Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 23 SF 15/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 247/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 15.03.2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B).
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 19. Januar 2011 abgeändert und die Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren Az.: L 7 AS 620/08 ER auf 674,97 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird sie zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Beschwerdeverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht streitig (Az.: L 7 AS 620/08 ER).
Am 12. März 2008 beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller - eine Bedarfsgemeinschaft von drei Personen - beim Sozialgericht Meiningen, die Antragsgegnerin - eine ARGE Grundsicherung für Arbeitssuchende - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen eine einmalige Heizkostenbeihilfe zum Erwerb von Heizöl zu gewähren und ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers zu bewilligen. Mit Beschluss vom 19. Mai 2008 lehnte das Sozialgericht die Anträge mit der Begründung ab, es liege kein Anordnungsgrund vor. Am 9. Juni 2008 legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein und begehrte unter Zugrundelegung des aktuellen Heizölpreises und des bereits bewilligten Betrags in seinem dreiseitigen Schriftsatz eine einmalige Heizkostenbeihilfe für 1.500 Liter Heizöl. In dem Erörterungstermin des 7. Senats am 2. September 2008 schlossen die Beteiligten laut Niederschrift folgenden Vergleich:
"1. Die Beschwerdegegnerin gewährt den Beschwerdeführern für den Bewilligungszeitraum 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 eine Heizkostenbeihilfe von 800 l Heizöl. 2. Die Zahlung wird geleistet, sobald die Heizölrechnung bzw. der Kostenvoranschlag bei der Beschwerdegegnerin eingeht. 3. Die Beschwerdeführer verpflichten sich, bei Leistung auf Grund eines Kostenvoranschlages die Rechnung unverzüglich nachzureichen. 4. Die Beteiligten erklären das Beschwerdeverfahren für erledigt."
Mit Beschluss vom 4. September 2008 gewährte der 7. Senat den Antragstellern Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Beschwerdeführers und verpflichtete die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 23. Juni 2009 zur Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
In seiner Kostenrechnung vom 17. September 2008 beantragte der Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren die Festsetzung von 996,27 Euro:
Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 310,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3205 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1007 VV-RVG 250,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG (62 km x 2 x 0,30 Euro) 37,20 Euro Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 837,20 Euro Mehrwertsteuer 159,07 Euro Gesamtbetrag 996,27 Euro
Unter dem 24. August 2009 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Zahlung der 996,27 Euro an und forderte daraufhin von der Antragsgegnerin die Überweisung von 498,13 Euro.
Am 13. Januar 2010 legte der Beschwerdegegner Erinnerung ein und beantragte die Festsetzung einer Vergütung von 597,62 Euro. Zu erstatten seien neben den Nrn. 7002, 7003/7004, 7005 VV-RVG Mittelgebühren der Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG (87,50 Euro), Terminsgebühr Nr. 3515 VV-RVG (87,50 Euro) und Einigungsgebühr Nr. 1007 VV-RVG.
Mit Beschluss vom 19. Januar 2011 hat das Sozialgericht die zu gewährende Vergütung auf 597,62 Euro festgesetzt und u.a. ausgeführt, bereits nach dem Wortlaut komme Nr. 3204 VV-RVG nicht in Betracht. Die Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gehöre nicht zu denen des Teils 3 Abschnitt 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Entsprechend sei für die Terminsgebühr die Nr. 3515 VV-RVG anzusetzen. Für alle Gebühren sei die Mittelgebühr angemessen.
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 14. Februar 2011 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Reduzierung der Vergütung stelle eine Diskriminierung seiner anwaltlichen Tätigkeit dar. Es sei nicht nachvollziehbar, dass für ein zweitinstanzliches Verfahren niedrigere Gebühren anfallen sollten als für ein Verfahren der 1. Instanz.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 19. Januar 2011 aufzuheben und seine Vergütung auf 996,27 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seinen erstinstanzlichen Antrag und den Beschluss des Sozialgerichts.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 5. April 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro.
Die Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Antragsteller, denen PKH gewährt wurde, waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Hier übersteigen die beantragten Gebühren (996,27 Euro) die tatsächlich zustehenden (674,97 Euro) um mehr als 20 v.H. und sind damit unbillig.
