Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 558/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 78/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Beschäftigung in der Gaststätte ihres Ehemannes, des Beigeladenen zu 4) (nachfolgend nur noch: "der Beigeladene").
Die 1959 geborene Beigeladene ist seit 1978 mit dem Beigeladenen verheiratet. Die Eheleute haben drei Kinder. Der Beigeladene hatte im Jahr 1985 den Betrieb der Speisegaststätte "K " in E von seinen Eltern übernommen. Seine Ehefrau ist durchgängig seit dem 1. April 1991 bei der Beklagten versichert.
Der Beigeladene war und ist alleiniger Inhaber der Speisegaststätte, die 180 Sitzplätze hat. Die Eheleute arbeiten arbeitsteilig. Die Beigeladene arbeitet - nach den Angaben im Verwaltungsverfahren - in der Regel an fünf Arbeitstagen 40 Stunden die Woche und erhält ein monatliches Geld in Höhe von 1.300,- Euro, was sie - nach ihren Angaben - überwiegend in den Betrieb zurückgibt. Von dem Entgelt wird Lohnsteuer entrichtet. Es wird als Betriebsausgabe verbucht.
Die Beigeladene ist Bürgin für ihren Ehemann in Höhe von maximal 542.468,91 Euro und hat diesem ein Darlehen in Höhe von 18.000,- Euro gewährt. Das Betriebsgrundstück gehört den Beigeladenen gemeinsam und ist an den Beigeladenen verpachtet.
Am 25. November 2005 beantragte die Beigeladene die versicherungsrechtliche Beurteilung ihres Beschäftigungsverhältnisses im Betrieb ihres Ehemannes. Auf den von ihr und dem Beigeladenen ausgefüllten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses vom 11. November 2005 wird ergänzend Bezug genommen (VV der Beklagten Blatt 15 ff.).
Die bereits am Verwaltungsverfahren beteiligte Klägerin schrieb der Beklagten unter dem 13. Januar 2006, sie halte die Beigeladene für abhängig beschäftigt. Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 teilte die Beklagte der Beigeladenen daraufhin mit, sie seit 1. April 1991 für abhängig beschäftigt anzusehen. Die Beigeladene erhob - vertreten durch eine Steuerberatungsgesellschaft - Widerspruch. Sie verwies darauf, ein Darlehen gewährt zu haben und Bürgschaftsverpflichtungen in sehr hohem Umfang eingegangen zu sein. Ferner gehöre ihr zur Hälfte das Betriebsgrundstück. Sie unterläge auch keinen Weisungen.
Die Beklagte hob mit Abhilfebescheid vom 7. August 2006 den Bescheid vom 6. Juni 2006 wieder auf. Die Klägerin erfuhr hiervon durch den Erstattungsantrag der Beigeladenen, welcher ihr am 22. August 2006 zusammen mit einer Kopie des Abhilfebescheides zuging.
Am 30. Januar 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
Die Beigeladenen haben vorgebracht, sie führten die Gaststätte gemeinsam. Sie seien gleichberechtigt an allen Entscheidungsprozessen beteiligt, die den Betrieb beträfen. Auch in finanzieller Hinsicht sei die Beigeladene als Unternehmerin anzusehen. Sie habe die Auszahlung aus einer eigenen Lebensversicherung in Höhe von 18.000,- Euro in den Betrieb investiert und Bürgschaften von über 500.000,- Euro übernommen. Sie sei deshalb von einem finanziellen Misserfolg des Betriebes in gleicher Weise betroffen wie ihr Ehemann. Von einer Angestellten unterscheide sie sich bereits, weil sie weitaus mehr arbeite. Außerdem erhalte sie keinen Urlaub wie ein Arbeitnehmer.
Das SG hat die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung am 8. Februar 2010 befragt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Es hat mit Urteil vom selben Tag den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2006 hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung aufgehoben.
Die Klage sei als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Insbesondere sei sie rechtzeitig erhoben worden. Der Bescheid der Beklagten vom 7. August 2006 habe keine an die Klägerin gerichtete Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Deshalb habe die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG zur Klage erst ab Kenntnisnahme zu laufen begonnen.
