Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 6615/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 478/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08. September 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin eine höhere Witwenrente zu gewähren ist.
Die am 1932 in O. in Russland geborene Klägerin ist Witwe des am 1930 in Russland geborenen und am 1996 dort verstorbenen A. K. (im Folgenden Versicherter). Am 07. Oktober 1996 siedelte die Klägerin aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland über, wo sie als Spätaussiedlerin im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt wurde.
Seit dem Tag ihres Zuzugs bezieht die Klägerin von der Landesversicherungsanstalt Württemberg, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), unter Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannten Beitragszeiten um 40 vom Hundert (v.H.) durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6 Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres (Bescheid vom 14. Juli 1997/Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1998, anfänglicher monatlicher Bruttobetrag DM 1.137,62, anrechenbare Entgeltpunkte nach dem FRG 24,3758). Den von der Klägerin am 25. August 2004 gestellten Antrag auf Neufeststellung der Altersrente, mit dem sie sich gegen die Absenkung der Entgeltpunkte um 40 v.H. und die Begrenzung auf höchstens 25 Entgeltpunkte wandte, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27. August 2004 ab.
Den am 19. November 1996 gestellten Antrag auf Witwenrente nahm die Klägerin, nachdem ihr die Beklagte mitgeteilt hatte, dass bei Aufrechterhaltung des Antrags auf Witwenrente wegen der Begrenzung der Altersrente auf 12,7113 Entgeltpunkte und der Witwenrente auf 12,2887 Entgeltpunkte der insgesamt zu zahlende Betrag für beide Renten geringer als der für die Altersrente zu zahlende Betrag ausfallen würde, am 09. Juli 1997 zunächst zurück. Auf ihren Antrag vom 18. Mai 2004, ihr die am 19. November 1996 beantragte große Witwenrente ab dem 07. Oktober 1996, hilfsweise ab Mai 2003, neben der Altersrente zu gewähren und auszuzahlen, bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 01. Juli 2004 große Witwenrente ab 07. Oktober 1996, zahlbar ab 01. Januar 2000 (anfänglicher monatlicher Bruttobetrag DM 18,09; monatlicher Bruttobetrag ab 01. Januar 2005 EUR 9,79; anrechenbare Entgeltpunkte nach dem FRG 20,1764; begrenzt auf 0,6242 Entgeltpunkte).
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie wandte sich gegen die Begrenzung der anrechenbaren Zeiten gemäß § 22b Abs. 1 FRG auf 25 Entgeltpunkte. Dies entspreche nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach eine Witwenrente bis zu einer Höhe von weiteren 15 Entgeltpunkten auszuzahlen sei, wenn bereits Leistungen aus eigener Versicherung gezahlt würden. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits im Jahr 2001 erstmals entschieden und im März und Juli 2004 (Urteil des BSG vom 07. Juli 2004 - B 8 KN 10/03 R -) bestätigt. Die - unterstellte - Intention des Gesetzgebers, mit Einführung des § 22b FRG alle Rentenansprüche einer Person auf 25 Entgeltpunkte zu beschränken, sei im Gesetz nicht klar und unmissverständlich geregelt worden. Die ursprüngliche Regelung sei noch maßgeblich, da das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) noch nicht in Kraft getreten sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Die Begrenzungsregelung des § 22b Abs. 1 FRG sei zwischenzeitlich vom Gesetzgeber mit Art. 8 (richtig Art. 9) Nr. 2 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 07. Mai 1996 klargestellt worden. Entgegen der Auffassung des BSG werde auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eine eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten insgesamt auf 25 Entgeltpunkte begrenzt. Mit dem rückwirkenden Inkraftsetzen der Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber außerdem zum Ausdruck gebracht, dass er die Auslegung der Begrenzungsregelung bereits von Anfang an so verstanden habe wolle. Der bisherigen BSG-Rechtsprechung komme demnach über die Einzelfälle hinaus keine Bedeutung zu.
