Ermessensanspruch zu prüfen (§ 32 Abs. 5 S. 2 SGB XII), insoweit handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.

Streitgegenstand ist ein Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung bei Alter und Erwerbsunfähigkeit. Inhaltlich ist die Berufung, wie schon die Klage, in zulässiger Weise beschränkt auf höhere Leistungen wegen eines Versicherungsbeitrages nach § 32 Abs. 5 SGB XII. Das SGB XII geht bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von einzelnen Ansprüchen und nicht von bloßen Berechnungselementen einer Gesamtleistung aus, über die sich die Beteiligten allenfalls im Wege eines Teilvergleichs bzw. Teilanerkenntnisses wirksam binden können. So wird in § 42
SGB XII zwischen dem Regelsatz (jetzt Regelbedarfstufe der leistungsberechtigten Person), den Leistungen für Unterkunft und Heizung und den Sonderbedarfen nach §§ 30 bis 34 SGB XII in enumerativer Aufzählung unterschieden. Insoweit hat das BSG seine frühere Rechtsansicht im Urteil des BSG vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 2/06 R aufgegeben (BSG, Urteil vom 26.08.2008, B 8/9b SO 10/06 R, fortgeführt im Urteil vom 19.05.2009,
B 8 SO 8/08 R). Entgegen der zum SGB II geäußerten Ansicht des BSG zur Abtrennbarkeit eines Zuschusses nach § 26 SGB II (nicht abtrennbar laut Urteil vom 18.01.2011,
Az.: B 4 AS 108/10 R) hält der Senat hier die Prüfung eines einzelnen Anspruchs im Rahmen der gesamte Regelung der periodisch bewilligten Grundsicherung für gerechtfertigt. Denn hier besteht die Hilfebedürftigkeit unabhängig von der Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags (vgl. insoweit aaO Rn. 13 zur "Akzessorietät" des Anspruchs nach § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG). Vorsorglich machte Senat aber auch Feststellungen zum gesamten Anspruch auf Grundsicherung (später auf S. 7).

Während zunächst der erhobene Anspruch (vgl. § 42 S. 1 Nr. 4 SGB XII) Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 01.03.2008 bis einschließlich 28.02.2009 umfasste, hat sich der Streitgegenstand durch die teilweise Rücknahme der Berufung der Beklagten geändert. Gemäß § 153 Abs 1 i.V.m. § 102 Abs. 1 S. 2 SGG ist der Rechtsstreit insoweit (ohne Zutun der Klägerpartei) in der Hauptsache erledigt. Damit ist nunmehr über Leistungen für die Zeit vom 01.01.2009 bis 28.02.2009, mithin über Krankenversicherungsbeiträge im Umfang von zweimal 850 EUR und eine Selbstbeteiligung von 400 EUR zu entscheiden. Demgegenüber hat das SG in seinem Urteil die Beklagte verurteilt, unter Abänderung des Bescheid vom 13.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 der Klägerin vom 01.03.2008 bis einschließlich 28.02.2009 einen Zuschuss in "tatsächlicher Höhe" zur privaten Krankenversicherung und zur privaten Pflegeversicherung "sowie für den jährlichen Selbstbehalt" zu gewähren.

Die Bescheide über Leistungen zum Lebensunterhalt vom 23.04.2008, 30.06.2008, 31.07.2008 sind nach § 85 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden und vom Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 umfasst. Sie - wie auch der letzte noch vor der Klageerhebung ergangene Bescheid vom 29.08.2008 - ersetzen aber die bisherigen Regelungen (keine bloßen Folgebescheide, die nach neuerer Rechtsprechung des BSG z. B. vom 02.02.2010, B 8 SO 21/08 R nicht zum Gegenstand werden), so dass wegen der Berufungsrücknahme nunmehr der Bescheid vom 29.08.2008 im Streit ist.

Die Berufung ist zum Teil begründet.

Die mit monatlichen Beiträgen von zirka 850 EUR versicherte Klägerin hat zwar einen Anspruch auf Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen, aber nur im Umfang der Hälfte (264 EUR) des so genannten Basistarifs. Keine Rolle spielt hier die Entscheidung des BSG vom 18.01.2011 in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die Beiträge unterhalb des halben Basistarifes nur in Höhe der nach dem SGB II erbrachten Aufwendungen (131,34 EUR) betrifft (so genannte Deckungslücke, die eher als eine "Zahlungsanweisung" im Verhältnis zwischen Sozialleistungsträger und Krankenversicherungsunternehmen anzusehen ist).

