Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
19
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KG 4/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 BK 1/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 KG 1/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.05.2009 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Kinderzuschlag.
Der 1967 geborene Kläger, der jugoslawischer Staatsangehöriger ist, lebt zusammen mit seiner deutschen im Jahr 1961 geborenen Ehefrau sowie den beiden gemeinsamen 2001 und 2002 geborenen Kindern in einem Eigenheim. Sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau bezogen seit 2005 bzw. 2007 Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit, die inzwischen unbefristet gewährt wird. Der monatliche Zahlbetrag der Rente beträgt für den Kläger ca. 270,00 EUR und für seine Ehefrau ca. 600,00 EUR. Außerdem bezieht letztere eine betriebliche Altersversorgung i.H.v. ca. mtl. 46,00 EUR.
Am 23.06.2008 beantragte der Kläger die Bewilligung von Kinderzuschlag. Dies lehnte die Beklagte ab, weil der Kinderzuschlag Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) voraussetze. Daran fehle es, weil der Kläger sowie seine Ehefrau Erwerbsminderungsrente bezögen (Bescheid vom 23.06.2008, Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008).
Der Kläger hat am 24.11.2008 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen Klage erhoben und geltend gemacht, maßgeblich sei allein, ob durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden könne, wobei es gleichgültig sein müsse, ob diese im Sinne des SGB II oder des SGB Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - bestehe.
Mit Urteil vom 14.05.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 17.06.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.07.2009 Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, maßgeblich müsse allein sein, ob Sozialhilfebedürftigkeit durch die Gewährung des Kinderzuschlags vermieden werden könne. Eine andere Betrachtung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000) vor. Schließlich werde Art. 6 GG - Schutz von Ehe und Familie - bei gegenteiliger Betrachtung verletzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Aachen vom 14.05.2009 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2008 zu verurteilen, ihm ab dem 01.10.2008 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Bundeskindergeldgesetz (BKGG) nehme ausdrücklich auf die Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II Bezug. Der eindeutige Gesetzeswortlaut lasse für eine erweiterte Auslegung keinen Spielraum.
Es liege auch keine unzulässige Ungleichbehandlung vor. Durch den Kinderzuschlag solle vermieden werden, dass Hilfebedürftigkeit bei grundsätzlich Erwerbsfähigen dadurch eintrete, dass Kinder zu versorgen seien. Dies sei jedoch von vornherein nicht möglich, wenn keine Erwerbsfähigkeit vorliege. In diesem Fall sei ggf. Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Akte des Sozialgerichts Aachen - S 11 AS 34/07 - sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Kinderzuschlag zusteht.
Kinderzuschlag erhalten nach § 6a Abs. 1 BKGG in der hier infolge des im Berufungsverfahren eingeschränkten Antrags des Klägers allein maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 24.09.2008 (BGBl. I, 1854) Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wenn
1.sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommenssteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen i.S.v. § 4 haben,
2.sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 des SGB II i.H.v. 900,00 EUR oder, wenn sie alleinerziehend sind, i.H.v. 600,00 EUR verfügen,
3.sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen i.S.d. §§ 11 und 12 des SGB II verfügen, das höchstens dem nach Abs. 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrag zzgl. dem Gesamtkinderzuschlag nach Abs. 2 entspricht und
4.durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht, weil durch den Bezug des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vermieden wird. Weder der Kläger noch seine Ehefrau sind nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II anspruchsberechtigt, weil sie nicht erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II sind.
Nach dieser Vorschrift ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass weder der Kläger noch seine Ehefrau in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab dem 01.10.2008 in der Lage waren bzw. sind, mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
Dies folgt allerdings nicht allein aus der Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit, da eine solche auch bei einer Verschlossenheit des maßgeblichen Teilzeitarbeitsmarktes bewilligt werden kann, wenn das Restleistungsvermögen noch drei bis sechs Stunden täglich umfasst. Eine solche sog. Arbeitsmarktrente schließt die Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II nicht aus (BSG, Urt. v. 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R = juris Rn. 16).
Jedoch ergibt sich aus den vom Senat beigezogenen Rentenakten, dass das Leistungsvermögen des Klägers weniger als drei Stunden täglich beträgt. Die im Rentenverfahren gehörte Ärztin für Innere Medizin, Rheumatologie und Sozialmedizin Dr. B ist in ihrem Gutachten vom 17.09.2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass das Leistungsvermögen des Klägers aufgrund seiner schweren chronischen internen Leiden vollständig erloschen ist. Eine Besserung des Gesundheitszustandes ist seitdem nicht zu verzeichnen. Der Senat hat daher keinen Anlass, an dieser Einschätzung zu zweifeln, zumal dies auch von dem Kläger nicht beanstandet wird.
