Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 13 R 314/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 161/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 R 14/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung sowie die nachträgliche Einbehaltung rückständiger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner streitig.
Der 1943 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 11. Juli 2005 einer Altersrente nach Altersteilzeit. Im Zeitpunkt der Antragstellung war er freiwilliges Mitglied bei der A-BKK. Am 8. August 2005 teilte seine Krankenkasse ihm mit, dass er die Vorversicherungszeit für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erfülle und entsprechend ab Rentenbeginn der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliege.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Dezember 2005 die beantragte Altersrente und zog die hälftigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von dem Rentenzahlbetrag ab. Unter dem 2. Dezember 2005 bestätigte die A-BKK dem Kläger nochmals die Mitgliedschaft in der KVdR und wies in ihrem Schreiben u. a. darauf hin, dass die aus der gesetzlichen Rente zu zahlenden Beiträge direkt vom Rentenversicherungsträger einbehalten würden.
Anfang Mai 2006 erstattete die A-BKK eine Fehlermeldung im maschinellen KVdR-Meldeverfahren bezüglich des Krankenversicherungsverhältnisses ab dem 1. Dezember 2005. Nach dem Textinhalt bestand seit diesem Zeitpunkt eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf Beitragszuschuss. Die Beklagte übersandte daraufhin am 12. Mai 2006 einen Formantrag auf Beitragszuschussgewährung an den Kläger. In dem Begleitschreiben heißt es:
" ...nach den hier vorliegenden Unterlagen besteht für Sie eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. eine Mitgliedschaft bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen. Damit können Sie unter bestimmten Voraussetzungen zu Ihrer Rente Zuschüsse zur Krankenversicherung ... erhalten.".
Dieser stellte den Antrag sodann am 18. Mai 2006. Dabei verneinte er die Frage nach dem Bestehen von Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Ohne weitere Ermittlungen bei der A-BKK zur Art der Mitgliedschaft bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 31. Mai 2006 unter Abänderung des bisherigen Kranken- und Pflegepflichtverhältnisses ab Mai 2006 einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich in 89,28 EUR.
Der Bescheid enthielt dabei unter der Überschrift mit Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten auf der Seite 4 folgenden Hinweis:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige Krankenversicherung entfällt - mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung, - mit dem Beginn einer Beitragsfreiheit oder - bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen."
Durch eine maschinelle Datenübermittlung vom 5. Juni 2008 erlangte die Beklagte Kenntnis von der tatsächlich seit Dezember 2005 durchgängig bestehenden Pflichtversicherung des Klägers in der KVdR.
Daraufhin erließ die Beklagte am 20. Juni 2008 einen Rentenbescheid, mit dem sie die Altersrente ab Juli 2008 neu festsetzte. In dem Bescheid wurde die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung für die Zukunft ab dem 1. Juli 2008 aufgehoben und bestimmt, dass zukünftig ein monatlicher Beitragsanteil des Rentners zur Kranken- und Pflegepflichtversicherung einbehalten werde. Für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 30. Juni 2008 stellte die Beklagte eine Überzahlung in Höhe von 3.877,53 EUR fest, da der Kläger in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert sei und einen Beitrag aus der Rente in Höhe des halben Beitrags zu zahlen habe. Sie führte weiter aus, dass vorgesehen sei, die Überzahlung aufgrund der rückständigen Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Diese Verrechnung sei nach § 255 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. § 60 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) zulässig, soweit er nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zweiten bzw. Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB II / SGB XII) werde. Es sei beabsichtigt, die Verrechnung der Überzahlung mit der Rente in einer Summe oder in angemessenen monatlichen Teilbeträgen vorzunehmen. Zur Frage der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung der Zuschüsse und deren Rückforderung ab Mai 2006 (2.347,20 EUR) enthält der Bescheid eine schriftliche Anhörung des Klägers.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, den Antrag auf Zuschuss von Kranken- und Versicherungsleistungen auf Veranlassung der Beklagten gestellt zu haben. Die Rückforderung sei nicht nachvollziehbar, der ursprüngliche Bescheid nicht offensichtlich rechtswidrig, die Rentenzahlungen seien auch verbraucht.
Mit Bescheid vom 8. August 2008 nahm die Beklagte den Bescheid vom 31. Mai 2006 ab dem 1. Mai 2006 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurück und stellte den von dem Kläger gemäß § 50 SGB X zu erstattenden Betrag in Höhe von 2.347,20 EUR für die bis zum 30. Juni 2008 entstandene Überzahlung fest. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, dass der Kläger in dem Rentenbescheid vom 31. Mai 2006 darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass Anspruch auf Beitragszuschuss nur bestehe, solange keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einträte. Die von ihm vorgetragenen Einwände stünden der Bescheidrücknahme nicht entgegen und seien im Übrigen auch im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensausübung beachtet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 wies die Beklagte sowohl den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Juni 2008 als auch den noch von dem Kläger gegen den Bescheid vom 8. August 2008 erhobenen zurück und führte unter ausführlicher Darstellung der Sach- und Rechtslage aus, dass sowohl die Forderung der rückständigen Beitragsteile für die Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 30. Juni 2008 (3.877,53 EUR) als auch die Rückforderung der überzahlten Zuschüsse zur Krankenversicherung für die Zeit von Mai 2006 bis Juni 2008 in Höhe von 2.347,20 EUR nicht zu beanstanden seien.