Deswegen erhob die Klägerin am 05. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie trug vor, für die Gesamtbegrenzung ihrer eigenen Versicherung mit der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes auf 25 Entgeltpunkte finde sich weder nach altem noch nach neuem Recht eine gesetzliche Grundlage. § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG sei nur anwendbar, wenn es um die Festsetzung eigener Rentenansprüche des Berechtigten gehe. Dies sei vom BSG mit Urteilen vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R), vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R) und vom 17. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R) unmissverständlich und wiederholt klargestellt worden. Hieran sei die Beklagte gemäß Art. 20 Grundgesetz (GG) gebunden. Grundsatzentscheidungen des BSG könnten nicht mit der - nicht zutreffenden - Begründung, es handle sich um einen Einzelfall, ignoriert werden. Eine anerkannte Rente müsse auch ausbezahlt werden. Alles andere stelle einen Verstoß gegen Art. 14 GG dar. Vorsorglich werde (vgl. Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - 1 BvR 476/02 -) die Verfassungsmäßigkeit von § 22b FRG a.F. bestritten. Auch die durch das RV-Nachhhaltigkeitsgesetz erfolgte Neufassung des § 22b FRG stehe ihrem Anspruch nicht entgegen. Diese Norm finde nach § 300 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) schon keine Anwendung. Unabhängig davon sei das Inkrafttreten der Vorschrift durch Verkündung am 26. Juli 2004 mit rückwirkender Wirkung vom 07. Mai 1996 unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes und der vom BVerfG zur "Rückwirkung von Gesetzen" ergangenen Entscheidungen verfassungswidrig. Hilfsweise und rein vorsorglich werde ihr Anspruch auf Hinterbliebenenrente außerdem auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gestützt. Das Verhalten der Beklagten, eine Entscheidung nach den bestehenden Gesetzen zu verweigern und stattdessen auf die Verabschiedung der zwischenzeitlich erfolgten Neufassung der hier streitgegenständlichen Norm durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz zu warten, sei rechtswidrig und nicht akzeptabel. Der Anspruch auf große Witwenrente sei von der Beklagten durch rechtskräftigen Bescheid anerkannt und bewilligt worden. Damit sei diese verpflichtet, ihr die Witwenrente in festgestellter Höhe auszubezahlen. Sie habe, nachdem der Rentenfaktor von 0,6 dazu führe, dass die Entgeltpunkte aus der Hinterbliebenenrente auf 15 Entgeltpunkte begrenzt würden, insgesamt einen Anspruch auf zwei Renten mit einer Begrenzung auf höchstens 40 Entgeltpunkte.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 08. September 2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Klägerin habe unter Berücksichtigung von § 22b Abs. 1 FRG keinen Anspruch auf Auszahlung der ihr dem Grunde nach zuerkannten großen Witwenrente nach dem Versicherten. § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG begrenze die anrechenbaren Zeiten nach dem FRG auf 25 Entgeltpunkte und finde auch dann Anwendung, wenn ein Begünstigter neben einem Recht aus eigener Versicherung ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente habe. § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes sei rückwirkend anzuwenden. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI komme nicht zur Anwendung. Durch die Änderung des § 22b FRG in seinem Wortlaut habe der Gesetzgeber eindeutig klargestellt, dass die Vorschrift auch beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten anzuwenden sei. Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit von § 22b FRG sowohl in der alten wie in der neuen Fassung bestünden keine Bedenken. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei ebenfalls nicht gegeben.
Gegen das am 24. September 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. Oktober 2005 Berufung eingelegt (zunächst geführt unter L 4 R 4370/05). Zur Begründung hat sie zunächst vorgetragen, die Hinterbliebenenrente sei durch bestandskräftigen Bescheid anerkannt und festgestellt worden. Damit sei sie zur Auszahlung zu bringen. Das BSG habe zu § 22b FRG, zumindest in der alten Fassung, entschieden, dass aufgrund der besonderen Funktion der Hinterbliebenenrente § 22b FRG dann nicht zur Anwendung komme, wenn eine solche Rente mit einem Recht auf Rente aus einem eigenen Versicherungsverhältnis zusammentreffe. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 22 FRG a. F., bei systematischer Auslegung der Norm und aus Sinn und Zweck der bisherigen Regelung. Es sei auch nicht ersichtlich, warum ein Anspruch eines Hinterbliebenen ohne Spätaussiedlerstatus, bei dem die Beschränkungen aus §§ 22 f. FRG nicht zur Anwendung kämen, höher sein sollte als der Anspruch eines Hinterbliebenen mit einem solchen. Dies verstoße gegen Art. 3 GG. Mit § 22b FRG a.F. habe der Gesetzgeber zumindest versäumt, durch eine unmissverständliche Regelung im Gesetz seine Absicht, bei neu zuziehenden Spätaussiedlern das bisherige Eingliederungsprinzip durch eine Grundsicherung zu ersetzen, in entsprechende Normen zu verankern. Die nunmehrige Regelung des § 22b n. F. sei bezugnehmend auf das bisherige Vorbringen nicht beachtlich. Die Rechtsauffassung des 5. und 8. Senats des BSG zur Vereinbarkeit der echten Rückwirkung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes mit dem GG werde nicht geteilt (Urteile vom 21. Juni - B 8 KN 1/05 R u.a. - und 05. Oktober 2005 - B 5 RJ 39/04 R und B 5 RJ 57/03 R -). Selbst wenn man davon ausginge, dass § 22b FRG n.F. grundsätzlich Anwendung fände, so wäre ihr Anspruch zumindest für die Zeit vor Inkrafttreten der neuen Vorschrift durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz teilweise begründet. Jedenfalls für die Zeit bis zum 31. Juli 2004 stehe die erfolgte Neufassung der Norm ihrem Anspruch auf Auszahlung der Hinterbliebenenrente nicht entgegen. Das Landessozialgericht hat aufgrund übereinstimmenden Antrags der Beteiligten im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats des BSG zum BVerfG vom 29. August 2006 (B 13 RJ 47/04 R u.a.) durch Beschluss vom 30. März 2007 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11/06 u.a.) über die Vorlagebeschlüsse entschieden hat, hat die Klägerin am 31. Januar 2011 das Verfahren wieder angerufen. Sie ist dabei verblieben, dass ihr vor rückwirkendem Inkrafttreten des § 22b FRG am 01. Juli 2004 bestandskräftig große Witwenrente ohne Einschränkungen im Tenor des Bescheids bewilligt worden sei, so dass die gesamte Witwenrente zu zahlen sei. Im Übrigen sei zu prüfen, ob alle Entgeltpunkte, die für die Berechnung ihrer Altersrente und beim Versicherten zugrundegelegt worden seien, sog. "FRG-Punkte" seien. Herauszurechnen seien Ersatzzeiten, Kindererziehungszeiten sowie Zeiten, die nach dem SGB VI rentenbegründend seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheids vom 01. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2004 ab 01. Januar 2000 höhere Witwenrente auf der Grundlage der für den Versicherten zu berücksichtigenden 20,1764 Entgeltpunkten, hilfsweise auf der Basis von 15 Entgeltpunkten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist auf die Entscheidungen des 5. und 8. Senats des BSG (a.a.O.). Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Ausführungen im Bescheid vom 01. Juli 2004 eindeutig seien. Es seien auch ausschließlich aus FRG-Zeiten Entgeltpunkte ermittelt worden. Selbst bei Berücksichtigung von Ersatzzeiten ergäbe sich bei der Anwendung der Begrenzungsregelung des § 22b FRG hinsichtlich der zu berücksichtigenden Entgeltpunkte keine Änderung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Da die Klägerin Rente für den Zeitraum von mehr als einem Jahr begehrt, ist die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfüllt. Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 08. September 2005 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 01. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2004 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine höhere Witwenrente steht der Klägerin nicht zu. Die von der Beklagten bei der Rentenberechnung vorgenommene Begrenzung der Entgeltpunkte auf 0,6242 für die nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten des Versicherten folgt aus § 22b FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes. Diese Norm ist verfassungsgemäß.
