L 6 U 2256/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2256/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts K. vom 18. März 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die 1948 geborene Klägerin wurde am 01.12.1999 auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle von einem rückwärts aus einer Garage fahrenden Auto (einem VW Golf) angefahren und stürzte infolge dessen auf ihre Hände und Kniegelenke.

Als das Auto seine Rückwärtsbewegung fortsetzte, geriet sie nach ihren Angaben unter das Auto. Durch Abstützbewegungen gegen die Unterseite des Autos gelang es der Klägerin nach ihren Angaben, sich aus ihrer Lage unter dem Auto zu befreien. Sodann ging die Klägerin zu ihrer Arbeitsstelle und traf dort um 8:49 Uhr ein.

Jedoch begab sie sich schon um 10:06 Uhr zu der Fachärztin für Chirurgie Dr. G ... Sie stellte als Befunde Schmerzen, Prellungen, Schürfungen beider Kniegelenke, einen Unfallschock, großflächige Hautabschürfungen an den Handballen und starke Schmerzen im Rücken und in den Oberschenkeln fest. Die röntgenologische Untersuchung der Brustwirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, der linken Hand, des Beckens und der Kniegelenke erbrachte keine Frakturen. Dr. G. diagnostizierte multiple Prellungen an der Lendenwirbelsäule, am Becken, an beiden Händen und an beiden Kniegelenken sowie einen Unfallschock (H-Arzt-Bericht vom 06.12.1999).

Arbeitsunfähigkeit bestand vom 01.12.1999 bis zum 07.12.1999 (Auskunft der AOK - Die Gesundheitskasse - Pf. vom 04.05.2000). Die Klägerin erhielt währenddessen Entgeltfortzahlung (Auskunft der Arbeitgeberin vom 10.05.2000).

Am 07.01.2000 stellte sich die Klägerin beim Arzt für Orthopädie Dr. T. vor. Er berichtete über deutliche Schmerzen am linken Daumengrundgelenk mit funktionellen Beschwerden des Kollateralbandes auf der ulnaren und radialen Seite sowie einer eingeschränkten Streckung und Opposition. Die röntgenologische Untersuchung des linken Daumens ergab eine Subluxationsstellung im linken Daumengrundgelenk ohne knöcherne Veränderungen und eine unfallunabhängige beginnende Rhizarthrose. Dr. T. diagnostizierte eine alte Bandruptur am linken Daumengrundgelenk (Befundbericht vom 07.01.2000). Am 01.02.2000 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. T. vor. Er berichtete über eine mäßige Schwellung im Bereich des linken Daumengrundgelenks sowie eine Druckempfindlichkeit des Kollateralbandapparates und der Daumenballenmuskulatur. Die röntgenologischen Untersuchungen der Daumen erbrachte eine deutliche Aufklappung im linken Daumengrundgelenk bei der radialen Abduktion mit Subluxation und keine signifikante Aufklappung im rechten Daumengrundgelenk. Dr. T. diagnostizierte eine radiale Bandinsuffizienz am linken Daumengrundgelenk (Befundbericht vom 01.02.2000). Am 25.02.2000 begab sich die Klägerin in Behandlung des Facharztes für Chirurgie Dr. V ... Er diagnostizierte im linken Daumen eine Insuffizienz des radialen und ulnaren Seitenbandes (Durchgangsarztbericht vom 25.02.2000, Befundbericht vom 25.02.2000). Am 25.04.2000 stellte sich die Klägerin beim Arzt für Chirurgie Dr. K. vor. Er diagnostizierte eine Bandinstabilität beider Daumengrundgelenke (Durchgangsarztbericht vom 25.04.2000). Am 02.05.2000 wurde die Klägerin durch Prof. Dr. Sch., Chefarzt an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., untersucht. Er diagnostizierte eine ausgeheilte Prellung beider Hände und äußerte den Verdacht auf ein unfallunabhängiges Karpaltunnelsyndrom beidseits (Nachschaubericht vom 03.05.2000). Am 03.05.2000 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. K. vor. Er beschrieb einen Zustand nach Prellung beider Hände mit Instabilität an beiden Daumengrundgelenken (Nachschaubericht vom 03.05.2000).

