S 42 BK 3/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
42
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 42 BK 3/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
S 4 AS 147/11 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 01.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2010 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Kinderzuschlag für die Zeit von Dezember 2009 bis April 2010 in Höhe von insgesamt 1.250,00 EUR.

Die am 24.12.1975 geborene Klägerin ist verheiratet. Die Eheleute haben zwei Kinder, den am 14.12.2xxx geborenen Wayne und den am 01.09.2xxx geborenen Jason.

Nach Aktenlage beantragte die Klägerin erstmals im August 2009 Kinderzuschlag (KIZ). Auf das Antragsformular einschließlich Anlagen wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 01.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kinderzuschlag für den Monat September 2009 ab, da das durchschnittliche Einkommen den Gesamtbedarf übersteige. Mit weiterem Bescheid vom 01.09.2009 bewilligte die Beklagte Kinderzuschlag für August 2009 in Höhe von monatlich 280,00 EUR. Auf die vorgenannten Bescheide wird Bezug genommen.

Am 27.10.2009 sandte die Klägerin eine E-Mail an die Beklagte in der sie ausführte, dass sie, seitdem sie im Mai eine Teilzeittätigkeit aufgenommen habe, manchmal Kinderzuschlag erhalte und manchmal nicht, weil ihr Gehalt manchmal zu gering und manchmal zu hoch sei (bei ca 70,00 EUR Unterschied). Sie habe sich schon mehrfach telefonisch sowie persönlich mit der Beklagten in Verbindung gesetzt, aber niemand sei in der Lage, ihr die Berechnungen zu erklären.

Am 18.11.2009 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf KIZ. Hierbei gab sie an, dass ihr Mann und sie über Einkommen verfügen würden, sie Wohngeld in Höhe von 116,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.09.2009 bis zum 30.04.2010 bewilligt erhalten hätten und über kein Vermögen verfügten. Auf das Antragsformular einschließlich Anlagen (Bl. 40 – 65 der Akten der Beklagten) wird Bezug genommen. Ferner bat die Klägerin um Übersendung von Kopien der Berechnung. Der Arbeitgeber der Klägerin bescheinigte für die Monate September und Oktober 2009 ein gleichbleibendes Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 200,00 EUR, auf das keine Steuern und Sozialbeiträge zu entrichten seien. Die Auszahlung erfolge am Folgemonat. Einmalzahlungen seien im laufend gezahlten Arbeitsentgelt nicht enthalten.

Für den Ehegatten übersandte die Klägerin Verdienstbescheinigungen für die Monate Mai bis Oktober 2009. Auf der Verdienstbescheinigung für den Monat Oktober 2009 war als Jahressumme ein Gesamtbrutto in Höhe von 10.039,21 EUR angegeben. Ferner waren die Jahressummen hinsichtlich der Beiträge für Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung angegeben. Hieraus ermittelte die Beklagte ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1.673,20 EUR und durchschnittliche monatliche Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 337,03 EUR. Aus den Einzelsummen für den Monat Oktober ergibt sich, dass das gesetzliche Nettoarbeitsentgelt für den Monat Oktober 1.287,89 EUR betrug zuzüglich einer Nachverrechnung aus Vormonaten in Höhe von 410,00 EUR so dass ein Betrag in Höhe von 1.697,89 EUR überwiesen wurde. Insgesamt ergeben sich aus den Verdienstabrechnungen folgende monatliche Brutto- und Nettogehälter sowie Auszahlungsbeträge: Für Monat Brutto: Netto: Nachverrechnung aus Vormonat Überweisung Mai 2009 1.399,28 EUR 1.107,63 EUR./. 1.197,63 EUR Juni 2009 1.549,20 EUR 1.226,01 EUR./. 1.226,01 EUR Juli 2009 1.549,20 EUR 1.230,73 EUR./. 1.230,73 EUR Juli 2009 1.119,69 EUR 1.112,53 EUR./. 1.112,53 EUR August 2009 1.549,20 EUR 1.230,73 EUR 180,77 EUR 1.411,50 EUR September 2009 1.549,20 EUR 1.230,73 EUR 112,53 EUR 1.343,26 EUR September 2009 71,66 EUR 57,16 EUR Oktober 2009 1.620,86 EUR 1.287,89 EUR 410,00 EUR 1.697,89 EUR

Eine Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers, wie von der Klägerin für ihren eigenen Arbeitgeber vorgelegt, forderte die Beklagte nicht an.