Das Begehren der Klägerin, die bezüglich des Beginns der von ihr begehrten höheren Witwenrente keinen konkreten Antrag gestellt hat, ist sachgerecht dahin auszulegen (§ 123 SGG), dass sie höhere Witwenrente ab dem Zeitpunkt begehrt, ab dem ihr die Beklagte Witwenrente zahlt, d.h. ab 01. Januar 2000. Dass das Begehren der Klägerin darauf gerichtet ist, ergibt sich daraus, dass sie sich im Verfahren stets "nur" gegen die Begrenzung der Entgeltpunkte wendet, den Beginn der Zahlung jedoch nicht beanstandet. Einem darüberhinausgehenden Begehren stünde auch entgegen, dass die Klägerin den hier streitgegenständlichen Antrag - den am 19. November 1996 gestellten Antrag hatte die Klägerin zurückgenommen - erst am 18. Mai 2004 gestellt hat und damit auch aus materiell-rechtlichen Gründen der Klägerin vor dem 01. Januar 2000 kein Anspruch auf höhere Witwenrente zustünde, nachdem eine Hinterbliebenenrente nach § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet wird. Auch bei Bejahung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs der Klägerin aufgrund fehlerhafter Beratung durch die Beklagte im Zusammenhang mit der Rücknahme des Antrags vom 19. November 1996 stünde der Klägerin eine Leistung rückwirkend erst ab 01. Januar 2000 zu, da insoweit in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 9).
Die so gefasste Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ab 01. Januar 2000 steht ihr kein höherer Anspruch auf Witwenrente zu. Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz steht dem entgegen (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 25. Januar 2011 - B 5 R 47/10 R - in Juris).
Die Klägerin, die als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG anerkannt ist und deren Rechtsstellung in der gesetzlichen Rentenversicherung sich nach dem FRG richtet (vgl. § 13 BVFG), kann gemäß § 1 Buchstabe a FRG ihre Rechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften geltend machen (vgl. § 14 FRG), soweit sich aus den dieser Bestimmung nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin dem Grunde nach. Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich nach § 64 Nr. 1 SGB VI u.a. aus den Entgeltpunkten. Da der Versicherte Beitragszeiten nur in den Vertreibungsgebieten zurückgelegt hat und die Anwartschaft allein aus in den Vertreibungsgebieten zurückgelegten Zeiten erworben worden ist, ist § 22b Abs. 1 FRG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift in der mit Wirkung vom 07. Mai 1996 (Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz) durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz, formal modifiziert durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 09. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3242), geltenden Fassung lautet: Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz (FRG) werden für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde gelegt (Satz 1). Hierbei sind zuvor die Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung mit dem Wert 1,3333 zu multiplizieren (Satz 2). Die Entgeltpunkte aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor sind vorrangig zu berücksichtigen (Satz 3). Danach können für eine Witwenrente ab 01. Januar 2000 nur 0,6242 Entgeltpunkte berücksichtigt werden. Denn die Klägerin bezieht seit 07. Oktober 1996 auch eine Altersrente (Bescheid vom 14. Juli 1997/Widerspruchsbescheid 23. Juli 1998). Dieser ihr bewilligten Rente liegen bereits 24,3758 Entgeltpunkte nach dem FRG zugrunde. Der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte ist bei den Altersrenten mit 1,0 höher (vgl. § 67 Nr. 1 SGB VI) als die Rentenartfaktoren mit 0,6, seit 01. Januar 2002 mit 0,55 bei großen Witwenrenten nach Ablauf des so genannten Sterbevierteljahres für persönliche Entgeltpunkte in der allgemeinen Rentenversicherung (vgl. § 67 Nr. 6 SGB VI). Indem bei der Altersrente der Klägerin bereits 24,3758 Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit durch Gewährung der Witwenrente unter Berücksichtigung von 0,6242 Entgeltpunkten die Höchstpunktzahl erreicht, die § 22b Abs.1 Satz 1 FRG n.F. für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes höchstens zulässt. Damit war für eine große Witwenrente nur ein Monatsbetrag der Rente (§ 64 SGBVI) auf der Basis von 0,6242 Entgeltpunkten festzustellen.
Art 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist mit dem GG vereinbar, soweit hierdurch die Höhe solcher Hinterbliebenenrenten beschränkt wird, die allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen und die ohne die in § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind. Dies hat das BVerfG mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 ff.; Entscheidungsformel veröffentlicht in BGBl. I 2010, S. 1358) entschieden. Diese Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) Gesetzeskraft. Eine abweichende Beurteilung ist damit für den Senat nicht möglich.
