Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 434/11 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Die ablehnende Entscheidung der Arzneimittelzulassungsbehörde über die (Erweiterung der) Zulassung eines Arzneimittels steht einer verfassungskonformen Leistungsausweitung im Sinne des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 1 BvR 34
I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Krankenbehandlung mit dem Arzneimittel Avastin® (Bevacizumab) - 10 mg/kg Körpergewicht einmal alle zwei Wochen als intravenöse Infusion - zu gewähren. Diese Anordnung gilt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum Fortschreiten der Erkrankung, und ist zunächst auf 6 Anwendungen begrenzt.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit dem Arzneimittel Avastin® (Bevacizumab) im sog. Off-Label-Use.
Der 1942 geborene, bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragsteller leidet an einem zum zweiten Male rezidivierten Glioblastom. Hinsichtlich der aktuellen Beschwerden, der bisherigen Diagnostik und Therapie wird auf die zur Verwaltungs- und zur Gerichtsakte gereichten eingereichten folgenden Unterlagen verwiesen:
- Entlassungsbericht der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am U.-Klinikum vom 04.10.2010 über den stationären Aufenthalt vom 16.09. bis 01.10.2010
- Bericht der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am U.-Klinikum vom 12.12.2010 über die kurative Strahlentherapie vom 25.10. bis 09.12.2010
- Bericht der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am U.-Klinikum vom 09.03.2011 über die Nachsorgeuntersuchung am 01.03.2011
- Entlassungsbericht der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am U.-Klinikum vom 04.04.2011 über den stationären Aufenthalt vom 21. bis 31.03.2011
- Entlassungsbericht der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am U.-Klinikum vom 08.08.2011 über den stationären Aufenthalt vom 31.05. bis 04.06.2011
- Kostenübernahmeersuchen von Dr. G., Dr. T. und Dipl.-Med. D. vom 11.07.2011 und vom 19.08.2011
Mit am 13.07.2011 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Schreiben vom 11.07.2011 beantragten die behandelnden Ärzte Dres. G. und T. für den Antragsteller die Übernahme der Kosten für einen Therapieversuch mit dem zur Behandlung metastasierter Kolon- oder Rektumkarzinome, metastasierter Mammakarzinome, inoperabler fortgeschrittener, metastasierter oder rezidivierender nicht kleinzelligem Bronchialkarzinome, sowie fortgeschrittener bzw. metastasierter Nierenzellkarzinome zugelassenen Arzneimittel Avastin® (Bevacizumab). Die Standardtherapie habe versagt.
Der von der Antragsgegnerin hinzugezogene Medizinische Dienst sprach sich in einer Stellungnahme vom 25.07.2011 gegen eine Kostenübernahme aus. Die Europäische Arzneimittelagentur habe Avastin® (Bevacizumab) bei Glioblastomen nicht zugelassen. Die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Leistungsausweitung nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 347/98, ("Kriterien des BSG v. 06.12.05") seien nicht erfüllt.
Gestützt auf die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit Bescheid vom 26.07.2011 ab.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 29.07.2011 mit Schreiben vom 27.07.2011 Widerspruch. Auf Grund seines Gesundheitszustandes möchte er auf die letzte und einzige Heilungsmöglichkeit nicht verzichten.
Die Antragsgegnerin zog erneut den Medizinischen Dienst hinzu. Dieser wies in seiner Stellungnahme vom 08.08.2011 ebenfalls darauf hin, dass der wissenschaftliche Beirat der Europäischen Arzneimittelagentur eine Zulassung von Avastin® zur Behandlung von Hirntumoren nicht empfohlen habe. Aus der negativen Bewertung der Arzneimittelbehörde ergebe sich ein Leistungsausschluss für die Gesetzliche Krankenversicherung. In einem der Stellungnahme beigefügten Gutachten des Kompetenz-Centrums Onkologie beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein vom 06.04.2011 referiert Prof. H. anlässlich eines vergleichbaren Falles die Studienlage zur Behandlung rezidivierender Glioblastome und speziell zur Anwendung von Bevacizumab bei dieser Indikation mit dem Ergebnis, dass es keine Hinweise auf eine therapeutische Überlegenheit des Arzneimittels gegenüber anderen Chemotherapeutika gebe. Zudem habe das Bundessozialgericht im Urteil vom 04.04.2006, Az. B 1 KR 7/05 R, Rn. 41, ausgeführt, dass die erforderliche Risiko-Nutzen-Abwägung negativ verlaufen müsste, wenn auf Grund der Versagensgründe des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5a und 7 AMG bereits eine ablehnende Zulassungsentscheidung ergangen sei. Der wissenschaftliche Beirat der Europäischen Arzneimittelagentur für die Bewertung von Humanarzneimitteln habe die Ergebnisse der vorliegenden Phase-II-Studien - die in erster Linie auf die Ansprechraten abstellen - mangels Angaben zum Gesamtüberleben nicht als ausreichend angesehen, um der Arzneimittelagentur die Erweiterung der Zulassung zu empfehlen. Tatsächlich könne das durch abnehmende Tumorgrößen in der Bildgebung festgestellte Ansprechen auf die Behandlung anstatt auf einer Zerstörung der Tumorzellen lediglich auf einer Gefäßabdichtung mit Entwässerung des den Tumor umgebenden ödematösen Gewebes beruhen, wodurch sich die Tumorherde kleiner darstellten. Eine antiödematöse Wirkung könne aber deutlich preisgünstiger, z.B. mit Kortikosteroiden, erzielt werden. Solange die überlebensverlängernde Wirksamkeit durch eine klinische Phase-III-Studie belegt ist, könne nicht von einem Nutzen ausgegangen werden.
Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2011, gestützt auf die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und unter Hinweis auf die von der Europäischen Arzneimittelagentur verweigerte Erweiterung der Zulassung des Arzneimittels für Behandlung von Patienten mit Hirntumoren, zurück.
Gegen den Bescheid vom 26.07.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 16.08.2011 richtet sich die am 02.09.2011 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit der der Antragsteller weiterhin die Versorgung mit dem Arzneimittel als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung anstrebt.
Bereits vor Klageerhebung beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 19.08.2011 am 22.08.2011, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zur Übernahme der Behandlungskosten zu verpflichten. Der Antragsteller macht geltend, die Kriterien für eine verfassungskonforme Leistungsausweitung nach Maßgabe der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 347/98, und vom 06.02.2007, Az. 1 BvR 3101/06, seien erfüllt. Die Schwere der Erkrankung habe zur Folge, dass eine Nichtbehandlung zum Tode führen würde.
Die Antragsgegnerin beantragt, Bezug nehmend auf die gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes, die Ablehnung des Antrags. Eine Leistungspflicht scheitere an der unzureichenden Datenlage zur Sicherheit und Wirksamkeit des Präparats zur Behandlung der vorliegenden Erkrankung. Einer Kostenübernahme nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 347/98, stehe die Versagung der Zulassungserweiterung durch die Europäische Arzneimittelagentur entgegen. Ein positives Nutzen-Risko-Verhältnis sei nicht belegt.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein materielles Recht zusteht, für das er einstweiligen Rechtsschutz beantragen kann (Anordnungsanspruch) und dass wesentliche Nachteile drohen, die nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung der widerstreitenden Interessen ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache als unzumutbar erscheinen lassen (Anordnungsgrund).
Dem Antragsteller stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Seite, ohne dass es einer abschließenden Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bedarf.
Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Ent-scheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts anderes, als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen zu sichern und irreparable Folgen auszuschließen und der Schaffung vollendeter Tatsachen vorzubeugen, die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im nachhinein als rechtwidrig erweist. Hingegen dient das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht dazu, unter Abkürzung dieses Verfahrens geltend gemachte materielle Rechtspositionen vorab zu realisieren. Die Sozialgerichte dürfen sich bei der Prüfung des Anordnungsanspruchs in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in denen Leistungsansprüche eines Versicherten gegen eine gesetzliche Krankenkasse streitig sind, nicht schlechthin auf die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren beschränken. Vielmehr verlangt Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG von den Sozialgerichten bei der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache immer dann, wenn Versicherten ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile drohen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, grundsätzlich eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage, die sich von der im Hauptsacheverfahren nicht unterscheidet. Sind die Sozialgerichte jedoch durch eine Vielzahl anhängiger entscheidungsreifer Rechtsstreitigkeiten belastet oder besteht die Gefahr, dass die dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu Grunde liegende Beeinträchtigung des Lebens, der Gesundheit oder der körperlichen Unversehrtheit des Versicherten sich jederzeit verwirklichen kann, verbieten sich zeitraubende Ermittlungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. In diesem Fall, der in der Regel vorliegen wird, hat sich die Entscheidung an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu orientieren. Dabei ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 BVerfGG eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben hat. Abzuwägen sind statt dessen die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, obwohl dem Versicherten die streitbefangene Leistung zusteht, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, obwohl er hierauf keinen Anspruch hat. Hierbei ist insbesondere die in Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch den Verfassungsgeber getroffene objektive Wertentscheidung zu berücksichtigen. Danach haben alle staatlichen Organe die Pflicht, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Lebens, der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit zu stellen. Für das vorläufige Rechtsschutzverfahren vor den Sozialgerichten bedeutet dies, dass diese die Grundrechte der Versicherten auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit zur Geltung zu bringen haben, dabei aber die ebenfalls der Sicherung des Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG dienende Pflicht der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. insbesondere aus §§ 1, 2 Abs. 1 und 4 SGB V), ihren Versicherten nur wirksame und hinsichtlich der Nebenwirkungen unbedenkliche Leistungen zur Verfügung zu stellen, sowie die verfassungsrechtlich besonders geschützte finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus den Augen verlieren dürfen. Besteht die Gefahr, dass der Versicherte ohne die Gewährung der umstrittenen Leistung vor Beendigung des Hauptsacheverfahrens stirbt oder er schwere oder irreversible gesundheitliche Beeinträchtigungen erleidet, ist ihm die begehrte Leistung regelmäßig zu gewähren, wenn das Gericht nicht auf Grund eindeutiger Erkenntnisse davon überzeugt ist, dass die begehrte Leistung unwirksam oder medizinisch nicht indiziert ist oder ihr Einsatz mit dem Risiko behaftet ist, die abzuwendende Gefahr durch die Nebenwirkungen der Behandlung auf andere Weise zu verwirklichen. Besteht die Beeinträchtigung des Versicherten dagegen im Wesentlichen nur darin, dass er die begehrte Leistung zu einem späteren Zeitpunkt erhält, ohne dass sie dadurch für ihn grundsätzlich an Wert verliert, weil die Beeinträchtigung der in Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Rechtsgüter durch eine spätere Leistungsgewährung beseitigt werden kann, dürfen die Sozialgerichte die begehrte Leistung im Rahmen der Folgenabwägung versagen. Nur durch eine an diesen Grundsätzen orientierte Vorgehensweise bei der Folgenabwägung wird dem vom Gesetzgeber in allen Prozessordnungen vorgesehenen Vorrang des nachgehenden Rechtsschutzes vor dem vorläufigen Rechtsschutz sowie dem sich aus Artikel 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsatz Rechnung getragen, dass die Leistungsgewährung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Ausnahme und nicht die Regel sein soll.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Erfolgsaussicht der Klage derzeit offen. Weder eine vollständige Aufklärung der Sachlage noch eine sichere Prognose der Erfolgsaussicht sind im Eilverfahren möglich.
Die damit gebotene Abwägung fällt mit Rücksicht auf die Schwere des Krankheitsbildes und der damit bereits jetzt einhergehenden Beeinträchtigungen sowie die Gefahr einer Verschlimmerung während der Dauer des Hauptsacheverfahrens zu Gunsten des Antragstellers aus. Dem Antrag ist unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu entsprechen.
Darüber hinaus ist nach derzeitigem Verfahrensstand auch ein Erfolg der Klage nicht ausgeschlossen.
Allerdings sind die Kriterien für eine zulassungsüberschreitende Arzneimittelverordnung hinsichtlich der von der Rechtsprechung zur Rechtfertigung eines Off-Label-Use geforderten Qualität der wissenschaftlichen Daten nicht erfüllt. Hierfür müsste auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie nachgewiesen sein muss, entspricht derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich (Bundessozialgericht, Urteil vom 30.06.2009, Az. B 1 KR 5/09 R; Urteil vom 26.09.2006, Az. B 1 KR 1/06 R). Die vorliegenden klinischen Studien verfehlen diesen Maßstab, weil sie die therapeutische Wirksamkeit von Avastin® zur Behandlung des rezidivierenden Glioblastoms nicht an Hand der in der Regel durch randomisierte kontrollierte Phase-III-Studie untersuchten Endpunkte des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens belegen. Dies lässt sich auch nicht unter Hinweis auf andere Studien von geringerem Evidenzniveau kompensieren, weil diese nicht die Datenqualität aufweisen, die in einem Zulassungsverfahren gefordert wird.
Der wissenschaftliche Beirat der Europäischen Arzneimittelagentur für Humanarzneimittel hat aus diesem Grund empfohlen, dem Antrag auf Erweiterung der Arzneimittelzulassung auf die Behandlung von Glioblastomen nicht zu entsprechen (vgl. Refusal Assessment Report for Avastin Procedure No. EMEA/H/C/582/II/0028, http://www.ema.europa.eu/docs/en GB/document library/EPAR - Assessment Report - Variation/human/000582/WC500075000.pdf). Ein Off-Label-Use für diese Indikation als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung kommt damit nicht mehr in Betracht.
Gleichwohl bietet die verfügbare Datenlage eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt ein solches abgesenktes Evidenzniveau ausreichen, wenn es darum geht, einem gesetzlich Krankenversicherten bei einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, eine nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung zu stellen (Beschluss, vom 06.12.2005, Az. 1 BvR 347/98).
Die bei solchen Krankheiten vorliegende notstandsähnliche Situation schließt es unter Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgüter aus, die Behandlung generell von dem für Arzneimittelzulassungen üblichen Wirksamkeitsnachweis in Form randomisierter kontrollierter und nach Möglichkeit (doppelt) verblindeter Studien als "Goldstandard" evidenzbasierter Medizin im Rahmen von Phase-III-Studien abhängig zu machen. Wegen der Gefahr eines tödlichen Verlaufs bei faktischer Alternativlosigkeit sinken darüber hinaus die Anforderungen an den Nachweis einer positiven Nutzen-Risiko-Relation, weil die Risken unerwünschter Arzneimittelwirkungen durch das der Krankheit eigene Mortalitätsrisiko in der Regel aufgewogen werden, so dass bereits eine nur mittelbar aus Indizien abgeleitete Nutzenprognose die Behandlung rechtfertigen kann.
