L 18 AL 216/11 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 AL 209/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 216/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juni 2011 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde der - bedürftigen - Klägerin ist begründet. Ihr war für das Klageverfahren bei dem Sozialgericht (SG) Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin S zu bewilligen; die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).

Der erstinstanzlich bei verständiger Würdigung (vgl § 123 SGG) erhobenen kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage dahingehend, dass die Beklagte unter Aufhebung des im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ergangenen Bescheides vom 23. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2010 verpflichtet wird, den Bescheid über die Ablehnung der Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) vom 2. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2010 zurückzunehmen und der Klägerin BAB für die am 22. Februar 2010 begonnenen Berufsausbildung zur tierärztlichen Fachangestellten zu gewähren, kann bei der im PKH-Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung eine ausreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Dies gilt schon deshalb, weil das SG zur Prüfung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob die Beklagte bei der Erteilung des Bescheides vom 2. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2010 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist (vgl § 44 Abs. 1 SGB X), noch weitergehende Sachermittlungen von Amts wegen anzustellen haben wird. Dabei kann hier dahinstehen, ob die Klägerin ihr Ziel zulässig nur mit einer auf Neubescheidung ihres BAB-Antrags gerichteten Verpflichtungsklage verfolgen kann. Denn der gestellte Leistungsantrag ist dahingehend auszulegen, dass er auch einen entsprechenden "Bescheidungsantrag" umfasst (vgl BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R – juris – Rn 21 des Urteilsumdrucks mwN).

Ein Anspruch auf BAB für eine Zweitausbildung bzw ein Anspruch auf Neubescheidung des Antrags unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts kann nur dann bestehen, wenn diese Ausbildung förderungsfähig ist, die Klägerin zum förderungsfähigen Personenkreis gehört und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt und der Klägerin die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Maßnahmekosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen (§ 59 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III). Die Voraussetzungen des § 59 Nr 2 und Nr 3 SGB III sind erfüllt. Förderungsfähig (§ 59 Nr 1 SGB III) ist eine Ausbildung, die – wie vorliegend – in einem nach dem Berufsbildungsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist (vgl § 60 Abs. 1 SGB III). Eine Zweitausbildung kann allerdings gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III nur gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird. Es handelt sich insoweit um eine Ermessensleistung, die an eine entsprechende Prognoseentscheidung der Beklagten anknüpft. Der Beklagten steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu; der gerichtlichen Kontrolle unterliegt lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (vgl zu § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGB III BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 – B 7 AL 66/02 R = SozR 4-4300 § 77 Nr 1 mwN). Liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III vor, so hat die Beklagte ihr pflichtgemäßes Ermessen auszuüben, ob die Zweitausbildung gefördert wird (vgl BSG aaO mwN). Abzustellen ist dabei als Beurteilungszeitpunkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl BSG aaO; BSG SozR 3-4100 § 36 Nrn 1, 5).

Vorliegend ist streitig, ob die Beklagte bei der dem Bescheid vom 2. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2010 zugrunde liegenden Prognoseentscheidung sämtliche für diese Entscheidung maßgeblichen Tatsachen berücksichtigt hat. Denn die Klägerin trägt unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ihrer behandelnden Allgemeinmedizinerin L vom 22. Oktober 2010 vor, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als pharmazeutisch-technische Assistentin arbeiten zu können und deshalb die Zweitausbildung als tierärztliche Fachangestellte begonnen zu haben. Ungeklärt ist bislang, seit wann die dort benannte – nicht näher bezeichnete - psychische Erkrankung vorliegt, welche Auswirkungen diese Erkrankung ggf auf das körperliche und geistige Leistungsvermögen der Klägerin hatte bzw hat, seit wann ggf welche Einschränkungen vorliegen und ob diese ggf einer weiteren Tätigkeit als pharmazeutisch-technische Assistentin tatsächlich – und ggf seit wann - entgegenstanden. Das SG wird hierzu weitere Amtsermittlungen durchzuführen haben. Erst dann kann eine fundierte Beurteilung abgegeben werden, ob – abgestellt auf den Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2010 - die Prognoseentscheidung der Beklagten, dass die Klägerin als pharmazeutisch-technische Assistentin dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann, noch von dem ihr zustehenden Beurteilungsspielraum gedeckt war. Derzeit kann dem Begehren der Klägerin eine ausreichende Erfolgsaussicht daher nicht abgesprochen werden.

Eine Kostenerstattung findet im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht statt (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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