Auch übergangsrechtliche Vorschriften vermag die Klägerin für sich nicht in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzes von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme hiervon schreibt § 300 Abs. 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzes und durch dieses Gesetz ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Nach § 300 Abs. 3 SGB VI gilt: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln, sind die Vorschriften maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren. Diese allgemeine Übergangsnorm wird durch den spezielleren Art. 6 § 4 Abs. 4a Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) verdrängt, der seit dem 01. Januar 2001 in Kraft ist und speziell für das FRG - im Wesentlichen wortgleich - das Folgende regelt: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln, sind die Vorschriften des FRG maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren, soweit § 317 Abs. 2a SGB VI nichts anderes bestimmt.
Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG ist gemäß Art. 9 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 07. Mai 1996 in Kraft getreten und nach der Grundregel des § 300 Abs. 1 SGB VI auch auf einen Sachverhalt anzuwenden, der - wie die Biographie des Versicherten - bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Die gleichzeitig aufgehobene Altfassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG gilt nicht nach § 300 Abs. 2 SGB VI ausnahmsweise fort. Denn die Klägerin hatte am 07. Mai 1996 (noch) keinen durchsetzbaren Anspruch auf Witwenrente. Ihr Witwenrentenanspruch ist nämlich erst mit ihrem Zuzug im Oktober 1996 entstanden. Dass das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert hieran nichts, da der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs. 2 SGB VI nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes aufgrund seiner Verkündung bezeichnet, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen Änderungsgesetzes ergibt (BSG a.a.O. mit Nachweisen). Ebenso wenig ist Art. 6 § 4 Abs. 4a FANG einschlägig. Auch insoweit hatte die Klägerin am 07. Mai 1996 bereits dem Grunde nach (noch) kein Recht auf eine große Witwenrente ohne die hier streitige Begrenzung. Erst recht wurde eine derartige Rente daher vor Inkrafttreten des anzuwendenden Rechts weder geleistet noch waren aus diesem Grund Entgeltpunkte "neu" zu ermitteln.
Die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch auch nicht darauf stützen, durch den Bescheid vom 01. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2004 sei dem Grunde nach Witwenrente bewilligt worden. Abgesehen davon, dass dieser Bescheid im Streit und damit noch nicht bestandskräftig ist, beschränkt sich die Bindungswirkung eines Bescheids nur auf den Verfügungssatz - die Entscheidung über Art, Dauer, Beginn, Ende und Höhe einer Leistung. Sie erstreckt sich nicht auf die Begründung, auch nicht auf deren tragende Elemente. Die Bindungswirkung eines Bescheides reicht so weit, wie über den Anspruch entschieden ist. Demgemäß ist zwischen der materiellen Anspruchsberechtigung (dem Stammrecht) und dem Leistungsanspruch im engeren Sinne, also dem Anspruch auf Zahlung der Leistung (Zahlungsanspruch) zu unterscheiden. Während das Stammrecht entsteht, sobald die materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wird durch den Bewilligungsbescheid (Verwaltungsakt) der Anspruch auf die Leistung für den Einzelfall konkretisiert (Zahlbarmachung). Der Bewilligungsbescheid begründet keinesfalls das Stammrecht; der Erwerb des Stammrechts ist vielmehr nur Grund oder Begründungselement der jeweiligen Bewilligung, die ein Stammrecht - außer dies wäre ausdrücklich tenoriert - nicht zuerkennt. Demgemäß haben vorrangig die für das Recht der Arbeitslosenversicherung zuständigen Senate des BSG stets betont, dass etwa nach Aufhebung der Bewilligungsentscheidung (nach § 45 oder § 48 SGB X) über eine ursprünglich rechtswidrige Bewilligung bei einer späteren Neubeantragung der Leistung der Betroffene sich nicht auf ein früher zu Recht oder zu Unrecht bewilligtes Stammrecht berufen kann (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1994 - 11 RAr 41/94 - BSGE 75, 235 = SozR 3-4100 § 100 Nr. 5 mit zahlreichen Nachweisen). Im Falle der Klägerin kommt hinzu, dass die Beklagte gerade wegen der damals bereits geltenden, wenn auch umstrittenen Begrenzung der Entgeltpunkte im Ergebnis korrekt entschieden und die Zahlung der Witwenrente auf 0,6242 Entgeltpunkte begrenzt hat. Eine Witwenrente ohne Begrenzung ist der Klägerin nie bestandskräftig gewährt worden.
Soweit die Klägerin meint, es müsse noch geprüft werden, ob bei ihr oder dem Versicherten Kindererziehungszeiten, Ersatzzeiten wegen Vertreibung, Flucht sowie eventuell Ersatzzeiten wegen Zwangsarbeit und Verschleppung, die sich aus der Vertriebeneneigenschaft ergeben könnten, gekürzt werden dürfen, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass der Altersrentenbescheid der Klägerin nicht im Streit ist, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass bei der der Klägerin gezahlten Altersrente die Entgeltpunkte nicht auf 25 begrenzt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass beim Versicherten Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen sind, liegen nicht vor. Auch die Klägerin hat solche für den Versicherten nicht geltend gemacht. Im Übrigen sind beim Versicherten ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 01. Juli 2004 nur aus FRG-Zeiten Entgeltpunkte ermittelt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Anders als im Fall des Urteils des BSG vom 25. Januar 2011 ist auch eine Kostenerstattung für die erste Instanz nicht zu erwägen, da das angefochtene Urteil vom 08. September 2005 nach Inkrafttreten des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes im Jahr 2004 ergangen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin eine höhere Witwenrente zu gewähren ist.