Hiergegen hat der Kläger am 12. Mai 2009 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und die Auffassung vertreten, dass die nachträgliche Beitragserhebung für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung rechtswidrig sei. Ein Verschulden des Klägers sei nicht erkennbar, eine Rücknahme des Verwaltungsaktes komme, auch wegen des Vertrauensschutzes, nicht in Betracht. Die Beitragsforderung verstoße gegen Treue und Glauben, die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides sei dem Kläger nicht bekannt gewesen. Auch sei die Einjahresfrist abgelaufen. Schließlich sei das Verhalten der Beklagten rechtsmissbräuchlich, da der Kläger bereits 2006 auf die Möglichkeit eines Antrages auf Zuschuss von Krankenversicherungsleistungen hingewiesen worden sei.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 insoweit aufgehoben, als damit der gezahlte Beitragszuschuss zur Krankenversicherung für die Zeit von Mai 2006 bis Juni 2008 zurückgefordert worden war. Zwar lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X für die Aufhebung der Bewilligung der Beitragszuschüsse vor. Insbesondere habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt, auch sei die Jahresfrist des Abs. 4 Satz 2 a.a.O. gewahrt. Indes sei die Aufhebung der Zuschussbewilligung nicht ermessensfehlerfrei für die Vergangenheit erfolgt. Der Bescheid enthalte zwar ausführliche Ermessenserwägungen und setzte sich unter anderem auch damit auseinander, wie sich der Aspekt der verspäteten Meldung durch die Krankenkasse auswirke. Allerdings sei ein wesentlicher Umstand, nämlich, dass die Beklagte den Kläger selbst zu der Zuschussbeantragung am 18. Mai 2006 durch ihr Schreiben vom 12. Mai 2006 veranlasst habe, nicht berücksichtigt worden. In diesem Schreiben habe die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit der Zuschussgewährung hingewiesen. Ohne diesen Hinweis hätte der Kläger den Zuschuss nicht beantragt. Dies folge aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen diesem Schreiben und der Antragstellung selbst wie auch aus den diesbezüglichen Äußerungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die rückwirkende Einbehaltung der Pflichtbeitragsanteile zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung sei rechtmäßig. Nach der gesetzlichen Regelung komme es auf ein Verschulden des Versicherten oder des Rentenversicherungsträgers nicht an, auch könne sich der Versicherte nicht auf Vertrauensschutz berufen. Schließlich stünde der Beklagten hinsichtlich der Nacherhebung kein Ermessensspielraum zu.
Gegen das ihr am 22. März 2010 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 7. April 2010. Sie ist unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG vom 21. Juni 2001 - B 7 AL 6/00 R und vom 21. März 1990 - 7 Ar 112/88) der Auffassung, dass selbst dann kein beachtlicher Ermessensfehler vorläge, wenn die Tatsache, dass die Beklagte den Kläger selbst zur Antragstellung aufgefordert habe, tatsächlich nicht in die Ermessensausübung eingeflossen wäre. Ungeachtet dessen habe sie die Frage eines möglichen Mitverschuldens jedoch bereits in ihre Ermessensentscheidung mit einfließen lassen und sich in dem Widerspruchsbescheid das Mitverschulden der Krankenkasse zurechnen lassen, gleichzeitig jedoch ausgeführt, dass mit Blick auf die Schwere des klägerischen Fehlverhaltens trotz des zurechenbaren Mitverschuldens eine Reduzierung der Forderung im Wege des Ermessens nicht angezeigt sei.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Gestützt auf die Urteilsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung ist er der Ansicht, dass die vorgenommene Bescheidrücknahme ermessensfehlerhaft sei. Die Frage des Mitverschuldens sei in keinster Weise mit in die Ermessensausübung einbezogen worden.
Der Kläger selbst wendet sich mit seiner Berufung vom 14. April 2010 gegen die ihm am 16. März 2010 zugestellte Entscheidung und hält daran fest, dass die Nacherhebung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung rechtswidrig sei. Zur Begründung hat er dazu im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Beklagte im Laufe des gesamten Verfahrens missverständliche und in sich widersprüchliche Schreiben an den Kläger übersandt habe, weshalb insgesamt von einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht mehr ausgegangen werden könne.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 abzuändern und auch den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 aufzuheben.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hebt nochmals hervor, dass es nach der Rechtsprechung in Anwendung des § 255 Abs. 2 SGB V auf Fragen des Verschuldens oder des Vertrauensschutzes nicht ankomme.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung allein durch die Berichterstatterin zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte des Sozialgerichts Frankfurt am Main (S 13 R 314/09), die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschrift vom 16. November 2010 sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin anstelle des Senats entscheiden (§§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), haben jedoch beide in der Sache keinen Erfolg.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat den mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 8. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 zu Recht wegen nur unzureichender Ermessensausübung aufgehoben. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Zutreffend hat die Beklagte die Verpflichtung zur Erstattung der Beitragszuschüsse auf § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 SGB X gestützt. Nach § 50 Abs. 2 sind Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. Darüber, dass dem Kläger zusätzlich zu der durch Bescheid vom 6. Oktober 2005 gewährten Altersrente ab Mai 2006 keine Leistungen nach § 106 SGB VI zustanden, besteht kein Streit.
Gemäß § 50 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde die zu Unrecht gezahlte Leistung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurückfordern, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Jahresfrist wurde von der Beklagten entgegen der Ansicht des Klägers gewahrt.
Die Regelung des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X setzt eine positive Kenntnis des Versicherungsträgers bezüglich der Tatsachen voraus, die die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Kenntnis lag bei der Beklagten frühestens im Juni 2008 durch die zur Verwaltungsakte gelangte Meldung im maschinellen Austausch über das Bestehen der Pflichtversicherung seit Dezember 2005 mit der Folge vor, dass die Jahresfrist offensichtlich gewahrt ist. Bei dieser Fallgestaltung kommt es nicht einmal darauf an, ob die Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X überhaupt erst dann angenommen werden kann, nachdem eine Anhörung durchgeführt worden ist. Denn der angefochtene Rücknahmebescheid wurde bereits am 8. August 2008 erlassen.
Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen gemäß § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X liegen ebenfalls vor. Danach hat die Erstattung einer in der Vergangenheit zu Unrecht erbrachten Leistung zur Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder dass die Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Zu Recht gingen vorliegend sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht davon aus, der Kläger habe sich grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X verhalten. Dieser Vorwurf hat zur Voraussetzung, dass der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung gem. § 153 Abs. 2 SGG.