Voraussetzung für eine Bereitstellung des Präparats auf dieser Grundlage ist allerdings das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankungen, für die eine allgemein anerkannte Behandlung nicht verfügbar ist. Dabei ist nicht erforderlich, dass bereits das Stadium einer akuten Lebensgefahr erreicht ist; eine Krankheit ist vielmehr auch dann als regelmäßig tödlich zu qualifizieren, wenn sie "erst" in einigen Jahren zum Tod des Betroffenen führt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.02.2007, Az. 1 BvR 3101/06); nicht ausreichend ist es dagegen, wenn sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs erst in ganz ferner, noch nicht genau absehbarer Zeit zu realisieren droht (Bundessozialgericht, Urteil vom 27.03.2007, Az. B 1 KR 30/06 R). Allein eine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität auf Dauer genügt nicht.
Der Antragsteller leidet an einer solchen lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, bezüglich derer mit Rücksicht auf den bisherigen Therapieverlauf eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung im jetzigen Krankheitsstadium nicht mehr zur Verfügung steht. Namentlich das von Prof. Wick im Schreiben vom 28.06.2011 als Behandlungsalternative erwähnte Chemotherapeutikum VM 26 (Teniposid, Vumon®) befindet sich nach dem Verzicht des Herstellers auf die Weiterverfolgung des Nachzulassungsantrags nicht mehr im Verkehr. Die von Prof. Wick des Weiteren vorgeschlagene Behandlung mit BCNU (Gliadel®) ist bereits anlässlich der Extirpation des ersten Rezidivtumors am 23.03.2011 versucht worden, hat jedoch das zweite Rezidiv nicht verhindern können.
Darüber hinaus könnte die von Prof. H. in dem der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes vom 08.08.2011 beigefügten Gutachten vom 06.04.2011 erwähnte kombinierte Chemotherapie mit Ifosfamid, Carboplatin und Etoposid nach Aoki et al. (Phase II study of ifosfamide, carboplatin, and etoposide in patients with a first recurrence of glioblastoma multiforme, J Neurosurg 112 [2010] Nr. 1 S. 50 ff., http://thejns.org/doi/pdf/10.3171/2009.5.JNS081738) sich als Erfolg versprechende Behandlungsalternative darstellen. Allerdings handelt es sich auch bei diesen Arzneimitteln mit einigen Ausnahmen (Zulassung von Neocarbo® und Ribocarbo®-L auch für Karzinome des Kopf-Hals-Bereichs) um eine Anwendung außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Beruht die Therapie aber ohnehin auf einer die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitenden Leistungsausweitung, liegt die Auswahl der geeigneten Behandlung in der Verantwortung des Arztes, ohne dass insoweit, wie im Verhältnis zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen Behandlungsmethoden, eine Rangfolge rechtlich vorgegeben wäre.
Klarzustellen ist, dass der Anwendungsbereich für eine verfassungskonforme Leistungserweiterung nicht erst dann eröffnet ist, wenn die noch nicht zugelassene Therapie sich gegenüber anderen - entweder zugelassenen, aber im konkreten Fall aussichtslosen, oder ebenfalls nicht anerkannten, aber an Hand von Indizien Erfolg versprechenden - Behandlungen als überlegen darstellt. Soweit Prof. H. in seinem Gutachten vom 06.04.2011 die medizinische Beurteilung auf diese Frage reduziert, verfehlt er die Kriterien für die Bestimmung des Leistungsumfangs der Gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist notwendig, aber auch ausreichend, dass mit Rücksicht auf den Nutzen der Behandlung und der damit verbundenen Risiken diese überhaupt Aussicht auf einen Behandlungserfolg unter vertretbaren Bedingungen bietet und damit in der ausweglosen Situation des Patienten eine - nicht zwingend die einzige - Option bietet, eine nennenswerte Lebensverlängerung zu erzielen. Die Auswahl der konkreten Behandlung liegt dann wiederum in der Hand des Patienten und des hierfür verantwortlichen behandelnden Arztes unter Beachtung des Krankheits- und Behandlungsverlaufs im konkreten Einzelfall. Eine Rangfolge des therapeutischen Vorgehens kann nicht allein aus einer Gegenüberstellung der statistischen Erfolgsraten unterschiedlicher Behandlungen in klinischen Studien abgeleitet werden.
Hinsichtlich der Frage, ob eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht, kann in Bezug auf das hier streitgegenständliche Präparat auf die Erwägungen zurückgegriffen werden, welche die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) veranlasst haben, das Arzneimittel im Mai 2009 für Patienten mit therapieresistentem Glioblastom einstweilen zuzulassen, ohne erst den Abschluss einer noch laufenden Phase-III-Studie abzuwarten. Ausschlag gebend hierfür war in erster Linie das relativ gute Ansprechen der Patienten im Sinne einer Tumorreduktion und geringeren Kortisonbedarfs als Surrogat-Endpunkte. Diese wurden als starkes Indiz für eine klinische Wirksamkeit im Sinne der noch durch die laufende Phase-III-Studie zu bestätigenden Endpunkte im Sinne des Gesamt- und des progressionsfreien Überlebens bewertet (ausführliche Darstellung im "Briefing Book" für das Arzneimittelkommittee: http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/CommitteesMeetingMaterials/Drugs/OncologicDrugsAdvisoryCommittee/UCM148788.pdf). Die der Entscheidung zu Grunde gelegten normativen Kriterien (Code of Federal Regulations, Title 21 Food and Drugs, § 601.41, http://edocket.access.gpo.gov/cfr 2010/aprqtr/pdf/ 21cfr601.41.pdf) sind im Kern denen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 1 BvR 347/98 vergleichbar.
Der ausführliche Assessment-Bericht des wissenschaftlichen Beirats der Europäischen Arzneimittelagentur für die Bewertung von Humanarzneimitteln, der die Ablehnung des Antrags auf Zulassungserweiterung empfiehlt, gelangt, auch wenn er das Vorliegen ausreichender Daten für eine Zulassungserweiterung letztlich verneint, zu der Einschätzung, die vom Hersteller präsentierten Ergebnisse der Phase-II-Studien wiesen darauf hin, dass Bevacizumab mit einer Ansprechensrate von 30 % und einer progressionafreien 6-Monats-Überlebensrate von ca. 40 % und günstigensfalls einer moderaten Verlängerung des Gesamtüberlebens bei den Standardbehandlungen vergleichbarem Nebenwirkungsprofil eine aussichtreiche Behandlung rezidivierender Glioblastome darstellen könne (Refusal Assessment Report for Avastin Procedure No. EMEA/H/C/582/II/0028, S. 31).
