Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 SF 3488/11 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen Richter S. ist unbegründet.
Gründe:
I.
Der Kläger macht mit der seit 05. April 2011 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängigen Klage eine Untätigkeit der Beklagten im Hinblick auf den Erlass einer Kostenentscheidung nach § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wegen eines auf einen Widerspruch des Klägers von der Beklagten erlassenen Abhilfebescheids vom 10. Februar 2010 geltend. Wegen der fehlenden Kostenentscheidung in diesem Abhilfebescheid erhob der Kläger auch Widerspruch, über den bislang nicht entschieden ist. Die Beklagte ist der Ansicht, dass keine Untätigkeit vorliege. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erlass eines Abhilfebescheids nach § 63 SGB X und auf Kostenerstattung.
Nach vorheriger Ankündigung bestimmte Richter S. unter dem 15. Juni 2011 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf Freitag, den 01. Juli 2011. In der Terminsbestimmung wurde der Beklagten aufgegeben, zum Termin einen über die Sach- und Rechtslage unterrichteten Beschäftigten im Sinne von § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entsenden, dem Kläger wurde die Entsendung eines Beschäftigten freigestellt. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2011 beantragte die Beklagte unter Hinweis auf mögliche Ersatztermine Terminsverlegung, da ihre Vertreterin an diesem Tag bereits einen anderweitigen Gerichtstermin habe. Hierauf teilte Richter S. der Beklagten unter dem 22. Juni 2011 mit, dass gemäß § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs.1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ein Gerichtstermin nur aus erheblichen Gründen verlegt werden könne. Dem Antrag sei eine Kopie der Ladung/Terminsbestimmung, die die Teilnahme am hiesigen Termin verhindere, nicht beigefügt. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass die Verhinderung des zuständigen Sachbearbeiters bei einem Versicherungsträger bzw. einer Behörde in der Regel keinen Verlegungsgrund darstelle. Denn insoweit dürfe grundsätzlich eine Wahrnehmung des Termins durch einen Vertreter möglich sein. Es werde gebeten, für eine Vertretung zu sorgen, falls der Termin nicht selbst wahrgenommen werden könne. Bei Vorlage der anderweitigen Terminsbestimmung könne der Beginn des Termins gegebenenfalls auf den früheren Morgen oder Nachmittag verschoben werden. Hierauf teilte die Beklagte am 27. Juni 2011 mit, dass am 01. Juli 2011 definitiv niemand von ihr - auch kein Vertreter - zur mündlichen Verhandlung erscheinen könne. Anderweitige Gerichtstermine zum gleichen Zeitpunkt seien grundsätzlich ein wichtiger Grund. Außerdem stelle die Verlegung von Gerichtsterminen weder an Zivil- noch an Sozialgerichten ein Problem dar. Wenn es nicht wichtig sei, dass die Prozessparteien zu dem anberaumten Termin tatsächlich Zeit hätten, müsse Richter S. nur mit einer Partei "verhandeln". Mit Verfügung vom 28. Juni 2011 hob Richter S. daraufhin den auf 01. Juli 2011 bestimmten Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf. Unter dem 07. Juli 2011 bestimmte Richter S. einen im Gerichtsgebäude des SG in Stuttgart stattfindenden Termin zur mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, den 28. Juli 2011, 12.30 Uhr. Gleichzeitig ordnete er das persönliche Erscheinen der Beklagten gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGG unter Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld an. Dem Kläger stellte er weiter frei, zum Termin einen Beschäftigten zu entsenden. Mit Schreiben vom 12. Juli 2011 wandte sich Richter S. außerdem an den Vorstand der Beklagten. Er informierte über den Sachverhalt hinsichtlich des Verlegungsantrags und bat darum, Maßnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholung zu verhindern. Für den Fall, dass sich ein Vorfall der geschilderten Art