Die einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist Nr. 3501 VV RVG (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B). Sie wird wie folgt definiert: "Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in den Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), soweit in diesem Abschnitt keine besonderen Gebühren bestimmt sind" und beträgt 15,00 bis 160,00 Euro. Hier wurde ein solches Beschwerdeverfahren geführt. In dem Vergütungsverzeichnis Teil 3 Abschnitt 5 sind für diesen Fall keine besonderen Gebühren vorgesehen. Zwar handelt es sich bei Nr. 3501 VV RVG wie bei Nr. 3500 VV RVG um eine Auffangvorschrift (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 19. Auflage 2010, VV RVG 3500 Rdnr. 4); eine speziellere Regelung enthält das Gesetz jedoch nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; SG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - Az.: S 180 SF 1755/09 E; SG Aachen, Beschluss vom 9. April 2008 - Az.: S 11 AS 154/06 ER; alle nach juris). Die allein in Betracht kommende "bestimmte Beschwerde" in Abschnitt 2 ("Berufung, Revision, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht") wird in der Vorbemerkung 3.2.1 erläutert. Verfahren vor den Sozialgerichten werden dort nicht genannt.
Eine direkte Anwendung der Nr. 3204 VV-RVG scheidet damit aus. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, denn es fehlt an der notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Ob sie vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 13. November 2001 - Az.: X ZR 134/00, nach juris). Dass Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ausdrücklich geregelt sind, begründet allein keine Lücke, denn mit der Nr. 3501 VV RVG existiert grundsätzlich eine Regelung zur Festsetzung dieser Gebühren (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO, nach juris), wenn auch nicht in der vom Beschwerdeführer gewünschten Höhe. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, die Gebühren in Beschwerdeverfahren denen im Berufungsverfahren gleichzustellen. Nach der Gesetzesbegründung zu Nr. 3500 VV RVG soll die Verfahrensgebühr in Beschwerdeverfahren tatsächlich das 0,5-fache betragen (BT-Drucks. 15/1971 S. 218).
Bedenken gegen die zuerkannte Mittelgebühr in Höhe von 87,50 Euro bestehen im Ergebnis nicht und werden von dem Beschwerdeführer auch nicht vorgetragen. Der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit im Verfahren vor dem 7. Senat lag mit zwei Schriftsätzen allerdings unter dem Durchschnitt. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war durchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller überdurchschnittlich. Hierbei kommt es auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für die Antragsteller an, nicht aber für die Allgemeinheit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris). Die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller werden durch diese überdurchschnittliche Bedeutung kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.
Die Gebühr ist nach Nr. 1008 VV RVG für zwei weitere Personen (Auftraggebermehrheit) um 60 v.H. (= 52,50 Euro) auf 140,00 Euro zu erhöhen. Es kommt nicht darauf an, dass dies der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich beantragt hat, denn von Seiten des Gerichts ist eigenständig nach Maßgabe des Gesetzes unter Berücksichtigung der Berechnungsfaktoren zu entscheiden, ob dem Kläger insgesamt ein Anspruch auf höhere Kostenerstattung zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - Az.: B 13 R 63/09 R, nach juris); es kann allerdings insgesamt nicht mehr festgesetzt werden, als beantragt worden ist.
Die eigenständig zu prüfende Terminsgebühr nach Nr. 3515 VV-RVG beläuft sich in den in Nr. 3501 VV-RVG genannten Verfahren auf 15,00 bis 160,00 Euro. Angesichts der überdurchschnittlichen Dauer des Termins mit 50 Minuten (nicht: 90 Minuten), der durchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller - kompensiert durch die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen - ist hier allerdings ein höherer Ansatz als die Mittelgebühr, nämlich 100,00 Euro, angemessen.
Keine Bedenken bestehen gegen die Einigungsgebühr in Höhe von 250,00 Euro nach Nr. 1007 VV-RVG, die Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgeld und Pauschale für Post- und Telekommunikation. Damit errechnen sich die zustehenden Gebühren wie folgt:
Nr. 3501 VV RVG 87,50 Euro Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG 52,50 Euro Terminsgebühr Nr. 3515 VV RVG 100,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1007 VV-RVG 250,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003, 7004 RVG 37,20 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 20,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 567,20 Euro Mehrwertsteuer 107,77 Euro Gesamtbetrag 674,97 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Beschwerdeverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht streitig (Az.: L 7 AS 620/08 ER).