Auf eine Sachstandsanfrage der Klägerin führte die Beklagte mit Schreiben vom 05.02.2003 aus, Unfallfolgen seien nicht mehr nachweisbar. Daraufhin legte die Klägerin das für eine private Unfallversicherung erstellte Gutachten des Dr. V. vom 12.01.2003 vor. Er diagnostizierte einen Zustand nach einer Bänderdehnung im linken Daumengrundgelenk nach Sturz auf beide Hände. Daraufhin zog die Beklagte die Röntgenaufnahmen bei. Aus dem von der Beklagten eingeholten Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - Die Gesundheitskasse - Pf. geht unter anderem hervor, dass bei der Klägerin im Februar 2003 eine Behandlung wegen einer primären Gonarthrose beziehungsweise Meniskusschädigungen erfolgte. Ferner holte die Beklagte die Befundberichte des Facharztes für Orthopädie Dr. Z. vom 15.10.2003 und 29.10.2003 ein. Er führte aus, aus der von ihm durchgeführten röntgenologischen und der vom Arzt für Radiologie Dr. T. durchgeführten magnetresonanztomographischen Untersuchung habe sich eine Rhizarthrose, eine Intercarpal- und Radiocarpalarthrose sowie eine Überdehnung des Kapselapparates im linken Daumensattelgelenk ergeben.

Sodann ließ die Beklagte die Klägerin untersuchen und begutachten. Der Facharzt für Orthopädie Dr. C. beschrieb in seinem Gutachten vom 06.03.2004 als wesentliche Unfallfolgen eine erst- bis zweitgradige Instabilität des ulnaren Seitenbandes im linken Daumengrundgelenk und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) seit 08.12.1999 mit unter 10 vom Hundert (v. H.). Ferner führte er aus, ein Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der von der Klägerin beschriebenen Knieproblematik müsse noch abgeklärt werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei dem Arbeitsunfall eine Verletzung am linken Knie aufgetreten sei. Denn der Unfallhergang mit einer direkten Traumatisierung der Kniekehle durch die Autostoßstange könne geeignet gewesen sein, eine Verletzung zu bewirken.

Daraufhin zog die Beklagte über den Arzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. W. die Befundberichte des Dr. T. vom 10.10.2002 (nach magnetresonanztomographischer Untersuchung des linken Kniegelenks: Verdacht auf erst- bis zweitgradige Innenmeniskus-Läsion und auf einen Zustand nach Zerrung beziehungsweise Überdehnung des Innenbandes, Chondromalazie patellae Typ II nach Shahriaree medialbetont, persistierende Plica mediopatellaris mit umgebendem Reizerguss), des Prof. Dr. Sch., Direktor der Orthopädischen Klinik an den St. V.-K. K., vom 06.12.2002 (nach röntgenologischer und magnetresonanztomographischer Untersuchung des linken Kniegelenks: Verdacht auf Innenmeniskusläsion, Chondropathia patellae Typ II, Plica mediopatellaris) sowie vom 05.03.2003 (nach Arthroskopie am 19.02.2003 des linken Kniegelenks: Innenmeniskushinterhorn-Randauffaserung links, erst- bis zweitgradige Chondromalazie im linken lateralen Tibiaplateau, zweitgradige Plica mediopatellaris mit Knorpelarrosion im linken medialen Femurcondylus) bei.

In Auswertung dieser Unterlagen führte Dr. C. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 17.07.2004 aus, die Klägerin habe sich zwar bei dem Arbeitsunfall eine Anprallverletzung beider Kniekehlen und eine sich daran unmittelbar anschließende Aufprallverletzung der Kniegelenke mit Hautabschürfungen zugezogen. Ein Kniebinnenschaden sei aber bei diesem Ereignis nicht entstanden, da der Unfallmechanismus hierzu nicht geeignet gewesen sei. Aufgrund des magnetresonanztomographischen Befundes sei nicht auszuschließen, dass es zu einer Zerrung des linken inneren Knieseitenbandes gekommen sei. Ein Bandriss habe nicht vorgelegen. Die anlässlich der durchgeführten Arthroskopie beschriebenen Veränderungen im linken Kniegelenk seien nicht unfallbedingt. Eine messbare MdE werde bei freier Beweglichkeit und fehlender Bandinstabilität nicht ausgelöst. Ursache der beklagten Beschwerden seien degenerative Veränderungen und unfallunabhängige Normabweichungen in Form einer Plica mediopatellaris, von Auffaserungen im Innenmeniskushinterhorn sowie von Knorpelschäden an der inneren Oberschenkelrolle und am äußeren Schienbeinkopf.