wiederhole, werde die Kammer künftig bei Gerichtsterminen, die eine Teilnahme der Beklagten erfordere, das persönliche Erscheinen des Vorstandes anordnen, um gegebenenfalls Ordnungsmittel ergreifen zu können. Am 13. Juli 2011 beantragte die Beklagte sinngemäß die Verlegung des auf 28. Juli 2011 anberaumten Termins. Zur Begründung führte sie aus, am 28. Juli 2011 sei um 15.20 Uhr bereits ein Termin zur mündlichen Verhandlung im Sozialgericht Reutlingen/Räume des Rathauses Balingen (einstweiliger Rechtsschutz) anberaumt. Die Termine zeitlich nacheinander wahrzunehmen sei nicht möglich, zumal es erfahrungsgemäß bei den vorangehenden Terminen (hier vier SG-Verfahren von 09.00 Uhr bis 11.30 Uhr) zu zeitlichen Verschiebungen komme. Als mögliche Termine wurde entweder ein Tausch mit einem Vormittagstermin des SG oder die Anberaumung eines Ersatztermins vorgeschlagen. Beigefügt war die Terminsbestimmung des Sozialgerichts Reutlingen vom 07. Juli 2011 im Verfahren S 9 KR 1835/11 ER. Hierauf erwiderte Richter S. mit Schreiben vom 14. Juli 2011, dass eine weitere Verzögerung des Verfahrens nur aus triftigen Gründen hinnehmbar sei. Eine erneute Verlegung des Gerichtstermins dürfte auch nicht notwendig sein. Der Routenplaner sehe für die Strecke zwischen dem SG und dem Rathaus Balingen eine Fahrtzeit von einer Stunde vor. Angesichts des zeitlichen Abstands zwischen den Terminen von ca. zwei Stunden dürfte die Wahrnehmung beider Termine möglich sein. Im Übrigen werde auf den Hinweis der Kammer vom 22. Juni 2011 verwiesen, gegebenenfalls sei für eine Vertretung zu sorgen.
Mit am 20. Juli 2011 eingegangenem Schriftsatz vom 18. Juli 2011 erhob die Beklagte daraufhin Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Richter S. und lehnte ihn gleichzeitig wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Im konkreten Fall stelle sich die Frage, ob Richter S. den Fall überhaupt noch unbefangen entscheiden könne. Ergänzend führte die Beklagte mit Schriftsatz vom 02. September 2011 aus, Richter S. habe den Kläger und sie - die Beklagte - ungleich behandelt, indem er dem Kläger das Erscheinen zum Termin freigestellt habe, während sie verpflichtet worden sei, einen Parteivertreter zu entsenden, und ihr für den Fall des Nichterscheinens Zwangsgeld angedroht worden sei. Auch die Bezeichnung der Klage als "Untätigkeitsklage" und des zweiten Verlegungsantrags als weitere "Verfahrensverzögerung" sei unsachlich. Richter S. hätte den Termin zur mündlichen Verhandlung am 01. Juli 2011 gar nicht aufheben müssen, er hätte ohne ihren - der Beklagten - Vertreter verhandeln oder einen Gerichtsbescheid erlassen können. Außerdem sei Richter S. nicht auf die Möglichkeit der Verlegung des Termins eingegangen. Die zeitliche Kalkulation im Schreiben vom 14. Juli 2011 sei praxisfremd. Vermutlich hätte die mündliche Verhandlung von 13.00 bis 14.00 Uhr gedauert. An einem Freitagnachmittag wäre die Distanz vom SG zum Rathaus Balingen wegen des Verkehrsaufkommens nicht in einer Stunde passierbar. Ungeachtet dessen habe sie - die Beklagte - auf das Schreiben vom 14. Juli 2011 nicht reagiert und sich darauf eingerichtet, den Termin am 28. Juli 2011 um 12.30 Uhr persönlich wahrzunehmen und zum anderen Termin am gleichen Tag eine Kollegin zu entsenden. Schließlich sei die Beschwerde von Richter S. bei ihrem - der Beklagten - Vorstand eine gänzlich unangemessene richterliche Unmutsäußerung, weshalb nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass Richter S. den Rechtsstreit neutral entscheiden werde.
Nachdem Präsident des SG E. die Dienstaufsichtsbeschwerde zurückgewiesen hatte, hat das SG die Akten mit einer dienstlichen Erklärung von Richter S. vom 15. August 2011 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt. Richter S. hat in seiner Erklärung ausgeführt, dass er der Sache nach wie vor unvoreingenommen gegenüberstehe.
II.
Das Ablehnungsgesuch gegen Richter S. ist unbegründet.