Ausgehend von dem oben genannten Betrag in Höhe von 1.673,20 EUR brutto sowie von Abzügen in Höhe von 337,03 EUR sowie dem Einkommen der Klägerin in Höhe von 200,00 EUR ging die Beklagte von einem Gesamteinkommen in Höhe von 1.873,20 EUR aus. Von dem Einkommen der Klägerin wurden Freibeträge in Höhe von 120,00 EUR und von dem Einkommen des Ehegatten wurde insgesamt ein Betrag in Höhe von 664,25 EUR in Abzug gebracht. Um welche Beträge es sich hierbei im Einzelnen handelt, geht aus der Berechnung der Beklagten (Bl. 69 der Akte) nicht explizit hervor. Es dürfte sich jedoch um Werbungskosten in Höhe von + 53,33 EUR, die Beiträge zur KFZ-Haftpflichtversicherung in Höhe von + 33,89 EUR sowie um die Versicherungspauschale in Höhe von + 30,00 EUR handeln, was insgesamt einen Betrag in Höhe von = 117,22 EUR entspricht sowie die gesetzlichen Abzüge in Höhe von + 337,03 EUR und die Freibeträge nach § 30 SGB II in Höhe von + 210,00 EUR insgesamt = 664,25 EUR.

Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft legte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 535,00 EUR zugrunde. Hierbei handelt es sich um die tatsächliche Nettokaltmiete zuzüglich Betriebskosten sowie Heizkosten und abzüglich der Gebühren für den Kabelanschluss.

Mit Bescheid vom 24.11.2009 bewilligte die Beklagte Kinderzuschlag für die Zeit November 2009 bis April 2010 in Höhe von monatlich 250,00 EUR. Der Bescheid lautet im Wortlaut wie folgt:

"Der von Ihnen am 18.11.2009 beantragte Kinderzuschlag wird unter dem Vorbehalt der Rückforderung für die Kinder W. und J. wie folgt bewilligt (§ 32 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X):

November 2009 bis April 2010 in Höhe von monatlich 250,00 EUR.

Da Sie schwankendes Einkommen bzw Einkommen aus selbständiger Tätigkeit beziehen, ist für die Berechnung der Höhe des zustehenden Kinderzuschlags zunächst das Durchschnittseinkommen der letzten drei Monate vor Antragstellung oder das Durchschnittseinkommen des letzten Bewilligungsabschnittes zugrunde gelegt worden.

Der Kinderzuschlag wird für einen Bewilligungsabschnitt von sechs Monaten bewilligt (§ 6 a Absatz 2 Satz 3 BKGG).

Die erforderlichen Unterlagen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zahlung und für eine eventuelle Weiterzahlung werden Ihnen rechtzeitig vor Ablauf des oben genannten Bewilligungsabschnittes unaufgefordert übersandt.

Ergibt eine Überprüfung, dass Ihr durchschnittlich erzieltes Einkommen tatsächlich höher oder niedriger ist als für den oben genannten Bewilligungsabschnitt zu Grunde gelegt wurde, kann dies zu einer teilweisen oder vollständigen Rückforderung des gezahlten Kinderzuschlages führen. Bestand auf Grund des tatsächlich erzielten Einkommens ein Anspruch auf höheren Kinderzuschlag, erhalten Sie den Ihnen zustehenden Differenzbetrag nachgezahlt. In beiden Fällen werden Sie schriftlich informiert."

Dem Bescheid war eine Kopie der Berechnung beigefügt. Auf den Bescheid sowie die Berechnung (Blatt 67 bis 76 der Akte) wird Bezug genommen.

Im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag übersandte die Klägerin eine Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers ihres Ehegatten sowie Verdienstbescheinigungen in Kopie von August 2009 bis März 2010. Auf die Unterlagen wird Bezug genommen. Ferner übersandte Sie Kopien ihrer eigenen Verdienstabrechnungen für die Zeit September 2009 bis Februar 2010. Aus ihren Abrechnungen geht hervor, dass sie ein gleichbleibendes Brutto- und Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 200,00 EUR erzielte. Gleiches gilt für den Monat März 2010. Die entsprechende Verdienstbescheinigung wurde nachgesandt.