Die am 1932 in O. in Russland geborene Klägerin ist Witwe des am 1930 in Russland geborenen und am 1996 dort verstorbenen A. K. (im Folgenden Versicherter). Am 07. Oktober 1996 siedelte die Klägerin aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland über, wo sie als Spätaussiedlerin im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt wurde.
Seit dem Tag ihres Zuzugs bezieht die Klägerin von der Landesversicherungsanstalt Württemberg, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), unter Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannten Beitragszeiten um 40 vom Hundert (v.H.) durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6 Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres (Bescheid vom 14. Juli 1997/Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1998, anfänglicher monatlicher Bruttobetrag DM 1.137,62, anrechenbare Entgeltpunkte nach dem FRG 24,3758). Den von der Klägerin am 25. August 2004 gestellten Antrag auf Neufeststellung der Altersrente, mit dem sie sich gegen die Absenkung der Entgeltpunkte um 40 v.H. und die Begrenzung auf höchstens 25 Entgeltpunkte wandte, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27. August 2004 ab.
Den am 19. November 1996 gestellten Antrag auf Witwenrente nahm die Klägerin, nachdem ihr die Beklagte mitgeteilt hatte, dass bei Aufrechterhaltung des Antrags auf Witwenrente wegen der Begrenzung der Altersrente auf 12,7113 Entgeltpunkte und der Witwenrente auf 12,2887 Entgeltpunkte der insgesamt zu zahlende Betrag für beide Renten geringer als der für die Altersrente zu zahlende Betrag ausfallen würde, am 09. Juli 1997 zunächst zurück. Auf ihren Antrag vom 18. Mai 2004, ihr die am 19. November 1996 beantragte große Witwenrente ab dem 07. Oktober 1996, hilfsweise ab Mai 2003, neben der Altersrente zu gewähren und auszuzahlen, bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 01. Juli 2004 große Witwenrente ab 07. Oktober 1996, zahlbar ab 01. Januar 2000 (anfänglicher monatlicher Bruttobetrag DM 18,09; monatlicher Bruttobetrag ab 01. Januar 2005 EUR 9,79; anrechenbare Entgeltpunkte nach dem FRG 20,1764; begrenzt auf 0,6242 Entgeltpunkte).
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie wandte sich gegen die Begrenzung der anrechenbaren Zeiten gemäß § 22b Abs. 1 FRG auf 25 Entgeltpunkte. Dies entspreche nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach eine Witwenrente bis zu einer Höhe von weiteren 15 Entgeltpunkten auszuzahlen sei, wenn bereits Leistungen aus eigener Versicherung gezahlt würden. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits im Jahr 2001 erstmals entschieden und im März und Juli 2004 (Urteil des BSG vom 07. Juli 2004 - B 8 KN 10/03 R -) bestätigt. Die - unterstellte - Intention des Gesetzgebers, mit Einführung des § 22b FRG alle Rentenansprüche einer Person auf 25 Entgeltpunkte zu beschränken, sei im Gesetz nicht klar und unmissverständlich geregelt worden. Die ursprüngliche Regelung sei noch maßgeblich, da das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) noch nicht in Kraft getreten sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Die Begrenzungsregelung des § 22b Abs. 1 FRG sei zwischenzeitlich vom Gesetzgeber mit Art. 8 (richtig Art. 9) Nr. 2 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 07. Mai 1996 klargestellt worden. Entgegen der Auffassung des BSG werde auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eine eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten insgesamt auf 25 Entgeltpunkte begrenzt. Mit dem rückwirkenden Inkraftsetzen der Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber außerdem zum Ausdruck gebracht, dass er die Auslegung der Begrenzungsregelung bereits von Anfang an so verstanden habe wolle. Der bisherigen BSG-Rechtsprechung komme demnach über die Einzelfälle hinaus keine Bedeutung zu.