Nach §§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGG, 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 19. Januar 2010 - B 11 AL 13/09 C -, in juris). Eine rein subjektive Vorstellung des Ablehnenden scheidet aus. Ein von der Prozessordnung gedecktes Verhalten des Richters, das der sachgemäßen Behandlung des anhängigen Rechtsstreits dient, kann ein Ablehnungsgesuch regelmäßig nicht begründen. Dies gilt selbst dann, wenn die dem zugrunde liegende Rechtsansicht falsch ist. Die Besorgnis der Befangenheit ist nach den genannten Vorschriften erst dann gerechtfertigt, wenn sich in der Verfahrensweise des Richters eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -).
Die Voraussetzungen für eine Richterablehnung sind hier nicht gegeben.
Die Beklagte stützt ihr Ablehnungsgesuch zum einen darauf, dass Richter S. zu den Terminen ihr - der Beklagten - jeweils die Entsendung eines Beschäftigten auferlegt habe, während dies dem Kläger freigestellt worden sei. Dies mag aus Sicht der Beklagten zwar eine Ungleichbehandlung darzustellen. Dies allein rechtfertigt jedoch nach den oben dargelegten allgemeinen Maßstäben nicht eine Besorgnis der Befangenheit. Es steht im Ermessen des Vorsitzenden, das persönliche Erscheinens nur eines Beteiligten anzuordnen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 111 Rdnr. 2b). Dies erfolgt insbesondere dann, wenn die Erörterung mit einem der Beteiligten erforderlich erscheint. Um die Anwesenheit eines Beteiligten sicherzustellen, steht seit 01. Juli 2008 nach Aufhebung des § 111 Abs. 3 SGG nur die Möglichkeit zur Verfügung, gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG das persönliche Erscheinen eines Beteiligten, auch einer juristischen Person, anzuordnen. Da juristische Personen durch ihre Organe - bei Krankenkassen der Vorstand (§35a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)) - handeln, müsste in einem solchen Fall zwar der Vorstand erscheinen. Der juristischen Person steht es jedoch frei, zur Verhandlung einen Vertreter zu entsenden, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist (§§ 202 SGG, 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Von der Anordnung soll nur dann abgesehen werden, wenn einem Beteiligten wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund das persönliche Erscheinen nicht zuzumuten ist (§§ 202 SGG, 141 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Solche Gründe sind hinsichtlich der Beklagten hier nicht erkennbar.
Das Verhalten von Richter S. im Zusammenhang mit der Behandlung ihrer Verlegungsanträge vermag eine Besorgnis der Befangenheit von Richter S. nicht zu begründen. Zum einen hat Richter S. den zunächst auf 01. Juli 2011 anberaumten Erörterungstermin auf den Verlegungsantrag der Beklagten aufgehoben. Zum anderen hat die Beklagte an ihrem ursprünglichen Verlegungsantrag nicht festgehalten, sondern sich darauf eingerichtet, dass eine Mitarbeiterin den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2011 doch wahrnehmen werde, ohne dies allerdings dem SG mitzuteilen. Dies ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 02. September 2011. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Beklagte in ihren Verlegungsanträgen die Hinderungsgründe nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat. Dem ersten Verlegungsantrag waren keinerlei Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Hinderungsgründe beigefügt. Sie sind erst nach Aufforderung durch Richter S. mitgeteilt und glaubhaft gemacht worden, woraufhin Richter S. den auf den 01. Juli 2011 anberaumten Erörterungstermin unverzüglich aufgehoben hat. Den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2011 hat Richter S. auf einen Tag anberaumt, den die Beklagte im ersten Verlegungsantrag ausdrücklich als möglichen Ersatztermin genannt hatte. Zwar war zwischenzeitlich durch das Sozialgericht Reutlingen für diesen Tag einen Erörterungstermin anberaumt. Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, weshalb eine Verlegung des vom Sozialgericht Reutlingen anberaumten Erörterungstermins unmöglich war. Ist auf Antrag eines Beteiligten bereits einmal ein Termin verlegt worden, ist es diesem Beteiligten nunmehr zuzumuten, zur Erlangung des rechtlichen Gehörs Terminskollisionen unter Zurückstellung anderweitiger Interessen aufzulösen oder geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um für eine Vertretung im Termin zu sorgen (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Juni 2007 - B 2 U 55/07 B -, SozR 4-1750 § 227 Nr. 1). Wenn die Beklagte der Auffassung ist, die Fahrzeit vom SG zum Sozialgericht Reutlingen sei nicht ausreichend, beide Termine wahrnehmen zu können, hätte sie auch beim Sozialgericht Reutlingen die Verlegung des Termins auf eine spätere Uhrzeit beantragen können. Weshalb dies unterblieben ist, hat die Beklagte ebensowenig dargelegt wie die Tatsache, weshalb eine Vertretung durch einen weiteren Mitarbeiter nicht möglich sei.
