L 16 R 155/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 R 3503/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 155/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagten lehnte den Antrag des 1946 geborenen Klägers vom 27. Oktober 2004 auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung (EM) mit Bescheid vom 14. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2007 und des Bescheides vom 19. Februar 2008 ab. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 8. September 2009 abgewiesen; die Berufung ist unter dem Aktenzeichen L 33 R 975/09 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin –Brandenburg anhängig.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 beschwerte sich der Kläger über den zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten und beantragte eine Überprüfung im dienstrechtlichen Wege. Hinsichtlich der Anerkennung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung habe der Sachbearbeiter offensichtlich den Charakter der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat verkannt. Ein Bescheid der Beklagten vom "2. Dezember" über die Anerkennung der vollen Erwerbsminderung sei ihm leider nicht zugestellt worden. Er habe davon erst durch ein Schreiben des Sozialgerichts (SG) vom 24. August 2009 in der Sache S 47 SO 3341/08 Kenntnis erhalten. Das Verhalten des zuständigen Sachbearbeiters widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung. Seine Entscheidung sei mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 u.a. mit: Soweit der Kläger mit seinem Schreiben vom 12. Oktober 2009 anmerke, dass ein Bescheid vom 2. Dezember 2008 ihm nicht übersandt worden sei, werde daraufhin gewiesen, dass es sich bei dem Schreiben vom 2. Dezember 2008 um einen aufgrund einer richterlichen Verfügung vom 27. Oktober 2008 gefertigten Schriftsatz handle. Zwar habe im sozialgerichtlichen Verfahren ein Leistungsfall anerkannt werden können, jedoch seien für einen Anspruch auf Rente weiterhin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Wenn eine Weiterleitung durch das SG Berlin nicht erfolgt sei, täte ihr das Leid, habe aber nicht durch sie beeinflusst werden können.

Mit seiner am 5. Juli 2010 erhobenen "Untätigkeitsklage" (Schreiben vom 2. Juli 2010) gegen die Beklagte "wegen Anerkennung der vollen Erwerbsminderung" hat der Kläger den Erlass eines Verwaltungsaktes bzw. "rechtsmittelfähigen Bescheides" begehrt und vorgetragen, er betrachte die Verzögerung und Verschleppung im Zusammenhang mit seinem Antrag vom 12. Oktober 2009 als nicht nur dumm, sondern auch vor allem gefährlich für die Demokratie in Deutschland. Das SG Berlin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2011 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unzulässig. Soweit das Klagebegehren dahingehend ausgelegt werde, dass die Erteilung eines positiven Bescheides zur Rentengewährung erstrebt werden solle, sei die Klage unzulässig, weil die Gewährung einer Rente wegen EM bereits Streitgegenstand des Verfahrens L 33 R 975/09 sei. Soweit "Untätigkeitsklage" erhoben worden sei, sei die Klage ebenfalls unzulässig, weil es mangels eines vorliegenden Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsaktes an den tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fehle. Das Schreiben vom 12. Oktober 2009 sei eher als Dienstaufsichtsbeschwerde anzusehen, jedoch keinesfalls als Antrag auf Erteilung eines Bescheides über die Gewährung von Rente wegen EM. Im Übrigen bestehe mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses auch kein Anspruch auf eine erneute Entscheidung des Beklagten zum Rentenbegehren des Klägers.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen den Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2011 und trägt vor: Der vorliegende Fall sei fachlich und sachlich nicht überprüft worden. Er fühle sich ungerecht eingeschätzt, als Schwarzafrikaner diskriminiert und in seiner Rechts- und Freiheitssphäre angegriffen.

Dem Vorbringen des Klägers ist der Antrag zu entnehmen,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2011 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 12. Oktober 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2011 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter zur gemeinsamen Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Gerichtsakten dieses Verfahrens, des Verfahrens S 69 R 3503/10 ER (SG Berlin), des Verfahrens L 33 R 975/09 (LSG Berlin-Brandenburg), des Verfahrens L 22 R 1173/10 (LSG Berlin-Brandenburg), des Verfahrens L 22 R 1236/10 PKH (LSG Berlin-Brandenburg) und die Verwaltungsakten der Beklagten (8 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat durch die gemäß § 153 Abs. 5 SGG berufenen Richter entscheiden konnte, ist unbegründet.

Die Klage ist jedenfalls wegen der andauernden Rechtshängigkeit des Verfahrens L 33 R 975/09 (§ 202 SGG iVm § 17b Abs. 1 Gerichtsverfasssungsgesetz) unzulässig, soweit mit dem Schreiben vom 12. Oktober 2009 eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erstrebt wird.

Soweit der Kläger hilfsweise die Verpflichtung zur Bescheidung eines Antrags auf Erlass eines Verwaltungsaktes im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG begehrt, ist die Klage ebenfalls unzulässig. Denn es fehlte zumindest ursprünglich an einem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes. Der Senat verweist insoweit zur näheren Begründung gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Gerichtsbescheid (Seite 3 4. Absatz bis Seite 4 1. Absatz letzte Zeile). Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die Untätigkeitsklage auch dann unzulässig bleibt, wenn mit der Klageerhebung (Schreiben vom 2. Juli 2010) zugleich ein neuer Rentenantrag bzw. ein Überprüfungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – an die Beklagte übermittelt werden sollte. Denn die vorherige Antragstellung bei der Behörde ist eine nicht nachholbare Zugangsvoraussetzung für jedwede Form der Untätigkeitsklage (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 88 Rn. 3; ferner zu § 75 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 75 Rn. 7 mwN).

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass der Kläger mit dem hiesigen Rechtschutzbegehren (auch) keine - grundsätzlich im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgende – allgemeine Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung) auf Befassung mit einer von ihm eingelegten Dienstaufsichtsbeschwerde (zum gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf förmliche Befassung mit Dienstaufsichtsbeschwerden vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 79 Rn. 21) erhoben hat. Zwar enthält das Schreiben vom 12. Oktober 2009 (nur) eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den "zuständigen Sachbearbeiter" der Beklagten. Mit der Klageschrift vom 2. Juli 2010 ist der Kläger jedoch auf diese Petition inhaltlich nicht mehr zurückgekommen, sondern er hat sich stattdessen – wie sich aus seiner Bezugnahme auf die "Anerkennung der vollen Erwerbsminderung" und dem in diesem Zusammenhang dargelegten Verlangen nach Erlass eines darauf bezogenen Verwaltungsakts mit hinreichender Klarheit ergibt – darauf beschränkt, nunmehr ausschließlich die (positive) Verbescheidung seines Rentenbegehren zu verlangen. Für eine weitere Verfolgung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde bestand im Zeitpunkt der Klageerhebung am 5. Juli 2009 im Übrigen auch aus Sicht des Klägers kein erkennbarer Anlass mehr, denn die Beklagte hatte sich bereits in ihrem Schreiben vom 16. Oktober 2009 mit diesem Anliegen eingehend befasst. Da der Kläger nach alledem im hiesigen Verfahren sein Dienstaufsichtsbegehren nicht verfolgt hat, bedarf es auch keiner Entscheidung über eine u.U. auch im Berufungsverfahren noch vorzunehmende (vgl. dazu Baumbach/Hartmann, ZPO-Komm, 69. Aufl. 2011, GVG, § 17a Rn. 19 f.) Verweisung des Rechtstreits wegen des insoweit nicht gegebenen Sozialrechtswegs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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