Die Beklagte hat auch zu Recht einen Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X verneint. Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BSG (SozR 3-1300 § 45 Nr.37 m.w.N.) ist vor der Prüfung der Ermessensausübung festzustellen, ob die Vertrauensschutzregelung des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X eingreift. Diese Prüfung hat die Beklagte zutreffend vorgenommen und im Interesse der Versichertengemeinschaft einen Vertrauensschutz abgelehnt. Ob tatsächlich in allen Fällen vor der Ausübung des Ermessens eine Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs.2 Satz 1 SGB X vorzunehmen ist, mag zweifelhaft erscheinen, da verschiedene Gesichtspunkte für die Prüfung des Vertrauensschutzes und für die Ermessensausübung häufig nicht ersichtlich sein dürften. Auch setzt die Entscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X jedenfalls gedanklich die Verneinung des Vertrauensschutzes voraus, da nur dann die Rückforderung zum Tragen kommt.
Jedenfalls wurde von der Beklagten ausdrücklich eine Interessenabwägung vorgenommen.
Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich indes hier daraus, dass die Beklagte das Ermessen, das ihr in § 45 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3, Abs. 4 SGB X eingeräumt ist, nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts wird insofern zu diesem Punkt gemäß § 153 Abs. 2 SGG ebenfalls Bezug genommen. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Auch aus Sicht des Senats liegt eine fehlerhafte Ermessensausübung vor, weil die Beklagte für ihre Entscheidung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat.
Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung setzt voraus, dass sich die Behörde nach dem Inhalt des Rücknahmebescheides (a) ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst war, (b) keine besondere Härte bei dem Versicherten (BSG SozR 3–1300 § 45 Nr. 5 S. 21) sieht und (c) entweder das Vorhandensein von weiteren Umständen verneint, die nach ihrer Auffassung eine Ausübung des Ermessens zugunsten des Bürgers nach sich ziehen könnten, oder aber ausführt, dass bestimmte benannte Umstände ein (teilweises) Absehen vor der Rücknahme nicht rechtfertigen (BSG vom 12. Februar 1998 – B 8 KN 20/96 R). Vorliegend hätte die Beklagte im Sinne der letztgenannten Voraussetzung über ein - ihr zurechenbares - Mitverschulden der Krankenkasse des Klägers hinaus auch berücksichtigen müssen, dass ein Verschulden ihrerseits selbst vorlag. Zwar hatte die Datenübermittlung vom 2. Mai 2006 eine Pflichtversicherung des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner ab Rentenbeginn zum Inhalt. Dennoch hätte die Beklagte diesen Tatbestand mit Blick auf die Angaben und Feststellungen in dem vorangegangenen Rentenverfahren nicht ohne Weiteres als zutreffend unterstellen dürfen. Es hätte vielmehr einer Nachfrage der Beklagten und weiterer Aufklärung vor Absendung des Schreibens vom 12. Mai 2006 an den Kläger, in jedem Fall vor Erlass des Bescheides vom 31. Mai 2006 bedurft. Diesen Umstand hat die Beklagte nicht in ihre Ermessenserwägung eingestellt, wie sich sowohl aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides, als auch aus derer Berufungsbegründung vom 14. Juli 2010 ergibt.
Im Rahmen einer Ermessensausübung sollte der Gedanke eines etwaigen Mitverschuldens seitens der Beklagten aber zumindest erwogen werden (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 37).
Bei Vorsatz des Begünstigten mag dies ggf. anders sein, nicht aber bei einer mit widersprüchlichen Angaben und Informationen einhergehenden Fallkonstellation wie der vorliegenden.
Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung. Gerade in der Entscheidung vom 21. Juni 2001 (B 7 AL 6/00 R) hat das BSG ausgeführt, dass es der Beklagten in den Grenzen ihres Ermessens zwar grundsätzlich freistehe zu entscheiden, auf welche Umstände sie die zu treffende Ermessensentscheidung stützt, das Ermessen jedoch gerichtlich sehr wohl dahingehend zu überprüfen sei, ob die Verwaltung bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände beachtet hat. Der wesentliche Umstand des eigenen Mitverschuldens wurde vorliegend jedoch nicht in die Entscheidung mit einbezogen.
Auch der im Berufungsverfahren von der Beklagten unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 25. Januar 1994 (SozR 3-1300 § 50 Nr.16) vertretenen Ansicht, dass in dem hier zu beurteilenden Fall (ebenfalls) eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Keinesfalls vermag diese eine Bösgläubigkeit des Klägers zu begründen. Zunächst ist zu bemerken, dass eine Bescheidrücknahme für die Vergangenheit stets Bösgläubigkeit voraussetzt. Diese ist ein Tatbestandsmerkmal, von welchem aus erst die Rechtsfolgenseite mit dem unstreitig grundsätzlich eingeräumten Ermessen zu klären ist. Lediglich im Einzelfall kann dann bei Vorliegen besonderer Umstände eine Ermessensreduzierung auf Null eintreten. Die insofern von der Beklagten vorgenommene Wertung eines schweren Grades der Bösgläubigkeit im Sinne eines betrügerischen Verhalten des Klägers, die grundsätzlich sicher geeignet wäre, eine Ermessensreduzierung auf Null zu rechtfertigen, sieht der Senat nicht. Auf Veranlassung der Beklagten hat der Kläger im Mai 2006 den Antrag auf Zuschussgewährung gestellt. Dass er davor deren Begleitschreiben und auch später den Bescheid vom 31. Mai 2006 nicht sorgfältig gelesen und als Folge Nachfragen bei seiner Krankenkasse unterlassen hat, reicht über den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht hinaus. Andernfalls müsste man in annähernd jedem Rückforderungsfall bei zureichend zur Verfügung gestellten Hinweisen und Informationen von einem auch strafrechtlich relevanten Verhalten des Leistungsempfängers ausgehen. Davon kann indes erst bei einem hinzukommenden proaktiven, z.B. täuschenden oder auch verschleierndem Verhalten, ausgegangen werden.