Aus der Entgeltabrechnung des Ehegatten für den Monat November 2009 geht hervor, dass dieser für diesen Monat eine Jahressonderzahlung in Höhe von 1.037,47 EUR erhalten hatte.

Die Beklagte ermittelte das Durchschnittseinkommen der Monate Oktober bis Dezember mit 1.936,69 EUR und die in dieser Zeit durchschnittlich angefallenen Abgaben mit 386,64 EUR. Dazu rechnete sie das anteilige Weihnachtsgeld mit 137,00 EUR. Für die Monate Januar bis März 2010 ermittelte die Beklagte ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 1.833,78 EUR bei durchschnittlichen Abgaben in Höhe von 362,78 EUR.

Unter Berücksichtigung dieser Daten nahm sie eine Berechnung für den Monat Dezember 2009 und für den Monat Februar 2010 vor. Aus einem handschriftlichen Vermerk auf dem Berechnungsbogen folgt, dass die Berechnung für den Monat Februar 2010 für die Monate Januar bis April 2010 gelten sollte. Auf die Berechnungsbögen Blatt 118 bis 129 der Akte wird Bezug genommen.

Auf Grund der vorgenannten Berechnung kam die Beklagte zum Ergebnis, dass kein Anspruch auf Kinderzuschlag für die Zeit Dezember 2009 bis April 2010 bestand. Mit Schreiben vom 28.04.2010, auf das Bezug genommen wird, hörte die Beklagte die Klägerin zu einer Erstattung an. Innerhalb des Anhörungsverfahrens teilte die Klägerin mit, sie sei ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen und habe auch die benötigten Einkommensnachweise vorgelegt. Gemäß § 45 SGB X habe sie auf den Bestand des Bescheides vom 08.11.2009 vertraut. Die erbrachten Leistungen seien im Übrigen verbraucht. Die Bevollmächtigten der Klägerin beantragten für den Fall, dass von einer Rückforderung nicht abgesehen werde, zur Abgabe einer weiteren Stellungnahme Akteneinsicht.

Ohne Durchführung dieser Akteneinsicht erließ die Beklagte unter dem 01.07.2010 den hier streitgegenständlichen Bescheid, in dem sie ausführt, bei abschließender Prüfung des Bewilligungszeitraumes für die Zeit von Dezember 2009 bis April 2010 ergebe sich ein zu berücksichtigendes durchschnittliches Einkommen/Vermögen in Höhe von 1.439,82 EUR. Das Einkommen übersteige den Gesamtbedarf. Damit sei ein Anspruch auf Kinderzuschlag ausgeschlossen. Der unter dem Vorbehalt der Rückforderung gemäß § 32 SGB X gezahlte Kinderzuschlag sei zu erstatten. Er sei grundsätzlich sofort und in voller Höhe fällig. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.

Mit dem Rückforderungsbescheid erhielten die Bevollmächtigten Akteneinsicht. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründeten sie wiederum mit Vertrauensschutz.

Innerhalb des Widerspruchsverfahrens nahm die Beklagte eine Neuberechnung für die Monate November 2009 bis April 2010 vor, bei der sie für die einzelnen Monate monatlich unterschiedliches Bruttoeinkommen des Ehegatten zugrunde legten. Auf die Berechnungen Blatt 143 bis 157 der Akte sowie Blatt 168 bis 170 der Akte wird Bezug genommen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.12.2010 als unbegründet zurück. Das höhere Einkommen resultiere aus der Tatsache, dass Sonderzahlungen angefallen seien. Da das Einkommen und Vermögen der Bedarfsgemeinschaft höher als der Bedarf sei, verbleibe kein ungedeckter Restbedarf. Ein Anspruch auf Kinderzuschlag scheide damit aus. Eine Rechtsgrundlage, auf die die Rückforderung gegebenenfalls gestützt werden könnte, enthält der Widerspruchsbescheid nicht. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage bezieht sich die Klägerin weiterhin auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs 2 SGB X. Im Übrigen seien die dem Widerspruchsbescheid beigefügten Berechnungsbögen nicht nachvollziehbar, da von einem wesentlich höheren Partnereinkommen ausgegangen werde, als tatsächlich vorlag.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 01.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides.