Deswegen erhob die Klägerin am 05. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie trug vor, für die Gesamtbegrenzung ihrer eigenen Versicherung mit der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes auf 25 Entgeltpunkte finde sich weder nach altem noch nach neuem Recht eine gesetzliche Grundlage. § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG sei nur anwendbar, wenn es um die Festsetzung eigener Rentenansprüche des Berechtigten gehe. Dies sei vom BSG mit Urteilen vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R), vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R) und vom 17. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R) unmissverständlich und wiederholt klargestellt worden. Hieran sei die Beklagte gemäß Art. 20 Grundgesetz (GG) gebunden. Grundsatzentscheidungen des BSG könnten nicht mit der - nicht zutreffenden - Begründung, es handle sich um einen Einzelfall, ignoriert werden. Eine anerkannte Rente müsse auch ausbezahlt werden. Alles andere stelle einen Verstoß gegen Art. 14 GG dar. Vorsorglich werde (vgl. Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - 1 BvR 476/02 -) die Verfassungsmäßigkeit von § 22b FRG a.F. bestritten. Auch die durch das RV-Nachhhaltigkeitsgesetz erfolgte Neufassung des § 22b FRG stehe ihrem Anspruch nicht entgegen. Diese Norm finde nach § 300 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) schon keine Anwendung. Unabhängig davon sei das Inkrafttreten der Vorschrift durch Verkündung am 26. Juli 2004 mit rückwirkender Wirkung vom 07. Mai 1996 unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes und der vom BVerfG zur "Rückwirkung von Gesetzen" ergangenen Entscheidungen verfassungswidrig. Hilfsweise und rein vorsorglich werde ihr Anspruch auf Hinterbliebenenrente außerdem auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gestützt. Das Verhalten der Beklagten, eine Entscheidung nach den bestehenden Gesetzen zu verweigern und stattdessen auf die Verabschiedung der zwischenzeitlich erfolgten Neufassung der hier streitgegenständlichen Norm durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz zu warten, sei rechtswidrig und nicht akzeptabel. Der Anspruch auf große Witwenrente sei von der Beklagten durch rechtskräftigen Bescheid anerkannt und bewilligt worden. Damit sei diese verpflichtet, ihr die Witwenrente in festgestellter Höhe auszubezahlen. Sie habe, nachdem der Rentenfaktor von 0,6 dazu führe, dass die Entgeltpunkte aus der Hinterbliebenenrente auf 15 Entgeltpunkte begrenzt würden, insgesamt einen Anspruch auf zwei Renten mit einer Begrenzung auf höchstens 40 Entgeltpunkte.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 08. September 2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Klägerin habe unter Berücksichtigung von § 22b Abs. 1 FRG keinen Anspruch auf Auszahlung der ihr dem Grunde nach zuerkannten großen Witwenrente nach dem Versicherten. § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG begrenze die anrechenbaren Zeiten nach dem FRG auf 25 Entgeltpunkte und finde auch dann Anwendung, wenn ein Begünstigter neben einem Recht aus eigener Versicherung ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente habe. § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes sei rückwirkend anzuwenden. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI komme nicht zur Anwendung. Durch die Änderung des § 22b FRG in seinem Wortlaut habe der Gesetzgeber eindeutig klargestellt, dass die Vorschrift auch beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten anzuwenden sei. Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit von § 22b FRG sowohl in der alten wie in der neuen Fassung bestünden keine Bedenken. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei ebenfalls nicht gegeben.
Gegen das am 24. September 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. Oktober 2005 Berufung eingelegt (zunächst geführt unter L 4 R 4370/05). Zur Begründung hat sie zunächst vorgetragen, die Hinterbliebenenrente sei durch bestandskräftigen Bescheid anerkannt und festgestellt worden. Damit sei sie zur Auszahlung zu bringen. Das BSG habe zu § 22b FRG, zumindest in der alten Fassung, entschieden, dass aufgrund der besonderen Funktion der Hinterbliebenenrente § 22b FRG dann nicht zur Anwendung komme, wenn eine solche Rente mit einem Recht auf Rente aus einem eigenen Versicherungsverhältnis zusammentreffe. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 22 FRG a. F., bei systematischer Auslegung der Norm und aus Sinn und Zweck der bisherigen Regelung. Es sei auch nicht ersichtlich, warum ein Anspruch eines Hinterbliebenen ohne Spätaussiedlerstatus, bei dem die Beschränkungen aus §§ 22 f. FRG nicht zur Anwendung kämen, höher sein sollte als der Anspruch eines Hinterbliebenen mit einem solchen. Dies verstoße gegen Art. 3 GG. Mit § 22b FRG a.F. habe der Gesetzgeber zumindest versäumt, durch eine unmissverständliche Regelung im Gesetz seine Absicht, bei neu zuziehenden Spätaussiedlern das bisherige Eingliederungsprinzip durch eine Grundsicherung zu ersetzen, in entsprechende Normen zu verankern. Die nunmehrige Regelung des § 22b n. F. sei bezugnehmend auf das bisherige Vorbringen nicht beachtlich. Die Rechtsauffassung des 5. und 8. Senats des BSG zur Vereinbarkeit der echten Rückwirkung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes mit dem GG werde nicht geteilt (Urteile vom 21. Juni - B 8 KN 1/05 R u.a. - und 05. Oktober 2005 - B 5 RJ 39/04 R und B 5 RJ 57/03 R -). Selbst wenn man davon ausginge, dass § 22b FRG n.F. grundsätzlich Anwendung fände, so wäre ihr Anspruch zumindest für die Zeit vor Inkrafttreten der neuen Vorschrift durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz teilweise begründet. Jedenfalls für die Zeit bis zum 31. Juli 2004 stehe die erfolgte Neufassung der Norm ihrem Anspruch auf Auszahlung der Hinterbliebenenrente nicht entgegen. Das Landessozialgericht hat aufgrund übereinstimmenden Antrags der Beteiligten im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats des BSG zum BVerfG vom 29. August 2006 (B 13 RJ 47/04 R u.a.) durch Beschluss vom 30. März 2007 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11/06 u.a.) über die Vorlagebeschlüsse entschieden hat, hat die Klägerin am 31. Januar 2011 das Verfahren wieder angerufen. Sie ist dabei verblieben, dass ihr vor rückwirkendem Inkrafttreten des § 22b FRG am 01. Juli 2004 bestandskräftig große Witwenrente ohne Einschränkungen im Tenor des Bescheids bewilligt worden sei, so dass die gesamte Witwenrente zu zahlen sei. Im Übrigen sei zu prüfen, ob alle Entgeltpunkte, die für die Berechnung ihrer Altersrente und beim Versicherten zugrundegelegt worden seien, sog. "FRG-Punkte" seien. Herauszurechnen seien Ersatzzeiten, Kindererziehungszeiten sowie Zeiten, die nach dem SGB VI rentenbegründend seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheids vom 01. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2004 ab 01. Januar 2000 höhere Witwenrente auf der Grundlage der für den Versicherten zu berücksichtigenden 20,1764 Entgeltpunkten, hilfsweise auf der Basis von 15 Entgeltpunkten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist auf die Entscheidungen des 5. und 8. Senats des BSG (a.a.O.). Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Ausführungen im Bescheid vom 01. Juli 2004 eindeutig seien. Es seien auch ausschließlich aus FRG-Zeiten Entgeltpunkte ermittelt worden. Selbst bei Berücksichtigung von Ersatzzeiten ergäbe sich bei der Anwendung der Begrenzungsregelung des § 22b FRG hinsichtlich der zu berücksichtigenden Entgeltpunkte keine Änderung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Da die Klägerin Rente für den Zeitraum von mehr als einem Jahr begehrt, ist die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfüllt. Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 08. September 2005 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 01. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2004 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine höhere Witwenrente steht der Klägerin nicht zu. Die von der Beklagten bei der Rentenberechnung vorgenommene Begrenzung der Entgeltpunkte auf 0,6242 für die nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten des Versicherten folgt aus § 22b FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes. Diese Norm ist verfassungsgemäß.