Auch der von der Beklagten erhobene Vorwurf, die Bezeichnung der Klage als "Untätigkeitsklage" und des zweiten Verlegungsantrags als weitere "Verfahrensverzögerung" durch Richter S. sei unsachlich, rechtfertigt nicht den Vorwurf der Befangenheit. Ein zweiter Verlegungsantrag führt zweifelsohne zur Verfahrensverzögerung, so dass die Bezeichnung nicht unzutreffend und damit auch nicht unsachlich ist. Ob es sich hier tatsächlich um eine Untätigkeitsklage - der Kläger hat seine Klage ausdrücklich als solche bezeichnet (S. 5 des Schriftsatzes vom 17. Mai 2011 - handelt, kann dahingestellt bleiben, denn auch die - fälschliche - Bezeichnung einer Klage als Untätigkeitsklage vermag, nachdem - wie ausgeführt - eine geäußerte falsche Rechtsansicht nicht zur Befangenheit führt, ein Ablehnungsgesuch regelmäßig nicht zu begründen. Eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung tritt dadurch nicht zu Tage.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund des Schreibens von Richter S. an den Vorstand der Beklagten. Richter S. schilderte im Schreiben vom 12. Juli 2011 den bisherigen Verfahrensgang in zutreffender Weise. Auch seine Hinweise auf die Voraussetzungen für die Prozessvertretung und Terminswahrnehmung durch Sozialversicherungsträger und auf die rechtliche Möglichkeit, das persönliche Erscheinen des Vorstands anzuordnen, um gegebenenfalls Ordnungsmittel zu ergreifen, stellen die Rechtslage zutreffend dar. Auch die Annahme einer unsachlichen Verfahrensführung vermag dieses Schreiben von Richter S. nicht zu rechtfertigen.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§177 SGG).
Gründe:
I.
Der Kläger macht mit der seit 05. April 2011 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängigen Klage eine Untätigkeit der Beklagten im Hinblick auf den Erlass einer Kostenentscheidung nach § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wegen eines auf einen Widerspruch des Klägers von der Beklagten erlassenen Abhilfebescheids vom 10. Februar 2010 geltend. Wegen der fehlenden Kostenentscheidung in diesem Abhilfebescheid erhob der Kläger auch Widerspruch, über den bislang nicht entschieden ist. Die Beklagte ist der Ansicht, dass keine Untätigkeit vorliege. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erlass eines Abhilfebescheids nach § 63 SGB X und auf Kostenerstattung.
Nach vorheriger Ankündigung bestimmte Richter S. unter dem 15. Juni 2011 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf Freitag, den 01. Juli 2011. In der Terminsbestimmung wurde der Beklagten aufgegeben, zum Termin einen über die Sach- und Rechtslage unterrichteten Beschäftigten im Sinne von § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entsenden, dem Kläger wurde die Entsendung eines Beschäftigten freigestellt. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2011 beantragte die Beklagte unter Hinweis auf mögliche Ersatztermine Terminsverlegung, da ihre Vertreterin an diesem Tag bereits einen anderweitigen Gerichtstermin habe. Hierauf teilte Richter S. der Beklagten unter dem 22. Juni 2011 mit, dass gemäß § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs.1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ein Gerichtstermin nur aus erheblichen Gründen verlegt werden könne. Dem Antrag sei eine Kopie der Ladung/Terminsbestimmung, die die Teilnahme am hiesigen Termin verhindere, nicht beigefügt. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass die Verhinderung des zuständigen Sachbearbeiters bei einem Versicherungsträger bzw. einer Behörde in der Regel keinen Verlegungsgrund darstelle. Denn insoweit dürfe grundsätzlich eine Wahrnehmung des Termins durch einen Vertreter möglich sein. Es werde gebeten, für eine Vertretung zu sorgen, falls der Termin nicht selbst wahrgenommen werden könne. Bei Vorlage der anderweitigen Terminsbestimmung könne der Beginn des Termins gegebenenfalls auf den früheren Morgen oder Nachmittag verschoben werden. Hierauf teilte die Beklagte am 27. Juni 2011 mit, dass am 01. Juli 2011 definitiv niemand von ihr - auch kein Vertreter - zur mündlichen Verhandlung erscheinen könne. Anderweitige Gerichtstermine zum gleichen Zeitpunkt seien grundsätzlich ein wichtiger Grund. Außerdem stelle die Verlegung von Gerichtsterminen weder an Zivil- noch an Sozialgerichten ein Problem dar. Wenn es nicht wichtig sei, dass die Prozessparteien zu dem anberaumten Termin tatsächlich Zeit hätten, müsse Richter S. nur mit einer Partei "verhandeln". Mit Verfügung vom 28. Juni 2011 hob Richter S. daraufhin den auf 01. Juli 2011 bestimmten Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf. Unter dem 07. Juli 2011 bestimmte Richter S. einen im Gerichtsgebäude des SG in Stuttgart stattfindenden Termin zur mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, den 28. Juli 2011, 12.30 Uhr. Gleichzeitig ordnete er das persönliche Erscheinen der Beklagten gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGG unter Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld an. Dem Kläger stellte er weiter frei, zum Termin einen Beschäftigten zu entsenden. Mit Schreiben vom 12. Juli 2011 wandte sich Richter S. außerdem an den Vorstand der Beklagten. Er informierte über den Sachverhalt hinsichtlich des Verlegungsantrags und bat darum, Maßnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholung zu verhindern. Für den Fall, dass sich ein Vorfall der geschilderten Art wiederhole, werde die Kammer künftig bei Gerichtsterminen, die eine Teilnahme der Beklagten erfordere, das persönliche Erscheinen des Vorstandes anordnen, um gegebenenfalls Ordnungsmittel ergreifen zu können. Am 13. Juli 2011 beantragte die Beklagte sinngemäß die Verlegung des auf 28. Juli 2011 anberaumten Termins. Zur Begründung führte sie aus, am 28. Juli 2011 sei um 15.20 Uhr bereits ein Termin zur mündlichen Verhandlung im Sozialgericht Reutlingen/Räume des Rathauses Balingen (einstweiliger Rechtsschutz) anberaumt. Die Termine zeitlich nacheinander wahrzunehmen sei nicht möglich, zumal es erfahrungsgemäß bei den vorangehenden Terminen (hier vier SG-Verfahren von 09.00 Uhr bis 11.30 Uhr) zu zeitlichen Verschiebungen komme. Als mögliche Termine wurde entweder ein Tausch mit einem Vormittagstermin des SG oder die Anberaumung eines Ersatztermins vorgeschlagen. Beigefügt war die Terminsbestimmung des Sozialgerichts Reutlingen vom 07. Juli 2011 im Verfahren S 9 KR 1835/11 ER. Hierauf erwiderte Richter S. mit Schreiben vom 14. Juli 2011, dass eine weitere Verzögerung des Verfahrens nur aus triftigen Gründen hinnehmbar sei. Eine erneute Verlegung des Gerichtstermins dürfte auch nicht notwendig sein. Der Routenplaner sehe für die Strecke zwischen dem SG und dem Rathaus Balingen eine Fahrtzeit von einer Stunde vor. Angesichts des zeitlichen Abstands zwischen den Terminen von ca. zwei Stunden dürfte die Wahrnehmung beider Termine möglich sein. Im Übrigen werde auf den Hinweis der Kammer vom 22. Juni 2011 verwiesen, gegebenenfalls sei für eine Vertretung zu sorgen.