Das Gericht hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.05.2011 angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Vorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2010 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne des (iSd) § 54 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung des für die Zeit von Dezember 2009 bis April 2010 geleisteten Kinderzuschlags in Höhe von insgesamt 1.250,00 EUR. Als belastender Verwaltungsakt steht der Erstattungsanspruch nach § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) unter dem Vorbehalt des Gesetzes. Danach dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Das Sozialgesetzbuches ist nach § 18 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) auch im Bereich des nach § 6a BKGG bewilligten Kinderzuschlags anwendbar.

Auf eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage hat die Beklagte ihren Bescheid vom 01.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2010 nicht gestützt und zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht stützen können.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, Ermächtigungsgrundlage für den Erstattungsanspruch sei der Bescheid vom 24.11.2009 in Verbindung mit (iVm) § 32 SGB X, teilt das Gericht diese Ansicht nicht. Denn der Bescheid, der unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach § 32 SGB X ergangen ist, enthält nach Auffassung des Gerichts keine nach § 32 SGB X iVm § 18 BKGG zulässige Nebenbestimmung (ebenso für einen gleichlautenden Bescheid SG Köln, Urteil vom 30.09.2010, S 33 BK 13/09, unveröffentlicht, Berufung anhängig LSG NRW, L 7 BK 6/10; abweichend SG Köln, Urteil vom 25.03.2011, S 32 BK 46/10, www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Nach § 32 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Nach Absatz 2 darf unbeschadet des Absatzes 1 ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden u.a. mit einen Vorbehalt des Widerrufs. Hierbei darf nach Absatz 3 eine Nebenbestimmung dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen.

Diese Vorschrift ermächtigt nach Ansicht des Gerichts weder ausdrücklich noch entsprechend zu dem von der Beklagten geltend gemachten "Vorbehalt der Rückforderung" in der Form des Bescheides vom 24.11.2009. Denn der Vorbehalt der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen ist kein Widerrufsvorbehalt iSd § 32 SGB X (Krasney, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungs-recht, 68. Ergänzungslieferung 2010, § 32 SGB X, Rn 12-13, mwN).

Soweit in der Rechtsprechung die sogenannte Vorwegzahlung - teilweise gestützt auf § 42 SGB I (so z.B. BSG Urteil vom 16.11.1995, 4 RLw 4/94, SozR 3-1300 § 31 Nr 10) und teilweise gestützt auf § 32 SGB X (so z.B. BSG, Urteil vom 17.07.1996, 5 RJ 42/95, SozR 3-1200 § 42 Nr 5) - für zulässig erachtet wird, liegen die dafür erforderlichen entsprechenden Voraussetzungen hier nicht vor. Denn insoweit ist auch bei den o.g. unterschiedlichen Begründungsansätzen Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt, der lediglich eine Vorwegzahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung begründen soll, hinreichend bestimmt iSd § 33 SGB X ist.

Der Bescheid vom 24.11.2009 ist nicht hinreichend bestimmt. Insoweit schließt sich das Gericht der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.06.1990, 4 RA 57/89, juris) an. Dieses hat ausgeführt: "Maßstab der Auslegung des Verwaltungsaktes ist der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14 mwN). Hat die Verwaltung - wie hier - die Wirkungen des Verwaltungsaktes durch Zusätze einschränken wollen, müssen diese inhaltlich bestimmt, klar, verständlich und widerspruchsfrei sein; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (BSGE 37, 155, 160 = SozR 4600 § 143 f Nr 1). Lassen die Zusätze mehrere Auslegungen zu, muss sich die Verwaltung diejenige entgegenhalten lassen, die der Bescheidempfänger vernünftigerweise zugrunde legen darf, ohne die Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit des Bescheides willkürlich zu seinen Gunsten auszunutzen (BSGE 62, 32, 37 = SozR 4100 § 71 Nr 2 mwN). In diesem Rahmen ist eine Auslegung, die zu einem rechtlich unzulässigen Inhalt des Bewilligungsbescheides führt, im Zweifel, dh, wenn eine rechtmäßige Auslegungsalternative besteht, nicht die richtige (Götz JuS 1983, 924, 926). Soll ein Verwaltungsakt nur einstweilig wirken (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB X) müssen dem Adressaten Inhalt und Umfang der Vorläufigkeit hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X) mitgeteilt werden, dh, es muss für ihn ersichtlich sein, dass der Bescheid nur vorläufig und nur für eine Übergangszeit gilt (BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 18; BSG SozR Nr 3 zu § 1299 RVO; Schimmelpfennig, aaO, S 160 und 14 mwN)."