Das Begehren der Klägerin, die bezüglich des Beginns der von ihr begehrten höheren Witwenrente keinen konkreten Antrag gestellt hat, ist sachgerecht dahin auszulegen (§ 123 SGG), dass sie höhere Witwenrente ab dem Zeitpunkt begehrt, ab dem ihr die Beklagte Witwenrente zahlt, d.h. ab 01. Januar 2000. Dass das Begehren der Klägerin darauf gerichtet ist, ergibt sich daraus, dass sie sich im Verfahren stets "nur" gegen die Begrenzung der Entgeltpunkte wendet, den Beginn der Zahlung jedoch nicht beanstandet. Einem darüberhinausgehenden Begehren stünde auch entgegen, dass die Klägerin den hier streitgegenständlichen Antrag - den am 19. November 1996 gestellten Antrag hatte die Klägerin zurückgenommen - erst am 18. Mai 2004 gestellt hat und damit auch aus materiell-rechtlichen Gründen der Klägerin vor dem 01. Januar 2000 kein Anspruch auf höhere Witwenrente zustünde, nachdem eine Hinterbliebenenrente nach § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet wird. Auch bei Bejahung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs der Klägerin aufgrund fehlerhafter Beratung durch die Beklagte im Zusammenhang mit der Rücknahme des Antrags vom 19. November 1996 stünde der Klägerin eine Leistung rückwirkend erst ab 01. Januar 2000 zu, da insoweit in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 9).
Die so gefasste Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ab 01. Januar 2000 steht ihr kein höherer Anspruch auf Witwenrente zu. Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz steht dem entgegen (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 25. Januar 2011 - B 5 R 47/10 R - in Juris).
Die Klägerin, die als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG anerkannt ist und deren Rechtsstellung in der gesetzlichen Rentenversicherung sich nach dem FRG richtet (vgl. § 13 BVFG), kann gemäß § 1 Buchstabe a FRG ihre Rechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften geltend machen (vgl. § 14 FRG), soweit sich aus den dieser Bestimmung nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin dem Grunde nach. Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich nach § 64 Nr. 1 SGB VI u.a. aus den Entgeltpunkten. Da der Versicherte Beitragszeiten nur in den Vertreibungsgebieten zurückgelegt hat und die Anwartschaft allein aus in den Vertreibungsgebieten zurückgelegten Zeiten erworben worden ist, ist § 22b Abs. 1 FRG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift in der mit Wirkung vom 07. Mai 1996 (Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz) durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz, formal modifiziert durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 09. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3242), geltenden Fassung lautet: Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz (FRG) werden für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde gelegt (Satz 1). Hierbei sind zuvor die Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung mit dem Wert 1,3333 zu multiplizieren (Satz 2). Die Entgeltpunkte aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor sind vorrangig zu berücksichtigen (Satz 3). Danach können für eine Witwenrente ab 01. Januar 2000 nur 0,6242 Entgeltpunkte berücksichtigt werden. Denn die Klägerin bezieht seit 07. Oktober 1996 auch eine Altersrente (Bescheid vom 14. Juli 1997/Widerspruchsbescheid 23. Juli 1998). Dieser ihr bewilligten Rente liegen bereits 24,3758 Entgeltpunkte nach dem FRG zugrunde. Der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte ist bei den Altersrenten mit 1,0 höher (vgl. § 67 Nr. 1 SGB VI) als die Rentenartfaktoren mit 0,6, seit 01. Januar 2002 mit 0,55 bei großen Witwenrenten nach Ablauf des so genannten Sterbevierteljahres für persönliche Entgeltpunkte in der allgemeinen Rentenversicherung (vgl. § 67 Nr. 6 SGB VI). Indem bei der Altersrente der Klägerin bereits 24,3758 Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit durch Gewährung der Witwenrente unter Berücksichtigung von 0,6242 Entgeltpunkten die Höchstpunktzahl erreicht, die § 22b Abs.1 Satz 1 FRG n.F. für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes höchstens zulässt. Damit war für eine große Witwenrente nur ein Monatsbetrag der Rente (§ 64 SGBVI) auf der Basis von 0,6242 Entgeltpunkten festzustellen.
Art 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist mit dem GG vereinbar, soweit hierdurch die Höhe solcher Hinterbliebenenrenten beschränkt wird, die allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen und die ohne die in § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind. Dies hat das BVerfG mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 ff.; Entscheidungsformel veröffentlicht in BGBl. I 2010, S. 1358) entschieden. Diese Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) Gesetzeskraft. Eine abweichende Beurteilung ist damit für den Senat nicht möglich.