Die Klage sei auch begründet, da die Kammer im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu der Auffassung gelangt sei, dass vorliegend die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sprechenden Umstände überwögen. Auch wenn die Beigeladenen im Jahr 1985 keinen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen hätten, sei aus den Umständen der Tätigkeit und den Einlassungen der Beigeladenen auf einen solchen zu schließen. Es seien zumindest mündliche Vereinbarungen getroffen worden, die zu einem Arbeitsverhältnis geführt und Grundlage einer abhängigen Beschäftigung gewesen seien. Die Beteiligten hätten regelmäßige Gehaltszahlungen vereinbart, deren Grundlage nur ein Dienstvertrag sein könne. Eine andere Grundlage - etwa aus Gesellschaft - sei von den Beigeladenen selbst nicht vorgetragen worden und ersichtlich. Hierfür spreche auch, dass Lohnsteuer entrichtet worden und das Entgelt als Betriebsausgabe verbucht worden sei. Die Beigeladene erhalte einen auch deutlich über bloße Unterhaltsgewährungen hinaus gehenden Lohn von rund 1.300,- Euro brutto. Aufgrund ihrer Einlassungen sei die Kammer auch zur Überzeugung gelangt, dass die Beigeladenen die Sozialversicherungspflicht gewollt hätten. Denn auf diese Weise sei die Beigeladene gegen das sonst typischer Weise vom Unternehmer selbst zu tragende Risiko der Arbeitslosigkeit und der Krankheit versichert worden. Hierfür spreche, dass sie anlässlich der Geburt ihres dritten Kindes im Jahr 1989 die Zahlung von Mutterschaftsgeld in Anspruch genommen habe. Die Beigeladene sei auch nicht unabhängig von Weisungen. Sie sei im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess in die Betriebsorganisation der Gaststätte eingegliedert und könne dort nicht etwa schalten und walten wie sie wolle. Sie sei vielmehr auf die Absprache mit ihrem Ehemann angewiesen. Wenn sie ihre Arbeitskraft nicht dem Betrieb zur Verfügung stellen würde, müsste eine fremde Angestellte eingestellt werden. Das gewährte Darlehen und die Bürgschaftsübernahme in beachtlicher Höhe sprächen nicht gegen das Ergebnis der Gesamtabwägung. Die Beigeladenen könnten sich schließlich nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 1 bis 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) berufen. Diese Regelung gelte nämlich in Fällen wie hier nach § 49 SGB X nicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beigeladenen zu 3) und 4). Zur Begründung haben sie ausgeführt, das SG habe die realen Verhältnisse in einer Gaststätte wie derjenigen der Beigeladenen nicht hinreichend erfasst. So habe sich die Beigeladene ebenso wenig wie ihr Ehemann überhaupt leisten können, längere Zeit krankheitsbedingt auszufallen. Eine familienfremde Ersatzkraft könnte nur sehr begrenzt Abhilfe schaffen. Die Beigeladene verhalte sich deshalb wie ihr Ehemann unternehmerisch in dem Sinne, dass sie nur im äußerten Notfall krankheitsbedingt ihre Arbeit einstelle. Sie habe seit 14. Juli 1991 kein Krankengeld mehr in Anspruch genommen. Die Beigeladene könne sich auch nicht gegen Arbeitslosigkeit absichern. Die Bundesagentur für Arbeit werde nach aller Erfahrung der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen Leistungen mit der Begründung ablehnen, ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe nicht vorgelegen. Im Übrigen käme Arbeitslosigkeit nur in Betracht, wenn die Gaststätte geschlossen werden müsste. In diesem Fall realisierten sich allerdings die übernommenen Bürgschaftsverpflichtungen. Ein etwaiges Arbeitslosengeld sei demgegenüber nur marginal. Falsch sei die Annahme, die Beigeladene sei weisungsabhängig. Beide Beigeladenen organisierten die Arbeit gemeinsam. Die Beigeladene helfe überall wo sie gebraucht werde. Außer den Eheleuten seien in dem Betrieb nur Aushilfskräfte tätig. Nach außen hin trete die Beigeladene seit Jahrzehnten als Mitinhaberin auf. Sie nehme etwa Reservierungen an, handele Preise aus und nehme Bestellungen vor. Diese Vereinbarungen über den Status der Beigeladenen seien rechtlich in mündlicher Form zulässig, so dass sich die Situation entscheidend von denjenigen Fällen unterscheide, in welchen ein schriftlicher Anstellungsvertrag nur durch schriftliche Vereinbarungen geändert werden könne. Das SG habe auch der Bürgschaftsübernahme und dem Umstand, dass die Beigeladene hälftige Miteigentümerin des Betriebsgrundstückes sei, zu wenig Gewicht zugebilligt. Das "Gehalt" sei für eine Familie mit drei Kindern zur Finanzierung des notwendigen Lebensunterhaltes schlicht notwendig und müsste auch bei einem Selbständigen dem Betrieb entnommen werden. Ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.300,- Euro monatlich werde überdies in keiner Weise dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit gerecht, welche weit über eine 40 Stunden-Woche hinausgehe. Die Beigeladene übernehme auch die Buchführung für den Betrieb und bereite die Unterlagen für den Steuerberater vor. Einer fremden Arbeitskraft würde diese Aufgabe keinesfalls übertragen werden. Rein praktisch könne auch nicht von einer Trennung zwischen Unternehmerrisiko und Grundstückseigentum ausgegangen werden. Gerade im ländlichen Raum könne eine Gaststättenimmobilie im Falle wirtschaftlichen Misserfolgs nicht einfach an einen Dritten verpachtet werden. Ein wirtschaftlicher Misserfolg des Unternehmens sei vielmehr gleichbedeutend mit dem Verlust des Grundeigentums und der Realisierung der persönlichen Haftung.