Nachdem sich die Klägerin am 09.11.2004 in der chirurgischen Gemeinschaftspraxis Dres. E. und O. vorgestellt hatte (Gonarthrose; Durchgangsarztbericht vom 09.11.2004), erfolgte bei Dr. T. am 20.11.2004 eine weitere magnetresonanztomographische Untersuchung des linken Kniegelenks, die im Vergleich zum Vorbefund aus dem Jahr 2002 keine signifikante Befundänderung erbracht hatte (Befundbericht vom 20.11.2004). Der Facharzt für Chirurgie Dr. O. führte am 15.12.2004 eine Arthroskopie des linken Kniegelenks durch, diagnostizierte dabei eine zweit- bis drittgradige Chondromalazie, eine Innenmeniskusläsion sowie ein Plica-Syndrom und führte eine Innenmeniskusresektion, eine Plicaresektion sowie eine Abrasionsarthroplastik durch (Befundbericht vom 11.01.2005).

Mit Bescheid vom 10.03.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab. Sie führte zur Begründung aus, die Begutachtung habe ergeben, dass am linken Daumengrundgelenk eine geringe Instabilität am ulnaren Seitenband vorliege. Diese Unfallfolge bedinge keine rentenberechtigende MdE. Die Prellungen der Lendenwirbelsäule, des Beckens, der Hände und der Kniegelenke seien folgenlos ausgeheilt. Nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall stünden im Bereich des linken Kniegelenks der Innenmeniskusschaden, die Knorpelschäden an der inneren Oberschenkelrolle sowie am äußeren Schienbeinkopf und die Bakerzyste. Die beim Arbeitsunfall erlittene Anprallverletzung sei nicht geeignet gewesen, einen Kniebinnenschaden hervorzurufen. Die Ursache der derzeitig geklagten Beschwerden seien degenerative Veränderungen und unfallunabhängige Normabweichungen.

Hiergegen legte die Klägerin am 17.03.2005 Widerspruch ein, mit dem sie im Wesentlichen geltend machte, sie sei zum Unfallzeitpunkt beschwerdefrei von Seiten der Kniegelenke gewesen. Bezüglich des Daumens sei bereits eine nicht unerhebliche MdE festgestellt worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2006 unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. C. zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20.03.2006 Klage beim Sozialgericht K ... Sie legte 2.1 bis 2.7 eines auszugsweisen Entlassungsberichts über eine von der Deutschen Rentenversicherung bewilligte Rehabilitationsmaßnahme (Rehabilitationsziele: Förderung der Entspannungs- und Genussfähigkeit, Bearbeitung traumatischer Lebensereignisse, Entwicklung neuer beruflicher Perspektiven), die Arztbriefe des Radiologen Dr. K. vom 11.03.2002 und 11.04.2002, den Kurzentlassbrief der Dr. B-, Stationsärztin an der Orthopädischen Klinik der St. V.-K. K., vom 21.02.2003 sowie die Arztbriefe des Chirurgen Dr. E. vom 11.08.2005 und des Dr. T. vom 16.05.2006 vor. Dr. K. beschrieb nach Durchführung einer kernspintomographischen Untersuchung der linken Hand eine chronische Zerrung mit Entwicklung eines fibrovasculären Gewebes und einer weiteren kernspintomographischen Untersuchung der linken Hand eine Reizung der Gelenkkapsel im Daumensattelgelenk mit einer sich jetzt einstellenden Praearthrose sowie einem kräftigen fibrovasculären Gewebe im Bereich der Gelenkkapsel. Dr. B- berichtete über das Ergebnis der am 19.02.2003 durchgeführten Arthroskopie. Dr. E. führte aus, das geschilderte Unfallereignis sei nicht geeignet gewesen, die Veränderungen im linken Kniegelenk hervorzurufen. Die durch den Arbeitsunfall belastete Stelle des Kniegelenks retropatellar sei vollkommen intakt. Da in den Röntgenaufnahmen vom 01.12.1999 und 09.11.2004 eine diskrete Verschmälerung des medialen Gelenkspalts als Ausdruck einer bestehenden Arthrose zu sehen sei, sei davon auszugehen, dass durch das Unfallereignis eine sich schon anbahnende Arthrose aktiviert worden sei, so dass eine Verschlechterung eines vorbestehenden Befundes vorliege. Dr. T. beschrieb nach Durchführung einer magnetresonanztomographischen Untersuchung beider Hände eine beidseitige, jedoch linksseitig betonte, in steigender Ausprägung bestehende Intercarpalarthrose, Radiocarpalarthrose sowie eine Rhizarthrose und äußerte den Verdacht auf eine aktive Rhizarthorse links mit Subluxationsstellung, eine alte Teilruptur des medialen Kollateralbandes, eine beidseits bestehende Ruptur des Discus ulnaris sowie eine kleine zystische Formation im Bereich des Processus styloideus radii.