Dies ist in der Tat kein Wirksamkeitsbeweis. Es ist aber deutlich mehr als die vom Bundesverfassungsgericht geforderte "nicht ganz fern liegende Aussicht" auf wenigstens eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Soweit Prof. H. in seinem Gutachten vom 06.04.2011 die Frage aufwirft, ob nicht das in den Phase-II-Studien zur Behandlung von Glioblastomen mit Bevacizumab bildgebend festgestellte Ansprechen der Patienten auf das Präparat möglicherweise allein dessen antiödematöse, nicht aber eine tumorzerstörende Wirkung beschreibt, so reicht dieser Verdacht nicht aus, um die ihrerseits auf evidenzbasierten Annahmen gegründete Einschätzung zu widerlegen, dass es sich beim Ansprechen auf die Behandlung im Sinne einer bildgebend feststellbaren Tumorregression um einen Prädiktor für einen Behandlungserfolg auch im Sinne des Gesamtüberlebens handelt. Der Wert des radiologisch gesicherten Ansprechens als Surrogat-Endpunkt in klinischen Studien war seinerseits Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, in denen teilweise zwar kein Zusammenhang zwischen der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung und Überleben, wohl aber ein signifikanter Zussammenhang zwischen dem Fortschreiten der Krankheit an sich und kürzerer Überlebensdauer, gefunden wurde (Grant et al., Chemotherapy response criteria in malignant glioma, Neurology 48 [1997] Nr. 5 S. 1336 ff.; http://www.neurology.org/content/48/5/1336.full.pdf), teilweise ein Zusammenhang zwischen zweimonatiger, nicht aber sechsmonatiger progressfreier Zeit und Überleben (Schah et al., Comparison of linear and volumetric criteria in assessing tumor response in adult high-grade gliomas, Neuro Oncol 8 [2006] S. 38 ff.; http://neuro-oncology.oxfordjournals.org/content/8/1/38.full.pdf+html) festgestellt wurde oder sich ein positiver Zusammenhang zwischen Ansprechen, progressfreier Überlebensdauer und Gesamtüberleben bestätigen ließ (Hess et al., Response and progression in recurrent malignant glioma, Neuro Oncol 1 [1999] Nr. 4 S. 282; http://neuro-oncology.oxfordjournals.org/content/1/4/282.full.pdf+html; Ballman et al., The relationship between six-month progression-free survival and 12-month overall survival end points for phase II trials in patients with glioblastoma multiforme, Neuro Oncol 9 [2007] Nr. 1 S. 29 ff.; http://neuro-oncology.oxfordjournals.org/content/9/1/29.full.pdf+html). Vor diesem Hintergrund kann das in der Bildgebung festgestellte Ansprechen auf die Behandlung durchaus als Indiz für eine Erfolgsaussicht nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angesehen werden.
Einer verfassungskonformen Leistungsausweitung steht schließlich nicht das Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.04.2006, Az. B 1 KR 7/05 R, juris Rn. 41, entgegen, wonach die Risiko-Nutzen-Abwägung negativ verlaufen müsste, wenn auf Grund der Versagensgründe des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5a und 7 AMG bereits eine ablehnende Entscheidung der Arzneimittelzulassungsbehörde ergangen sei. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29.11.2007, Az. 1 BvR 2496/07, juris Rn. 34, in Abgrenzung zur Rechtsprechung des Bundessozialgericht - wonach für eine Anspruchsbegründung auf Grund grundrechtsorientierter Auslegung regelmäßig kein Raum mehr sei, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nach nicht zu beanstandender Prüfung zu einer negativen Bewertung einer Behandlungsmethode gelangt ist - dem Ausgangsgericht zu prüfen auferlegt hat, ob die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 für eine noch nicht anerkannte, aber auch noch nicht ausdrücklich ausgeschlossene neue Behandlungsmethode aufgestellten Grundsätze auch in den Fällen gelten, in welchen eine neue Behandlungsmethode bereits ausdrücklich ausgeschlossen wurde, und gegebenenfalls über die Anwendung dieser Grundsätze im konkreten Fall der Beschwerdeführerin zu entscheiden. Es ist mithin nicht von vorn herein ausgeschlossen, die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Grundsätze auch in einem Fall anzuwenden, in dem eine neue Behandlungsmethode bereits ausgeschlossen wurde. Dies gilt für die Entscheidungen der Arzneimittelbehörden entsprechend.
Entscheidend ist dabei, dass die Versagung der Zulassung durch die zuständige Arzneimittelbehörde nur dann einer verfassungskonformen Leistungserweiterung entgegen gehalten werden kann, wenn die Zulassungsbehörde die Risiken und den Nutzen des konkreten Arzneimittels abschließend geprüft und als nicht ausreichend nachgewiesen angesehen hat. Das setzt zum Einen voraus, dass die Arzneimittelbehörde sich bei ihrer Entscheidung, wenn es um Arzneimittel zur Behandlung lebensbedrohlicher oder regelmäßig tödlich verlaufender Krankheiten geht, an den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Maßstäben zum Schutze des Lebens orientiert hat. Zum Anderen kann eine solche Prüfung nur dann die Risiko-Nutzen-Abwägung im Rahmen einer verfassungskonformen Leistungserweiterung präjudizieren, wenn der Arzneimittelzulassungsbehörde bereits Daten in einer Qualität vorgelegt wurden, die das erforderliche Evidenzniveau für eine solche abschließende Einschätzung erreichen. Der unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) sowie mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitete Anspruch auf Bereitstellung eines rechtmäßig im Verkehr befindlichen, für die Behandlung der konkreten lebensbedrohlichen Erkrankung aber noch nicht zugelassenen Arzneimittels kann nicht dadurch zu Fall gebracht werden, dass der Inhaber der Zulassung deren Erweiterung verfrüht, d.h. bereits in einem Stadium beantragt, in dem zwar auf Grundlage an Surrogat-Endpunkten orientierter Indizien ein Überlebensvorteil prognostiziert werden kann, dieser Effekt aber noch nicht durch Phase-III-Studien, welche die Gesamtüberlebensdauer verfolgen, nachgewiesen ist und dem Erweiterungsantrag deshalb mangels Zulassungsreife nicht entsprochen werden kann. Nur wenn die Zulassungsbehörden auf Grund solcher hochwertigen Studien die bis dahin in Studien niedrigerer Evidenzstufe an Hand von Surrogat-Endpunkten abgeleitete Nutzen-Risiko-Prognose als entkräftet oder widerlegt erachten, ist Raum für die vom Bundessozialgericht aufgestellte Vermutung, dass mit der abschlägigen Prüfung des Zulassungsantrags die Risiko-Nutzen-Abwägung negativ verlaufen sei.
Im vorliegenden Falle hat der wissenschaftlichen Beirat der Europäischen Arzneimittelagentur die an Hand der ausgewerteten Phase-II-Studien auf Indizien gestützte Aussicht auf einen Behandlungserfolg keineswegs als entkräftet oder widerlegt eingeschätzt, sondern dem Erweiterungsantrag mangels am Gesamtüberleben ausgerichteter Studienergebnisse die Zulassungsreife abgesprochen. Eine abschließende Beurteilung muss damit dem Ausgang der derzeit laufenden Phase-III-Studie vorbehalten bleiben. Die Nutzen-Risko-Bewertung nach den Maßstäben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2006, Az. 1 BvR 347/98, hat sich durch den Antrag bei der Europäischen Arzneimittelagentur und das abschlägige Votum des wissenschaftlichen Beirats mithin nicht geändert. Dieser entfaltet damit keine Sperrwirkung gegenüber der beantragten verfassungskonformen Leistungserweiterung.
Weil dem Antragsteller wegen der Schwere der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen und mit Rücksicht auf den weiteren Verlauf der Erkrankung ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist, hat die Antragsgegnerin die beantragte Leistung einstweilen bereitzustellen. Die dem Antragsteller zu gewährende Krankenbehandlung umfasst sowohl das Arzneimittel als auch dessen Applikation als Sach- bzw. Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Das Gericht hat in Ausübung des ihm nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 938 Abs. 1 ZPO zustehenden Anordnungsermessens die Dauer der Anordnung auf zunächst 6 Anwendungen begrenzt, um die Entscheidung über die weitere (vorläufige) Erbringung der Leistung von der Evaluation der Behandlung spätestens 3 Monate nach deren Beginn abhängig zu machen. Das Gericht geht dabei davon aus, dass 6 Behandlungszyklen ausreichend sind, um mittels anerkannter diagnostischer Methoden (vgl. beispielhaft Henson et al., Brain Tumor Imaging in Clinical Trials, Am J Neuroradiol 29 [2008] Nr. 3 S. 419 ff.; http://www.ajnr.org/cgi/reprint/29/3/419) zu prüfen, ob der Antragsteller auf die Behandlung anspricht, und ob auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen der Behandlung deren Fortsetzung angezeigt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit dem Arzneimittel Avastin® (Bevacizumab) im sog. Off-Label-Use.