Sie beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ferner regen sie vorsorglich an, die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 SGG entscheiden. Die Beteiligten sind auf diese Vorgehensweise und deren Voraussetzungen im Erörterungstermin vom 4. April 2011 hingewiesen worden.
Die Berufung der Beigeladenen hat keinen Erfolg. Das SG hat die Anfechtungsklage zu Recht als zulässig angesehen und für begründet gehalten. Auf dessen Ausführungen wird zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Der hinsichtlich der Feststellung der Rentenversicherungsfreiheit angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25. November 2005 ist rechtswidrig, er verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beigeladene ist auch zur Überzeugung des Senats abhängig beschäftigt und damit nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung:
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 08. August 1990 - 11 RAr 77/89 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 08. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45); so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R - juris).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 - juris). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002-42 S. 238f). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 - BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen.
Es hat insbesondere richtig angenommen, dass zwischen den Beteiligten ein gelebtes Arbeitsverhältnis besteht und die Beigeladene nicht aufgrund eines Gesellschaftsvertrages im Unternehmen ihres Ehemannes arbeitet. Auch wenn die Beigeladene wirtschaftlich vom Geschäftserfolg des Gaststättenunternehmens abhängt, spricht die Ausgestaltung des Pachtverhältnisses für bewusst gewählte vertraglichen Regelungen und keine generelle Betriebsgesellschaft. Darauf sind die Beigeladenen bereits mit Verfügung des Senats vom 9./11. Juni 2010 hingewiesen worden.
Zu Recht hat das SG auch die Darlehensgewährungen nicht als so gewichtiges Unternehmerrisiko angesehen, dass insgesamt von selbständiger Tätigkeit ausgegangen werden kann. Ganz allgemein ist die Gewährung von Darlehen bzw. Sicherheiten unter Familienangehörigen mit der Gewährung eines Darlehens oder einer Sicherheit durch einen fremden Arbeitnehmer, der nicht Angehöriger des Unternehmensinhabers ist, nicht gleichsetzbar. Familienmitglieder haben in der Regel ein gesteigertes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens, ohne dass hieraus ein wesentliches Unternehmerrisiko folgt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2010 - L 11 KR 2460/09 - juris). Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Verzicht auf Gehalt und zustehenden Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung sowie unbezahlte permanente Überstunden auch bei Arbeitnehmern gerade bei Verbundenheit mit dem Unternehmen nicht selten vorkommen. Diese Umstände fallen auch deshalb nicht entscheidend ins Gewicht. Buchführungsaufgaben werden in Unternehmen regelmäßig von Arbeitnehmern übernommen.
Von bloßer familienhafter Mithilfe kann nicht ausgegangen werden, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat. Der Fall unterscheidet sich insoweit vom denjenigen, welcher dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.03.2007 (- L 4 AL 1340/05 -) zu Grunde liegt, auf welches sich die Beigeladenen ebenfalls berufen haben.
Maßgeblich ist insgesamt nicht, ob die Eheleute seit Jahrzehnten einvernehmlich alle betrieblichen Angelegenheiten regeln. Im Konfliktfall könnte der Beigeladene seine Ehefrau als Arbeitnehmerin Weisungen erteilen. Er alleine ist Rechtsinhaber über das Gaststättenunternehmen. Dieser Aspekt bleibt in dem von den Beigeladenen angeführten Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.2007 (L 1 AL 60/06) unbeachtet.
Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil die Berufungsklägerin als Versicherte zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Beschäftigung in der Gaststätte ihres Ehemannes, des Beigeladenen zu 4) (nachfolgend nur noch: "der Beigeladene").
Die 1959 geborene Beigeladene ist seit 1978 mit dem Beigeladenen verheiratet. Die Eheleute haben drei Kinder. Der Beigeladene hatte im Jahr 1985 den Betrieb der Speisegaststätte "K " in E von seinen Eltern übernommen. Seine Ehefrau ist durchgängig seit dem 1. April 1991 bei der Beklagten versichert.
Der Beigeladene war und ist alleiniger Inhaber der Speisegaststätte, die 180 Sitzplätze hat. Die Eheleute arbeiten arbeitsteilig. Die Beigeladene arbeitet - nach den Angaben im Verwaltungsverfahren - in der Regel an fünf Arbeitstagen 40 Stunden die Woche und erhält ein monatliches Geld in Höhe von 1.300,- Euro, was sie - nach ihren Angaben - überwiegend in den Betrieb zurückgibt. Von dem Entgelt wird Lohnsteuer entrichtet. Es wird als Betriebsausgabe verbucht.
Die Beigeladene ist Bürgin für ihren Ehemann in Höhe von maximal 542.468,91 Euro und hat diesem ein Darlehen in Höhe von 18.000,- Euro gewährt. Das Betriebsgrundstück gehört den Beigeladenen gemeinsam und ist an den Beigeladenen verpachtet.
Am 25. November 2005 beantragte die Beigeladene die versicherungsrechtliche Beurteilung ihres Beschäftigungsverhältnisses im Betrieb ihres Ehemannes. Auf den von ihr und dem Beigeladenen ausgefüllten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses vom 11. November 2005 wird ergänzend Bezug genommen (VV der Beklagten Blatt 15 ff.).
Die bereits am Verwaltungsverfahren beteiligte Klägerin schrieb der Beklagten unter dem 13. Januar 2006, sie halte die Beigeladene für abhängig beschäftigt. Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 teilte die Beklagte der Beigeladenen daraufhin mit, sie seit 1. April 1991 für abhängig beschäftigt anzusehen. Die Beigeladene erhob - vertreten durch eine Steuerberatungsgesellschaft - Widerspruch. Sie verwies darauf, ein Darlehen gewährt zu haben und Bürgschaftsverpflichtungen in sehr hohem Umfang eingegangen zu sein. Ferner gehöre ihr zur Hälfte das Betriebsgrundstück. Sie unterläge auch keinen Weisungen.
Die Beklagte hob mit Abhilfebescheid vom 7. August 2006 den Bescheid vom 6. Juni 2006 wieder auf. Die Klägerin erfuhr hiervon durch den Erstattungsantrag der Beigeladenen, welcher ihr am 22. August 2006 zusammen mit einer Kopie des Abhilfebescheides zuging.
Am 30. Januar 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
Die Beigeladenen haben vorgebracht, sie führten die Gaststätte gemeinsam. Sie seien gleichberechtigt an allen Entscheidungsprozessen beteiligt, die den Betrieb beträfen. Auch in finanzieller Hinsicht sei die Beigeladene als Unternehmerin anzusehen. Sie habe die Auszahlung aus einer eigenen Lebensversicherung in Höhe von 18.000,- Euro in den Betrieb investiert und Bürgschaften von über 500.000,- Euro übernommen. Sie sei deshalb von einem finanziellen Misserfolg des Betriebes in gleicher Weise betroffen wie ihr Ehemann. Von einer Angestellten unterscheide sie sich bereits, weil sie weitaus mehr arbeite. Außerdem erhalte sie keinen Urlaub wie ein Arbeitnehmer.
Das SG hat die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung am 8. Februar 2010 befragt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Es hat mit Urteil vom selben Tag den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2006 hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung aufgehoben.
Die Klage sei als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Insbesondere sei sie rechtzeitig erhoben worden. Der Bescheid der Beklagten vom 7. August 2006 habe keine an die Klägerin gerichtete Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Deshalb habe die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG zur Klage erst ab Kenntnisnahme zu laufen begonnen.