Hinsichtlich seiner Ehefrau liegen zwar keine entsprechenden ärztlichen Unterlagen dem Senat vor, da sie sich mit der Beiziehung ihrer Rentenakten nicht einverstanden erklärt hat. Aufgrund ihrer Bekundungen vor dem Senat, wonach auch ihre Begutachtung eine vollständige Erwerbsunfähigkeit ergeben habe, besteht aber auch insoweit kein Grund für die Annahme, die Ehefrau des Klägers könne noch mehr als drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Auch dies entspricht den Darlegungen des Klägers.
Sind demzufolge weder bei dem Kläger noch bei seiner Ehefrau die Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II erfüllt, können auch ihre Kinder keinen Anspruch auf Sozialgeld nach dem SGB II aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern ableiten (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Der Kläger erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BKGG. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung wird Kinderzuschlag nur zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II gewährt. Die Vermeidung von Sozialhilfe nach dem SGB XII, hier nach § 19 Abs. 2 SGB XII, ist hingegen nicht von § 6 a BKGG umfasst und war mit der Einführung dieser Bestimmung auch nicht bezweckt. Sinn und Zweck der Vorschrift liegt vielmehr darin, dass Eltern nicht nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld angewiesen sein sollen (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 83; vgl. auch BSG, Urteil vom 15.12.2010 - B 14 KG 1/09 R = juris Rn. 13). Da der Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen aber allein Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe nach § 19 SGB XII haben können, sind sie demzufolge nicht leistungsberechtigt.
Dieser (mittelbare) Ausschluss vom Kinderzuschlag verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit jedoch nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten abweichend behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 100, 195, 205; 107, 205, 214; 109, 96, 123). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (vgl. BVerfGE 97, 271, 290; 99, 367, 388; 107, 27, 45). Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (BVerfGE 17, 210, 216; 77, 84, 106; 81, 156, 205).
Seine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von erwerbsfähigen und nichterwerbsfähigen Kindergeldberechtigten in Bezug auf die Gewährung des Kinderzuschlags folgt aus dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähige Hilfebedürftige in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Diese Zielsetzung, die dem SGB II zugrundeliegt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 14), korrespondiert mit der Gewährung des Kinderzuschlags, durch den der Gesetzgeber einen Arbeitsanreiz für diejenigen Eltern erhalten will, die ansonsten aufgrund ihrer Unterhaltsbelastung für ihre Kinder Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssten (BT-Drucks. a.a.O.). Demgegenüber könnte die Gewährung des Kinderzuschlags an den nichterwerbsfähigen Rentenbezieher zwar dessen wirtschaftliche Situation verbessern, der Gesetzgeber brauchte aber keinen Anlass zu sehen, ihm eine entsprechende Vergünstigung zuzubilligen, weil durch die aufstockende Sozialhilfe sein Existenzminimum gesichert ist und eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht mehr erfolgen kann.
Des Weiteren ist zu beachten, dass eine Konstellation wie die vorliegende, dass beide Eltern bereits zu einem Zeitpunkt erwerbsunfähig werden, in dem sie noch kindergeldberechtigt sind, äußerst selten auftreten dürfte. Im Rahmen seines Gestaltungsspielraums durfte der Gesetzgeber aber eine solche Ausnahmesituation außer Betracht lassen, weil ein Regelungsbedarf insoweit so fernliegend ist, dass es nicht geboten erscheint, diesen Sachverhalt im Rahmen der kindergeldrechtlichen Bestimmungen einzubeziehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 02.08.1990 - 1 BvR 1431/86 = juris Rn. 5).
Auch eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG vermag der Senat nicht zu erkennen. Aus Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip, die insoweit als Wertentscheidungen der Verfassung die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers begrenzen, lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidungen darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist (BVerfG, Beschluss vom 11.03.2010 - 1 BvR 3163/09 = juris Rn. 10). Ebenso wenig lassen sich aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen herleiten (BVerfG, a.a.O.).
Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen die Diskriminierungsrichtlinie bzw. das auf ihr beruhende Allgemeine Gleichheitsgesetz (AGG) vor, weil sowohl diese Richtlinie wie auch das AGG nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit oder des Sozialen Schutzes gelten (Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG sowie Gründe (13) dieser Richtlinie). Damit sind deren Bestimmungen auf den zur Vermeidung der Inanspruchnahme sozialer Hilfeleistungen eingeführten Kinderzuschlag nicht anwendbar.
