L 6 VS 5331/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 VS 4034/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VS 5331/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Beeinträchtigung der "Blasen- und Darmfunktion" als Folge einer Wehrdienstbeschädigung und die Gewährung von höherer Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i. V. mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mehr als 70 streitig.

Der 1948 geborene Kläger erlitt als Wehrpflichtiger am 17. Januar 1971 auf dem Rückweg vom Wochenendurlaub zur Kaserne einen Autounfall. Dabei zog er sich einen Unterschenkelbruch rechts, einen Kahnbeinbruch rechts sowie eine Platzwunde an der rechten Augenbraue zu und wurde vierwöchig stationär behandelt. Mit Ablauf des 13. Juni 1971 schied er vorzeitig aus der Bundeswehr aus und nahm am 24. August 1971 seine Ziviltätigkeit als Installateur wieder auf, die er mit kurzen Unterbrechungen wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit bis Oktober 1986 und dann wieder ab Januar 1990 ausübte (vgl. Versicherungsverlauf Altersrentenbescheid für schwerbehinderte Menschen vom 29. Januar 2009).

Mit Bescheid vom 18. Februar 1972 anerkannte das Versorgungsamt D. als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung "Narbe am rechten Unterschenkel nach Nagelung eines Unterschenkelbruches, der in guter Stellung fest knöchern verheilt ist; Narbe auf dem rechten Fußrücken nach Drahtung eines Kahnbeinbruchs, der ebenfalls knöchern fest verheilt ist; deutliche Bewegungseinschränkungen im rechten oberen Sprunggelenk sowie hochgradige Bewegungseinschränkung im rechten unteren Sprunggelenk; Muskelminderung des rechten Beines; Narbe an der rechten Augenbraue", führte aus, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 40 vom Hundert (v. H.) ab dem 17. Januar 1971 sowie 30 v. H. ab dem 1. April 1971, lehnte eine besondere berufliche Betroffenheit ab und bewilligte einen Ausgleich vom 1. Januar bis zum 13. Juni 1971.

Aufgrund des ersten Verschlimmerungsantrages vom 21. Mai 1974 wurde der Kläger erneut versorgungsärztlich begutachtet und es wurden daraufhin wegen einer wesentlichen Besserung die Schädigungsfolgen mit Bescheid vom 4. März 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 1975 neu festgestellt und es wurde die Bewilligung der Ausgleichsgewährung mit Wirkung zum 1. Mai 1975 bestandskräftig (§ 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) aufgehoben.

1992 erlitt der Kläger während seiner Arbeit eigenverschuldet beim Einklemmen des rechten Fußes in einer Eisentüre eine Fußprellung, die dann 1993 zu einer Umstellungsosteotomie des rechten Schienbeines führte, wobei postoperativ eine Fußheberschwäche rechts auftrat und der Schienbeinnerv nicht mehr erregbar war. Daraufhin stellte der Kläger am 25. März 1993 einen zweiten Neufeststellungsantrag und begehrte die Wiederaufnahme der Rentenzahlung. Nachdem die orthopädische Begutachtung zwar eine Falschgelenkbildung des Wadenbeins bei folgenloser Abheilung der schädigungsunabhängigen Unfallfolgen ergab, lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 19. September 1994 die Rücknahme des angefochtenen Bescheides vom 4. März 1975 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. In Ergänzung hierzu erließ das Versorgungsamt nach § 48 SGB X einen Neufeststellungsbescheid vom 20. September 1994 unter Bezeichnung der Schädigungsfolgen "Nach Nagelung abgeheilter Unterschenkelbruch rechts und abgeheilter Kahnbeinbruch. Fußheberlähmung rechts nach Teilentfernung des Wadenbeines, operative Versteifung des Untersprunggelenkes. Beinverkürzung 1,5 cm. Schwellneigung des Unterschenkels, Narbenbildung am Unterschenkel und am Fuß. Muskelminderung des Beines. Narben an der rechten Augenbraue" und stellte die Versorgungsbezüge nach einer MdE von 40 v. H. ab dem 1. März 1993 neu fest. Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger eine besondere berufliche Betroffenheit geltend. Nach Beiziehung umfangreicher weiterer ärztlicher Unterlagen, u. a. aus dem zivilrechtlichen Haftungsverfahren vor dem Landgericht Landshut (Az. 43 O 2912/95), bewilligte das Versorgungsamt D. mit Bescheid vom 12. April 1996 ab 1. August 1994 unter Berücksichtigung einer MdE von 10 v. H. wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit Ausgleichsrente nach einer MdE von 50 v. H. und einen Berufsschadensausgleich. Der Kläger verzog, nachdem ihm mit Bescheid vom 25. Juli 1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt wurde, nach T., so dass die Verwaltungszuständigkeit auf das Land Baden-Württemberg überging. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 1999 wies der Beklagte den in der Folgezeit nicht weiter begründeten Widerspruch im Übrigen mit der Begründung zurück, die nunmehr als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen seien zutreffend und angemessen bewertet worden. Das Lendenwirbelsäulensyndrom könne nicht als Folge des Versorgungsleidens angesehen werden. Die neurologischen Funktionsstörungen an dem rechten Bein seien bereits Bestandteil des bisherigen "Anerkenntnisses". Auch die Polyneuropathie könne nicht mit der Schädigung in Zusammenhang gesehen werden.