Die Klage sei auch begründet, da die Kammer im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu der Auffassung gelangt sei, dass vorliegend die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sprechenden Umstände überwögen. Auch wenn die Beigeladenen im Jahr 1985 keinen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen hätten, sei aus den Umständen der Tätigkeit und den Einlassungen der Beigeladenen auf einen solchen zu schließen. Es seien zumindest mündliche Vereinbarungen getroffen worden, die zu einem Arbeitsverhältnis geführt und Grundlage einer abhängigen Beschäftigung gewesen seien. Die Beteiligten hätten regelmäßige Gehaltszahlungen vereinbart, deren Grundlage nur ein Dienstvertrag sein könne. Eine andere Grundlage - etwa aus Gesellschaft - sei von den Beigeladenen selbst nicht vorgetragen worden und ersichtlich. Hierfür spreche auch, dass Lohnsteuer entrichtet worden und das Entgelt als Betriebsausgabe verbucht worden sei. Die Beigeladene erhalte einen auch deutlich über bloße Unterhaltsgewährungen hinaus gehenden Lohn von rund 1.300,- Euro brutto. Aufgrund ihrer Einlassungen sei die Kammer auch zur Überzeugung gelangt, dass die Beigeladenen die Sozialversicherungspflicht gewollt hätten. Denn auf diese Weise sei die Beigeladene gegen das sonst typischer Weise vom Unternehmer selbst zu tragende Risiko der Arbeitslosigkeit und der Krankheit versichert worden. Hierfür spreche, dass sie anlässlich der Geburt ihres dritten Kindes im Jahr 1989 die Zahlung von Mutterschaftsgeld in Anspruch genommen habe. Die Beigeladene sei auch nicht unabhängig von Weisungen. Sie sei im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess in die Betriebsorganisation der Gaststätte eingegliedert und könne dort nicht etwa schalten und walten wie sie wolle. Sie sei vielmehr auf die Absprache mit ihrem Ehemann angewiesen. Wenn sie ihre Arbeitskraft nicht dem Betrieb zur Verfügung stellen würde, müsste eine fremde Angestellte eingestellt werden. Das gewährte Darlehen und die Bürgschaftsübernahme in beachtlicher Höhe sprächen nicht gegen das Ergebnis der Gesamtabwägung. Die Beigeladenen könnten sich schließlich nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 1 bis 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) berufen. Diese Regelung gelte nämlich in Fällen wie hier nach § 49 SGB X nicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beigeladenen zu 3) und 4). Zur Begründung haben sie ausgeführt, das SG habe die realen Verhältnisse in einer Gaststätte wie derjenigen der Beigeladenen nicht hinreichend erfasst. So habe sich die Beigeladene ebenso wenig wie ihr Ehemann überhaupt leisten können, längere Zeit krankheitsbedingt auszufallen. Eine familienfremde Ersatzkraft könnte nur sehr begrenzt Abhilfe schaffen. Die Beigeladene verhalte sich deshalb wie ihr Ehemann unternehmerisch in dem Sinne, dass sie nur im äußerten Notfall krankheitsbedingt ihre Arbeit einstelle. Sie habe seit 14. Juli 1991 kein Krankengeld mehr in Anspruch genommen. Die Beigeladene könne sich auch nicht gegen Arbeitslosigkeit absichern. Die Bundesagentur für Arbeit werde nach aller Erfahrung der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen Leistungen mit der Begründung ablehnen, ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe nicht vorgelegen. Im Übrigen käme Arbeitslosigkeit nur in Betracht, wenn die Gaststätte geschlossen werden müsste. In diesem Fall realisierten sich allerdings die übernommenen Bürgschaftsverpflichtungen. Ein etwaiges Arbeitslosengeld sei demgegenüber nur marginal. Falsch sei die Annahme, die Beigeladene sei weisungsabhängig. Beide Beigeladenen organisierten die Arbeit gemeinsam. Die Beigeladene helfe überall wo sie gebraucht werde. Außer den Eheleuten seien in dem Betrieb nur Aushilfskräfte tätig. Nach außen hin trete die Beigeladene seit Jahrzehnten als Mitinhaberin auf. Sie nehme etwa Reservierungen an, handele Preise aus und nehme Bestellungen vor. Diese Vereinbarungen über den Status der Beigeladenen seien rechtlich in mündlicher Form zulässig, so dass sich die Situation entscheidend von denjenigen Fällen unterscheide, in welchen ein schriftlicher Anstellungsvertrag nur durch schriftliche Vereinbarungen geändert werden könne. Das SG habe auch der Bürgschaftsübernahme und dem Umstand, dass die Beigeladene hälftige Miteigentümerin des Betriebsgrundstückes sei, zu wenig Gewicht zugebilligt. Das "Gehalt" sei für eine Familie mit drei Kindern zur Finanzierung des notwendigen Lebensunterhaltes schlicht notwendig und müsste auch bei einem Selbständigen dem Betrieb entnommen werden. Ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.300,- Euro monatlich werde überdies in keiner Weise dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit gerecht, welche weit über eine 40 Stunden-Woche hinausgehe. Die Beigeladene übernehme auch die Buchführung für den Betrieb und bereite die Unterlagen für den Steuerberater vor. Einer fremden Arbeitskraft würde diese Aufgabe keinesfalls übertragen werden. Rein praktisch könne auch nicht von einer Trennung zwischen Unternehmerrisiko und Grundstückseigentum ausgegangen werden. Gerade im ländlichen Raum könne eine Gaststättenimmobilie im Falle wirtschaftlichen Misserfolgs nicht einfach an einen Dritten verpachtet werden. Ein wirtschaftlicher Misserfolg des Unternehmens sei vielmehr gleichbedeutend mit dem Verlust des Grundeigentums und der Realisierung der persönlichen Haftung.