Die Berufung ist daher mit der auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Kinderzuschlag.
Der 1967 geborene Kläger, der jugoslawischer Staatsangehöriger ist, lebt zusammen mit seiner deutschen im Jahr 1961 geborenen Ehefrau sowie den beiden gemeinsamen 2001 und 2002 geborenen Kindern in einem Eigenheim. Sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau bezogen seit 2005 bzw. 2007 Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit, die inzwischen unbefristet gewährt wird. Der monatliche Zahlbetrag der Rente beträgt für den Kläger ca. 270,00 EUR und für seine Ehefrau ca. 600,00 EUR. Außerdem bezieht letztere eine betriebliche Altersversorgung i.H.v. ca. mtl. 46,00 EUR.
Am 23.06.2008 beantragte der Kläger die Bewilligung von Kinderzuschlag. Dies lehnte die Beklagte ab, weil der Kinderzuschlag Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) voraussetze. Daran fehle es, weil der Kläger sowie seine Ehefrau Erwerbsminderungsrente bezögen (Bescheid vom 23.06.2008, Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008).
Der Kläger hat am 24.11.2008 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen Klage erhoben und geltend gemacht, maßgeblich sei allein, ob durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden könne, wobei es gleichgültig sein müsse, ob diese im Sinne des SGB II oder des SGB Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - bestehe.
Mit Urteil vom 14.05.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 17.06.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.07.2009 Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, maßgeblich müsse allein sein, ob Sozialhilfebedürftigkeit durch die Gewährung des Kinderzuschlags vermieden werden könne. Eine andere Betrachtung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000) vor. Schließlich werde Art. 6 GG - Schutz von Ehe und Familie - bei gegenteiliger Betrachtung verletzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Aachen vom 14.05.2009 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2008 zu verurteilen, ihm ab dem 01.10.2008 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Bundeskindergeldgesetz (BKGG) nehme ausdrücklich auf die Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II Bezug. Der eindeutige Gesetzeswortlaut lasse für eine erweiterte Auslegung keinen Spielraum.
Es liege auch keine unzulässige Ungleichbehandlung vor. Durch den Kinderzuschlag solle vermieden werden, dass Hilfebedürftigkeit bei grundsätzlich Erwerbsfähigen dadurch eintrete, dass Kinder zu versorgen seien. Dies sei jedoch von vornherein nicht möglich, wenn keine Erwerbsfähigkeit vorliege. In diesem Fall sei ggf. Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Akte des Sozialgerichts Aachen - S 11 AS 34/07 - sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Kinderzuschlag zusteht.
Kinderzuschlag erhalten nach § 6a Abs. 1 BKGG in der hier infolge des im Berufungsverfahren eingeschränkten Antrags des Klägers allein maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 24.09.2008 (BGBl. I, 1854) Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wenn
1.sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommenssteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen i.S.v. § 4 haben,
2.sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 des SGB II i.H.v. 900,00 EUR oder, wenn sie alleinerziehend sind, i.H.v. 600,00 EUR verfügen,
3.sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen i.S.d. §§ 11 und 12 des SGB II verfügen, das höchstens dem nach Abs. 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrag zzgl. dem Gesamtkinderzuschlag nach Abs. 2 entspricht und
4.durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht, weil durch den Bezug des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vermieden wird. Weder der Kläger noch seine Ehefrau sind nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II anspruchsberechtigt, weil sie nicht erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II sind.
Nach dieser Vorschrift ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass weder der Kläger noch seine Ehefrau in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab dem 01.10.2008 in der Lage waren bzw. sind, mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
Dies folgt allerdings nicht allein aus der Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit, da eine solche auch bei einer Verschlossenheit des maßgeblichen Teilzeitarbeitsmarktes bewilligt werden kann, wenn das Restleistungsvermögen noch drei bis sechs Stunden täglich umfasst. Eine solche sog. Arbeitsmarktrente schließt die Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II nicht aus (BSG, Urt. v. 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R = juris Rn. 16).
Jedoch ergibt sich aus den vom Senat beigezogenen Rentenakten, dass das Leistungsvermögen des Klägers weniger als drei Stunden täglich beträgt. Die im Rentenverfahren gehörte Ärztin für Innere Medizin, Rheumatologie und Sozialmedizin Dr. B ist in ihrem Gutachten vom 17.09.2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass das Leistungsvermögen des Klägers aufgrund seiner schweren chronischen internen Leiden vollständig erloschen ist. Eine Besserung des Gesundheitszustandes ist seitdem nicht zu verzeichnen. Der Senat hat daher keinen Anlass, an dieser Einschätzung zu zweifeln, zumal dies auch von dem Kläger nicht beanstandet wird.