Das Sozialgericht hörte Dr. G. schriftlich als sachverständige Zeugin. Sie führte am 20.05.2007 aus, die Klägerin habe sich bei dem Arbeitsunfall nicht nur Prellungen und Schürfungen am Rücken sowie an beiden Händen und Kniegelenken, sondern auch aufgrund Stauchungs- und Rotationstraumen schwerwiegendere Verletzungen an Bändern, Menisci und Disci der Hand- beziehungsweise Daumensattel- sowie Kniegelenke zugezogen.

Sodann holte das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M. vom 20.06.2007 ein. Der Sachverständige führte aus, die Verletzung des ellenseitigen Bandes des linken Daumengrundgelenks sei unfallbedingt entstanden. Die weiteren arthrotischen Veränderungen des linken Daumensattelgelenks seien bereits auf den Röntgenbildern vom Unfalltag zu erkennen und hätten sich seither nur geringfügig verändert, so dass die Arthrose unfallunabhängig sei. Durch den Arbeitsunfall hätten sich die Beschwerden seitens der vorerkrankten Daumensattelgelenke manifestiert, ohne dass es dabei zu einer richtunggebenden Verschlimmerung gekommen sei. Der Befund des linken Innenmeniskus sei nicht unfallbedingt. Grundsätzlich sei ein isolierter Meniskusriss, also ohne gleichzeitige Rupturierung der Kniebänder, nicht möglich. Eine Kontinuitätsdurchtrennung sei nur bei einem ganz bestimmten Unfallmechanismus als unfallbedingt anzuerkennen. Wenn auf das gebeugte Kniegelenk ein von außen kommendes Ereignis einwirke, das zu einer gewaltsamen Streckung des Kniegelenks führe und dabei gleichzeitig der Unterschenkel durch eine unüberwindliche Einklemmung des Fußes an der Schlussrotation gehindert werde, sei auf Grund biomechanischer Überlegungen ein Meniskusriss denkbar. Ein solcher Mechanismus habe vorliegend nicht stattgefunden. Vorliegend sei in Folge des Auftreffens der Stoßstange auf den proximalen Unterschenkel eine schubladenartige Verschiebung des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel denkbar, wodurch es allenfalls zu einer Bandverletzung hätte kommen können. Eine Kontinuitätsdurchtrennung der Bänder sei aber nicht erfolgt. Bei den Bewegungen der Klägerin unter dem Auto liegend sei kein Mechanismus zu erkennen, der geeignet gewesen wäre, einen Meniskus zu verletzten. Eine pure Rotationsbewegung im Kniegelenk sei hierbei nicht ausreichend. Gegen einen Unfallzusammenhang spreche auch, dass bei der Klägerin eine sogenannte degenerative Kontinuitätsdurchtrennung vorliege. Bei der Arthroskopie am 19.02.2003 seien lediglich eindeutig degenerativ bedingte Auffaserungen des Meniskushinterhorns beschrieben worden. Zwischen dieser und der am 15.12.2004 erfolgten Arthroskopie müsse es zu einer spontanen degenerativ bedingten Kontinuitätsdurchtrennung im Bereich der Pars intermedia des Innenmeniskus gekommen sein. Die auf das mediale Kniekompartiment beschränkte Arthrose habe bereits am Unfalltag vorgelegen und sei altersentsprechend. Eigentliche Ursache der Kniebeschwerden sei ein sogenanntes Patellaspitzensyndrom, wobei es sich um eine schicksalhaft entstandene chronische Sehnenansatzentzündung am unteren Kniescheibenpol handle, deren unfallbedingte Entstehung nicht denkbar sei. Die unfallbedingte MdE wegen der unfallbedingten Insuffizienz des ellenseitigen Kollateralbandes am linken Daumengrundgelenk betrage unter 10 v. H.

Mit Urteil vom 18.03.2008 wies das Sozialgericht die Klage mit der Begründung ab, durch den Arbeitsunfall sei lediglich eine Insuffizienz des ellenseitigen Collateralbandes des Daumengelenks links verursacht worden, welche keine rentenberechtigende MdE bedinge. Es stützte sich dabei auf das Gutachten des Dr. M ...