Der 1942 geborene, bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragsteller leidet an einem zum zweiten Male rezidivierten Glioblastom. Hinsichtlich der aktuellen Beschwerden, der bisherigen Diagnostik und Therapie wird auf die zur Verwaltungs- und zur Gerichtsakte gereichten eingereichten folgenden Unterlagen verwiesen:
- Entlassungsbericht der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am U.-Klinikum vom 04.10.2010 über den stationären Aufenthalt vom 16.09. bis 01.10.2010
- Bericht der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am U.-Klinikum vom 12.12.2010 über die kurative Strahlentherapie vom 25.10. bis 09.12.2010
- Bericht der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am U.-Klinikum vom 09.03.2011 über die Nachsorgeuntersuchung am 01.03.2011
- Entlassungsbericht der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am U.-Klinikum vom 04.04.2011 über den stationären Aufenthalt vom 21. bis 31.03.2011
- Entlassungsbericht der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am U.-Klinikum vom 08.08.2011 über den stationären Aufenthalt vom 31.05. bis 04.06.2011
- Kostenübernahmeersuchen von Dr. G., Dr. T. und Dipl.-Med. D. vom 11.07.2011 und vom 19.08.2011
Mit am 13.07.2011 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Schreiben vom 11.07.2011 beantragten die behandelnden Ärzte Dres. G. und T. für den Antragsteller die Übernahme der Kosten für einen Therapieversuch mit dem zur Behandlung metastasierter Kolon- oder Rektumkarzinome, metastasierter Mammakarzinome, inoperabler fortgeschrittener, metastasierter oder rezidivierender nicht kleinzelligem Bronchialkarzinome, sowie fortgeschrittener bzw. metastasierter Nierenzellkarzinome zugelassenen Arzneimittel Avastin® (Bevacizumab). Die Standardtherapie habe versagt.
Der von der Antragsgegnerin hinzugezogene Medizinische Dienst sprach sich in einer Stellungnahme vom 25.07.2011 gegen eine Kostenübernahme aus. Die Europäische Arzneimittelagentur habe Avastin® (Bevacizumab) bei Glioblastomen nicht zugelassen. Die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Leistungsausweitung nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 347/98, ("Kriterien des BSG v. 06.12.05") seien nicht erfüllt.
Gestützt auf die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit Bescheid vom 26.07.2011 ab.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 29.07.2011 mit Schreiben vom 27.07.2011 Widerspruch. Auf Grund seines Gesundheitszustandes möchte er auf die letzte und einzige Heilungsmöglichkeit nicht verzichten.
Die Antragsgegnerin zog erneut den Medizinischen Dienst hinzu. Dieser wies in seiner Stellungnahme vom 08.08.2011 ebenfalls darauf hin, dass der wissenschaftliche Beirat der Europäischen Arzneimittelagentur eine Zulassung von Avastin® zur Behandlung von Hirntumoren nicht empfohlen habe. Aus der negativen Bewertung der Arzneimittelbehörde ergebe sich ein Leistungsausschluss für die Gesetzliche Krankenversicherung. In einem der Stellungnahme beigefügten Gutachten des Kompetenz-Centrums Onkologie beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein vom 06.04.2011 referiert Prof. H. anlässlich eines vergleichbaren Falles die Studienlage zur Behandlung rezidivierender Glioblastome und speziell zur Anwendung von Bevacizumab bei dieser Indikation mit dem Ergebnis, dass es keine Hinweise auf eine therapeutische Überlegenheit des Arzneimittels gegenüber anderen Chemotherapeutika gebe. Zudem habe das Bundessozialgericht im Urteil vom 04.04.2006, Az. B 1 KR 7/05 R, Rn. 41, ausgeführt, dass die erforderliche Risiko-Nutzen-Abwägung negativ verlaufen müsste, wenn auf Grund der Versagensgründe des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5a und 7 AMG bereits eine ablehnende Zulassungsentscheidung ergangen sei. Der wissenschaftliche Beirat der Europäischen Arzneimittelagentur für die Bewertung von Humanarzneimitteln habe die Ergebnisse der vorliegenden Phase-II-Studien - die in erster Linie auf die Ansprechraten abstellen - mangels Angaben zum Gesamtüberleben nicht als ausreichend angesehen, um der Arzneimittelagentur die Erweiterung der Zulassung zu empfehlen. Tatsächlich könne das durch abnehmende Tumorgrößen in der Bildgebung festgestellte Ansprechen auf die Behandlung anstatt auf einer Zerstörung der Tumorzellen lediglich auf einer Gefäßabdichtung mit Entwässerung des den Tumor umgebenden ödematösen Gewebes beruhen, wodurch sich die Tumorherde kleiner darstellten. Eine antiödematöse Wirkung könne aber deutlich preisgünstiger, z.B. mit Kortikosteroiden, erzielt werden. Solange die überlebensverlängernde Wirksamkeit durch eine klinische Phase-III-Studie belegt ist, könne nicht von einem Nutzen ausgegangen werden.
Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2011, gestützt auf die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und unter Hinweis auf die von der Europäischen Arzneimittelagentur verweigerte Erweiterung der Zulassung des Arzneimittels für Behandlung von Patienten mit Hirntumoren, zurück.
Gegen den Bescheid vom 26.07.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 16.08.2011 richtet sich die am 02.09.2011 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit der der Antragsteller weiterhin die Versorgung mit dem Arzneimittel als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung anstrebt.
Bereits vor Klageerhebung beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 19.08.2011 am 22.08.2011, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zur Übernahme der Behandlungskosten zu verpflichten. Der Antragsteller macht geltend, die Kriterien für eine verfassungskonforme Leistungsausweitung nach Maßgabe der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 347/98, und vom 06.02.2007, Az. 1 BvR 3101/06, seien erfüllt. Die Schwere der Erkrankung habe zur Folge, dass eine Nichtbehandlung zum Tode führen würde.
Die Antragsgegnerin beantragt, Bezug nehmend auf die gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes, die Ablehnung des Antrags. Eine Leistungspflicht scheitere an der unzureichenden Datenlage zur Sicherheit und Wirksamkeit des Präparats zur Behandlung der vorliegenden Erkrankung. Einer Kostenübernahme nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 347/98, stehe die Versagung der Zulassungserweiterung durch die Europäische Arzneimittelagentur entgegen. Ein positives Nutzen-Risko-Verhältnis sei nicht belegt.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein materielles Recht zusteht, für das er einstweiligen Rechtsschutz beantragen kann (Anordnungsanspruch) und dass wesentliche Nachteile drohen, die nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung der widerstreitenden Interessen ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache als unzumutbar erscheinen lassen (Anordnungsgrund).
Dem Antragsteller stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Seite, ohne dass es einer abschließenden Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bedarf.
Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Ent-scheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts anderes, als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen zu sichern und irreparable Folgen auszuschließen und der Schaffung vollendeter Tatsachen vorzubeugen, die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im nachhinein als rechtwidrig erweist. Hingegen dient das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht dazu, unter Abkürzung dieses Verfahrens geltend gemachte materielle Rechtspositionen vorab zu realisieren. Die Sozialgerichte dürfen sich bei der Prüfung des Anordnungsanspruchs in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in denen Leistungsansprüche eines Versicherten gegen eine gesetzliche Krankenkasse streitig sind, nicht schlechthin auf die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren beschränken. Vielmehr verlangt Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG von den Sozialgerichten bei der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache immer dann, wenn Versicherten ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile drohen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, grundsätzlich eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage, die sich von der im Hauptsacheverfahren nicht unterscheidet. Sind die Sozialgerichte jedoch durch eine Vielzahl anhängiger entscheidungsreifer Rechtsstreitigkeiten belastet oder besteht die Gefahr, dass die dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu Grunde liegende Beeinträchtigung des Lebens, der Gesundheit oder der körperlichen Unversehrtheit des Versicherten sich jederzeit verwirklichen kann, verbieten sich zeitraubende Ermittlungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. In diesem Fall, der in der Regel vorliegen wird, hat sich die Entscheidung an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu orientieren. Dabei ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 BVerfGG eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben hat. Abzuwägen sind statt dessen die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, obwohl dem Versicherten die streitbefangene Leistung zusteht, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, obwohl er hierauf keinen Anspruch hat. Hierbei ist insbesondere die in Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch den Verfassungsgeber getroffene objektive Wertentscheidung zu berücksichtigen. Danach haben alle staatlichen Organe die Pflicht, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Lebens, der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit zu stellen. Für das vorläufige Rechtsschutzverfahren vor den Sozialgerichten bedeutet dies, dass diese die Grundrechte der Versicherten auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit zur Geltung zu bringen haben, dabei aber die ebenfalls der Sicherung des Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG dienende Pflicht der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. insbesondere aus §§ 1, 2 Abs. 1 und 4 SGB V), ihren Versicherten nur wirksame und hinsichtlich der Nebenwirkungen unbedenkliche Leistungen zur Verfügung zu stellen, sowie die verfassungsrechtlich besonders geschützte finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus den Augen verlieren dürfen. Besteht die Gefahr, dass der Versicherte ohne die Gewährung der umstrittenen Leistung vor Beendigung des Hauptsacheverfahrens stirbt oder er schwere oder irreversible gesundheitliche Beeinträchtigungen erleidet, ist ihm die begehrte Leistung regelmäßig zu gewähren, wenn das Gericht nicht auf Grund eindeutiger Erkenntnisse davon überzeugt ist, dass die begehrte Leistung unwirksam oder medizinisch nicht indiziert ist oder ihr Einsatz mit dem Risiko behaftet ist, die abzuwendende Gefahr durch die Nebenwirkungen der Behandlung auf andere Weise zu verwirklichen. Besteht die Beeinträchtigung des Versicherten dagegen im Wesentlichen nur darin, dass er die begehrte Leistung zu einem späteren Zeitpunkt erhält, ohne dass sie dadurch für ihn grundsätzlich an Wert verliert, weil die Beeinträchtigung der in Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Rechtsgüter durch eine spätere Leistungsgewährung beseitigt werden kann, dürfen die Sozialgerichte die begehrte Leistung im Rahmen der Folgenabwägung versagen. Nur durch eine an diesen Grundsätzen orientierte Vorgehensweise bei der Folgenabwägung wird dem vom Gesetzgeber in allen Prozessordnungen vorgesehenen Vorrang des nachgehenden Rechtsschutzes vor dem vorläufigen Rechtsschutz sowie dem sich aus Artikel 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsatz Rechnung getragen, dass die Leistungsgewährung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Ausnahme und nicht die Regel sein soll.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Erfolgsaussicht der Klage derzeit offen. Weder eine vollständige Aufklärung der Sachlage noch eine sichere Prognose der Erfolgsaussicht sind im Eilverfahren möglich.
Die damit gebotene Abwägung fällt mit Rücksicht auf die Schwere des Krankheitsbildes und der damit bereits jetzt einhergehenden Beeinträchtigungen sowie die Gefahr einer Verschlimmerung während der Dauer des Hauptsacheverfahrens zu Gunsten des Antragstellers aus. Dem Antrag ist unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu entsprechen.
Darüber hinaus ist nach derzeitigem Verfahrensstand auch ein Erfolg der Klage nicht ausgeschlossen.
Allerdings sind die Kriterien für eine zulassungsüberschreitende Arzneimittelverordnung hinsichtlich der von der Rechtsprechung zur Rechtfertigung eines Off-Label-Use geforderten Qualität der wissenschaftlichen Daten nicht erfüllt. Hierfür müsste auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie nachgewiesen sein muss, entspricht derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich (Bundessozialgericht, Urteil vom 30.06.2009, Az. B 1 KR 5/09 R; Urteil vom 26.09.2006, Az. B 1 KR 1/06 R). Die vorliegenden klinischen Studien verfehlen diesen Maßstab, weil sie die therapeutische Wirksamkeit von Avastin® zur Behandlung des rezidivierenden Glioblastoms nicht an Hand der in der Regel durch randomisierte kontrollierte Phase-III-Studie untersuchten Endpunkte des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens belegen. Dies lässt sich auch nicht unter Hinweis auf andere Studien von geringerem Evidenzniveau kompensieren, weil diese nicht die Datenqualität aufweisen, die in einem Zulassungsverfahren gefordert wird.
Der wissenschaftliche Beirat der Europäischen Arzneimittelagentur für Humanarzneimittel hat aus diesem Grund empfohlen, dem Antrag auf Erweiterung der Arzneimittelzulassung auf die Behandlung von Glioblastomen nicht zu entsprechen (vgl. Refusal Assessment Report for Avastin Procedure No. EMEA/H/C/582/II/0028, http://www.ema.europa.eu/docs/en GB/document library/EPAR - Assessment Report - Variation/human/000582/WC500075000.pdf). Ein Off-Label-Use für diese Indikation als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung kommt damit nicht mehr in Betracht.
Gleichwohl bietet die verfügbare Datenlage eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt ein solches abgesenktes Evidenzniveau ausreichen, wenn es darum geht, einem gesetzlich Krankenversicherten bei einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, eine nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung zu stellen (Beschluss, vom 06.12.2005, Az. 1 BvR 347/98).
Die bei solchen Krankheiten vorliegende notstandsähnliche Situation schließt es unter Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgüter aus, die Behandlung generell von dem für Arzneimittelzulassungen üblichen Wirksamkeitsnachweis in Form randomisierter kontrollierter und nach Möglichkeit (doppelt) verblindeter Studien als "Goldstandard" evidenzbasierter Medizin im Rahmen von Phase-III-Studien abhängig zu machen. Wegen der Gefahr eines tödlichen Verlaufs bei faktischer Alternativlosigkeit sinken darüber hinaus die Anforderungen an den Nachweis einer positiven Nutzen-Risiko-Relation, weil die Risken unerwünschter Arzneimittelwirkungen durch das der Krankheit eigene Mortalitätsrisiko in der Regel aufgewogen werden, so dass bereits eine nur mittelbar aus Indizien abgeleitete Nutzenprognose die Behandlung rechtfertigen kann.
Voraussetzung für eine Bereitstellung des Präparats auf dieser Grundlage ist allerdings das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankungen, für die eine allgemein anerkannte Behandlung nicht verfügbar ist. Dabei ist nicht erforderlich, dass bereits das Stadium einer akuten Lebensgefahr erreicht ist; eine Krankheit ist vielmehr auch dann als regelmäßig tödlich zu qualifizieren, wenn sie "erst" in einigen Jahren zum Tod des Betroffenen führt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.02.2007, Az. 1 BvR 3101/06); nicht ausreichend ist es dagegen, wenn sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs erst in ganz ferner, noch nicht genau absehbarer Zeit zu realisieren droht (Bundessozialgericht, Urteil vom 27.03.2007, Az. B 1 KR 30/06 R). Allein eine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität auf Dauer genügt nicht.
