Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 60 AL 1953/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 285/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg).
Die 1950 geborene Klägerin hatte in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach einem Studium an der Ingenieurhochschule D die Berechtigung erworben, die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieur für Informationsverarbeitung" zu führen (Urkunde vom 1973); durch Urkunde des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 1994 wurde ihr die Berechtigung zuerkannt, den Grad "Diplom-Ingenieur (Fachhochschule)" zu führen. In der DDR war sie nach ihrem Studium in verschiedenen Betrieben als Abteilungsleiterin für Preisbildung bzw Ingenieurin für Preise beschäftigt. Nach einer Umschulungsmaßnahme im kaufmännischen Bereich in der Zeit von Juli 1990 bis September 1991 war die Klägerin von Oktober 1991 bis Juli 1992 als Sachbearbeiterin bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherdienstes der DDR tätig, sodann als Finanz- und Versicherungsberaterin und nach einem Existenzgründungskurs von Januar 1994 bis Januar 2002 als selbständige Bauspar- und Finanzberaterin, wobei sie zur "Bauspar- und Finanzierungsfachfrau IBWBI" ausgebildet wurde (Bescheinigung des Berufsbildungswerks der Bausparkassen e.V. vom 1997). Von Februar 2002 bis März 2004 war die Klägerin geschäftsführende Gesellschafterin der KGmbH Sch, die neben ihrem Ehemann B K noch zwei weitere Mitarbeiter hatte. Nach der Übernahme der GmbH durch den Sohn der Klägerin arbeitete diese in der Zeit vom 1. April 2004 bis 30. März 2006 dort als "Assistentin der Geschäftsführung und Vertriebsingenieurin" (Zeugnis der K GmbH vom 30. März 2006). Nebenberuflich war sie weiterhin als Versicherungsberaterin tätig. Anschließend war die Klägerin bis März 2009 selbständige Bauspar- und Finanzberaterin, wobei sie ab 1. April 2006 bis 31. März 2009 bei der Beklagten durchgehend in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) stand. Im Februar 2007 bestand sie die Prüfung als Ernährungsberaterin. Unter dem 17. Dezember 2008 erhielt die Klägerin die Erlaubnis, als Versicherungsmakler gemäß § 34d Gewerbeordnung (GewO) tätig zu werden.
Zum 1. April 2009 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte wies die Klägerin einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zu (Selbstvermarktung von Akademikern) und bewilligte ihr mit Bescheid vom 31. März 2009 Alg für 540 Kalendertage iH eines täglichen Leistungsbetrages von 20,05 EUR nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 67,20 EUR (Lohnsteuerklasse V). Der Widerspruch der vom 9. September 2009 bis 23. Oktober 2009 arbeitsunfähig erkrankten Klägerin (Krankengeldbezug vom 21. Oktober 2009 bis 23. Oktober 2009), mit dem diese die Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgelts begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. April 2009).
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klägerin vorgetragen, das Leistungsentgelt sei zu niedrig bemessen, da sie aufgrund ihrer Qualifikation in die Qualifikationsgruppe 1 nach § 132 Abs. 2 SGB III einzuordnen sei. Voraussetzung für die Tätigkeit als Versicherungsmaklerin sei ein betriebswirtschaftliches Hochschulstudium. Auch ihre Tätigkeit als Vertriebsingenieurin bei der K GmbH habe ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorausgesetzt. Zudem habe sie in der DDR als Ingenieurin für Elektrotechnik gearbeitet.