Diesen Voraussetzungen genügt der Bescheid vom 24.11.2009 nicht. Unabhängig von der Frage, ob die Beklagte überhaupt eine vorläufige Bewilligung auf Grund einer Durchschnittsberechnung vornehmen durfte – insoweit könnte es an einer Vorschrift fehlen, die die nach § 13 SGB II ergangene Arbeitslosengeld II Verordnung (AlgII-V) für anwendbar erklärt – hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 24.11.2009 lediglich ausgeführt: "Da Sie schwankendes Einkommen bzw Einkommen aus selbständiger Tätigkeit beziehen, ist für die Berechnung der Höhe des zustehenden Kinderzuschlags zunächst das Durchschnittseinkommen der letzten drei Monate vor Antragstellung oder das Durchschnittseinkommen des letzten Bewilligungsabschnittes zugrunde gelegt worden." Dieser standardisierte Satz, der nach Kenntnis der Vorsitzenden in zahlreichen Bescheiden formularmäßig verwendet wird, wurde weder auf die konkrete Situation der Klägerin individualisiert noch tatsächlich angewandt. Die Beklagte hat bei der Bewilligungsentscheidung vom 24.11.2009 weder das Durchschnittseinkommen der letzten drei Monate noch das Durchschnittseinkommen des letzten Bewilligungsabschnitts zugrunde gelegt. Das tatsächlich berücksichtigte Einkommen geht weder aus dem Bescheid vom 24.11.2009 noch aus dem – ausnahmsweise – beigefügten Berechnungsbogen hervor. Zugrunde gelegt wurde das durchschnittliche Einkommen in der Zeit Januar bis Oktober 2009. Hierbei hat es die Beklagte versäumt, sich zu vergewissern, ob der Ehegatte der Klägerin Jahressonderzahlungen, insbesondere Weihnachtsgeld, erhält. Zudem hat die Beklagte nicht beachtet, dass die Lohnabrechnungen des Ehegatten seit August 2009 nicht unerhebliche Beträge beinhalteten, die als Nachverrechnungen aus Vormonaten bezeichnet waren. Wäre tatsächlich das Durchschnittseinkommen der letzten drei Monate vor Antragstellung zugrunde gelegt worden, hätte bereits dies zu einer deutlich geringeren Bewilligung geführt. Der dem Bescheid beigefügte Berechnungsbogen war für einen Laien ohne weitere juristische Kenntnisse nicht nachvollziehbar. Insbesondere erklärt sich aus dem Bogen die Ermittlung der Freibeträge nicht. Nicht deutlich wird zudem, dass Einmalzahlungen das durchschnittliche Einkommen verändern.

Bereits hieraus folgt, dass die Klägerin auf Grund der Bewilligung vom 24.11.2009 nicht erkennen konnte, welches tatsächliche durchschnittliche Einkommen berücksichtigt war und bei welchen Einkommensveränderungen ggf eine Überzahlung eingetreten wäre.

Auch der eigentliche Rückforderungsvorbehalt ist nach Auffassung des Gerichts inhaltlich zu unbestimmt. Hierzu enthält der Bescheid folgenden Wortlaut: "Die erforderlichen Unterlagen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zahlung und für eine eventuelle Weiterzahlung werden Ihnen rechtzeitig vor Ablauf des oben genannten Bewilligungsabschnittes unaufgefordert übersandt.