Der Antragsteller leidet an einer solchen lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, bezüglich derer mit Rücksicht auf den bisherigen Therapieverlauf eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung im jetzigen Krankheitsstadium nicht mehr zur Verfügung steht. Namentlich das von Prof. Wick im Schreiben vom 28.06.2011 als Behandlungsalternative erwähnte Chemotherapeutikum VM 26 (Teniposid, Vumon®) befindet sich nach dem Verzicht des Herstellers auf die Weiterverfolgung des Nachzulassungsantrags nicht mehr im Verkehr. Die von Prof. Wick des Weiteren vorgeschlagene Behandlung mit BCNU (Gliadel®) ist bereits anlässlich der Extirpation des ersten Rezidivtumors am 23.03.2011 versucht worden, hat jedoch das zweite Rezidiv nicht verhindern können.
Darüber hinaus könnte die von Prof. H. in dem der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes vom 08.08.2011 beigefügten Gutachten vom 06.04.2011 erwähnte kombinierte Chemotherapie mit Ifosfamid, Carboplatin und Etoposid nach Aoki et al. (Phase II study of ifosfamide, carboplatin, and etoposide in patients with a first recurrence of glioblastoma multiforme, J Neurosurg 112 [2010] Nr. 1 S. 50 ff., http://thejns.org/doi/pdf/10.3171/2009.5.JNS081738) sich als Erfolg versprechende Behandlungsalternative darstellen. Allerdings handelt es sich auch bei diesen Arzneimitteln mit einigen Ausnahmen (Zulassung von Neocarbo® und Ribocarbo®-L auch für Karzinome des Kopf-Hals-Bereichs) um eine Anwendung außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Beruht die Therapie aber ohnehin auf einer die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitenden Leistungsausweitung, liegt die Auswahl der geeigneten Behandlung in der Verantwortung des Arztes, ohne dass insoweit, wie im Verhältnis zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen Behandlungsmethoden, eine Rangfolge rechtlich vorgegeben wäre.
Klarzustellen ist, dass der Anwendungsbereich für eine verfassungskonforme Leistungserweiterung nicht erst dann eröffnet ist, wenn die noch nicht zugelassene Therapie sich gegenüber anderen - entweder zugelassenen, aber im konkreten Fall aussichtslosen, oder ebenfalls nicht anerkannten, aber an Hand von Indizien Erfolg versprechenden - Behandlungen als überlegen darstellt. Soweit Prof. H. in seinem Gutachten vom 06.04.2011 die medizinische Beurteilung auf diese Frage reduziert, verfehlt er die Kriterien für die Bestimmung des Leistungsumfangs der Gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist notwendig, aber auch ausreichend, dass mit Rücksicht auf den Nutzen der Behandlung und der damit verbundenen Risiken diese überhaupt Aussicht auf einen Behandlungserfolg unter vertretbaren Bedingungen bietet und damit in der ausweglosen Situation des Patienten eine - nicht zwingend die einzige - Option bietet, eine nennenswerte Lebensverlängerung zu erzielen. Die Auswahl der konkreten Behandlung liegt dann wiederum in der Hand des Patienten und des hierfür verantwortlichen behandelnden Arztes unter Beachtung des Krankheits- und Behandlungsverlaufs im konkreten Einzelfall. Eine Rangfolge des therapeutischen Vorgehens kann nicht allein aus einer Gegenüberstellung der statistischen Erfolgsraten unterschiedlicher Behandlungen in klinischen Studien abgeleitet werden.
Hinsichtlich der Frage, ob eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht, kann in Bezug auf das hier streitgegenständliche Präparat auf die Erwägungen zurückgegriffen werden, welche die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) veranlasst haben, das Arzneimittel im Mai 2009 für Patienten mit therapieresistentem Glioblastom einstweilen zuzulassen, ohne erst den Abschluss einer noch laufenden Phase-III-Studie abzuwarten. Ausschlag gebend hierfür war in erster Linie das relativ gute Ansprechen der Patienten im Sinne einer Tumorreduktion und geringeren Kortisonbedarfs als Surrogat-Endpunkte. Diese wurden als starkes Indiz für eine klinische Wirksamkeit im Sinne der noch durch die laufende Phase-III-Studie zu bestätigenden Endpunkte im Sinne des Gesamt- und des progressionsfreien Überlebens bewertet (ausführliche Darstellung im "Briefing Book" für das Arzneimittelkommittee: http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/CommitteesMeetingMaterials/Drugs/OncologicDrugsAdvisoryCommittee/UCM148788.pdf). Die der Entscheidung zu Grunde gelegten normativen Kriterien (Code of Federal Regulations, Title 21 Food and Drugs, § 601.41, http://edocket.access.gpo.gov/cfr 2010/aprqtr/pdf/ 21cfr601.41.pdf) sind im Kern denen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az. 1 BvR 347/98 vergleichbar.
Der ausführliche Assessment-Bericht des wissenschaftlichen Beirats der Europäischen Arzneimittelagentur für die Bewertung von Humanarzneimitteln, der die Ablehnung des Antrags auf Zulassungserweiterung empfiehlt, gelangt, auch wenn er das Vorliegen ausreichender Daten für eine Zulassungserweiterung letztlich verneint, zu der Einschätzung, die vom Hersteller präsentierten Ergebnisse der Phase-II-Studien wiesen darauf hin, dass Bevacizumab mit einer Ansprechensrate von 30 % und einer progressionafreien 6-Monats-Überlebensrate von ca. 40 % und günstigensfalls einer moderaten Verlängerung des Gesamtüberlebens bei den Standardbehandlungen vergleichbarem Nebenwirkungsprofil eine aussichtreiche Behandlung rezidivierender Glioblastome darstellen könne (Refusal Assessment Report for Avastin Procedure No. EMEA/H/C/582/II/0028, S. 31).
Dies ist in der Tat kein Wirksamkeitsbeweis. Es ist aber deutlich mehr als die vom Bundesverfassungsgericht geforderte "nicht ganz fern liegende Aussicht" auf wenigstens eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Soweit Prof. H. in seinem Gutachten vom 06.04.2011 die Frage aufwirft, ob nicht das in den Phase-II-Studien zur Behandlung von Glioblastomen mit Bevacizumab bildgebend festgestellte Ansprechen der Patienten auf das Präparat möglicherweise allein dessen antiödematöse, nicht aber eine tumorzerstörende Wirkung beschreibt, so reicht dieser Verdacht nicht aus, um die ihrerseits auf evidenzbasierten Annahmen gegründete Einschätzung zu widerlegen, dass es sich beim Ansprechen auf die Behandlung im Sinne einer bildgebend feststellbaren Tumorregression um einen Prädiktor für einen Behandlungserfolg auch im Sinne des Gesamtüberlebens handelt. Der Wert des radiologisch gesicherten Ansprechens als Surrogat-Endpunkt in klinischen Studien war seinerseits Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, in denen teilweise zwar kein Zusammenhang zwischen der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung und Überleben, wohl aber ein signifikanter Zussammenhang zwischen dem Fortschreiten der Krankheit an sich und kürzerer Überlebensdauer, gefunden wurde (Grant et al., Chemotherapy response criteria in malignant glioma, Neurology 48 [1997] Nr. 5 S. 1336 ff.; http://www.neurology.org/content/48/5/1336.full.pdf), teilweise ein Zusammenhang zwischen zweimonatiger, nicht aber sechsmonatiger progressfreier Zeit und Überleben (Schah et al., Comparison of linear and volumetric criteria in assessing tumor response in adult high-grade gliomas, Neuro Oncol 8 [2006] S. 38 ff.; http://neuro-oncology.oxfordjournals.org/content/8/1/38.full.pdf+html) festgestellt wurde oder sich ein positiver Zusammenhang zwischen Ansprechen, progressfreier Überlebensdauer und Gesamtüberleben bestätigen ließ (Hess et al., Response and progression in recurrent malignant glioma, Neuro Oncol 1 [1999] Nr. 4 S. 282; http://neuro-oncology.oxfordjournals.org/content/1/4/282.full.pdf+html; Ballman et al., The relationship between six-month progression-free survival and 12-month overall survival end points for phase II trials in patients with glioblastoma multiforme, Neuro Oncol 9 [2007] Nr. 1 S. 29 ff.; http://neuro-oncology.oxfordjournals.org/content/9/1/29.full.pdf+html). Vor diesem Hintergrund kann das in der Bildgebung festgestellte Ansprechen auf die Behandlung durchaus als Indiz für eine Erfolgsaussicht nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angesehen werden.