Auf seine dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 6 V 2186/99) wurde der Kläger anästhesiologisch von Dr. G. unter Berücksichtigung von Zusatzgutachten (Neurologie von Prof. Dr. B., Angiologie von Prof. Dr. van den B. und Röntgenologie von PD Dr. F.) begutachtet. Dabei wurde eine posttraumatische sympathische Reflexdystrophie des rechten Beines mit Versteifung des unteren Sprunggelenkes, Teilentfernung des Wadenbeines, Fußheberlähmung, Beinverkürzung um 1,5 cm diagnostiziert und die Schädigungsfolge mit einer MdE von 40 v. H. bewertet. Für das chronische Schmerzsyndrom mit einer schmerzbedingten Persönlichkeitsveränderung sei eine MdE von 30 v. H. angemessen. Es ergebe sich eine Gesamt-MdE von 50 v. H. Mit Urteil vom 21. Februar 2003 verurteilte das SG den Beklagten unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Umfang einer MdE von 10 v. H. zur Gewährung von Leistungen nach einer Gesamt-MdE von 60 v. H. ab dem 1. Januar 1996 und zu der Anerkennung folgender Schädigungsfolgen: "Nach Nagelung abgeheilter Unterschenkelbruch rechts, abgeheilter Kahnbeinbruch, Fußheberlähmung rechts nach Teilentfernung des Wadenbeines, operative Versteifung des unteren Sprunggelenkes, Beinverkürzung 1,5 cm, posttraumatische sympathische Reflexdystrophie des linken Beines, chronisches Schmerzsyndrom mit schmerzbedingten Persönlichkeitsveränderungen, Narbenbildung am Unterschenkel und am Fuß, Muskelminderung des Beines, Narben an der rechten Augenbraue, rückenmarksnahe Implantation einer Nervenstimulationssonde." Dieses Urteil wurde rechtskräftig und mit Bescheid des Versorgungsamtes Karlsruhe vom 25. Juni 2003 ausgeführt.

Am 28. Oktober 2004 stellte der Kläger einen dritten Neufeststellungsantrag und machte eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen sowie als weitere Schädigungsfolge Schmerzen der rechten Körperseite durch einseitige Belastung geltend. Der Versorgungsarzt Dr. B. führte in Auswertung der Befundberichte der behandelnden Ärzte am 31. Mai 2005 aus, nach teilweiser Synostosierung im unteren Sprunggelenk rechts sei mittlerweile zwischen Talus und Os naviculare eine Pseudoarthrose mit völlig destruierten Gelenkflächen in diesem Abschnitt, Weichteilentzündung in der Umgebung und entsprechenden Schmerz- und Schwellungszuständen im Bereich des rechten Sprunggelenks eingetreten. Insofern sei eine Verschlimmerung in den anerkannten Schädigungsfolgen gerechtfertigt. Es werde daher vorgeschlagen, auch die Pseudoarthrose in die Schädigungsfolgen aufzunehmen und die MdE auf 60 v. H. zu erhöhen.