Wegen des Wechsels in die Lohnsteuerklasse III zum 1. Juni 2009 bewilligte die Beklagte nunmehr für die Zeit nach dem Ende des Krankengeldbezugs ab 24. Oktober 2009 Alg iH eines täglichen Leistungsbetrages von 31,16 EUR (Bescheid vom 5. November 2009). Das Alg wurde in der genannten Höhe ab 1. Juni 2009 gezahlt. Seit 1. Juli 2010 bezieht die Klägerin wegen der Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit als Inhaberin eines Ingenieurbüros für schweißtechnische Automatisierungslösungen von der Beklagten einen Gründungszuschuss.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat auf die auf Gewährung von höherem Alg "unter Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1" für die Zeit vom 1. April 2009 bis 30. Juni 2010 mit Ausnahme der Zeiten des Krankengeldbezugs gerichtete Klage die Beklagte mit Urteil vom 12. August 2010 antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch auf höheres Alg ab 1. April 2009. Da die Klägerin im erweiterten Bemessungsrahmen keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Umfang von 150 Tagen gehabt habe, sei nach § 132 Abs. 1 SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Gemäß § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III sei der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Vorliegend sie die Klägerin der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen, weil sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in erster Linie auf eine Beschäftigung der Klägerin als Ingenieurin mit Fachhochschulausbildung zu erstrecken hätten. Die Klägerin habe auch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen für Akademiker durchlaufen. Zudem habe sie berufliche Erfahrungen als Vertriebsingenieurin anlässlich ihrer Tätigkeit bei der K GmbH gesammelt.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin bei der K GmbH als Vertriebsingenieurin tätig gewesen sei. Aus der im Verfahren – S 54 AL 2948/07 – (SG Berlin) durchgeführten Beweisaufnahme ergebe sich vielmehr, dass die Klägerin als Geschäftsführerin sich um die Buchhaltung und die Büroarbeit insgesamt gekümmert habe, während der Ehemann für den technischen Bereich zuständig gewesen sei. Anschließend sei die Klägerin als Versicherungskauffrau selbständig tätig gewesen und habe zudem eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin absolviert. Entsprechende Beschäftigungen habe sie auch in ihrer Arbeitsuchendmeldung angegeben. Sie seien auch Gegenstand der mit der Klägerin geschlossenen Eingliederungsvereinbarung geworden. Der akademische Arbeitsmarkt sei der Klägerin verschlossen. Die Vermittlung als Ingenieurin sei wegen der geringen Berufserfahrung und des Zeitablaufs seit dem entsprechenden Abschluss nicht aussichtsreich. Vielmehr komme in erster Linie eine Vermittlung als Versicherungskauffrau in Betracht, woraus sich eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 3 ergebe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des SG Berlin – S 54 AL 2948/07 -, die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 keinen Anspruch auf ein höheres Alg als das von der Beklagten für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Mai 2009 bewilligte Alg iH eines täglichen Leistungsbetrages von 20,05 EUR täglich und das für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 bewilligte Alg iH eines täglichen Leistungsbetrages von 31,16 EUR.
Die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet. Die von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden festgesetzte Höhe des Alg – nur die insoweit getroffene Verwaltungsentscheidung ist zwischen den Beteiligten streitig - ist nicht zu beanstanden.
Der Klägerin stand für die Zeit ab 1. April 2009 dem Grunde nach – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – ein Anspruch auf Alg für 540 Kalendertage zu. Die Klägerin hatte sich am 16. März 2009 mit Wirkung zum 1. April 2009 arbeitslos gemeldet, so dass insoweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 122 Abs. 1 SGB III). Allerdings hatte sie vom 21. Oktober 2009 bis 23. Oktober 2009 Krankengeld bezogen, weshalb die Anspruchsvoraussetzungen für Alg insoweit nicht gegeben sind, was die Klägerin durch die Konkretisierung ihres Berufungsantrags auf die Zeiträume vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 berücksichtigt hat. Die Klägerin war in dem in Rede stehenden Zeitraum arbeitslos iS der §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 bis 121 SGB III. Sie hatte zudem auch die Anwartschaftszeit iSv § 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III iVm den §§ 123, 124 SGB III erfüllt. Denn sie hatte in der am 31. März 2009 beginnenden zweijährigen Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, und zwar seit 1. April 2006 durchgehend in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III.
Die Beklagte hat für den streitigen Zeitraum zu Recht Alg in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 20,05 EUR (bis 31. Mai 2009) bzw 31,16 EUR (ab 1. Juni 2009) bewilligt. Nach § 129 Nr. 2 SGB III in der hier anwendbaren, seit 01. August 2001 geltenden Fassung beträgt das Alg 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), dass sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I, 2848) umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn ua der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III). Die Übergangsregelung in § 434j Abs. 5 SGB III findet vorliegend keine Anwendung, weil der Alg-Anspruch der Klägerin nicht vor dem 1. Januar 2005 entstanden ist.