Auch übergangsrechtliche Vorschriften vermag die Klägerin für sich nicht in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzes von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme hiervon schreibt § 300 Abs. 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzes und durch dieses Gesetz ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Nach § 300 Abs. 3 SGB VI gilt: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln, sind die Vorschriften maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren. Diese allgemeine Übergangsnorm wird durch den spezielleren Art. 6 § 4 Abs. 4a Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) verdrängt, der seit dem 01. Januar 2001 in Kraft ist und speziell für das FRG - im Wesentlichen wortgleich - das Folgende regelt: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln, sind die Vorschriften des FRG maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren, soweit § 317 Abs. 2a SGB VI nichts anderes bestimmt.
Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG ist gemäß Art. 9 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 07. Mai 1996 in Kraft getreten und nach der Grundregel des § 300 Abs. 1 SGB VI auch auf einen Sachverhalt anzuwenden, der - wie die Biographie des Versicherten - bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Die gleichzeitig aufgehobene Altfassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG gilt nicht nach § 300 Abs. 2 SGB VI ausnahmsweise fort. Denn die Klägerin hatte am 07. Mai 1996 (noch) keinen durchsetzbaren Anspruch auf Witwenrente. Ihr Witwenrentenanspruch ist nämlich erst mit ihrem Zuzug im Oktober 1996 entstanden. Dass das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert hieran nichts, da der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs. 2 SGB VI nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes aufgrund seiner Verkündung bezeichnet, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen Änderungsgesetzes ergibt (BSG a.a.O. mit Nachweisen). Ebenso wenig ist Art. 6 § 4 Abs. 4a FANG einschlägig. Auch insoweit hatte die Klägerin am 07. Mai 1996 bereits dem Grunde nach (noch) kein Recht auf eine große Witwenrente ohne die hier streitige Begrenzung. Erst recht wurde eine derartige Rente daher vor Inkrafttreten des anzuwendenden Rechts weder geleistet noch waren aus diesem Grund Entgeltpunkte "neu" zu ermitteln.
Die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch auch nicht darauf stützen, durch den Bescheid vom 01. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2004 sei dem Grunde nach Witwenrente bewilligt worden. Abgesehen davon, dass dieser Bescheid im Streit und damit noch nicht bestandskräftig ist, beschränkt sich die Bindungswirkung eines Bescheids nur auf den Verfügungssatz - die Entscheidung über Art, Dauer, Beginn, Ende und Höhe einer Leistung. Sie erstreckt sich nicht auf die Begründung, auch nicht auf deren tragende Elemente. Die Bindungswirkung eines Bescheides reicht so weit, wie über den Anspruch entschieden ist. Demgemäß ist zwischen der materiellen Anspruchsberechtigung (dem Stammrecht) und dem Leistungsanspruch im engeren Sinne, also dem Anspruch auf Zahlung der Leistung (Zahlungsanspruch) zu unterscheiden. Während das Stammrecht entsteht, sobald die materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wird durch den Bewilligungsbescheid (Verwaltungsakt) der Anspruch auf die Leistung für den Einzelfall konkretisiert (Zahlbarmachung). Der Bewilligungsbescheid begründet keinesfalls das Stammrecht; der Erwerb des Stammrechts ist vielmehr nur Grund oder Begründungselement der jeweiligen Bewilligung, die ein Stammrecht - außer dies wäre ausdrücklich tenoriert - nicht zuerkennt. Demgemäß haben vorrangig die für das Recht der Arbeitslosenversicherung zuständigen Senate des BSG stets betont, dass etwa nach Aufhebung der Bewilligungsentscheidung (nach § 45 oder § 48 SGB X) über eine ursprünglich rechtswidrige Bewilligung bei einer späteren Neubeantragung der Leistung der Betroffene sich nicht auf ein früher zu Recht oder zu Unrecht bewilligtes Stammrecht berufen kann (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1994 - 11 RAr 41/94 - BSGE 75, 235 = SozR 3-4100 § 100 Nr. 5 mit zahlreichen Nachweisen). Im Falle der Klägerin kommt hinzu, dass die Beklagte gerade wegen der damals bereits geltenden, wenn auch umstrittenen Begrenzung der Entgeltpunkte im Ergebnis korrekt entschieden und die Zahlung der Witwenrente auf 0,6242 Entgeltpunkte begrenzt hat. Eine Witwenrente ohne Begrenzung ist der Klägerin nie bestandskräftig gewährt worden.
Soweit die Klägerin meint, es müsse noch geprüft werden, ob bei ihr oder dem Versicherten Kindererziehungszeiten, Ersatzzeiten wegen Vertreibung, Flucht sowie eventuell Ersatzzeiten wegen Zwangsarbeit und Verschleppung, die sich aus der Vertriebeneneigenschaft ergeben könnten, gekürzt werden dürfen, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass der Altersrentenbescheid der Klägerin nicht im Streit ist, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass bei der der Klägerin gezahlten Altersrente die Entgeltpunkte nicht auf 25 begrenzt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass beim Versicherten Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen sind, liegen nicht vor. Auch die Klägerin hat solche für den Versicherten nicht geltend gemacht. Im Übrigen sind beim Versicherten ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 01. Juli 2004 nur aus FRG-Zeiten Entgeltpunkte ermittelt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Anders als im Fall des Urteils des BSG vom 25. Januar 2011 ist auch eine Kostenerstattung für die erste Instanz nicht zu erwägen, da das angefochtene Urteil vom 08. September 2005 nach Inkrafttreten des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes im Jahr 2004 ergangen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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