1.
Gemäß § 8 Nr. 2 SGB XII umfasst die Sozialhilfe die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 bis 46), nach § 42 SGB XII (Umfang der Leistungen) umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels. Gemäß § 32 Abs. 5 SGB XII idF des Art. 5 des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens vom 20.07.2007 (BGBl. I S. 1595) werden beim Bestehen einer Krankenversicherung bei einem Versicherungsunternehmen die Aufwendungen übernommen, soweit sie angemessen und die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 erfüllt sind.

Dem Grunde nach hat die Klägerin einen Rechtsanspruch, weil sie als ehemalige Selbstständige schon lange bei der Bayerischen Beamtenkrankenkasse einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Sie bezog bereits seit März 2003 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, ohne dass absehbar ist, zu welcher Zeit der Hilfebezug beendet wird. Die Leistungen für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 28.02.2009 sind von der Beklagten zu Recht (mit Ausnahme des Beitrags zur Krankenversicherung) In Höhe von 519,60 EUR festgestellt worden. Der im Berechnungsbogen für den Monat November 2008 eingestellte Bedarf im Umfang von 958,17 EUR führt bei dem ebenso richtig ermittelten Einkommen von 589,82 EUR zu einer Leistung von 368,35 EUR, jeweils unter dem Vorbehalt der noch einzustellenden Beiträge für die beantragte Krankenversicherung. Damit liegt die Voraussetzung einer Leistungsberechtigung von voraussichtlich nur kurzer Dauer (§ 32 Abs. 5 S. 2 SGB XII) nicht vor. Somit kann die Beklagte auch nicht in einer Ermessensentscheidung höhere Aufwendungen zur Aufrechterhaltung einer Krankenversicherung bei einem Versicherungsunternehmen übernehmen. Denn die Leistungsberechtigung besteht nicht voraussichtlich nur für kurze Dauer.

2.
Die Aufwendungen für die Erfüllung der Pflichten aus der Krankenversicherung der Klägerin werden nur übernommen, soweit sie im Sinne von § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII angemessen sind.

a) Der Gesamtzusammenhang in den die Tatbestandsvoraussetzung der Angemessenheit des Aufwands gestellt ist, misst diesem Merkmal nur die Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu. Eine Verkürzung des Leistungsanspruchs kann damit nicht verbunden werden (näheres dazu unten unter 3.). Insoweit hatte sich der Senat in seiner früheren Spruchpraxis noch nicht festgelegt. Im Beschluss vom 15.05.2009,
Az.: L 8 SO 51/09 B ER, ist vielmehr ausgeführt, dass es letztlich dahingestellt sein könne, ob es sich bei dem Begriff "soweit" um eine gesetzgeberische Fehlleistung handelt und das "soweit" als "wenn" zu lesen ist. Der Begriff der Angemessenheit ist in § 32
SGB XII mit wirtschaftlichen Überlegungen verknüpft, nämlich auf tatsächliche Aufwendungen und gleichzeitig bezogen auf die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 SGB XII. Gerade in § 19 SGB XII kommt eine Begrenzung des Sozialhilfeanspruchs aus wirtschaftlichen Überlegungen zum Ausdruck mit dem Begriff des "notwendigen Lebensunterhaltes", welcher in § 27 SGB XII nochmals beschrieben ist. Dort ist bei den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens der unbestimmte Rechtsbegriff des vertretbaren Umfanges genannt. Damit kommt zum Ausdruck, dass auf das allgemeine Leistungsniveau der Sozialhilfe abzustellen ist. Eine das Sozialhilfeniveau übersteigende Hilfe kann nur beansprucht werden, wenn anders die Notlage nicht behebbar ist (vgl. dazu auch Rothkegel, Strukturprinzipien, Kapitel drei zum Bedarfsdeckungsgrundsatz Seite 71 ff).

b) Bei der Deckung eines Bedarfs, der gesundheitliche Belange betrifft, ist die Angemessenheit der Aufwendungen für selbstbeschaffte Hilfen auch am Umfang der in der Sozialhilfe unmittelbar eingeräumten Ansprüche an Hilfe zur Gesundheit zu messen. Nach § 48 S. 1 SGB XII (Hilfe bei Krankheit) werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die Leistungen sind danach beschrieben durch eine Verweisung auf die Krankenbehandlung nach dem dritten Kapitel, Fünfter Abschnitt, erste Titel SGB V. Im Einzelnen sind das: Krankenbehandlung nach §§ 27 bis 43b SGB V. Es handelt sich hierbei um ein Leistungsniveau, das Versicherten in Vorsorgesystemen, in denen die Mitgliedschaft durch eigene Beitragsleistung erworben wird, zugemutet wird.