Weder im Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III noch im erweiterten Bemessungsrahmen des § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt festgestellt werden. Denn in der Zeit vom 1. April 2007 bis 31. März 2009 hatte die in dieser Zeit hauptberuflich selbständige Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. In dieser Zeit stand sie in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III. Bei der Klägerin ist daher als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III). Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber bei allen Versicherten, die keinen ausreichend zeitnahen Bemessungszeitraum von wenigstens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen haben, die Indizwirkung des zuletzt erzielten Lohns für den auf Grund des Versicherungsfalls eintretenden Lohnausfall als nicht mehr gewährleistet ansieht und deshalb stattdessen den voraussichtlichen aktuell erzielbaren Lohn zur Bemessungsgrundlage erhebt, bestehen nicht. Die fiktive Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III und die nähere Ausgestaltung der fiktiven Bemessung in § 132 Abs. 2 SGB III verstoßen weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht (vgl BSG, Urteile vom 29. Mai 2008, B 11a/ 7a AL 64/06 R und B 11a AL 23/07 R – juris; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009, B 11 AL 7/08 R = SozR 4-4300 § 130 Nr. 5; BSG, Urteil vom 21. Juli 2009, B 7 AL 23/08 R = SozR 4-4300 § 132 Nr. 3; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 11 AL 42/08 R – juris; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2009, B 7 AL 39/08 R – juris; vgl auch BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010, 1 BvL 11/07 - juris).
Nach § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. § 132 Abs. 2 Satz 2 SGB III legt zu diesem Zweck vier näher bezeichnete Qualifikationsgruppen fest, denen jeweils in Abhängigkeit von der für eine Beschäftigung erforderlichen Ausbildung ein Arbeitsentgelt in Höhe eines bestimmten Bruchteils der Bezugsgröße zugeordnet ist. Die Bezugsgröße ist das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag (§ 18 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV -). Sie wurde nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB IV in der vom 8. November 2006 bis 31. August 2009 geltenden Fassung (BGBl 2006, I 2407) vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Voraus für jedes Kalenderjahr durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt, für das Jahr 2009 durch die Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009 (SVBerGrV 2009; BGBl I 2008, 2336). Die Bezugsgröße (West) im hier maßgeblichen Jahr 2009 betrug 30.240,- EUR jährlich (vgl § 2 Abs. 1 SVBerGrV 2009).
Die Beklagte hat die Klägerin zutreffend der Qualifikationsgruppe 3 zugeordnet. Denn die Beklagte hatte insoweit ihre Vermittlungsbemühungen für die Klägerin in erster Linie auf Beschäftigungen zu erstrecken, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (vgl § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr 3 SGB III). Da der Gesetzgeber die Suche nach der insoweit maßgeblichen Beschäftigung ausdrücklich auf Tätigkeiten eingeschränkt hat, auf die sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken haben, können nur diejenigen Tätigkeiten für die fiktive Bemessung relevant sein, mit denen der Arbeitslose bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann (vgl BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 11 AL 42/08 R - juris). Dies war die von der Beklagten genannte Tätigkeit einer Versicherungskauffrau, bei der es sich um eine Tätigkeit nach abgeschlossener Berufsausbildung von drei Jahren handelt. In dieser Tätigkeit hätte die Klägerin im maßgeblichen Alg-Bezugszeitraum in Anbetracht ihrer langjährigen Berufserfahrung als Versicherungs- und Finanzberaterin von August 1992 bis Januar 2002, nebenberuflich von Februar 2002 bis März 2006 und wiederum hauptberuflich ab April 2006 bis zur Arbeitslosmeldung bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Demgemäß vereinbarten die Klägerin und die Beklagte auch in der Eingliederungsvereinbarung vom 18. März 2009, dass Ziel der Vermittlungsbemühungen der Beklagten die Aufnahme einer Tätigkeit als Versicherungskauffrau (bzw Ernährungsberaterin) sei. Soweit die Klägerin darauf abhebt, dass für eine ebenfalls in Betracht zu ziehende Beschäftigung als (angestellte) Versicherungsmaklerin, für die sie über die entsprechende Erlaubnis verfügt, ein Hochschulabschluss vorausgesetzt werde, trifft dies nicht zu. Vielmehr erfordert die erlaubnispflichtige Tätigkeit als Versicherungsmakler einen Sachkundenachweis gemäß § 34d Abs. 2 Nr 4 GewO bzw eine der in § 4 Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) genannten gleichgestellten Qualifikationen, zu denen – ggf neben weiterer Berufspraxis - ein Hochschulstudium zählen kann, aber zB auch ein Abschlusszeugnis als Versicherungskauffrau ausreicht (vgl § 4 Abs. 1 Nr 1c VersVermV).