Auf dieser Grundlage bewilligte das Versorgungsamt Karlsruhe mit Bescheid vom 12. Juli 2005 Leistungen nach einer Gesamt-MdE von 70 v. H. zum 1. November 2004 nach § 48 SGB X. Auf den Widerspruch des Klägers, der Kahnbeinbruch rechts sei nicht abgeheilt und die Schwellneigung des rechten Fußes und Beines nicht berücksichtigt worden, veranlasste der Beklagte eine Begutachtung nach Aktenlage. Dr. B. führte am 7. März 2006 aus, das Kahnbein sei unter erheblicher Deformierung verheilt, klinische Befunde der Hüftbeschwerden seien bei dokumentierten wiederholten Arztbesuchen nicht beschrieben worden, sodass sich eine zusätzliche MdE-Bewertung hieraus nicht ergebe. Die Belastungsinsuffizienz des rechten Fußes sei bereits mit einer MdE gewertet, die einem Verlust des Beines im Unterschenkel gleichzusetzen sei. Die angegebene Blasen- und Mastdarmstörung könne nicht ursächlich auf die Elektrosondeneinbringung zurückgeführt werden. Möglicherweise sei eine posttraumatische Reflexdystrophie des linken anstatt des rechten Beines anerkannt worden. Bei der MdE verbleibe es unter Neufassung der Schädigungsfolgen. Daraufhin berichtigte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2006 den Bescheid vom 25. Juni 2006 dahingehend, dass es anstatt "posttraumatische sympathische Reflexdystrophie des linken Beines" richtig "posttraumatische sympathische Reflexdystrophie des rechten Beines" lauten müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2006 stellte der Beklagte die Schädigungsfolgen entsprechend neu fest und lehnte eine Erhöhung der MdE ab. Der Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Nachdem im Juli 2006 das komplette Stimulationssystem des Klägers nach infektbedingten Komplikationen im März 2006 neu implantiert werden musste, stellte der Kläger am 13. Oktober 2006 den vierten, hier streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag. Zur Begründung führte er aus, die Batterien des Nervengenerators müssten jährlich operativ gewechselt werden, dabei sei es zu einer Entzündung im Bauchraum gekommen. Durch den Stromfluss würden sein Darm und seine Blase gereizt, sodass er häufiger die Toilette aufsuchen müsse und auch keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen könne. Er legte hierzu einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. Z. vor, wonach es durch die schmerzhaften Beschwerden über Jahrzehnte zu einer Persönlichkeitsveränderung gekommen sei, die einer stationären psychosomatischen Behandlung bedürfe. Am 15. Dezember 2006 heiratete der Kläger seine langjährige Lebensgefährtin.