Schließlich ist auch keine nachträgliche Heilung des Ermessensfehlers durch die in der Berufungsbegründung noch erfolgte Ergänzung der Ermessenserwägungen im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X eingetreten. Denn diese Vorschrift erfasst nicht das Nachschieben bisher bei der Ermessensausübung nicht erwogener Gründe, sondern ausschließlich die nachträgliche Mitteilung der für den Erlass des Verwaltungsaktes aus damaliger Sicht maßgebender, d.h. berücksichtigter Gründe (KassKomm-Steinwedel, § 45 SGB X Rz. 62). Wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 14. Juli 2010 selbst ausführt und im Übrigen auch der Akte ersichtlich, ist die Frage des eigenen Mitverschuldens nicht in die Ermessensausübung eingeflossen.
Die Berufung des Klägers ist ebenfalls nicht begründet. Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage hinsichtlich der Nacherhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 20. Juni 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 sind, was diesen Punkt betrifft, rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die nachträgliche Erhebung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 255 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 60 SGB XI.
Danach sind Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit dem Beitragsanteil des Rentenversicherungsträgers abzuführen. Ist bei Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben, so sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten (§ 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Kläger ist seit Beginn seiner Altersrentenzahlung am 1. Dezember 2005 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und § 20 Abs. 1 Nr. 11 SBG XI). Damit ist er nach § 252 Satz 1 SGB V grundsätzlich beitragszahlungspflichtig. Er hat den Beitrag aber nicht persönlich unmittelbar zu zahlen, denn für ihn als Rentner gelten die besonderen Modalitäten des § 255 Abs. 1 SGB V, wonach die Beiträge von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und abzuführen sind (s.o.).
In dem streiterheblichen Zeitraum von Dezember 2005 bis Juni 2008 wurden weder Beitragsanteile von der Beklagten von der Rente einbehalten, noch sind Beiträge sonst aus anderem Grund gezahlt worden. Die zunächst für die Zeit ab Dezember 2005 in Abzug gebrachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (Bescheid vom 6. Oktober 2005) sind dem Kläger erstattet worden (Nachzahlung aus dem Bescheid vom 31. Mai 2006 / 1.047,75 EUR). Die Voraussetzungen des § 255 Abs. 2 SGB V für eine Nacherhebung liegen damit zweifelsfrei vor. Die gesetzliche Regelung enthält im Übrigen weder einen Ermessenspielraum des Rentenversicherungsträgers, noch eine Regelung über einen wie auch immer gearteten Vertrauensschutz. Sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der Rentenversicherungsträger bei Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente (zwingend) abziehen muss (BSG vom 15. Juni 2000 - B 12 RJ 5/99 R). Eine solche Nacherhebung von Beiträgen verstößt grundsätzlich nicht gegen Treue und Glauben, jedenfalls nicht, wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolgt (BSG vom 23. Mai 1989 - 12 RK 66/87 zu dem inhaltsgleichen früheren Recht des § 393a Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Die Grenzen der Verjährung hat die Beklagte beachtet. Nach dem hier einschlägigen § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die ältesten von der Beklagten festgesetzten, rückständigen Beiträge betreffen den Monat Dezember 2005. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 20. Juni 2008 war damit die vierjährige Verjährungsfrist offensichtlich noch nicht abgelaufen.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Nacherhebung grundsätzlich nicht, insbesondere nicht denen der §§ 44 ff. SGB X. Hierauf hat das Sozialgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen.
Auch ist keine Verwirkung des Rechts auf die Beitragsnacherhebung eingetreten. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treue und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (BSG in SozR 2200 § 1399 Nr. 11 m. w. N.). Eine solche Verwirkung setzt neben einem langen Zeitablauf besondere Umstände oder ein aktives Verhalten des der Beklagten voraus, wodurch die verspätete Geltendmachung illoyal erscheint (BSG vom 23. Mai 1989 – B 12 RK 23/88).
Dazu bedarf es neben einem langen Zeitablauf eines konkreten Verhaltens des Rentenversicherungsträgers, welches beim Rentenempfänger ein Vertrauen schafft, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht, worauf er sich in seinem Verhalten eingerichtet hat. Daran fehlt es hier: Zum einen liegt zunächst schon kein langer Zeitablauf zwischen der Nichterhebung der Beiträge und der Feststellung der Beitragspflicht vor. Zum anderen sind weder besondere Umstände vorgetragen oder sonst erkennbar, die die Entscheidung der Beklagten über die nachträgliche Beitragserhebung als illoyal gegenüber dem Kläger erscheinen lassen könnten.
Selbst wenn die Beklagte die Unterlassung der Beitragseinbehaltung verschuldet hätte, würde dies ihre grundsätzliche Berechtigung zur Nachforderung der Beiträge nicht beeinflussen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Beklagte durch ein irgendwie geartetes Handeln bei dem Kläger den Eindruck erweckt hätte, sie würde berechtigte Beitragsforderungen nicht geltend machen, wobei bloßes Nichtstun nicht ausreicht (BSGE 47, 194 f). Ein solches Verwirkungshandeln seitens der Beklagten liegt jedoch nicht vor. Die bloße subjektive Vorstellung des Klägers, ihm würde die Rente in der zutreffenden Höhe und ohne die Verpflichtung, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen, ausbezahlt, berechtigt gerade nicht zu der Annahme, die Beitragsforderung sei verwirkt. Ebenso wenig genügt hierfür der vorgetragene Verbrauch der Rente in dem allgemeinen Vertrauen, es werde alles seine Richtigkeit haben.