Eine Vermittlung in den Beruf der Ingenieurin bzw Vertriebsingenieurin kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin einzig über einen bereits im Jahr 1973 erworbenen Hochschulabschluss als Ingenieurin für Informationsverarbeitung verfügt, in diesem Bereich aber ersichtlich nie berufstätig war und nach den Feststellungen des Senats auch bei der KGmbH von Februar 2002 bis März 2006 keine Tätigkeit einer Vertriebsingenieurin ausgeübt hat, wobei sie einen entsprechenden Abschluss auch gar nicht innehat. Nach den Angaben des Ehemannes und der insoweit als Zeugin vernommenen Klägerin im Verfahren – S 54 AL 2948/07 – (SG Berlin) steht vielmehr fest, dass die Klägerin als Geschäftsführerin und als Angestellte der GmbH im Wesentlichen damit betraut war, die Buchführung, andere anfallende Büroarbeiten, den Telefondienst und den "organisatorischen Teil" zu erledigen. Die Ausführung der Aufträge und deren technische Abwicklung oblagen dem Ehemann der Klägerin. Die Klägerin war im streitigen Zeitraum daher nicht in der Lage, den Beruf eines Ingenieurs im Bereich Informationsverarbeitung oder in anderen Bereichen wettbewerbsfähig in voller Breite auszuüben. Sie hätte bei Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens als Ingenieurin nicht mehr in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Entsprechende zunächst angedachte Vermittlungsbemühungen im akademischen Bereich hat die Beklagte beanstandungsfrei eingestellt. Die Klägerin hat seit Juli 1990 durchweg keine Beschäftigungen und/oder Tätigkeiten mehr ausgeübt, für die eine akademische Qualifikation iSv § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr 1 SGB III erforderlich gewesen wäre. Gleiches gilt für die in § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr 2 SGB III genannten Qualifikationen (Fachschulabschluss, Qualifikation als Meister oder Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung).
Hinsichtlich der Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 3 für die Zeit vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 folgt aus § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt von 67,20 EUR täglich (Bezugsgröße 2009: 30.240,- EUR jährlich, geteilt durch 450). Auch die weitere Berechnung der Beklagten entspricht den Bestimmungen in § 133 SGB III, wonach zur Ermittlung des Leistungsentgelts im Sinne des § 129 SGB III eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 vH (= 14,11 EUR) des Bemessungsentgelts abzuziehen ist. Ob die Lohnsteuer bzw der Solidaritätszuschlag für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Mai 2009 nach dem Berechnungsmodell des § 133 Abs. 1 Nr. 2 SGB III mit 18,65 EUR (Lohnsteuerklasse V) – Solidaritätszuschlag 1,02 EUR - bzw für die Zeit ab 1. Juni 2009 mit 1,15 EUR (Lohnsteuerklasse III) – kein Solidaritätszuschlag – von der Beklagten richtig errechnet wurden, nachdem sich ausweislich des interaktiven Abgabenrechners des Bundesministeriums der Finanzen für das Jahr 2009 (https://www.abgabenrechner.de/bl2009/) Lohnsteuerbeträge iHv 18,49 EUR - Solidaritätszuschlag 1,01 EUR - (1. April 2009 bis 31. Mai 2009) bzw 1,13 EUR (ab 1. Juni 2009) ergeben, kann dahinstehen. Denn ob die von der Beklagten zugrunde gelegte Lohnsteuer richtig errechnet wurde, lässt sich ohne Einholung eines Gutachtens nicht feststellen. Angesichts der im Centbereich unterschiedlichen Berechnungen sind jedoch diesbezüglich weitergehende Ermittlungen nicht angezeigt. Zwar könnte der Klägerin ein um 10 Cent (bis 31. Mai 2009) bzw 1 bis 2 Cent (ab 1. Juni 2009) höherer täglicher Alg-Leistungsbetrag zustehen; einen entsprechend bezifferten Leistungsantrag hat die Klägerin aber nicht gestellt, sondern nur höhere Leistungen dem Grunde nach beantragt. Insoweit ist somit nur die rein mathematische Umsetzung des vom Bundesministerium der Finanzen bekannt gegebenen Programmablaufplans iSv § 133 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betroffen, nicht aber die Anwendung des § 133 an sich. Ist die mathematische Formel – wie hier – gerade nicht im Streit, muss das Gericht bei einem Höhenstreit nicht prüfen, ob die hinter der Anwendung des Gesetzes erst auf zweiter Ebene stehende Berechnungsformel mathematisch korrekt umgesetzt wurde (vgl ausdrücklich BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 23/08 R = SozR 4-4300 § 132 Nr 3). Legt man danach die von der Beklagten errechneten Lohnsteuerwerte zugrunde, ist die Berechnung nicht zu beanstanden. Die Klägerin besitzt "normativ" dem Grunde nach keinen Anspruch auf höhere Alg-Leistungen (vgl BSG aaO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg).