c) Leistungen im so genannten Basistarif der substitutiven Krankenversicherung entsprechen dem Versorgungsniveau der Krankenbehandlung nach dem SGB V. Nach § 12
Abs. 1a Versicherungsaufsichtgesetz (VAG) haben Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche die substitutive Krankenversicherung betreiben, einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Fünften Buches Sozialgesetzbuch entsprechen. Diese aufsichtsrechtlichen Vorgaben sind vertragsrechtlich in § 193 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) normiert.

d) Die Gleichwertigkeit der Leistungen der Sozialhilfe mit denen von Versicherten in der substitutiven privaten Krankenversicherung ist damit sichergestellt, ebenso wie dies der Gesetzgeber bereits früher in der Sozialhilfe bewerkstelligt hat (Krankenhilfe nach § 37 Bundessozialhilfegesetz, bzw. nach § 48 SGB XII).

In diesem Sinne - einer Zumutbarkeit der Absicherung im Basistarif - war auch bisher immer schon die Spruchpraxis des erkennenden Senats zu verstehen, wonach ein Wechsel im Basistarifs zumutbar sei (vgl. Beschluss vom 15.05.2009, Az.: L 8 SO 51/09 B ER, im Beschluss vom 21.12.2009, L 8 AS 755/09 B ER, einen selbständig Erwerbstätigen betreffend war nicht sicher, ob Hilfebedürftigkeit besteht und deswegen eine Reduzierung des Beitrags erfolgen kann). Dahingehend äußert sich auch die Literatur (vgl. Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, Rn. 39; jurisPK-SGB XII, Holzhey, Stand 31.01.2011, Rn 52).

e) Nach § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII besteht damit nur ein Anspruch auf Übernahme eines Aufwandes, der Leistungen im Umfang des Basistarifes sicherstellt. Dieser Erfolg tritt aber in den meisten Fällen bereits bei Erstattung des halben Basistarifs ein. Denn nach § 12 Absatz 1c S. 4 VAG vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte, wenn allein durch die Zahlung des Beitrags im Basistarifs Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch eintritt. Das gleiche gilt, wenn unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch Hilfebedürftigkeit besteht (§ 12 Abs. 1c
S. 6 VAG). In diesem Fall zahlt der zuständige Träger den Betrag; ansonsten erhält der "Versicherte" (gemeint ist der potentiell Hilfebedürftige) auf Antrag eine Bescheinigung, die zur Beitragsreduzierung führt und ihm die Entrichtung des hälftigen Beitrags selbst ermöglicht.

Im Falle der Klägerin ist ein Betrag in Höhe des halben Basistarifs als Rechtsfolge des Anspruchs aus § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII zur Sicherstellung der durch die Sozialhilfe gewährleisten Krankenhilfe ausreichend. Sie wird entsprechend den oben getroffenen Feststellungen nicht allein durch die Entrichtung ihres Beitrags zur Krankenversicherung hilfebedürftig. Sie kann mit ihrer Rente in Höhe von 618 EUR schon nicht ihren Lebensunterhalt über einen Regelsatz von damals 371 EUR, Mehrbedarf von 58,90 EUR und Kosten der Unterkunft von 515 EUR selbst bestreiten.

f) Ein solcher Wechsel war der Klägerin - entgegen der Rechtsansicht des SG - auch nach der Rechtslage zum 01.01.2009 möglich. Gemäß § 193 Absatz 5 S. 1 Nr. 2 VVG ist der Versicherer nur verpflichtet, allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach Nr. 1 oder Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 gehören und die nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, einen Basistarifs anzubieten. Die Klägerin gehört aber - wie das SG zu Recht festgestellt hat - zum oben in Nr. 3 genannten Personenkreis des Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 und 4. Dennoch muss ihr vom Versicherer als Bestandsversicherte nach § 193 Abs. 5 S. 2 VVG ein Basistarif eingeräumt werden. Wer also bereits den erforderlichen Versicherungsschutz in der privaten Krankenversicherung hat, hat einen Anspruch auf einen Wechsel in den Basistarif beim selben Versicherer oder Aufkündigung und Abschluss eines Basistarif-Vertrags einem anderen Versicherer (vgl. dazu Rn 26 zu § 193 in Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Auflage). Die weitere Frage, inwieweit nach dem 30.06.2009 diesem Personenkreis gegenüber noch ein Kontrahierungszwang zum Basistarifs besteht (vgl. dazu § 193 Abs. 5 S. 2 2. Halbsatz VVG) berührt zunächst nicht den hier vorhandenen Streitgegenstand für Januar und Februar 2009.