Nach alledem waren beide Berufungen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung sowie die nachträgliche Einbehaltung rückständiger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner streitig.
Der 1943 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 11. Juli 2005 einer Altersrente nach Altersteilzeit. Im Zeitpunkt der Antragstellung war er freiwilliges Mitglied bei der A-BKK. Am 8. August 2005 teilte seine Krankenkasse ihm mit, dass er die Vorversicherungszeit für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erfülle und entsprechend ab Rentenbeginn der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliege.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Dezember 2005 die beantragte Altersrente und zog die hälftigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von dem Rentenzahlbetrag ab. Unter dem 2. Dezember 2005 bestätigte die A-BKK dem Kläger nochmals die Mitgliedschaft in der KVdR und wies in ihrem Schreiben u. a. darauf hin, dass die aus der gesetzlichen Rente zu zahlenden Beiträge direkt vom Rentenversicherungsträger einbehalten würden.
Anfang Mai 2006 erstattete die A-BKK eine Fehlermeldung im maschinellen KVdR-Meldeverfahren bezüglich des Krankenversicherungsverhältnisses ab dem 1. Dezember 2005. Nach dem Textinhalt bestand seit diesem Zeitpunkt eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf Beitragszuschuss. Die Beklagte übersandte daraufhin am 12. Mai 2006 einen Formantrag auf Beitragszuschussgewährung an den Kläger. In dem Begleitschreiben heißt es:
" ...nach den hier vorliegenden Unterlagen besteht für Sie eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. eine Mitgliedschaft bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen. Damit können Sie unter bestimmten Voraussetzungen zu Ihrer Rente Zuschüsse zur Krankenversicherung ... erhalten.".
Dieser stellte den Antrag sodann am 18. Mai 2006. Dabei verneinte er die Frage nach dem Bestehen von Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Ohne weitere Ermittlungen bei der A-BKK zur Art der Mitgliedschaft bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 31. Mai 2006 unter Abänderung des bisherigen Kranken- und Pflegepflichtverhältnisses ab Mai 2006 einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich in 89,28 EUR.
Der Bescheid enthielt dabei unter der Überschrift mit Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten auf der Seite 4 folgenden Hinweis:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige Krankenversicherung entfällt - mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung, - mit dem Beginn einer Beitragsfreiheit oder - bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen."
Durch eine maschinelle Datenübermittlung vom 5. Juni 2008 erlangte die Beklagte Kenntnis von der tatsächlich seit Dezember 2005 durchgängig bestehenden Pflichtversicherung des Klägers in der KVdR.
Daraufhin erließ die Beklagte am 20. Juni 2008 einen Rentenbescheid, mit dem sie die Altersrente ab Juli 2008 neu festsetzte. In dem Bescheid wurde die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung für die Zukunft ab dem 1. Juli 2008 aufgehoben und bestimmt, dass zukünftig ein monatlicher Beitragsanteil des Rentners zur Kranken- und Pflegepflichtversicherung einbehalten werde. Für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 30. Juni 2008 stellte die Beklagte eine Überzahlung in Höhe von 3.877,53 EUR fest, da der Kläger in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert sei und einen Beitrag aus der Rente in Höhe des halben Beitrags zu zahlen habe. Sie führte weiter aus, dass vorgesehen sei, die Überzahlung aufgrund der rückständigen Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Diese Verrechnung sei nach § 255 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. § 60 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) zulässig, soweit er nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zweiten bzw. Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB II / SGB XII) werde. Es sei beabsichtigt, die Verrechnung der Überzahlung mit der Rente in einer Summe oder in angemessenen monatlichen Teilbeträgen vorzunehmen. Zur Frage der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung der Zuschüsse und deren Rückforderung ab Mai 2006 (2.347,20 EUR) enthält der Bescheid eine schriftliche Anhörung des Klägers.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, den Antrag auf Zuschuss von Kranken- und Versicherungsleistungen auf Veranlassung der Beklagten gestellt zu haben. Die Rückforderung sei nicht nachvollziehbar, der ursprüngliche Bescheid nicht offensichtlich rechtswidrig, die Rentenzahlungen seien auch verbraucht.
Mit Bescheid vom 8. August 2008 nahm die Beklagte den Bescheid vom 31. Mai 2006 ab dem 1. Mai 2006 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurück und stellte den von dem Kläger gemäß § 50 SGB X zu erstattenden Betrag in Höhe von 2.347,20 EUR für die bis zum 30. Juni 2008 entstandene Überzahlung fest. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, dass der Kläger in dem Rentenbescheid vom 31. Mai 2006 darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass Anspruch auf Beitragszuschuss nur bestehe, solange keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einträte. Die von ihm vorgetragenen Einwände stünden der Bescheidrücknahme nicht entgegen und seien im Übrigen auch im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensausübung beachtet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 wies die Beklagte sowohl den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Juni 2008 als auch den noch von dem Kläger gegen den Bescheid vom 8. August 2008 erhobenen zurück und führte unter ausführlicher Darstellung der Sach- und Rechtslage aus, dass sowohl die Forderung der rückständigen Beitragsteile für die Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 30. Juni 2008 (3.877,53 EUR) als auch die Rückforderung der überzahlten Zuschüsse zur Krankenversicherung für die Zeit von Mai 2006 bis Juni 2008 in Höhe von 2.347,20 EUR nicht zu beanstanden seien.