Anlässlich eines Kuraufenthalts des Klägers in der Dr. D. Klinik B.-B. veranlasste das Versorgungsamt Karlsruhe eine ambulante Begutachtung. Dr. B. führte in seinem Gutachten vom 15. Juni 2007 aus, dass im Vergleich zu dem letzten maßgeblichen Gutachten keine wesentliche Verschlimmerung der klinischen Symptomatik der anerkannten Schädigungsfolgen festgestellt werden könne. Die Narbe an der rechten Augenbraue sei kaum noch sichtbar, auch die übrigen Narben seien reizfrei und fest geschlossen. Es bestehe nach wie vor eine Muskelminderung des rechten Beines im Seitenvergleich, eine Fußheberlähmung rechts sowie eine im Wesentlichen unveränderte posttraumatische sympathische Reflexdystrophie des rechten Beines. Bei guter Funktion der Nervenstimulationssonde könne auch im Bereich des chronischen Schmerzsyndroms mit schmerzbedingten Persönlichkeitsveränderungen keine wesentliche Verschlimmerung festgestellt werden. Der Kläger habe sich freundlich zugewandt sowie zeitlich, örtlich, zur Person und zur Situation orientiert gezeigt. Gedächtnis und Merkfähigkeit seien unvermindert, es bestehe kein Anhalt für formale oder inhaltliche Denkstörungen. Die bereits im angiologischen Gutachten festgestellte chronisch venöse Insuffizienz führe zwar zu keiner Erhöhung der Gesamt-MdE, sei aber mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten und solle deswegen im Tenor der Schädigungsfolgen berücksichtigt werden. Die geklagte Blasen- und Mastdarmreizung sei schädigungsunabhängig, da sich die Elektrode für das Nervenstimulationssystem in Höhe von BWK 9 befinde, das Nervenzentrum für die Blasen- und Mastdarmregulierung jedoch lumbal gelegen sei. Bei der MdE-Bewertung solle es verbleiben.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2007 anerkannte der Beklagte "Nach Nagelung abgeheilter Unterschenkelbruch rechts, unter Deformierung abgeheilter Kahnbeinbruch, Fußheberlähmung rechts nach Teilentfernung des Wadenbeines, Pseudarthrose nach operativer Versteifung im Talonavikulargelenk, Beinverkürzung 1,5 cm, posttraumatische sympathische Reflexdystrophie des rechten Beines, venöse Insuffizienz, chronisches Schmerzsyndrom mit schmerzbedingten Persönlichkeitsveränderungen, Narbenbildung am Unterschenkel und am Fuß, Muskelminderung des Beines, Narben an der rechten Augenbraue, Narben nach Explantation einer linksseitig gelegenen rückenmarksnahen Nervenstimulationssonde mit Neuimplantation auf der rechten Körperseite."

Mit weiterem Bescheid vom 5. Juli 2007 lehnte der Beklagte den Neufeststellungsantrag mit der Begründung ab, lediglich die Schädigungsfolgen seien neu zu präzisieren gewesen, im Übrigen habe die ärztliche Begutachtung keine Befundverschlimmerung belegt, die eine Erhöhung der MdE rechtfertigen könne. Mit seinen gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüchen machte der Kläger geltend, sein Bein schwelle bei Fehlbelastung und nicht korrektem Auftreten an. Während des Kuraufenthalts in Deutschland habe er sein Bein schonen können. Ein normaler Tagesablauf sei ihm durch das anatomische Fehlverhalten nicht möglich. Durch den gleichbleibenden Stromfluss würden seine Blase und sein Darm gereizt. Außerdem komme es durch den Elektrosmog zu Ausfällen seines Nervengenerators, was wiederum ein Anschwellen des Beines und weitere Schmerzen bedinge. Die Schwellungen dauerten 6 bis 8 Wochen an.

Der Beklagte veranlasste eine Begutachtung nach Aktenlage. Dr. B. führte am 1. Februar 2008 aus, dass die MdE-Wertung zutreffend sei. Es bestehe weiterhin eine Belastbarkeit des rechten Beines, die zur Gehfähigkeit wesentlich beitrage. Die Behinderung des Klägers sei keinesfalls der einer Unterschenkelamputation gleichzusetzen. Für den permanenten Gebrauch des rechten Beines spreche auch die Beschreibung des Gangbildes während des stationären Aufenthaltes in der D.-Klinik. Immerhin sei es dem Kläger möglich gewesen, sich barfuß oder auch lediglich in Badeschlappen zu bewegen. Kürzere Gehstrecken habe er mit einer Unterarmgehstütze bewältigen können, wenngleich auch rechts hinkend. Für weitere Gehstrecken benütze er entweder beidseitige Unterarmgehstützen oder den Rollstuhl. Die Gehstrecke werde als tageskonform abhängig wechselnd beschrieben.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 13. März 2008 und 14. März 2008 wies der Beklagte, gestützt auf das Gutachten von Dr. B., die Widersprüche als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus, seit den letzten Feststellungen im Jahr 2005 sei keine wesentliche Änderung mehr eingetreten. Die Folgestörungen am rechten Bein seien vollständig berücksichtigt worden. Diese könnten einem Unterschenkelverlust nicht gleichgesetzt werden, weil das Bein noch belastbar sei, was zur Gehfähigkeit beitrage. Die vorgetragenen Miktions- und Darmentleerungsstörungen seien schädigungsunabhängig, da das Nervenzentrum für die Blasen- und Mastdarmregulation sich nicht in Höhe des Nervenstimulationssystems befinde. Auch die Sensibilitätsstörungen im rechten Bein mit Schmerzempfindung mit entsprechenden Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem wie Schlafstörungen seien in vollem Umfang bereits berücksichtigt worden.