Sie beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ferner regen sie vorsorglich an, die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 SGG entscheiden. Die Beteiligten sind auf diese Vorgehensweise und deren Voraussetzungen im Erörterungstermin vom 4. April 2011 hingewiesen worden.
Die Berufung der Beigeladenen hat keinen Erfolg. Das SG hat die Anfechtungsklage zu Recht als zulässig angesehen und für begründet gehalten. Auf dessen Ausführungen wird zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Der hinsichtlich der Feststellung der Rentenversicherungsfreiheit angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25. November 2005 ist rechtswidrig, er verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beigeladene ist auch zur Überzeugung des Senats abhängig beschäftigt und damit nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung:
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 08. August 1990 - 11 RAr 77/89 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 08. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45); so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R - juris).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 - juris). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002-42 S. 238f). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 - BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen.
Es hat insbesondere richtig angenommen, dass zwischen den Beteiligten ein gelebtes Arbeitsverhältnis besteht und die Beigeladene nicht aufgrund eines Gesellschaftsvertrages im Unternehmen ihres Ehemannes arbeitet. Auch wenn die Beigeladene wirtschaftlich vom Geschäftserfolg des Gaststättenunternehmens abhängt, spricht die Ausgestaltung des Pachtverhältnisses für bewusst gewählte vertraglichen Regelungen und keine generelle Betriebsgesellschaft. Darauf sind die Beigeladenen bereits mit Verfügung des Senats vom 9./11. Juni 2010 hingewiesen worden.
Zu Recht hat das SG auch die Darlehensgewährungen nicht als so gewichtiges Unternehmerrisiko angesehen, dass insgesamt von selbständiger Tätigkeit ausgegangen werden kann. Ganz allgemein ist die Gewährung von Darlehen bzw. Sicherheiten unter Familienangehörigen mit der Gewährung eines Darlehens oder einer Sicherheit durch einen fremden Arbeitnehmer, der nicht Angehöriger des Unternehmensinhabers ist, nicht gleichsetzbar. Familienmitglieder haben in der Regel ein gesteigertes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens, ohne dass hieraus ein wesentliches Unternehmerrisiko folgt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2010 - L 11 KR 2460/09 - juris). Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Verzicht auf Gehalt und zustehenden Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung sowie unbezahlte permanente Überstunden auch bei Arbeitnehmern gerade bei Verbundenheit mit dem Unternehmen nicht selten vorkommen. Diese Umstände fallen auch deshalb nicht entscheidend ins Gewicht. Buchführungsaufgaben werden in Unternehmen regelmäßig von Arbeitnehmern übernommen.
Von bloßer familienhafter Mithilfe kann nicht ausgegangen werden, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat. Der Fall unterscheidet sich insoweit vom denjenigen, welcher dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.03.2007 (- L 4 AL 1340/05 -) zu Grunde liegt, auf welches sich die Beigeladenen ebenfalls berufen haben.
Maßgeblich ist insgesamt nicht, ob die Eheleute seit Jahrzehnten einvernehmlich alle betrieblichen Angelegenheiten regeln. Im Konfliktfall könnte der Beigeladene seine Ehefrau als Arbeitnehmerin Weisungen erteilen. Er alleine ist Rechtsinhaber über das Gaststättenunternehmen. Dieser Aspekt bleibt in dem von den Beigeladenen angeführten Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.2007 (L 1 AL 60/06) unbeachtet.
Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil die Berufungsklägerin als Versicherte zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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