g) Im Falle der Klägerin erfährt der Begriff der Angemessenheit keine Ausweitung, weil etwa der gewählte Normaltarif nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist und anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann. Der von der Klägerin gewählte Tarif unterfällt ebenfalls der substitutiven Krankenversicherung. Früher privat Versicherte müssen sich ab 01.01.2009 beim Bezug von Sozialhilfeleistungen privat versichern (vgl. § 193 Abs. 3 S. 1 VVG). Ihnen ist der Zugang in die gesetzliche Krankenversicherung verwehrt. § 5 Abs. 8a SGB V schließt eine Versicherungspflicht der GKV
nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V für Hilfeempfänger nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII aus. Dabei handelt es sich um den klassischen Personenkreis der sogenannten Statusversicherten nach § 48 SGB XII i.V.m. § 264 SGB V. War ein Hilfeempfänger - wie die Klägerin hier - jedoch schon vor dem 01.01.2009 privat krankenversichert, verbleibt er in diesem System. Ein einmal geschlossener und noch bestehender privater Versicherungsvertrag (so genannter Altfall) kann von keiner Seite gekündigt werden kann. § 205 Abs. 6 VVG bestimmt, dass abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der Versicherungsnehmer eine Versicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3
Satz 1 erfüllt, nur dann kündigen kann, wenn er bei einem anderen Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht genügt. § 206
Abs. 1 VVG besagt, dass jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen ist. In dieser Hinsicht ist die Entscheidung über eine Wahlmöglichkeit zwischen Krankenhilfe nach dem SGB XII (§ 48 SGB XII) und Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen überholt (vgl. dazu Beschluss des erkennenden Senats vom 09.06.2008, Az.: L 8 B 321/08 SO ER).

Auch hinsichtlich der Beitragsrückstände macht der Gesetzgeber innerhalb der substitutiven Krankenversicherung keine Unterschiede. Denn bei Beitragsrückständen muss der private Krankenversicherer eine Notversorgung aufrechterhalten (§ 193 Abs. 6 S. 6 VVG). Während der Ruhenszeit haftet der Versicherer ausschließlich für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Das Ruhen endet aber, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinn des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch hilfebedürftig wird (§ 193 Abs. 6 S. 6 VVG). Das Ruhen endet nach dem Wortlaut von § 193 Abs. 6 Satz 5 Alt. 2 VVG mit Eintritt der Hilfebedürftigkeit. Danach wird nicht auf die Kenntnis des Versicherungsunternehmens abgestellt. Damit wäre nachträglich eine Korrektur durchzuführen, wenn die Hilfebedürftigkeit "rückwirkend" festgestellt wird. Es ist nicht einzusehen, dass das Ruhen der Versicherung für die gesamte Zeit der Hilfebedürftigkeit korrigiert werden kann, die Beitragshalbierung jedoch unter Umständen erst deutlich nach Beginn der Hilfebedürftigkeit erfolgt. Der Versicherungsnehmer hätte eine Schuldenlast, die gerade nicht gewollt ist (vgl. Holzhey am angegebenen Ort, Rn 47). Die Versicherung wird bei anhaltendem Beitragsrückstand nach einem Jahr automatisch im Basistarif weitergeführt. Sind die ausstehenden Beitragsanteile, Säumniszuschläge und Beitreibungskosten nicht innerhalb eines Jahres nach Beginn des Ruhens vollständig bezahlt, so wird die Versicherung im Basistarif fortgesetzt (§ 193 Abs. 6 S. 9 VVG).

h) Weiter besteht keine Notwendigkeit zur Beibehaltung und Erstattung des von der Klägerin gewählten Tarifs, weil diese sonst überschuldet würde. Es mag zwar oft sein, dass Hilfeberechtigte in derartigen Situationen versuchen, die vom Leistungsträger nicht übernommenen Kosten durch Einsparungen auszugleichen und sich dabei verschulden. Die Vermeidung von Schulden ist aber kein Tatbestandsmerkmal der Krankenhilfe oder der Beitragsübernahme und kann erst recht nicht unter das Merkmal der Angemessenheit in
§ 32 Abs. 5 SGB XII subsumiert werden. Richtig ist zwar, dass die Klägerin nicht zum Wechsel in den Basistarifs gezwungen werden kann (dazu unten unter 3 a). Dennoch kann der Leistungsempfänger nicht selbst eine Notlage herbeiführen und daraus einen erhöhten Bedarf ableiten. Nach § 103 SGB XII ist zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres für sich oder andere durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt hat. Damit könnte dann gleichzeitig wieder die überhöhte Leistung zurückgefordert werden.