Seine dagegen am 9. Juni 2008 erhobene Klage hat der Kläger unter ausführlicher Schilderung seiner Krankheitsgeschichte begründet. Er habe während seines Deutschlandaufenthaltes sein Bein schonen können, sodass er nicht die Beschwerden gehabt habe, die bei alltäglichen Belastungen aufträten. Seine Behinderung sei praktisch einer Unterschenkelamputation gleichzusetzen. Auch müsse die Beeinträchtigung der Blasen- und Darmfunktion als Schädigungsfolge anerkannt werden.

Mit Urteil vom 5. Oktober 2009, der klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 28. Oktober 2009, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei seit der letzten bindenden Feststellung mit Bescheid vom 12. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2006 nicht eingetreten. Die Komplikationen, die durch die Infektion bei der Explantation des Aggregats des Nervenstimulationssystems im April 2006 aufgetreten seien, wären lediglich vorübergehender Natur gewesen und stellten daher keine anzuerkennenden Schädigungsfolgen dar. Der Kläger habe gegenüber dem Gutachter Dr. B. selbst bestätigt, dass das Nervenstimulationssystem inzwischen in Ordnung sei und einwandfrei funktioniere. Auch die Narbenverhältnisse hätten sich bei der Untersuchung als völlig reizlos dargestellt. Dr. B. habe im Übrigen schlüssig und überzeugend dargelegt, dass keine wesentliche Verschlimmerung der klinischen Symptomatik eingetreten sei. Die vorgetragene Blasen- und Mastdarmreizung könne nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden. Zu keiner anderen Einschätzung führe der als wahr unterstellte Vortrag des Klägers, dass seine Beschwerden während des Deutschlandaufenthaltes und der Begutachtung geringer ausgeprägt gewesen seien als in seinem übrigen Alltagsleben. Denn die phasenweise auftretende Schwellneigung des rechten Beines und die damit verbundenen Schmerzen seien bereits bei der Feststellung im Jahr 2005 berücksichtigt worden. Soweit der Kläger seine Schädigungsfolgen nicht ausreichend berücksichtigt erachte, sei § 44 SGB X Maßstab der rechtlichen Prüfung. Diese Voraussetzungen seien ebenfalls nicht erfüllt. Denn der Beklagte habe die bestehenden Schädigungsfolgen vollständig anerkannt. Auch die Gewährung der Leistungen nach einer Gesamt-MdE von 70 v. H., wobei der medizinische Anteil 60 v. H. betrage, sei nicht zu beanstanden. Die funktionellen Einschränkungen des Klägers am rechten Bein könnten nicht mit einem Verlust des Beines im Unterschenkel verglichen werden, was zu einem Einzel-GdS von 50 v. H. führen würde. Zwar sei das rechte Bein des Klägers nur sehr eingeschränkt belastbar, jedoch könne er phasenweise kürzere Strecken unter geringfügiger Belastung des rechten Beines zurücklegen. Ein Funktionsverlust des rechten Beines bestehe daher nicht. Mit der Erhöhung des Einzel-GdS auf 60 v. H. seien die beim Kläger phasenweise auftretenden erheblichen Schmerzzustände mit Persönlichkeitsveränderung in angemessenem Maße berücksichtigt. Der Kläger habe daher insgesamt keinen Anspruch auf rückwirkende höhere Leistungen.