Mit am 20. Juli 2011 eingegangenem Schriftsatz vom 18. Juli 2011 erhob die Beklagte daraufhin Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Richter S. und lehnte ihn gleichzeitig wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Im konkreten Fall stelle sich die Frage, ob Richter S. den Fall überhaupt noch unbefangen entscheiden könne. Ergänzend führte die Beklagte mit Schriftsatz vom 02. September 2011 aus, Richter S. habe den Kläger und sie - die Beklagte - ungleich behandelt, indem er dem Kläger das Erscheinen zum Termin freigestellt habe, während sie verpflichtet worden sei, einen Parteivertreter zu entsenden, und ihr für den Fall des Nichterscheinens Zwangsgeld angedroht worden sei. Auch die Bezeichnung der Klage als "Untätigkeitsklage" und des zweiten Verlegungsantrags als weitere "Verfahrensverzögerung" sei unsachlich. Richter S. hätte den Termin zur mündlichen Verhandlung am 01. Juli 2011 gar nicht aufheben müssen, er hätte ohne ihren - der Beklagten - Vertreter verhandeln oder einen Gerichtsbescheid erlassen können. Außerdem sei Richter S. nicht auf die Möglichkeit der Verlegung des Termins eingegangen. Die zeitliche Kalkulation im Schreiben vom 14. Juli 2011 sei praxisfremd. Vermutlich hätte die mündliche Verhandlung von 13.00 bis 14.00 Uhr gedauert. An einem Freitagnachmittag wäre die Distanz vom SG zum Rathaus Balingen wegen des Verkehrsaufkommens nicht in einer Stunde passierbar. Ungeachtet dessen habe sie - die Beklagte - auf das Schreiben vom 14. Juli 2011 nicht reagiert und sich darauf eingerichtet, den Termin am 28. Juli 2011 um 12.30 Uhr persönlich wahrzunehmen und zum anderen Termin am gleichen Tag eine Kollegin zu entsenden. Schließlich sei die Beschwerde von Richter S. bei ihrem - der Beklagten - Vorstand eine gänzlich unangemessene richterliche Unmutsäußerung, weshalb nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass Richter S. den Rechtsstreit neutral entscheiden werde.
Nachdem Präsident des SG E. die Dienstaufsichtsbeschwerde zurückgewiesen hatte, hat das SG die Akten mit einer dienstlichen Erklärung von Richter S. vom 15. August 2011 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt. Richter S. hat in seiner Erklärung ausgeführt, dass er der Sache nach wie vor unvoreingenommen gegenüberstehe.
II.
Das Ablehnungsgesuch gegen Richter S. ist unbegründet.
Nach §§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGG, 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 19. Januar 2010 - B 11 AL 13/09 C -, in juris). Eine rein subjektive Vorstellung des Ablehnenden scheidet aus. Ein von der Prozessordnung gedecktes Verhalten des Richters, das der sachgemäßen Behandlung des anhängigen Rechtsstreits dient, kann ein Ablehnungsgesuch regelmäßig nicht begründen. Dies gilt selbst dann, wenn die dem zugrunde liegende Rechtsansicht falsch ist. Die Besorgnis der Befangenheit ist nach den genannten Vorschriften erst dann gerechtfertigt, wenn sich in der Verfahrensweise des Richters eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -).
Die Voraussetzungen für eine Richterablehnung sind hier nicht gegeben.
Die Beklagte stützt ihr Ablehnungsgesuch zum einen darauf, dass Richter S. zu den Terminen ihr - der Beklagten - jeweils die Entsendung eines Beschäftigten auferlegt habe, während dies dem Kläger freigestellt worden sei. Dies mag aus Sicht der Beklagten zwar eine Ungleichbehandlung darzustellen. Dies allein rechtfertigt jedoch nach den oben dargelegten allgemeinen Maßstäben nicht eine Besorgnis der Befangenheit. Es steht im Ermessen des Vorsitzenden, das persönliche Erscheinens nur eines Beteiligten anzuordnen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 111 Rdnr. 2b). Dies erfolgt insbesondere dann, wenn die Erörterung mit einem der Beteiligten erforderlich erscheint. Um die Anwesenheit eines Beteiligten sicherzustellen, steht seit 01. Juli 2008 nach Aufhebung des § 111 Abs. 3 SGG nur die Möglichkeit zur Verfügung, gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG das persönliche Erscheinen eines Beteiligten, auch einer juristischen Person, anzuordnen. Da juristische Personen durch ihre Organe - bei Krankenkassen der Vorstand (§35a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)) - handeln, müsste in einem solchen Fall zwar der Vorstand erscheinen. Der juristischen Person steht es jedoch frei, zur Verhandlung einen Vertreter zu entsenden, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist (§§ 202 SGG, 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Von der Anordnung soll nur dann abgesehen werden, wenn einem Beteiligten wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund das persönliche Erscheinen nicht zuzumuten ist (§§ 202 SGG, 141 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Solche Gründe sind hinsichtlich der Beklagten hier nicht erkennbar.