Hiergegen hat der Kläger am 12. Mai 2009 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und die Auffassung vertreten, dass die nachträgliche Beitragserhebung für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung rechtswidrig sei. Ein Verschulden des Klägers sei nicht erkennbar, eine Rücknahme des Verwaltungsaktes komme, auch wegen des Vertrauensschutzes, nicht in Betracht. Die Beitragsforderung verstoße gegen Treue und Glauben, die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides sei dem Kläger nicht bekannt gewesen. Auch sei die Einjahresfrist abgelaufen. Schließlich sei das Verhalten der Beklagten rechtsmissbräuchlich, da der Kläger bereits 2006 auf die Möglichkeit eines Antrages auf Zuschuss von Krankenversicherungsleistungen hingewiesen worden sei.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 insoweit aufgehoben, als damit der gezahlte Beitragszuschuss zur Krankenversicherung für die Zeit von Mai 2006 bis Juni 2008 zurückgefordert worden war. Zwar lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X für die Aufhebung der Bewilligung der Beitragszuschüsse vor. Insbesondere habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt, auch sei die Jahresfrist des Abs. 4 Satz 2 a.a.O. gewahrt. Indes sei die Aufhebung der Zuschussbewilligung nicht ermessensfehlerfrei für die Vergangenheit erfolgt. Der Bescheid enthalte zwar ausführliche Ermessenserwägungen und setzte sich unter anderem auch damit auseinander, wie sich der Aspekt der verspäteten Meldung durch die Krankenkasse auswirke. Allerdings sei ein wesentlicher Umstand, nämlich, dass die Beklagte den Kläger selbst zu der Zuschussbeantragung am 18. Mai 2006 durch ihr Schreiben vom 12. Mai 2006 veranlasst habe, nicht berücksichtigt worden. In diesem Schreiben habe die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit der Zuschussgewährung hingewiesen. Ohne diesen Hinweis hätte der Kläger den Zuschuss nicht beantragt. Dies folge aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen diesem Schreiben und der Antragstellung selbst wie auch aus den diesbezüglichen Äußerungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die rückwirkende Einbehaltung der Pflichtbeitragsanteile zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung sei rechtmäßig. Nach der gesetzlichen Regelung komme es auf ein Verschulden des Versicherten oder des Rentenversicherungsträgers nicht an, auch könne sich der Versicherte nicht auf Vertrauensschutz berufen. Schließlich stünde der Beklagten hinsichtlich der Nacherhebung kein Ermessensspielraum zu.
Gegen das ihr am 22. März 2010 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 7. April 2010. Sie ist unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG vom 21. Juni 2001 - B 7 AL 6/00 R und vom 21. März 1990 - 7 Ar 112/88) der Auffassung, dass selbst dann kein beachtlicher Ermessensfehler vorläge, wenn die Tatsache, dass die Beklagte den Kläger selbst zur Antragstellung aufgefordert habe, tatsächlich nicht in die Ermessensausübung eingeflossen wäre. Ungeachtet dessen habe sie die Frage eines möglichen Mitverschuldens jedoch bereits in ihre Ermessensentscheidung mit einfließen lassen und sich in dem Widerspruchsbescheid das Mitverschulden der Krankenkasse zurechnen lassen, gleichzeitig jedoch ausgeführt, dass mit Blick auf die Schwere des klägerischen Fehlverhaltens trotz des zurechenbaren Mitverschuldens eine Reduzierung der Forderung im Wege des Ermessens nicht angezeigt sei.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Gestützt auf die Urteilsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung ist er der Ansicht, dass die vorgenommene Bescheidrücknahme ermessensfehlerhaft sei. Die Frage des Mitverschuldens sei in keinster Weise mit in die Ermessensausübung einbezogen worden.
Der Kläger selbst wendet sich mit seiner Berufung vom 14. April 2010 gegen die ihm am 16. März 2010 zugestellte Entscheidung und hält daran fest, dass die Nacherhebung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung rechtswidrig sei. Zur Begründung hat er dazu im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Beklagte im Laufe des gesamten Verfahrens missverständliche und in sich widersprüchliche Schreiben an den Kläger übersandt habe, weshalb insgesamt von einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht mehr ausgegangen werden könne.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 abzuändern und auch den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 aufzuheben.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hebt nochmals hervor, dass es nach der Rechtsprechung in Anwendung des § 255 Abs. 2 SGB V auf Fragen des Verschuldens oder des Vertrauensschutzes nicht ankomme.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung allein durch die Berichterstatterin zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte des Sozialgerichts Frankfurt am Main (S 13 R 314/09), die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschrift vom 16. November 2010 sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin anstelle des Senats entscheiden (§§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), haben jedoch beide in der Sache keinen Erfolg.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat den mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 8. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 zu Recht wegen nur unzureichender Ermessensausübung aufgehoben. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Zutreffend hat die Beklagte die Verpflichtung zur Erstattung der Beitragszuschüsse auf § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 SGB X gestützt. Nach § 50 Abs. 2 sind Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. Darüber, dass dem Kläger zusätzlich zu der durch Bescheid vom 6. Oktober 2005 gewährten Altersrente ab Mai 2006 keine Leistungen nach § 106 SGB VI zustanden, besteht kein Streit.
Gemäß § 50 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde die zu Unrecht gezahlte Leistung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurückfordern, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Jahresfrist wurde von der Beklagten entgegen der Ansicht des Klägers gewahrt.
Die Regelung des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X setzt eine positive Kenntnis des Versicherungsträgers bezüglich der Tatsachen voraus, die die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Kenntnis lag bei der Beklagten frühestens im Juni 2008 durch die zur Verwaltungsakte gelangte Meldung im maschinellen Austausch über das Bestehen der Pflichtversicherung seit Dezember 2005 mit der Folge vor, dass die Jahresfrist offensichtlich gewahrt ist. Bei dieser Fallgestaltung kommt es nicht einmal darauf an, ob die Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X überhaupt erst dann angenommen werden kann, nachdem eine Anhörung durchgeführt worden ist. Denn der angefochtene Rücknahmebescheid wurde bereits am 8. August 2008 erlassen.
Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen gemäß § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X liegen ebenfalls vor. Danach hat die Erstattung einer in der Vergangenheit zu Unrecht erbrachten Leistung zur Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder dass die Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Zu Recht gingen vorliegend sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht davon aus, der Kläger habe sich grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X verhalten. Dieser Vorwurf hat zur Voraussetzung, dass der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung gem. § 153 Abs. 2 SGG.