Zur Begründung seiner dagegen am 16. November 2009 eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, seine Nachtruhe sei durch das Ein- und Ausschalten des Schmerzgenerators erheblich gestört. Wenn er mit seiner Frau etwas unternehmen wolle, dürfe er morgens weder essen noch trinken. Außerdem könne er das rechte Bein nicht belasten, denn ansonsten schwelle es an. Er habe sich für T. entschieden, um seine Lebensqualität aufrecht zu erhalten. Außerdem gebe es dort eine sehr gute medizinische Versorgung. Seine langjährige Lebensgefährtin habe er geheiratet, da es ohne sie ganz schlecht um ihn bestellt wäre. Er benötige nämlich eine Begleitperson und eine Pflegeperson im Haushalt.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Oktober 2009 sowie die Bescheide vom 4. Juli 2007 und 5. Juli 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. März 2008 und 14. März 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 12. Juli 2005 abzuändern oder/und zurückzunehmen, seine Beeinträchtigung der Blasen- und Darmfunktion als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen und ihm Leistungen nach einem GdS von mehr als 70 v. H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass Gesichtspunkte für eine wesentliche Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen oder das Vorliegen weiterer Gesundheitsstörungen, die ursächlich auf das schädigende Ereignis zurückzuführen wären, nicht vorgetragen worden seien.

Der Kläger hat verschiedene Befundberichte (u. a. Spital Santa Cruz de Tenerife - Herz-Kreislauf-Risikofaktoren: Bluthochdruck, regelmäßiges Rauchen und Trinken, gestörte Glukosetoleranz bei Pathologie der arteriellen Achse rechts ohne pathologisches Anzeichen oder Anzeichen auf eine Phlebotrombose) ebenso wie das Urteil des Oberlandesgerichts München (Az. 1 U 3385/97 - Darmverletzung sei seit der Implantation des Neurostimulators gebessert, d. h. der Kläger könne, wie dies auch der Sachverständige auf Grund seines Augenscheins im Senatstermin festgestellt und der Kläger auch eingeräumt habe, ohne den sogenannten Spitzfuß gehen, der Schaden der Nervverletzung sei seit der Implantation des Neurostimulators gebessert, der Impulsgeber sei auch nicht ursächlich für Miktionsbeschwerden) vorgelegt.

Im Herbst 2010 führte der Kläger eine erneute vierwöchige stationäre Behandlung (Badekur) in der D.-Klinik B.-B. durch. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 2. November 2010 hat er sich in befriedigendem Allgemein- und übergewichtigem Ernährungszustand befunden. Die Zurücklegung kürzerer Gehstrecken mit Unterarmgehstützen sei ihm möglich gewesen. Dabei sei eine leichte Beinverkürzung rechts von ca. 1 cm bei noch bestehendem Schulter- und Beckengeradstand im Stehen deutlich gewesen. Die Hüftgelenksbeweglichkeit sei altersentsprechend, die Kniegelenksbeweglichkeit frei gewesen bei intaktem Bandapparat und negativen Meniskuszeichen. Am rechten Fuß bestünden reizfreie Narben. Der Kläger leide an einer Hypästhesie des rechten Unterschenkels und des Fußes bei deutlicher Atrophie des Unterschenkels, weniger der Oberschenkelmuskulatur rechts. Die Reflexe am rechten Bein seien nicht sicher auslösbar. Der Nervenstimulator rechts sitze reizfrei. Im Rahmen des Aufnahmegesprächs habe sich ein psychosomatisches Schmerzmodell und eine Ablehnung des Klägers gegenüber der Schmerztherapie gezeigt. Die verordnete balneophysikalische und krankengymnastische Therapie habe zu einer deutlichen Besserung des Allgemeinbefindens und zur Lockerung der Muskelverspannungen geführt. Der Kläger habe auch über eine Besserung der Schmerzen berichtet. Eine Schmerzmedikation müsse nicht durchgeführt werden. Der Kläger nehme Vitaminpräparate ein.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegten neun Band Verwaltungsakten und die beigezogene Akte S 6 V 2186/99 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 151, 143, 144 SGG form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, den Bescheid vom 12. Juli 2005 zurückzunehmen, seine Beeinträchtigung der Blasen- und Darmfunktion als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen und ihm Leistungen nach einem GdS von mehr als 70 zu gewähren.

Der Beklagte ist für die Entscheidung zuständig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.04.2010 - B 9 VS 2/09 R - SozR. 4-3200 § 88 Nr. 4). Denn die Voraussetzungen des § 88 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a SVG sind im Falle des Klägers nicht erfüllt, da weder der Kläger ehemaliger Berufssoldat oder Soldat auf Zeit ist noch das Verfahren bei Beendigung seines Wehrdienstverhältnisses nicht abgeschlossen war.