Die 1950 geborene Klägerin hatte in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach einem Studium an der Ingenieurhochschule D die Berechtigung erworben, die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieur für Informationsverarbeitung" zu führen (Urkunde vom 1973); durch Urkunde des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 1994 wurde ihr die Berechtigung zuerkannt, den Grad "Diplom-Ingenieur (Fachhochschule)" zu führen. In der DDR war sie nach ihrem Studium in verschiedenen Betrieben als Abteilungsleiterin für Preisbildung bzw Ingenieurin für Preise beschäftigt. Nach einer Umschulungsmaßnahme im kaufmännischen Bereich in der Zeit von Juli 1990 bis September 1991 war die Klägerin von Oktober 1991 bis Juli 1992 als Sachbearbeiterin bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherdienstes der DDR tätig, sodann als Finanz- und Versicherungsberaterin und nach einem Existenzgründungskurs von Januar 1994 bis Januar 2002 als selbständige Bauspar- und Finanzberaterin, wobei sie zur "Bauspar- und Finanzierungsfachfrau IBWBI" ausgebildet wurde (Bescheinigung des Berufsbildungswerks der Bausparkassen e.V. vom 1997). Von Februar 2002 bis März 2004 war die Klägerin geschäftsführende Gesellschafterin der KGmbH Sch, die neben ihrem Ehemann B K noch zwei weitere Mitarbeiter hatte. Nach der Übernahme der GmbH durch den Sohn der Klägerin arbeitete diese in der Zeit vom 1. April 2004 bis 30. März 2006 dort als "Assistentin der Geschäftsführung und Vertriebsingenieurin" (Zeugnis der K GmbH vom 30. März 2006). Nebenberuflich war sie weiterhin als Versicherungsberaterin tätig. Anschließend war die Klägerin bis März 2009 selbständige Bauspar- und Finanzberaterin, wobei sie ab 1. April 2006 bis 31. März 2009 bei der Beklagten durchgehend in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) stand. Im Februar 2007 bestand sie die Prüfung als Ernährungsberaterin. Unter dem 17. Dezember 2008 erhielt die Klägerin die Erlaubnis, als Versicherungsmakler gemäß § 34d Gewerbeordnung (GewO) tätig zu werden.
Zum 1. April 2009 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte wies die Klägerin einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zu (Selbstvermarktung von Akademikern) und bewilligte ihr mit Bescheid vom 31. März 2009 Alg für 540 Kalendertage iH eines täglichen Leistungsbetrages von 20,05 EUR nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 67,20 EUR (Lohnsteuerklasse V). Der Widerspruch der vom 9. September 2009 bis 23. Oktober 2009 arbeitsunfähig erkrankten Klägerin (Krankengeldbezug vom 21. Oktober 2009 bis 23. Oktober 2009), mit dem diese die Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgelts begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. April 2009).
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klägerin vorgetragen, das Leistungsentgelt sei zu niedrig bemessen, da sie aufgrund ihrer Qualifikation in die Qualifikationsgruppe 1 nach § 132 Abs. 2 SGB III einzuordnen sei. Voraussetzung für die Tätigkeit als Versicherungsmaklerin sei ein betriebswirtschaftliches Hochschulstudium. Auch ihre Tätigkeit als Vertriebsingenieurin bei der K GmbH habe ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorausgesetzt. Zudem habe sie in der DDR als Ingenieurin für Elektrotechnik gearbeitet.