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 10.04.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.05.2008, dem Dienstag nach Pfingsten, Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, sie sei vor dem Arbeitsunfall an den Kniegelenken beschwerdefrei gewesen. Ferner könne der bei der zweiten Arthroskopie festgestellte Innenmeniskuslappenriss bei der ersten Arthroskopie übersehen worden sein. Außerdem sei das Unfallereignis ohne Weiteres geeignet gewesen, eine Meniskusverletzung herbeizuführen. Der Sachverständige sei offensichtlich von kontrollierten, feinmotorischen und gezielten Bewegungen ihrer Beine und Kniegelenke unter dem Auto liegend ausgegangen. Richtigerweise seien diese Bewegungen aber panikartig und in Erwartung eines bevorstehenden weiteren schmerzhaften Kontakts mit dem überrollenden Auto ausgeführt worden. Denn sie sei, nachdem sie leicht schrägliegend mit ihrem Kopf auf Höhe der Hinterachse vollständig unter das Auto geraten und es ihr gelungen sei, sich vom Bauch über die linke Seite zu drehen. Als sie bemerkt habe, dass die Vorderräder des Autos nach links eingeschlagen worden seien und sie eine erneute Fahrbewegung des Autos erwartet habe, sei sie völlig in Panik geraten und habe versucht, sich auf der Seite und dann auf dem Rücken liegend durch eine Serie von kraftvollen, unkontrollierten Tritten mit den Füßen gegen die zu diesem Zeitpunkt trockene Fahrbahn und insbesondere gegen die Unterseite des Autos unter Zuhilfenahme der Arme und Hände abzustoßen und ihren Kopf und Oberkörper aus der Lage unter dem Auto zu befreien. Dieses panikartige Treten und Strampeln in Seiten- und Rückenlage mit erheblicher Kraft gegen eine unebene Fläche mit Erhöhungen und Vertiefungen an der Fahrzeugunterseite entspreche ohne Weiteres dem Unfallmechanismus, der die Verletzung des Innenmeniskus herbeigeführt habe, nämlich einer Streckung des Beines mit rotiertem Kniegelenk bei unkontrolliert schräg und nur punktuell aufgesetztem und einer unebenen Unterseite des Autos fixiertem Fuß.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts K. vom 18. März 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 1. Dezember 1999 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Dr. M. habe in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, weshalb der von der Klägerin geschilderte Unfallhergang nicht geeignet gewesen sei, die geltend gemachten Beschwerden zu verursachen.

Der Senat hat zu den Einwendungen der Klägerin die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. M. vom 09.09.2008 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, die Streckung des Kniegelenks sei vorliegend durch aktiven Muskeleinsatz der Klägerin und nicht durch eine äußere Gewalteinwirkung erfolgt. Eine Zerreißung eines Meniskus durch aktiven Krafteinsatz sei unmöglich und widerspreche dem Bauplan des menschlichen Körpers. Hinzukomme, dass bei der ersten Arthroskopie kein unfallbedingter Erstkörperschaden des Kniegelenks im Vollbeweis gesichert worden sei. Auffaserungen des Innenmeniskushinterhorns entstünden eindeutig degenerativ. Er halte es für ausgeschlossen, dass bei dieser ersten Arthroskopie der in der zweiten Arthroskopie festgestellte Lappenriss des Innenmeniskus übersehen worden sei. Auf dem Boden der von Dr. E. beschriebenen degenerativen Knorpelschäden, die sich auch auf den Unfallaufnahmen hätten darstellen lassen, müsse in der Zeit zwischen der ersten und der zweiten Arthroskopie ein Lappenriss des Innenmeniskus entstanden sein. Im Übrigen gingen die derzeitigen Beschwerden des Kniegelenks nicht vom Kniebinnenraum, also etwa den Menisken, sondern vom Ansatz der Kniescheibenstrecksehne im Sinne eines Patellaspitzensyndroms aus.

Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten der Dr. G. vom 01.08.2010 eingeholt. Die Sachverständige hat aufgrund der Untersuchung vom 12.11.2009 ausgeführt, in Folge dessen, dass die Klägerin vor dem Unfallgeschehen keine Beschwerden gehabt habe, dürfe man sicher annehmen, dass die heutigen Beschwerden, vor allem am linken Kniegelenk, Folgen des Arbeitsunfalls seien. Sie hat als Unfallfolgen eine Läsion der Handgelenke mit Verdacht auf eine Ruptur des Discus ulnaris beidseits, eine Läsion des Kapselbandapparates der Daumengrundgelenke links mehr als rechts mit Verdacht auf eine Teilruptur des medialen Kollateralbandes des linken Daumengrundgelenks, eine jetzt aktive Rhizarthrose links mit Subluxationsstellung, eine gestörte Greiffunktion und Minderung der groben Kraft der Hände links mehr als rechts, einen Zustand nach Prellungen und Hautabschürfungen beider Kniegelenke, eine Läsion des Kapsel-bandapparates beider Kniegelenke, rezidivierende Ergüsse im rechten Kniegelenk mit Bakerzyste, eine Zerrung und Überdehnung des Innenbandes des linken Kniegelenks, eine Innenmeniskusläsion mit Lappenriss im linken Kniegelenk, einen Zustand nach zweimaliger arthroskopischer Operation im linken Kniegelenk, eine mediale Gonarthrose im linken Kniegelenk mit einem behinderten Gang, eine Prellung der Lendenwirbelsäule und des Beckens dorsal sowie eine reaktive Depression beschrieben. Die wesentlichen Abweichungen in ihrer Beurteilung ergäben sich aus der wiederholt falschen Beschreibung des Unfallhergangs und der daraus resultierenden falschen Interpretation des Unfallmechanismus mit den daraus resultierenden bisher nicht anerkannten Unfallfolgen an Händen und Kniegelenken. Die MdE hat die Sachverständige mit 30 v. H. bewertet.