Nach § 80 S. 1 SVG erhalten Soldaten, die eine Wehrdienstbeschädigung erlitten haben, nach Beendigung des Wehrdienstes wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Eine Wehrdienstbeschädigung ist gem. § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Das schädigende Ereignis, die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) müssen erwiesen sein, während nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Der ursächliche Zusammenhang ist vor allem nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d. h. dass unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den behaupteten ursächlichen Zusammenhang spricht. Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29.03.1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31.10.1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20.01.1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110). Ist allerdings die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges des Gesundheitsschadens mit der Wehrdienstbeschädigung nur deshalb nicht gegeben, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit - auch allgemein erteilter - Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales der Gesundheitsschaden als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden (sog. Kannversorgung; vgl. § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG), wobei die Zustimmung durch eine gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ergangene rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ersetzt werden kann (vgl. zu einer Verurteilung zur Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung BSG, Beschluss vom 28.10.1994 - 9 RV 17/94 - zit. nach juris).

Der Maßstab für die Einschätzung der MdE bzw. nunmehr des GdS bestimmt sich unter Zugrundelegung der vom (nunmehrigen) Bundesministerium für Arbeit und Soziales (zuletzt im Jahr 2008) herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" - AHP - (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 24.04.2008 - B 9 VJ 7/07 B - zit. nach juris) bzw. der seit dem 01.01.2009 geltenden, die AHP ablösenden und mit dem Rang einer Rechtsverordnung ausgestatteten Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG - (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV -] vom 10.12.2008 [BGBl. I S. 2904; abgedr. im Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008]). Sowohl die AHP als auch die VG enthalten Tabellen mit Anhaltswerten für die Beurteilung der Einzel-MdE bzw. des Einzel-GdS bei verschiedenen körperlichen, geistigen und seelischen Störungen; bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, ist die MdE bzw. der GdS in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen (vgl. zu alledem Nr. 26.1 Abs. 1 und 2 der AHP sowie Teil B Nr. 1. a und b der VG). Dabei sollen im Allgemeinen die folgenden Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz- Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf. Die sehr wenigen in der Tabelle noch enthaltenen Fünfergrade sind alle auf ganz eng umschriebene Gesundheitsstörungen bezogen, die selten allein und sehr selten genau in dieser Form und Ausprägung vorliegen (vgl. hierzu Nr. 18 Abs. 4 der AHP sowie Teil A Nr. 2. e der VG).

Die vom Kläger im Wesentlichen geltend gemachte Verschlimmerung seiner anerkannten Schädigungsfolgen richtet sich nach § 48 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass, hier des bestandskräftigen Bescheides vom 12. Juli 2005, vorgelegen haben, eine wesentliche Veränderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X).

Dass diese Voraussetzungen bei dem Kläger nicht vorliegen, hat das SG in Auswertung des von Dr. B. erstatteten Gutachtens ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.

Aus den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen ist allenfalls eine Besserung seines Gesundheitszustandes, keinesfalls aber eine Verschlimmerung in den anerkannten Schädigungsfolgen ersichtlich. Der Senat entnimmt dies insbesondere dem Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung in der D.-Klinik B.-B ... Während des stationären Heilverfahrens bestand Gelegenheit, den Kläger in seinem täglichen Leben und den vorliegenden Leistungseinschränkungen immerhin über einen Zeitraum von vier Wochen zu beobachten. Deswegen hat der Entlassungsbericht auch naturgemäß einen sehr starken Aussagewert. Während der Maßnahme zeigte sich beim Kläger, dass ein Zurücklegen kürzerer Gehstrecken bei altersentsprechender Hüftgelenksbeweglichkeit und freier Kniegelenksbeweglichkeit bei intaktem Bandapparat und negativen Meniskuszeichen möglich war. Nur die Reflexe am rechten Bein waren weiterhin nicht sicher auslösbar. Das wird auch durch das vom Kläger vorgelegte Urteil des OLG München bestätigt, wonach der Kläger sogar noch in der mündlichen Verhandlung ohne Spitzfuß gehen konnte und dies auch gegenüber dem Gericht und dem Sachverständigen eingeräumt hat.