Die Beklagte hat auch zu Recht einen Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X verneint. Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BSG (SozR 3-1300 § 45 Nr.37 m.w.N.) ist vor der Prüfung der Ermessensausübung festzustellen, ob die Vertrauensschutzregelung des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X eingreift. Diese Prüfung hat die Beklagte zutreffend vorgenommen und im Interesse der Versichertengemeinschaft einen Vertrauensschutz abgelehnt. Ob tatsächlich in allen Fällen vor der Ausübung des Ermessens eine Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs.2 Satz 1 SGB X vorzunehmen ist, mag zweifelhaft erscheinen, da verschiedene Gesichtspunkte für die Prüfung des Vertrauensschutzes und für die Ermessensausübung häufig nicht ersichtlich sein dürften. Auch setzt die Entscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X jedenfalls gedanklich die Verneinung des Vertrauensschutzes voraus, da nur dann die Rückforderung zum Tragen kommt.
Jedenfalls wurde von der Beklagten ausdrücklich eine Interessenabwägung vorgenommen.
Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich indes hier daraus, dass die Beklagte das Ermessen, das ihr in § 45 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3, Abs. 4 SGB X eingeräumt ist, nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts wird insofern zu diesem Punkt gemäß § 153 Abs. 2 SGG ebenfalls Bezug genommen. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Auch aus Sicht des Senats liegt eine fehlerhafte Ermessensausübung vor, weil die Beklagte für ihre Entscheidung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat.
Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung setzt voraus, dass sich die Behörde nach dem Inhalt des Rücknahmebescheides (a) ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst war, (b) keine besondere Härte bei dem Versicherten (BSG SozR 3–1300 § 45 Nr. 5 S. 21) sieht und (c) entweder das Vorhandensein von weiteren Umständen verneint, die nach ihrer Auffassung eine Ausübung des Ermessens zugunsten des Bürgers nach sich ziehen könnten, oder aber ausführt, dass bestimmte benannte Umstände ein (teilweises) Absehen vor der Rücknahme nicht rechtfertigen (BSG vom 12. Februar 1998 – B 8 KN 20/96 R). Vorliegend hätte die Beklagte im Sinne der letztgenannten Voraussetzung über ein - ihr zurechenbares - Mitverschulden der Krankenkasse des Klägers hinaus auch berücksichtigen müssen, dass ein Verschulden ihrerseits selbst vorlag. Zwar hatte die Datenübermittlung vom 2. Mai 2006 eine Pflichtversicherung des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner ab Rentenbeginn zum Inhalt. Dennoch hätte die Beklagte diesen Tatbestand mit Blick auf die Angaben und Feststellungen in dem vorangegangenen Rentenverfahren nicht ohne Weiteres als zutreffend unterstellen dürfen. Es hätte vielmehr einer Nachfrage der Beklagten und weiterer Aufklärung vor Absendung des Schreibens vom 12. Mai 2006 an den Kläger, in jedem Fall vor Erlass des Bescheides vom 31. Mai 2006 bedurft. Diesen Umstand hat die Beklagte nicht in ihre Ermessenserwägung eingestellt, wie sich sowohl aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides, als auch aus derer Berufungsbegründung vom 14. Juli 2010 ergibt.
Im Rahmen einer Ermessensausübung sollte der Gedanke eines etwaigen Mitverschuldens seitens der Beklagten aber zumindest erwogen werden (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 37).
Bei Vorsatz des Begünstigten mag dies ggf. anders sein, nicht aber bei einer mit widersprüchlichen Angaben und Informationen einhergehenden Fallkonstellation wie der vorliegenden.
Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung. Gerade in der Entscheidung vom 21. Juni 2001 (B 7 AL 6/00 R) hat das BSG ausgeführt, dass es der Beklagten in den Grenzen ihres Ermessens zwar grundsätzlich freistehe zu entscheiden, auf welche Umstände sie die zu treffende Ermessensentscheidung stützt, das Ermessen jedoch gerichtlich sehr wohl dahingehend zu überprüfen sei, ob die Verwaltung bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände beachtet hat. Der wesentliche Umstand des eigenen Mitverschuldens wurde vorliegend jedoch nicht in die Entscheidung mit einbezogen.
Auch der im Berufungsverfahren von der Beklagten unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 25. Januar 1994 (SozR 3-1300 § 50 Nr.16) vertretenen Ansicht, dass in dem hier zu beurteilenden Fall (ebenfalls) eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Keinesfalls vermag diese eine Bösgläubigkeit des Klägers zu begründen. Zunächst ist zu bemerken, dass eine Bescheidrücknahme für die Vergangenheit stets Bösgläubigkeit voraussetzt. Diese ist ein Tatbestandsmerkmal, von welchem aus erst die Rechtsfolgenseite mit dem unstreitig grundsätzlich eingeräumten Ermessen zu klären ist. Lediglich im Einzelfall kann dann bei Vorliegen besonderer Umstände eine Ermessensreduzierung auf Null eintreten. Die insofern von der Beklagten vorgenommene Wertung eines schweren Grades der Bösgläubigkeit im Sinne eines betrügerischen Verhalten des Klägers, die grundsätzlich sicher geeignet wäre, eine Ermessensreduzierung auf Null zu rechtfertigen, sieht der Senat nicht. Auf Veranlassung der Beklagten hat der Kläger im Mai 2006 den Antrag auf Zuschussgewährung gestellt. Dass er davor deren Begleitschreiben und auch später den Bescheid vom 31. Mai 2006 nicht sorgfältig gelesen und als Folge Nachfragen bei seiner Krankenkasse unterlassen hat, reicht über den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht hinaus. Andernfalls müsste man in annähernd jedem Rückforderungsfall bei zureichend zur Verfügung gestellten Hinweisen und Informationen von einem auch strafrechtlich relevanten Verhalten des Leistungsempfängers ausgehen. Davon kann indes erst bei einem hinzukommenden proaktiven, z.B. täuschenden oder auch verschleierndem Verhalten, ausgegangen werden.