Einer verfassungskonformen Leistungsausweitung steht schließlich nicht das Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.04.2006, Az. B 1 KR 7/05 R, juris Rn. 41, entgegen, wonach die Risiko-Nutzen-Abwägung negativ verlaufen müsste, wenn auf Grund der Versagensgründe des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5a und 7 AMG bereits eine ablehnende Entscheidung der Arzneimittelzulassungsbehörde ergangen sei. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29.11.2007, Az. 1 BvR 2496/07, juris Rn. 34, in Abgrenzung zur Rechtsprechung des Bundessozialgericht - wonach für eine Anspruchsbegründung auf Grund grundrechtsorientierter Auslegung regelmäßig kein Raum mehr sei, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nach nicht zu beanstandender Prüfung zu einer negativen Bewertung einer Behandlungsmethode gelangt ist - dem Ausgangsgericht zu prüfen auferlegt hat, ob die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 für eine noch nicht anerkannte, aber auch noch nicht ausdrücklich ausgeschlossene neue Behandlungsmethode aufgestellten Grundsätze auch in den Fällen gelten, in welchen eine neue Behandlungsmethode bereits ausdrücklich ausgeschlossen wurde, und gegebenenfalls über die Anwendung dieser Grundsätze im konkreten Fall der Beschwerdeführerin zu entscheiden. Es ist mithin nicht von vorn herein ausgeschlossen, die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Grundsätze auch in einem Fall anzuwenden, in dem eine neue Behandlungsmethode bereits ausgeschlossen wurde. Dies gilt für die Entscheidungen der Arzneimittelbehörden entsprechend.
Entscheidend ist dabei, dass die Versagung der Zulassung durch die zuständige Arzneimittelbehörde nur dann einer verfassungskonformen Leistungserweiterung entgegen gehalten werden kann, wenn die Zulassungsbehörde die Risiken und den Nutzen des konkreten Arzneimittels abschließend geprüft und als nicht ausreichend nachgewiesen angesehen hat. Das setzt zum Einen voraus, dass die Arzneimittelbehörde sich bei ihrer Entscheidung, wenn es um Arzneimittel zur Behandlung lebensbedrohlicher oder regelmäßig tödlich verlaufender Krankheiten geht, an den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Maßstäben zum Schutze des Lebens orientiert hat. Zum Anderen kann eine solche Prüfung nur dann die Risiko-Nutzen-Abwägung im Rahmen einer verfassungskonformen Leistungserweiterung präjudizieren, wenn der Arzneimittelzulassungsbehörde bereits Daten in einer Qualität vorgelegt wurden, die das erforderliche Evidenzniveau für eine solche abschließende Einschätzung erreichen. Der unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) sowie mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitete Anspruch auf Bereitstellung eines rechtmäßig im Verkehr befindlichen, für die Behandlung der konkreten lebensbedrohlichen Erkrankung aber noch nicht zugelassenen Arzneimittels kann nicht dadurch zu Fall gebracht werden, dass der Inhaber der Zulassung deren Erweiterung verfrüht, d.h. bereits in einem Stadium beantragt, in dem zwar auf Grundlage an Surrogat-Endpunkten orientierter Indizien ein Überlebensvorteil prognostiziert werden kann, dieser Effekt aber noch nicht durch Phase-III-Studien, welche die Gesamtüberlebensdauer verfolgen, nachgewiesen ist und dem Erweiterungsantrag deshalb mangels Zulassungsreife nicht entsprochen werden kann. Nur wenn die Zulassungsbehörden auf Grund solcher hochwertigen Studien die bis dahin in Studien niedrigerer Evidenzstufe an Hand von Surrogat-Endpunkten abgeleitete Nutzen-Risiko-Prognose als entkräftet oder widerlegt erachten, ist Raum für die vom Bundessozialgericht aufgestellte Vermutung, dass mit der abschlägigen Prüfung des Zulassungsantrags die Risiko-Nutzen-Abwägung negativ verlaufen sei.
Im vorliegenden Falle hat der wissenschaftlichen Beirat der Europäischen Arzneimittelagentur die an Hand der ausgewerteten Phase-II-Studien auf Indizien gestützte Aussicht auf einen Behandlungserfolg keineswegs als entkräftet oder widerlegt eingeschätzt, sondern dem Erweiterungsantrag mangels am Gesamtüberleben ausgerichteter Studienergebnisse die Zulassungsreife abgesprochen. Eine abschließende Beurteilung muss damit dem Ausgang der derzeit laufenden Phase-III-Studie vorbehalten bleiben. Die Nutzen-Risko-Bewertung nach den Maßstäben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2006, Az. 1 BvR 347/98, hat sich durch den Antrag bei der Europäischen Arzneimittelagentur und das abschlägige Votum des wissenschaftlichen Beirats mithin nicht geändert. Dieser entfaltet damit keine Sperrwirkung gegenüber der beantragten verfassungskonformen Leistungserweiterung.
Weil dem Antragsteller wegen der Schwere der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen und mit Rücksicht auf den weiteren Verlauf der Erkrankung ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist, hat die Antragsgegnerin die beantragte Leistung einstweilen bereitzustellen. Die dem Antragsteller zu gewährende Krankenbehandlung umfasst sowohl das Arzneimittel als auch dessen Applikation als Sach- bzw. Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Das Gericht hat in Ausübung des ihm nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 938 Abs. 1 ZPO zustehenden Anordnungsermessens die Dauer der Anordnung auf zunächst 6 Anwendungen begrenzt, um die Entscheidung über die weitere (vorläufige) Erbringung der Leistung von der Evaluation der Behandlung spätestens 3 Monate nach deren Beginn abhängig zu machen. Das Gericht geht dabei davon aus, dass 6 Behandlungszyklen ausreichend sind, um mittels anerkannter diagnostischer Methoden (vgl. beispielhaft Henson et al., Brain Tumor Imaging in Clinical Trials, Am J Neuroradiol 29 [2008] Nr. 3 S. 419 ff.; http://www.ajnr.org/cgi/reprint/29/3/419) zu prüfen, ob der Antragsteller auf die Behandlung anspricht, und ob auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen der Behandlung deren Fortsetzung angezeigt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG.
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