Hinsichtlich seiner Ehefrau liegen zwar keine entsprechenden ärztlichen Unterlagen dem Senat vor, da sie sich mit der Beiziehung ihrer Rentenakten nicht einverstanden erklärt hat. Aufgrund ihrer Bekundungen vor dem Senat, wonach auch ihre Begutachtung eine vollständige Erwerbsunfähigkeit ergeben habe, besteht aber auch insoweit kein Grund für die Annahme, die Ehefrau des Klägers könne noch mehr als drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Auch dies entspricht den Darlegungen des Klägers.
Sind demzufolge weder bei dem Kläger noch bei seiner Ehefrau die Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II erfüllt, können auch ihre Kinder keinen Anspruch auf Sozialgeld nach dem SGB II aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern ableiten (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Der Kläger erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BKGG. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung wird Kinderzuschlag nur zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II gewährt. Die Vermeidung von Sozialhilfe nach dem SGB XII, hier nach § 19 Abs. 2 SGB XII, ist hingegen nicht von § 6 a BKGG umfasst und war mit der Einführung dieser Bestimmung auch nicht bezweckt. Sinn und Zweck der Vorschrift liegt vielmehr darin, dass Eltern nicht nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld angewiesen sein sollen (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 83; vgl. auch BSG, Urteil vom 15.12.2010 - B 14 KG 1/09 R = juris Rn. 13). Da der Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen aber allein Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe nach § 19 SGB XII haben können, sind sie demzufolge nicht leistungsberechtigt.
Dieser (mittelbare) Ausschluss vom Kinderzuschlag verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit jedoch nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten abweichend behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 100, 195, 205; 107, 205, 214; 109, 96, 123). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (vgl. BVerfGE 97, 271, 290; 99, 367, 388; 107, 27, 45). Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (BVerfGE 17, 210, 216; 77, 84, 106; 81, 156, 205).
Seine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von erwerbsfähigen und nichterwerbsfähigen Kindergeldberechtigten in Bezug auf die Gewährung des Kinderzuschlags folgt aus dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähige Hilfebedürftige in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Diese Zielsetzung, die dem SGB II zugrundeliegt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 14), korrespondiert mit der Gewährung des Kinderzuschlags, durch den der Gesetzgeber einen Arbeitsanreiz für diejenigen Eltern erhalten will, die ansonsten aufgrund ihrer Unterhaltsbelastung für ihre Kinder Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssten (BT-Drucks. a.a.O.). Demgegenüber könnte die Gewährung des Kinderzuschlags an den nichterwerbsfähigen Rentenbezieher zwar dessen wirtschaftliche Situation verbessern, der Gesetzgeber brauchte aber keinen Anlass zu sehen, ihm eine entsprechende Vergünstigung zuzubilligen, weil durch die aufstockende Sozialhilfe sein Existenzminimum gesichert ist und eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht mehr erfolgen kann.
Des Weiteren ist zu beachten, dass eine Konstellation wie die vorliegende, dass beide Eltern bereits zu einem Zeitpunkt erwerbsunfähig werden, in dem sie noch kindergeldberechtigt sind, äußerst selten auftreten dürfte. Im Rahmen seines Gestaltungsspielraums durfte der Gesetzgeber aber eine solche Ausnahmesituation außer Betracht lassen, weil ein Regelungsbedarf insoweit so fernliegend ist, dass es nicht geboten erscheint, diesen Sachverhalt im Rahmen der kindergeldrechtlichen Bestimmungen einzubeziehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 02.08.1990 - 1 BvR 1431/86 = juris Rn. 5).
Auch eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG vermag der Senat nicht zu erkennen. Aus Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip, die insoweit als Wertentscheidungen der Verfassung die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers begrenzen, lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidungen darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist (BVerfG, Beschluss vom 11.03.2010 - 1 BvR 3163/09 = juris Rn. 10). Ebenso wenig lassen sich aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen herleiten (BVerfG, a.a.O.).
Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen die Diskriminierungsrichtlinie bzw. das auf ihr beruhende Allgemeine Gleichheitsgesetz (AGG) vor, weil sowohl diese Richtlinie wie auch das AGG nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit oder des Sozialen Schutzes gelten (Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG sowie Gründe (13) dieser Richtlinie). Damit sind deren Bestimmungen auf den zur Vermeidung der Inanspruchnahme sozialer Hilfeleistungen eingeführten Kinderzuschlag nicht anwendbar.
Die Berufung ist daher mit der auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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