Das Verhalten von Richter S. im Zusammenhang mit der Behandlung ihrer Verlegungsanträge vermag eine Besorgnis der Befangenheit von Richter S. nicht zu begründen. Zum einen hat Richter S. den zunächst auf 01. Juli 2011 anberaumten Erörterungstermin auf den Verlegungsantrag der Beklagten aufgehoben. Zum anderen hat die Beklagte an ihrem ursprünglichen Verlegungsantrag nicht festgehalten, sondern sich darauf eingerichtet, dass eine Mitarbeiterin den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2011 doch wahrnehmen werde, ohne dies allerdings dem SG mitzuteilen. Dies ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 02. September 2011. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Beklagte in ihren Verlegungsanträgen die Hinderungsgründe nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat. Dem ersten Verlegungsantrag waren keinerlei Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Hinderungsgründe beigefügt. Sie sind erst nach Aufforderung durch Richter S. mitgeteilt und glaubhaft gemacht worden, woraufhin Richter S. den auf den 01. Juli 2011 anberaumten Erörterungstermin unverzüglich aufgehoben hat. Den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2011 hat Richter S. auf einen Tag anberaumt, den die Beklagte im ersten Verlegungsantrag ausdrücklich als möglichen Ersatztermin genannt hatte. Zwar war zwischenzeitlich durch das Sozialgericht Reutlingen für diesen Tag einen Erörterungstermin anberaumt. Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, weshalb eine Verlegung des vom Sozialgericht Reutlingen anberaumten Erörterungstermins unmöglich war. Ist auf Antrag eines Beteiligten bereits einmal ein Termin verlegt worden, ist es diesem Beteiligten nunmehr zuzumuten, zur Erlangung des rechtlichen Gehörs Terminskollisionen unter Zurückstellung anderweitiger Interessen aufzulösen oder geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um für eine Vertretung im Termin zu sorgen (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Juni 2007 - B 2 U 55/07 B -, SozR 4-1750 § 227 Nr. 1). Wenn die Beklagte der Auffassung ist, die Fahrzeit vom SG zum Sozialgericht Reutlingen sei nicht ausreichend, beide Termine wahrnehmen zu können, hätte sie auch beim Sozialgericht Reutlingen die Verlegung des Termins auf eine spätere Uhrzeit beantragen können. Weshalb dies unterblieben ist, hat die Beklagte ebensowenig dargelegt wie die Tatsache, weshalb eine Vertretung durch einen weiteren Mitarbeiter nicht möglich sei.
Auch der von der Beklagten erhobene Vorwurf, die Bezeichnung der Klage als "Untätigkeitsklage" und des zweiten Verlegungsantrags als weitere "Verfahrensverzögerung" durch Richter S. sei unsachlich, rechtfertigt nicht den Vorwurf der Befangenheit. Ein zweiter Verlegungsantrag führt zweifelsohne zur Verfahrensverzögerung, so dass die Bezeichnung nicht unzutreffend und damit auch nicht unsachlich ist. Ob es sich hier tatsächlich um eine Untätigkeitsklage - der Kläger hat seine Klage ausdrücklich als solche bezeichnet (S. 5 des Schriftsatzes vom 17. Mai 2011 - handelt, kann dahingestellt bleiben, denn auch die - fälschliche - Bezeichnung einer Klage als Untätigkeitsklage vermag, nachdem - wie ausgeführt - eine geäußerte falsche Rechtsansicht nicht zur Befangenheit führt, ein Ablehnungsgesuch regelmäßig nicht zu begründen. Eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung tritt dadurch nicht zu Tage.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund des Schreibens von Richter S. an den Vorstand der Beklagten. Richter S. schilderte im Schreiben vom 12. Juli 2011 den bisherigen Verfahrensgang in zutreffender Weise. Auch seine Hinweise auf die Voraussetzungen für die Prozessvertretung und Terminswahrnehmung durch Sozialversicherungsträger und auf die rechtliche Möglichkeit, das persönliche Erscheinen des Vorstands anzuordnen, um gegebenenfalls Ordnungsmittel zu ergreifen, stellen die Rechtslage zutreffend dar. Auch die Annahme einer unsachlichen Verfahrensführung vermag dieses Schreiben von Richter S. nicht zu rechtfertigen.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§177 SGG).
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