Schließlich ist auch keine nachträgliche Heilung des Ermessensfehlers durch die in der Berufungsbegründung noch erfolgte Ergänzung der Ermessenserwägungen im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X eingetreten. Denn diese Vorschrift erfasst nicht das Nachschieben bisher bei der Ermessensausübung nicht erwogener Gründe, sondern ausschließlich die nachträgliche Mitteilung der für den Erlass des Verwaltungsaktes aus damaliger Sicht maßgebender, d.h. berücksichtigter Gründe (KassKomm-Steinwedel, § 45 SGB X Rz. 62). Wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 14. Juli 2010 selbst ausführt und im Übrigen auch der Akte ersichtlich, ist die Frage des eigenen Mitverschuldens nicht in die Ermessensausübung eingeflossen.
Die Berufung des Klägers ist ebenfalls nicht begründet. Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage hinsichtlich der Nacherhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 20. Juni 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 sind, was diesen Punkt betrifft, rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die nachträgliche Erhebung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 255 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 60 SGB XI.
Danach sind Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit dem Beitragsanteil des Rentenversicherungsträgers abzuführen. Ist bei Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben, so sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten (§ 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Kläger ist seit Beginn seiner Altersrentenzahlung am 1. Dezember 2005 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und § 20 Abs. 1 Nr. 11 SBG XI). Damit ist er nach § 252 Satz 1 SGB V grundsätzlich beitragszahlungspflichtig. Er hat den Beitrag aber nicht persönlich unmittelbar zu zahlen, denn für ihn als Rentner gelten die besonderen Modalitäten des § 255 Abs. 1 SGB V, wonach die Beiträge von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und abzuführen sind (s.o.).
In dem streiterheblichen Zeitraum von Dezember 2005 bis Juni 2008 wurden weder Beitragsanteile von der Beklagten von der Rente einbehalten, noch sind Beiträge sonst aus anderem Grund gezahlt worden. Die zunächst für die Zeit ab Dezember 2005 in Abzug gebrachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (Bescheid vom 6. Oktober 2005) sind dem Kläger erstattet worden (Nachzahlung aus dem Bescheid vom 31. Mai 2006 / 1.047,75 EUR). Die Voraussetzungen des § 255 Abs. 2 SGB V für eine Nacherhebung liegen damit zweifelsfrei vor. Die gesetzliche Regelung enthält im Übrigen weder einen Ermessenspielraum des Rentenversicherungsträgers, noch eine Regelung über einen wie auch immer gearteten Vertrauensschutz. Sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der Rentenversicherungsträger bei Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente (zwingend) abziehen muss (BSG vom 15. Juni 2000 - B 12 RJ 5/99 R). Eine solche Nacherhebung von Beiträgen verstößt grundsätzlich nicht gegen Treue und Glauben, jedenfalls nicht, wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolgt (BSG vom 23. Mai 1989 - 12 RK 66/87 zu dem inhaltsgleichen früheren Recht des § 393a Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Die Grenzen der Verjährung hat die Beklagte beachtet. Nach dem hier einschlägigen § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die ältesten von der Beklagten festgesetzten, rückständigen Beiträge betreffen den Monat Dezember 2005. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 20. Juni 2008 war damit die vierjährige Verjährungsfrist offensichtlich noch nicht abgelaufen.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Nacherhebung grundsätzlich nicht, insbesondere nicht denen der §§ 44 ff. SGB X. Hierauf hat das Sozialgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen.
Auch ist keine Verwirkung des Rechts auf die Beitragsnacherhebung eingetreten. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treue und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (BSG in SozR 2200 § 1399 Nr. 11 m. w. N.). Eine solche Verwirkung setzt neben einem langen Zeitablauf besondere Umstände oder ein aktives Verhalten des der Beklagten voraus, wodurch die verspätete Geltendmachung illoyal erscheint (BSG vom 23. Mai 1989 – B 12 RK 23/88).
Dazu bedarf es neben einem langen Zeitablauf eines konkreten Verhaltens des Rentenversicherungsträgers, welches beim Rentenempfänger ein Vertrauen schafft, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht, worauf er sich in seinem Verhalten eingerichtet hat. Daran fehlt es hier: Zum einen liegt zunächst schon kein langer Zeitablauf zwischen der Nichterhebung der Beiträge und der Feststellung der Beitragspflicht vor. Zum anderen sind weder besondere Umstände vorgetragen oder sonst erkennbar, die die Entscheidung der Beklagten über die nachträgliche Beitragserhebung als illoyal gegenüber dem Kläger erscheinen lassen könnten.
Selbst wenn die Beklagte die Unterlassung der Beitragseinbehaltung verschuldet hätte, würde dies ihre grundsätzliche Berechtigung zur Nachforderung der Beiträge nicht beeinflussen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Beklagte durch ein irgendwie geartetes Handeln bei dem Kläger den Eindruck erweckt hätte, sie würde berechtigte Beitragsforderungen nicht geltend machen, wobei bloßes Nichtstun nicht ausreicht (BSGE 47, 194 f). Ein solches Verwirkungshandeln seitens der Beklagten liegt jedoch nicht vor. Die bloße subjektive Vorstellung des Klägers, ihm würde die Rente in der zutreffenden Höhe und ohne die Verpflichtung, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen, ausbezahlt, berechtigt gerade nicht zu der Annahme, die Beitragsforderung sei verwirkt. Ebenso wenig genügt hierfür der vorgetragene Verbrauch der Rente in dem allgemeinen Vertrauen, es werde alles seine Richtigkeit haben.
Nach alledem waren beide Berufungen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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