3.
Die Beklagte kann bei der Erfüllung des der Klägerin aus § 32 Abs. 5 SGB XII zustehen Anspruchs die Leistung nicht wegen Zweckverfehlung verweigern. Der Leistungsträger kann nicht einen Wechsel in den Basistarif dadurch erzwingen, dass er für den Aufwand eines anderen (Normal)Tarifs nichts erstattet.

a) Eine derartige Vorgehensweise zur Erzwingung eines Wechsels in den Basistarif lässt das SGB XII nicht zu (vgl. dazu auch schon den Beschluss des erkennenden Senats vom 21.12.2009, Aktenzeichen: L 8 AS 755/09 B ER, Rn.22. "Weder aus § 26 SGB II noch aus dem VVG bzw. VAG besteht eine Verpflichtung einen bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag in eine private Basisversicherung umzuwandeln. Aus dem allgemein anerkannten Selbsthilfegrundsatz nach § 2 SGB II lässt sich eine solche Verpflichtung nicht entnehmen"). Aus der Systematik des Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs und vermeintlich übergeordneten Grundsätzen des Sozialhilferechts entnimmt das Bundessozialgericht (vgl. etwa Urteil vom 29.09.2009 - B 8 SO 23/08 R) zu Recht keine Ausschlussnormen. So handelt es sich insbesondere bei § 2 Abs. 1 SGB XII unter Rückgriff auf den Grundsatz der Selbsthilfe ("allgemeine Selbsthilfe nach § 2 Abs. 1, 1. Alt
SGB XII") nicht um eine von den übrigen Regelungen des SGB XII isolierte Norm mit einer Ausschlusswirkung ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII. Verhaltensänderungen können mit Mitteln des Sozialhilferechts nicht erzwungen werden. Es können lediglich Obliegenheitsverletzungen in eng begrenzten Ausnahmefällen sanktioniert werden. So kann der Leistungsträger nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII die Leistung bis auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche einschränken, wenn Leistungsberechtigten trotz Belehrung ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen. Eine denkbare Einschränkung wäre hier allenfalls die Reduzierung der Leistung auf den halben Basistarif nach Durchführung der gezielten notwendigen Belehrung mit der entsprechenden Folgenbelehrung.

b) Derartigen Überlegungen zur Leistungsreduzierung ist der Gesetzgeber im Übrigen schon unter Geltung des alten Sozialhilferechts entgegengetreten. Eine vergleichbare Problemlage bestand zu den Kosten der Unterkunft bei BSHG § 12 Abs. I 1 BSHG, § 3 Abs. 1 2 Regelsatzverordnung (RegelsatzVO). So hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30.05.1996 (Az.: - 5 C 14/95) einem Sozialhilfeempfänger, der während des Bezuges laufender Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Notwendigkeit in eine sozialhilferechtlich unangemessen teure Wohnung umgezogen ist, die Übernahme der Unterkunftskosten sowohl in voller Höhe wie auch teilweise in Höhe solcher Aufwendungen, die für eine angemessen teure Wohnung aufzubringen wären, verweigert. Zur Begründung ist angeführt, dass die Ausrichtung des Anspruchs aus § 12 Abs. 1 1 BSHG, § 3 Abs. 1 S. 1 RegelsatzVO auf den notwendigen Lebensunterhalt nicht nur anspruchsbegrenzend wirke, sondern auch anspruchsgestaltend. Die Hilfeleistung sei danach so zu bemessen, dass der Hilfebedürftige seinen notwendigen Bedarf tatsächlich in vollem Umfang befriedigen könne. Kurz darauf hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.07.1996 eine Rechtsgrundlage zur Übernahme lediglich angemessenen Kosten geschaffen, indem der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen verpflichtet ist, wenn die Mietkosten unangemessen hoch sind.