Hierzu hat der Arzt für Chirurgie Dr. K. in seiner von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.01.2011 ausgeführt, die am Unfalltag beschriebenen Prellungen könnten weder zu Läsionen des Kapselbandapparates der Gelenke noch zu Meniskusläsionen führen. Frische Zerreißungen des Bandapparates führten wie jede andere strukturelle Läsion auch zu einem sofort einsetzenden Beschwerdebild und zu einer entsprechenden Symptomatik. Vergleichbare Verhältnisse seien vorliegend nicht belegt. Erst fünf Wochen nach dem Arbeitsunfall habe Dr. T. eine alte Bandruptur am Daumengrundgelenk beschrieben. Eine Rhizarthrose habe offensichtlich vorbestanden. Jedenfalls sei ein solcher Befund unfallnah von Dr. T. beschrieben worden, wobei darauf hinzuweisen sei, dass es sich bei der Rhizarthrose um eine solche des Daumensattelgelenkes und nicht des Daumengrundgelenkes handle. Eine Beteiligung des Daumensattelgelenkes sei aber an keiner Stelle belegt. Des Weiteren spreche nichts für eine unfallbedingte Läsion des Discus ulnaris, gerate dieser doch erst nach Läsionen des Ligamentum radiocarpale ulnare beziehungsweise dorsale unter Stress. Ein entsprechender Befund sei aber durch die kernspintomographischen Untersuchungen am 11.05.2006 und 15.05.2006 ausgeschlossen worden. Die zwischen den Kondylen gelegenen Menisken gerieten bekanntlich erst dann unter Stress, wenn der Kapselbandapparat, der primäre Stabilisator des Gelenks, verletzt, sprich zerrissen, sei. Beteiligt könnten die Menisken auch bei knöchernen Verletzungen sein. Vorliegend seien durch die kernspintomographischen Untersuchungen beider Kniegelenke vergleichbare Verhältnisse ausgeschlossen worden. Insofern sei von einem isolierten Meniskusschaden, also einem verletzungsunspezifischen Schadensbild, auszugehen. Es verwundere daher nicht, dass die Operateure von einem Lappenriss, also von einer stets auf dem Boden degenerativer Veränderungen auftretenden Rissform, gesprochen hätten. Im Ergebnis könne also dem Gutachten der Dr. G. nicht gefolgt werden.

Daraufhin hat der Senat die weitere ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. M. vom 11.03.2011 eingeholt. Er hat ausgeführt, nach dem Unfallbericht vom Unfalltag seien als Erstkörperschaden lediglich Schürfungen beider Kniegelenke und Handballen im Vollbeweis gesichert. Dr. T., bei dem sich die Klägerin ausschließlich wegen Schmerzen im linken Daumengrundgelenk vorgestellt hat, habe Anfang 2000 eine radiale Bandschädigung links sowie eine radiale oder ulnare Bandinsuffizienz rechts ausgeschlossen. Als Nebenbefund habe sich eine Daumensattelgelenksarthrose, welche unfallunabhängig sei, dargestellt. Erstmals habe Dr. V. eine vermehrte Aufklappbarkeit sowohl radial als auch ulnar beidseits beschrieben. Aufgrund biomechanischer Überlegungen sei auszuschließen, dass es bei einem Sturz auf beide Hände im Bereich des linken Daumens gleichzeitig zu einer ellenseitigen und speichenseitigen Bandverletzung komme. Ein traumatischer Erstkörperschaden der Handgelenke sei nirgendwo aktenkundig. Aus den Beschreibungen des Unfallhergangs ließen sich keine biomechanischen Gründe ableiten, die eine unfallbedingte Schädigung des Innenmeniskus erklären könnten. Die Innenmeniskusläsion sei wesentliche Folge schicksalhafter degenerativer Prozesse. Bereits auf den Unfallaufnahmen komme ein Verschmälerung des inneren Gelenkspalts beidseits als Ausdruck eines degenerativen Höhenverlustes des Knorpels beziehungsweise der Menisken zur Darstellung. Die unfallbedingte MdE betrage unter 10 v. H.

Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zum Ablauf des Unfallereignisses befragt. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf die Niederschrift vom selben Tag verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente.

Rechtsgrundlage sind die §§ 7, 8 und 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), das heißt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (zuletzt in BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) die folgenden Grundsätze entwickelt:

Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Erforderlich ist für die Gewährung von Verletztenrente, dass längerandauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität) und eine hierdurch bedingte MdE um mindestens 20 v. H. erreicht wird.

Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten längerandauernden Unfallfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.

Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.

Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es nicht wahrscheinlich, dass über die unfallnah von Dr. T., Dr. V., Dr. K. und Prof. Dr. Sch. sowie später von Dr. Z. diagnostizierte und daher von den Sachverständigen Dr. C. und Dr. M. zu Recht als Unfallfolge beschriebene Insuffizienz des ellenseitigen Kollateralbandes am linken Daumengrundgelenk weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.12.1999 vorliegen.

Die Unfallunabhängigkeit der arthrotischen Veränderungen des linken Daumensattelgelenks ergibt sich schon daraus, dass sie nach den überzeugenden Gutachten des Dr. C. und des Dr. M. bereits auf den Röntgenbildern vom Unfalltag zu erkennen waren und sich seither nur geringfügig verändert haben. Ferner hat Dr. K. zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits rund fünf Wochen nach dem Arbeitsunfall auch Dr. T. eine Rhizarthrose beschrieben hat, bei der es sich nicht um eine Arthrose des unfallbeteiligten Daumengrundgelenks, sondern um eine solche des nicht unfallbeteiligten Daumensattelgelenks handelt. Die Beschwerden seitens der Daumensattelgelenke sind daher nicht wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Des Weiteren hat Dr. K. überzeugend dargelegt, dass kernspintomographisch Läsionen des Ligamentum radiocarpale ulnare beziehungsweise dorsale und damit eine unfallbedingte Läsion des Discus ulnaris ausgeschlossen worden sind.

Auch sind die Veränderungen im linken Kniegelenk nicht ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen.

Zum einen handelt es sich nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. C. und Dr. M. bei den von Prof. Dr. Sch. aufgrund der Arthroskopie vom 19.02.2003 gestellten Diagnosen Innenmeniskushinterhorn-Randauffaserung links, erst- bis zweitgradige Chondromalazie im linken lateralen Tibiaplateau und zweitgradige Plica mediopatellaris mit Knorpelarrosion im linken medialen Femurcondylus um degenerativ bedingte Veränderungen im linken Kniegelenk. Zum anderen kann, da bei der Arthroskopie vom 19.02.2003 im Bereich des Innenmeniskus lediglich degenerativ bedingte Ausfaserungen des Hinterhorns diagnostiziert worden sind, die bei der Arthroskopie vom 15.12.2004 im Bereich des Innenmeniskus diagnostizierte Läsion nicht unfallursächlich sein. Anhaltspunkte dafür, dass bei der ersten Arthroskopie die in der zweiten Arthroskopie festgestellte Innenmeniskusläsion übersehen worden ist, hat der Senat nicht. Ferner handelt es sich nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. K. selbst bei der im Rahmen der zweiten Arthroskopie diagnostizierten Innenmeniskusläsion um einen degenerativ bedingten Schaden, zumal Dr. E. von einem Lappenriss, also von einer stets auf dem Boden degenerativer Veränderungen auftretenden Rissform, gesprochen hat.

Zum anderen hat Dr. M. überzeugend dargelegt, dass das vorliegend zu beurteilende Unfallereignis nicht geeignet war, einen Meniskusriss ohne gleichzeitige Rupturierung der Kniebänder zu verursachen. Denn ein solcher isolierter Meniskusriss ist nur ausnahmsweise denkbar, wenn auf das gebeugte Kniegelenk ein von außen kommendes Ereignis einwirkt, das zu einer gewaltsamen Streckung des Kniegelenks führt, und dabei gleichzeitig der Unterschenkel durch eine unüberwindliche Einklemmung des Fußes an der Schlussrotation gehindert wird. Ein solcher Mechanismus scheitert vorliegend aber schon daran, worauf Dr. M. zu Recht hingewiesen hat, dass die Streckung des Kniegelenks vorliegend allenfalls durch aktiven Muskeleinsatz der Klägerin unter dem Auto liegend - die Unfallschilderung bei Dr. G. zu Grunde gelegt - und gerade nicht durch eine äußere Gewalteinwirkung erfolgt ist.