Wegen des Wechsels in die Lohnsteuerklasse III zum 1. Juni 2009 bewilligte die Beklagte nunmehr für die Zeit nach dem Ende des Krankengeldbezugs ab 24. Oktober 2009 Alg iH eines täglichen Leistungsbetrages von 31,16 EUR (Bescheid vom 5. November 2009). Das Alg wurde in der genannten Höhe ab 1. Juni 2009 gezahlt. Seit 1. Juli 2010 bezieht die Klägerin wegen der Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit als Inhaberin eines Ingenieurbüros für schweißtechnische Automatisierungslösungen von der Beklagten einen Gründungszuschuss.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat auf die auf Gewährung von höherem Alg "unter Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1" für die Zeit vom 1. April 2009 bis 30. Juni 2010 mit Ausnahme der Zeiten des Krankengeldbezugs gerichtete Klage die Beklagte mit Urteil vom 12. August 2010 antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch auf höheres Alg ab 1. April 2009. Da die Klägerin im erweiterten Bemessungsrahmen keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Umfang von 150 Tagen gehabt habe, sei nach § 132 Abs. 1 SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Gemäß § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III sei der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Vorliegend sie die Klägerin der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen, weil sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in erster Linie auf eine Beschäftigung der Klägerin als Ingenieurin mit Fachhochschulausbildung zu erstrecken hätten. Die Klägerin habe auch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen für Akademiker durchlaufen. Zudem habe sie berufliche Erfahrungen als Vertriebsingenieurin anlässlich ihrer Tätigkeit bei der K GmbH gesammelt.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin bei der K GmbH als Vertriebsingenieurin tätig gewesen sei. Aus der im Verfahren – S 54 AL 2948/07 – (SG Berlin) durchgeführten Beweisaufnahme ergebe sich vielmehr, dass die Klägerin als Geschäftsführerin sich um die Buchhaltung und die Büroarbeit insgesamt gekümmert habe, während der Ehemann für den technischen Bereich zuständig gewesen sei. Anschließend sei die Klägerin als Versicherungskauffrau selbständig tätig gewesen und habe zudem eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin absolviert. Entsprechende Beschäftigungen habe sie auch in ihrer Arbeitsuchendmeldung angegeben. Sie seien auch Gegenstand der mit der Klägerin geschlossenen Eingliederungsvereinbarung geworden. Der akademische Arbeitsmarkt sei der Klägerin verschlossen. Die Vermittlung als Ingenieurin sei wegen der geringen Berufserfahrung und des Zeitablaufs seit dem entsprechenden Abschluss nicht aussichtsreich. Vielmehr komme in erster Linie eine Vermittlung als Versicherungskauffrau in Betracht, woraus sich eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 3 ergebe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des SG Berlin – S 54 AL 2948/07 -, die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 keinen Anspruch auf ein höheres Alg als das von der Beklagten für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Mai 2009 bewilligte Alg iH eines täglichen Leistungsbetrages von 20,05 EUR täglich und das für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 bewilligte Alg iH eines täglichen Leistungsbetrages von 31,16 EUR.
Die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet. Die von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden festgesetzte Höhe des Alg – nur die insoweit getroffene Verwaltungsentscheidung ist zwischen den Beteiligten streitig - ist nicht zu beanstanden.
Der Klägerin stand für die Zeit ab 1. April 2009 dem Grunde nach – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – ein Anspruch auf Alg für 540 Kalendertage zu. Die Klägerin hatte sich am 16. März 2009 mit Wirkung zum 1. April 2009 arbeitslos gemeldet, so dass insoweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 122 Abs. 1 SGB III). Allerdings hatte sie vom 21. Oktober 2009 bis 23. Oktober 2009 Krankengeld bezogen, weshalb die Anspruchsvoraussetzungen für Alg insoweit nicht gegeben sind, was die Klägerin durch die Konkretisierung ihres Berufungsantrags auf die Zeiträume vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 berücksichtigt hat. Die Klägerin war in dem in Rede stehenden Zeitraum arbeitslos iS der §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 bis 121 SGB III. Sie hatte zudem auch die Anwartschaftszeit iSv § 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III iVm den §§ 123, 124 SGB III erfüllt. Denn sie hatte in der am 31. März 2009 beginnenden zweijährigen Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, und zwar seit 1. April 2006 durchgehend in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III.
Die Beklagte hat für den streitigen Zeitraum zu Recht Alg in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 20,05 EUR (bis 31. Mai 2009) bzw 31,16 EUR (ab 1. Juni 2009) bewilligt. Nach § 129 Nr. 2 SGB III in der hier anwendbaren, seit 01. August 2001 geltenden Fassung beträgt das Alg 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), dass sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I, 2848) umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn ua der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III). Die Übergangsregelung in § 434j Abs. 5 SGB III findet vorliegend keine Anwendung, weil der Alg-Anspruch der Klägerin nicht vor dem 1. Januar 2005 entstanden ist.