Am 12. März 2008 beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller - eine Bedarfsgemeinschaft von drei Personen - beim Sozialgericht Meiningen, die Antragsgegnerin - eine ARGE Grundsicherung für Arbeitssuchende - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen eine einmalige Heizkostenbeihilfe zum Erwerb von Heizöl zu gewähren und ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers zu bewilligen. Mit Beschluss vom 19. Mai 2008 lehnte das Sozialgericht die Anträge mit der Begründung ab, es liege kein Anordnungsgrund vor. Am 9. Juni 2008 legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein und begehrte unter Zugrundelegung des aktuellen Heizölpreises und des bereits bewilligten Betrags in seinem dreiseitigen Schriftsatz eine einmalige Heizkostenbeihilfe für 1.500 Liter Heizöl. In dem Erörterungstermin des 7. Senats am 2. September 2008 schlossen die Beteiligten laut Niederschrift folgenden Vergleich:
"1. Die Beschwerdegegnerin gewährt den Beschwerdeführern für den Bewilligungszeitraum 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 eine Heizkostenbeihilfe von 800 l Heizöl. 2. Die Zahlung wird geleistet, sobald die Heizölrechnung bzw. der Kostenvoranschlag bei der Beschwerdegegnerin eingeht. 3. Die Beschwerdeführer verpflichten sich, bei Leistung auf Grund eines Kostenvoranschlages die Rechnung unverzüglich nachzureichen. 4. Die Beteiligten erklären das Beschwerdeverfahren für erledigt."
Mit Beschluss vom 4. September 2008 gewährte der 7. Senat den Antragstellern Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Beschwerdeführers und verpflichtete die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 23. Juni 2009 zur Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
In seiner Kostenrechnung vom 17. September 2008 beantragte der Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren die Festsetzung von 996,27 Euro:
Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 310,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3205 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1007 VV-RVG 250,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG (62 km x 2 x 0,30 Euro) 37,20 Euro Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 837,20 Euro Mehrwertsteuer 159,07 Euro Gesamtbetrag 996,27 Euro
Unter dem 24. August 2009 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Zahlung der 996,27 Euro an und forderte daraufhin von der Antragsgegnerin die Überweisung von 498,13 Euro.
Am 13. Januar 2010 legte der Beschwerdegegner Erinnerung ein und beantragte die Festsetzung einer Vergütung von 597,62 Euro. Zu erstatten seien neben den Nrn. 7002, 7003/7004, 7005 VV-RVG Mittelgebühren der Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG (87,50 Euro), Terminsgebühr Nr. 3515 VV-RVG (87,50 Euro) und Einigungsgebühr Nr. 1007 VV-RVG.
Mit Beschluss vom 19. Januar 2011 hat das Sozialgericht die zu gewährende Vergütung auf 597,62 Euro festgesetzt und u.a. ausgeführt, bereits nach dem Wortlaut komme Nr. 3204 VV-RVG nicht in Betracht. Die Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gehöre nicht zu denen des Teils 3 Abschnitt 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Entsprechend sei für die Terminsgebühr die Nr. 3515 VV-RVG anzusetzen. Für alle Gebühren sei die Mittelgebühr angemessen.
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 14. Februar 2011 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Reduzierung der Vergütung stelle eine Diskriminierung seiner anwaltlichen Tätigkeit dar. Es sei nicht nachvollziehbar, dass für ein zweitinstanzliches Verfahren niedrigere Gebühren anfallen sollten als für ein Verfahren der 1. Instanz.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 19. Januar 2011 aufzuheben und seine Vergütung auf 996,27 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seinen erstinstanzlichen Antrag und den Beschluss des Sozialgerichts.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 5. April 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro.
Die Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Antragsteller, denen PKH gewährt wurde, waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Hier übersteigen die beantragten Gebühren (996,27 Euro) die tatsächlich zustehenden (674,97 Euro) um mehr als 20 v.H. und sind damit unbillig.