Demgegenüber überzeugen die gegenteiligen Ausführungen der Dr. G. nicht. Sie hat ihre Einschätzung an keiner Stelle ihres Gutachten für den Senat plausibel gemacht. Insbesondere genügt es nach den oben dargestellten Grundsätzen gerade nicht, von einer Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis auf einen Zusammenhang zwischen nach einem Unfallereignis auftretenden Beschwerden und dem Unfallereignis zu schließen. Vor allem sind die Ausführungen der Dr. G. zu der von ihr angenommen Ursächlichkeit des Arbeitsunfalls für die Veränderungen in den Kniegelenken der Klägerin nicht überzeugend. Die Sachverständige hat dabei einen Unfallablauf zu Grunde gelegt, der weder nachgewiesen noch plausibel ist. So geht der Senat angesichts dessen, dass ein VW Golf über eine relativ geringe Bodenfreiheit verfügt, nicht davon aus, dass die Klägerin bei der Rückwärtsbewegung des Autos tatsächlich mit dem ganzen Körper unter dasselbe gekommen ist und sich im Rahmen etwaiger Befreiungsbewegungen unter dem Auto liegend auch noch vom Rücken auf den Bauch hat drehen können, um sich dann infolge eines Strampelns mit ihren Beinen gegen die Unterseite des Autos die von Dr. G. angenommenen Primärverletzungen zuzuziehen. Ganz abgesehen davon hat sich die Klägerin nach Lage der Akten nach dem Arbeitsunfall erstmals im Herbst 2002 und mithin erst nach knapp drei Jahren bei den Dres. W. und T. wegen Kniebeschwerden vorgestellt, was ebenfalls gegen eine Unfallursächlichkeit spricht. Für den Senat ist es auch nicht nachvollziehbar, dass Dr. G. neben Verdachtsdiagnosen wie beispielsweise dem Verdacht auf eine Ruptur des Discus ulnaris beidseits auch noch eine unfallursächliche Läsion des Kapselbandapparates des rechten Kniegelenks mit rezidivierenden Ergüssen und einer Bakerzyste, angenommen hat, da es für eine solche Annahme an keiner Stelle der Akten irgendwelche nachvollziehbaren Hinweise gibt. Auch ihre Einschätzung, eine Prellung der Lendenwirbelsäule und des Beckens dorsal sowie eine reaktive Depression seien unfallursächlich, führen zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. Zum einen sind die Prellungen folgenlos ausgeheilt und daher nicht MdE-relevant. Zum anderen ist eine relevante psychiatrische Behandlung der Klägerin weder dargetan noch aktenkundig, so dass der Senat der ohnehin nur fachfremden Einschätzung der Dr. G. nicht gefolgt ist.

Der auf die Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Dr. G. nach § 109 SGG gerichtete schriftliche Antrag der Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden. Er war auch abzulehnen. Einem Antrag auf wiederholte Anhörung desselben Gutachters ist nur zu folgen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Solche Umstände liegen nur dann vor, wenn sich der Gutachter zu bestimmten entscheidungserheblichen Fragen nicht oder unvollständig geäußert hatte oder sich zusätzliche rechtserhebliche Tatsachen ergeben haben, beispielsweise neue Gesundheitsstörungen entstanden sind oder andere Gutachten eingeholt worden sind, zu denen eine Stellungnahme erforderlich ist Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109, Rz, 10b). All dies ist vorliegend nicht der Fall. Dr. G. war die gegenteilige Einschätzung des Dr. M. bereits bei Erstellung ihres Gutachtens bekannt. Wesentlich neue Gesichtspunkte ergeben sich auch nicht aus der zwischenzeitlich von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des Dr. K ... Eine ergänzende Befragung der Dr. G. hinsichtlich der am Unfalltag erhobenen Befunde ist weder auf Antrag nach § 109 SGG noch von Amts wegen nach § 106 Abs. 2 Nr. 4 SGG erforderlich, zumal diese ausweislich ihres H-Berichts vom 06.12.1999 bereits aktenkundig sind und Dr. G. diesbezüglich in ihrem Gutachten vom 01.08.2010 keine abweichenden Angaben gemacht hat.

Nach alledem geht die Beklagte zu Recht lediglich von einer Insuffizienz des ellenseitigen Kollateralbandes am linken Daumengrundgelenk als Unfallfolge aus. Die hierdurch bedingte Funktionseinschränkung bedingt nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. C. und Dr. M. keine rentenberechtigende MdE.

Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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