Weder im Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III noch im erweiterten Bemessungsrahmen des § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt festgestellt werden. Denn in der Zeit vom 1. April 2007 bis 31. März 2009 hatte die in dieser Zeit hauptberuflich selbständige Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. In dieser Zeit stand sie in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III. Bei der Klägerin ist daher als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III). Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber bei allen Versicherten, die keinen ausreichend zeitnahen Bemessungszeitraum von wenigstens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen haben, die Indizwirkung des zuletzt erzielten Lohns für den auf Grund des Versicherungsfalls eintretenden Lohnausfall als nicht mehr gewährleistet ansieht und deshalb stattdessen den voraussichtlichen aktuell erzielbaren Lohn zur Bemessungsgrundlage erhebt, bestehen nicht. Die fiktive Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III und die nähere Ausgestaltung der fiktiven Bemessung in § 132 Abs. 2 SGB III verstoßen weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht (vgl BSG, Urteile vom 29. Mai 2008, B 11a/ 7a AL 64/06 R und B 11a AL 23/07 R – juris; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009, B 11 AL 7/08 R = SozR 4-4300 § 130 Nr. 5; BSG, Urteil vom 21. Juli 2009, B 7 AL 23/08 R = SozR 4-4300 § 132 Nr. 3; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 11 AL 42/08 R – juris; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2009, B 7 AL 39/08 R – juris; vgl auch BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010, 1 BvL 11/07 - juris).
Nach § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. § 132 Abs. 2 Satz 2 SGB III legt zu diesem Zweck vier näher bezeichnete Qualifikationsgruppen fest, denen jeweils in Abhängigkeit von der für eine Beschäftigung erforderlichen Ausbildung ein Arbeitsentgelt in Höhe eines bestimmten Bruchteils der Bezugsgröße zugeordnet ist. Die Bezugsgröße ist das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag (§ 18 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV -). Sie wurde nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB IV in der vom 8. November 2006 bis 31. August 2009 geltenden Fassung (BGBl 2006, I 2407) vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Voraus für jedes Kalenderjahr durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt, für das Jahr 2009 durch die Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009 (SVBerGrV 2009; BGBl I 2008, 2336). Die Bezugsgröße (West) im hier maßgeblichen Jahr 2009 betrug 30.240,- EUR jährlich (vgl § 2 Abs. 1 SVBerGrV 2009).
Die Beklagte hat die Klägerin zutreffend der Qualifikationsgruppe 3 zugeordnet. Denn die Beklagte hatte insoweit ihre Vermittlungsbemühungen für die Klägerin in erster Linie auf Beschäftigungen zu erstrecken, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (vgl § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr 3 SGB III). Da der Gesetzgeber die Suche nach der insoweit maßgeblichen Beschäftigung ausdrücklich auf Tätigkeiten eingeschränkt hat, auf die sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken haben, können nur diejenigen Tätigkeiten für die fiktive Bemessung relevant sein, mit denen der Arbeitslose bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann (vgl BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 11 AL 42/08 R - juris). Dies war die von der Beklagten genannte Tätigkeit einer Versicherungskauffrau, bei der es sich um eine Tätigkeit nach abgeschlossener Berufsausbildung von drei Jahren handelt. In dieser Tätigkeit hätte die Klägerin im maßgeblichen Alg-Bezugszeitraum in Anbetracht ihrer langjährigen Berufserfahrung als Versicherungs- und Finanzberaterin von August 1992 bis Januar 2002, nebenberuflich von Februar 2002 bis März 2006 und wiederum hauptberuflich ab April 2006 bis zur Arbeitslosmeldung bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Demgemäß vereinbarten die Klägerin und die Beklagte auch in der Eingliederungsvereinbarung vom 18. März 2009, dass Ziel der Vermittlungsbemühungen der Beklagten die Aufnahme einer Tätigkeit als Versicherungskauffrau (bzw Ernährungsberaterin) sei. Soweit die Klägerin darauf abhebt, dass für eine ebenfalls in Betracht zu ziehende Beschäftigung als (angestellte) Versicherungsmaklerin, für die sie über die entsprechende Erlaubnis verfügt, ein Hochschulabschluss vorausgesetzt werde, trifft dies nicht zu. Vielmehr erfordert die erlaubnispflichtige Tätigkeit als Versicherungsmakler einen Sachkundenachweis gemäß § 34d Abs. 2 Nr 4 GewO bzw eine der in § 4 Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) genannten gleichgestellten Qualifikationen, zu denen – ggf neben weiterer Berufspraxis - ein Hochschulstudium zählen kann, aber zB auch ein Abschlusszeugnis als Versicherungskauffrau ausreicht (vgl § 4 Abs. 1 Nr 1c VersVermV).