Ergibt eine Überprüfung, dass Ihr durchschnittlich erzieltes Einkommen tatsächlich höher oder niedriger ist als für den oben genannten Bewilligungsabschnitt zu Grunde gelegt wurde, kann dies zu einer teilweisen oder vollständigen Rückforderung des gezahlten Kinderzuschlages führen. Bestand auf Grund des tatsächlich erzielten Einkommens ein Anspruch auf höheren Kinderzuschlag, erhalten Sie den Ihnen zustehenden Differenzbetrag nachgezahlt. In beiden Fällen werden Sie schriftlich informiert."

Dieser Vorbehalt, der ebenfalls standardisiert und formularmäßig in einer Vielzahl von Bescheiden verwendet wird, macht ebenfalls keine Aussagen zu dem tatsächlich berücksichtigten Einkommen. Zudem suggeriert die Formulierung, dass bei einem Saldo zu Gunsten der Klägerin eine Nachzahlung zwingend erfolgt; bei einer Überzahlung zu Lasten der Klägerin eine teilweise oder vollständige Rückforderung nur erfolgen kann. Der Bescheid macht damit nicht hinreichend deutlich, dass die Beklagte im Fall einer Überzahlung zwingend einen Erstattungsanspruch geltend machen werde.

Eine andere Ermächtigungsgrundlage für den Erstattungsanspruch steht der Beklagten nicht zur Verfügung. Die Beklagte hat sich insbesondere nicht § 50 Abs 1 oder 2 SGB X stützen. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist und nach Absatz 2 sind Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. Da der Kinderzuschlag für die Zeit von November 2009 bis April 2010 auf Grund des Bescheides vom 24.11.2009 erbracht wurde, scheidet § 50 Abs 2 SGB X als Ermäch-tigungs¬grundlage für den Erstattungsanspruch aus. Auch § 50 Abs 1 SGB X ist nicht anwendbar, da die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 24.11.2009 weder nach § 45 SGB X zurückgenommen noch nach § 48 SGB X aufgehoben hat. Eine Umdeutung des Bescheides vom 01.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2010 nach § 43 SGB X in einen Aufhebungs- oder Rücknahmebescheid nach §§ 45 oder 48 SGB X ist nicht möglich. Denn nach § 43 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt nur dann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Dies gilt nach § 43 Abs 2 SGB X nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte. Nach § 43 Abs 3 SGB X kann eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte hatte erkennbar nicht die Absicht, die Ausgangsbewilligung vom 24.11.2009 aufzuheben oder zurückzunehmen. Sie hat die Klägerin weder entsprechend angehört noch eine entsprechende Begründung gegeben. Zudem hätte die Beklagte für eine Rücknahme nach § 45 SGB X Ermessen auszuüben gehabt und für eine Aufhebung nach § 48 SGB X eventuelle atypische Fallgestaltungen berücksichtigen müssen.

Da das BKGG und insbesondere § 6a BKGG nicht auf § 330 Abs 2 und 3 SGB III verweist, der unter den dort normierten Voraussetzungen für die Rücknahme oder Aufhebung nach §§ 45 und 48 SGB X eine gebundene Entscheidung vorsieht, war die Ausübung von Ermessen erforderlich. § 330 Abs 2 und 3 SGB III ist auch nicht über § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II anwendbar. Denn § 6a BKGG in der hier anzuwendenden und bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung verweist nur auf §§ 11,12, 19, 21, 28 SGB II.

Die Beklagte kann sich zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auch nicht auf § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III stützen. § 328 SGB III regelt die Erbringung und Erstattung vorläufiger Leistungen. Nach Absatz 1 kann über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, unter anderem wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Hierbei sind Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben. Nach § 328 Abs 3 SGB III sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten. Das BKGG enthält ebenso wie zu § 330 Abs 2 und 3 SGB III keine Vorschrift, die § 328 SGB III für anwendbar erklärt. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Das Gericht hat die Sprungrevision zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 161 Abs 2 SGG iVm § 160 Abs 2 Nr 1 SGG vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil nach Kenntnis des Gerichts die Kinderzuschlagsbewilligungen bundesweit nach dem auch hier streitgegenständlichen Vordruck erfolgen.
Rechtskraft
Aus
Saved