Die einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist Nr. 3501 VV RVG (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B). Sie wird wie folgt definiert: "Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in den Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), soweit in diesem Abschnitt keine besonderen Gebühren bestimmt sind" und beträgt 15,00 bis 160,00 Euro. Hier wurde ein solches Beschwerdeverfahren geführt. In dem Vergütungsverzeichnis Teil 3 Abschnitt 5 sind für diesen Fall keine besonderen Gebühren vorgesehen. Zwar handelt es sich bei Nr. 3501 VV RVG wie bei Nr. 3500 VV RVG um eine Auffangvorschrift (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 19. Auflage 2010, VV RVG 3500 Rdnr. 4); eine speziellere Regelung enthält das Gesetz jedoch nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; SG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - Az.: S 180 SF 1755/09 E; SG Aachen, Beschluss vom 9. April 2008 - Az.: S 11 AS 154/06 ER; alle nach juris). Die allein in Betracht kommende "bestimmte Beschwerde" in Abschnitt 2 ("Berufung, Revision, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht") wird in der Vorbemerkung 3.2.1 erläutert. Verfahren vor den Sozialgerichten werden dort nicht genannt.
Eine direkte Anwendung der Nr. 3204 VV-RVG scheidet damit aus. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, denn es fehlt an der notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Ob sie vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 13. November 2001 - Az.: X ZR 134/00, nach juris). Dass Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ausdrücklich geregelt sind, begründet allein keine Lücke, denn mit der Nr. 3501 VV RVG existiert grundsätzlich eine Regelung zur Festsetzung dieser Gebühren (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO, nach juris), wenn auch nicht in der vom Beschwerdeführer gewünschten Höhe. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, die Gebühren in Beschwerdeverfahren denen im Berufungsverfahren gleichzustellen. Nach der Gesetzesbegründung zu Nr. 3500 VV RVG soll die Verfahrensgebühr in Beschwerdeverfahren tatsächlich das 0,5-fache betragen (BT-Drucks. 15/1971 S. 218).
Bedenken gegen die zuerkannte Mittelgebühr in Höhe von 87,50 Euro bestehen im Ergebnis nicht und werden von dem Beschwerdeführer auch nicht vorgetragen. Der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit im Verfahren vor dem 7. Senat lag mit zwei Schriftsätzen allerdings unter dem Durchschnitt. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war durchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller überdurchschnittlich. Hierbei kommt es auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für die Antragsteller an, nicht aber für die Allgemeinheit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris). Die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller werden durch diese überdurchschnittliche Bedeutung kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.
Die Gebühr ist nach Nr. 1008 VV RVG für zwei weitere Personen (Auftraggebermehrheit) um 60 v.H. (= 52,50 Euro) auf 140,00 Euro zu erhöhen. Es kommt nicht darauf an, dass dies der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich beantragt hat, denn von Seiten des Gerichts ist eigenständig nach Maßgabe des Gesetzes unter Berücksichtigung der Berechnungsfaktoren zu entscheiden, ob dem Kläger insgesamt ein Anspruch auf höhere Kostenerstattung zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - Az.: B 13 R 63/09 R, nach juris); es kann allerdings insgesamt nicht mehr festgesetzt werden, als beantragt worden ist.
Die eigenständig zu prüfende Terminsgebühr nach Nr. 3515 VV-RVG beläuft sich in den in Nr. 3501 VV-RVG genannten Verfahren auf 15,00 bis 160,00 Euro. Angesichts der überdurchschnittlichen Dauer des Termins mit 50 Minuten (nicht: 90 Minuten), der durchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller - kompensiert durch die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen - ist hier allerdings ein höherer Ansatz als die Mittelgebühr, nämlich 100,00 Euro, angemessen.
Keine Bedenken bestehen gegen die Einigungsgebühr in Höhe von 250,00 Euro nach Nr. 1007 VV-RVG, die Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgeld und Pauschale für Post- und Telekommunikation. Damit errechnen sich die zustehenden Gebühren wie folgt:
Nr. 3501 VV RVG 87,50 Euro Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG 52,50 Euro Terminsgebühr Nr. 3515 VV RVG 100,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1007 VV-RVG 250,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003, 7004 RVG 37,20 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 20,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 567,20 Euro Mehrwertsteuer 107,77 Euro Gesamtbetrag 674,97 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
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