Eine Vermittlung in den Beruf der Ingenieurin bzw Vertriebsingenieurin kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin einzig über einen bereits im Jahr 1973 erworbenen Hochschulabschluss als Ingenieurin für Informationsverarbeitung verfügt, in diesem Bereich aber ersichtlich nie berufstätig war und nach den Feststellungen des Senats auch bei der KGmbH von Februar 2002 bis März 2006 keine Tätigkeit einer Vertriebsingenieurin ausgeübt hat, wobei sie einen entsprechenden Abschluss auch gar nicht innehat. Nach den Angaben des Ehemannes und der insoweit als Zeugin vernommenen Klägerin im Verfahren – S 54 AL 2948/07 – (SG Berlin) steht vielmehr fest, dass die Klägerin als Geschäftsführerin und als Angestellte der GmbH im Wesentlichen damit betraut war, die Buchführung, andere anfallende Büroarbeiten, den Telefondienst und den "organisatorischen Teil" zu erledigen. Die Ausführung der Aufträge und deren technische Abwicklung oblagen dem Ehemann der Klägerin. Die Klägerin war im streitigen Zeitraum daher nicht in der Lage, den Beruf eines Ingenieurs im Bereich Informationsverarbeitung oder in anderen Bereichen wettbewerbsfähig in voller Breite auszuüben. Sie hätte bei Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens als Ingenieurin nicht mehr in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Entsprechende zunächst angedachte Vermittlungsbemühungen im akademischen Bereich hat die Beklagte beanstandungsfrei eingestellt. Die Klägerin hat seit Juli 1990 durchweg keine Beschäftigungen und/oder Tätigkeiten mehr ausgeübt, für die eine akademische Qualifikation iSv § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr 1 SGB III erforderlich gewesen wäre. Gleiches gilt für die in § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr 2 SGB III genannten Qualifikationen (Fachschulabschluss, Qualifikation als Meister oder Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung).
Hinsichtlich der Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 3 für die Zeit vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 folgt aus § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt von 67,20 EUR täglich (Bezugsgröße 2009: 30.240,- EUR jährlich, geteilt durch 450). Auch die weitere Berechnung der Beklagten entspricht den Bestimmungen in § 133 SGB III, wonach zur Ermittlung des Leistungsentgelts im Sinne des § 129 SGB III eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 vH (= 14,11 EUR) des Bemessungsentgelts abzuziehen ist. Ob die Lohnsteuer bzw der Solidaritätszuschlag für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Mai 2009 nach dem Berechnungsmodell des § 133 Abs. 1 Nr. 2 SGB III mit 18,65 EUR (Lohnsteuerklasse V) – Solidaritätszuschlag 1,02 EUR - bzw für die Zeit ab 1. Juni 2009 mit 1,15 EUR (Lohnsteuerklasse III) – kein Solidaritätszuschlag – von der Beklagten richtig errechnet wurden, nachdem sich ausweislich des interaktiven Abgabenrechners des Bundesministeriums der Finanzen für das Jahr 2009 (https://www.abgabenrechner.de/bl2009/) Lohnsteuerbeträge iHv 18,49 EUR - Solidaritätszuschlag 1,01 EUR - (1. April 2009 bis 31. Mai 2009) bzw 1,13 EUR (ab 1. Juni 2009) ergeben, kann dahinstehen. Denn ob die von der Beklagten zugrunde gelegte Lohnsteuer richtig errechnet wurde, lässt sich ohne Einholung eines Gutachtens nicht feststellen. Angesichts der im Centbereich unterschiedlichen Berechnungen sind jedoch diesbezüglich weitergehende Ermittlungen nicht angezeigt. Zwar könnte der Klägerin ein um 10 Cent (bis 31. Mai 2009) bzw 1 bis 2 Cent (ab 1. Juni 2009) höherer täglicher Alg-Leistungsbetrag zustehen; einen entsprechend bezifferten Leistungsantrag hat die Klägerin aber nicht gestellt, sondern nur höhere Leistungen dem Grunde nach beantragt. Insoweit ist somit nur die rein mathematische Umsetzung des vom Bundesministerium der Finanzen bekannt gegebenen Programmablaufplans iSv § 133 Abs. 1 Nr. 2 SGB III betroffen, nicht aber die Anwendung des § 133 an sich. Ist die mathematische Formel – wie hier – gerade nicht im Streit, muss das Gericht bei einem Höhenstreit nicht prüfen, ob die hinter der Anwendung des Gesetzes erst auf zweiter Ebene stehende Berechnungsformel mathematisch korrekt umgesetzt wurde (vgl ausdrücklich BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 23/08 R = SozR 4-4300 § 132 Nr 3). Legt man danach die von der Beklagten errechneten Lohnsteuerwerte zugrunde, ist die Berechnung nicht zu beanstanden. Die Klägerin besitzt "normativ" dem Grunde nach keinen Anspruch auf höhere Alg-Leistungen (vgl BSG aaO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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