c) Aus der jetzt bestehenden Regelung zu den Kosten der Unterkunft, die in etwa der Rechtslage des Sozialhilfereformgesetzes von 1996 entspricht, kann die Beklagte keine Befugnis für ihr Verhalten entnehmen. Auch nach § 35 Abs. 2 S. 4 SGB XII i.d.F. ab 01.01.2011 (früher § 29 SGB XII) ist der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen verpflichtet. Aus dieser Rechtslage kann nicht der Schluss gezogen werden, dass nur bei der Erstattung des Aufwands für die Unterkunft nicht kostendeckende Teilleistungen erbracht werden dürfen.

d) Ausschlaggebend ist letztlich, dass § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII kraft Willen des Gesetzgebers einen Rechtsanspruch im Sinne von § 38 SGB I, § 17 SGB XII einräumt, den die Verwaltung nicht im Wege der Erfüllung schmälern darf. Der Verwaltung sind nach § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII bei der Erfüllung der Leistung keine Gestaltungsmöglichkeiten gelassen. Weder erfolgt eine Entscheidungen über Art und Maß der Leistungserbringung (§ 17 Abs. 2 SGB XII) noch bei der Auswahl der Leistungsart (§ 10 SGB XII). Die Leistung ist hier als Geldleistung zu erbringen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII). § 32 Abs. 5 S. 1 SGB XII räumt kein Ermessen im Sinne von § 17 Abs. 2 SGB XII ein.

Wegen der Rechtsnatur des Anspruchs kann auch die Klägerin nicht unter Anführung eines Wunsch- und Wahlrechts (Grundsatz der Individualisierung, § 9 SGB XII) die Erstattung des von ihr gewählten Tarifs ihre Krankenkasse verlangen.

e) Die früher einmal vom erkennenden Senat im Beschluss vom 21.12.2009 (Az.: L 8 AS 755/09 B ER) geäußerte Rechtsansicht wird nicht weiterverfolgt. Sofern damals unter Bezugnahme auf das OVG Hamburg (Beschluss vom 30.07.1992, Bs IV 299/9) ausgeführt worden ist, dass auch bis zur Höhe der angemessenen Beiträge kein Anspruch auf eine teilweise Kostenübernahme besteht, wird dem jetzt nicht beigetreten. Allein mit einer möglichen Zweckverfehlung kann ein Rechtsanspruch nicht versagt werden. Mit bloßen Prognosen zur Überschuldung kann regelmäßig keine Hilfeablehnung begründet werden.

4.
Der Höhe nach richtet sich der Anspruch der Klägerin an § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG aus. Bei ihr besteht - wie oben ausgeführt - unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Demnach gilt § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG. Damit würde ihr die Möglichkeit einer Reduzierung des Basistarifs eingeräumt. Nachdem sie diese Versicherungssumme nicht gewählt hat, ist ihr Beitrag aus dem höchstmöglichen Basistarifs zu errechnen. Nach § 12 Abs. 1c Satz 1 VAG darf der Beitrag für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen. Dieser Höchstbeitrag ergibt sich aus der Multiplikation des allgemeinen Beitragssatzes mit der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung; der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der vom Bundesministerium für Gesundheit gemäß § 242a Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch jeweils bekannt gegebenen Höhe ist hinzuzurechnen (S. 2 der genannten Vorschrift). Für das Jahr 2009 ergibt sich bei einem allgemeinen Beitragssatz von 14,9 % und einer monatlichen Bemessungsgrundlage von 3675 EUR im Monat ein Basistarifs von 529,20 EUR. Die Übernahme des Selbstbehalts ist nicht angemessen, da er bei der Klägerin zu keinerlei Vorteilen führt. Denn die Möglichkeit der Beitragsreduzierung betrifft nicht den Selbstbehalt (vgl. Voit in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., § 193 Rn. 35).

Insgesamt steht der Klägerin für zwei Monate jeweils der Betrag eines halben Basistarifs zu. Insoweit hat das SG zu Unrecht eine Verurteilung dem Grunde nach in voller Höhe der erbrachten Beiträge und die Kosten des Selbstbehalts vorgenommen. Das Urteil ist insoweit abzuändern, ebenso wie auf die Anfechtungsklage der Bescheid vom 29.08.2008 abzuändern und die Klage hiergegen teilweise abzuweisen ist.

Die Berufung der Beklagten war daher nur zum Teil erfolgreich und musste im Übrigen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Nach dem Ausmaß des Obsiegens sind der Klägerin 11/12 ihrer Kosten von der Beklagten zu erstatten

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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