Auch im Bereich des chronischen Schmerzsyndroms bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der zuerkannte GdS der insoweit bestehenden Funktionsbeeinträchtigung des Klägers nicht ausreichend Rechnung trägt. Denn der Nervenstimulator sitzt nicht nur reizfrei, sondern der Kläger hat auch keine weitere Schmerztherapie in Anspruch nehmen müssen, war also weitgehend schmerzfrei. Allein die balneophysikalische und krankengymnastische Therapie hat bereits zu einer Besserung seiner Schmerzen geführt, eine Schmerzmedikation musste deswegen nicht verabreicht werden. Der Kläger hat sich zusätzlich allein mit Vitaminpräparaten versorgen können. Das belegt zur Überzeugung des Senats hinreichend, wie dies auch das OLG München ausgeführt hat, dass sich die Schmerzen seit der Implantation des Neurostimulators erheblich gebessert und nicht - wie für einen Anspruch auf Neufeststellung erforderlich - verschlechtert haben.

Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die vom Kläger berichteten Miktionsbeschwerden hinsichtlich Blase und Darm auf die Implantation des Neurostimulators zurückgeführt werden können. Dies hat auch das OLG München in seinem Urteil so gesehen. Für den Senat letztlich überzeugend ist, dass Dr. B. nachvollziehbar dargelegt hat, dass sich die Elektrode für das Nervenstimulationssystem in Höhe von BWK 9 befindet, während das Nervenzentrum für die Blasen- und Mastdarmregulierung lumbal gelegen ist. Deswegen ist es denknotwendig ausgeschlossen, dass die Elektrode für die geklagte Blasen- und Mastdarmreizung verantwortlich ist, so dass die begehrten Schädigungsfolgen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Wehrdienstbeschädigung des Klägers zurückgeführt werden können.

Auch liegen die Voraussetzungen für eine sogenannte Kannversorgung nicht vor, da es an einem wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Wehrdienst und den festgestellten Leiden des Klägers nicht wegen einer bestehenden Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft fehlt.

Da somit die Schädigungsfolgen des Klägers umfassend anerkannt sind, in den Schädigungsfolgen selbst keine Verschlimmerung eingetreten ist, liegen auch die Voraussetzungen für einen höheren GdS nicht vor.

Soweit der Kläger geltend gemacht hat, dass seine Schädigungsfolgen bereits in der Vergangenheit nicht ausreichend berücksichtigt wurden, richtet sich die Prüfung nach § 44 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, soweit es sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats ebenfalls nicht erfüllt. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass und warum mit dem Bescheid vom 12. Juli 2005 die bestehenden Schädigungsfolgen vollständig anerkannt worden sind. Denn die funktionellen Einschränkungen des Klägers am rechten Bein können nicht mit einem Verlust des Beins im Unterschenkel verglichen werden, was allein einen Einzel-GdS von 50 rechtfertigen würde. Insoweit ist die Einschätzung des Sachverständigen Dr. B., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, nachvollziehbar begründet, nämlich dass die Geheinschränkung, so sie denn überhaupt noch vorliegt (dazu siehe oben), jedenfalls nicht mit einer Amputation der Funktionseinschränkung gleichgesetzt werden kann. Der angesetzte Einzel-GdS von 40 für den Funktionsverlust des rechten Beines ist deswegen auch zur Überzeugung des Senats sachgerecht und ausreichend. Den Schmerzzuständen mit Persönlichkeitsveränderung ist durch die Erhöhung des Einzel-GdS auf 60 ebenfalls ausreichend Rechnung getragen worden, zumal der Kläger nach den von ihm vorgelegten umfangreichen ärztlichen Unterlagen noch nicht einmal insoweit ärztliche Behandlung in Anspruch nimmt, was gegen einen entsprechenden Leidensdruck und somit eine Ausprägung der psychischen Problematik spricht (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 - zit. nach juris). Der Kläger hat daher auch keinen Anspruch auf rückwirkende Leistungen nach §§ 44, 50 SGB X.

Die Berufung war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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