L 16 R 58/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 R 1612/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 58/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM) für die Zeit ab 1. August 2005.

Der 1959 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 1975 bis 1978 eine Lehre als Kfz-Mechaniker. Diesen Beruf konnte er nach eigenen Angaben wegen verschiedener Allergien (Staub, Farbe) nicht ausüben. Vom 23. März 1979 an war er als Kraftfahrer und ab dem Jahr 2000 als Post-Dienstleister/Zusteller bei der D AG versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 11. September 2003 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem Jahr 2004 bezieht der Kläger eine Betriebsrente der Post iHv monatlich 1.024,59 EUR. Er ist geschieden und hat zwei erwachsene Söhne. Bis zum Jahr 2008 lebte er in B; dann zog er in ein Eigenheim nach A/M (Sachsen-Anhalt) um. Bei dem Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt (Bescheid vom 16. Februar 2007).

Nach Ablehnung eines Antrages auf Gewährung einer EM-Rente durch Bescheid der Beklagten vom 16. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2004 machte der Kläger mit einem erneuten Rentenantrag vom 18. August 2005 unter Bezugnahme auf Bescheinigungen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N, des Facharztes für Orthopädie Dr. L und des Hautarztes R geltend, er halte sich aufgrund seiner psychischen und orthopädischen Leiden für erwerbsgemindert seit dem Jahr 2000. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch die Internistin Dr. K. Diese bescheinigte dem Kläger in ihrem Gutachten vom 13. Oktober 2005 ein tägliches Leistungsvermögen in einem Umfang von sechs Stunden und mehr für körperlich mittelschwere Tätigkeiten. In einem auf Empfehlung der Internistin eingeholten Zusatzgutachten vom 4. November 2005 kam die Ärztin für Psychiatrie Dr. S zu der Einschätzung, der Kläger sei für mittelschwere Tätigkeiten in jeglicher Haltung vollschichtig, ohne Nachtschicht, ohne Zeitdruck, ohne hohen Publikumsverkehr für sechs Stunden und mehr belastbar (Neurasthenie; Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und anankastischen Anteilen). Die Beklagte lehnte den Antrag auf EM-Rente mit Bescheid vom 18. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2006 ab und führte zur Begründung an: Der Kläger sei nach dem Ergebnis der durchgeführten medizinischen Ermittlungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Auch liege keine Berufsunfähigkeit (BU) vor. Der Kläger sei der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen. Damit seien ihm Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar. Das Restleistungsvermögen des Klägers reiche aus, solche körperlichen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert würden.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller EM, hilfsweise Rente wegen teilweiser EM, gegebenenfalls bei BU, begehrt. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers Dr. L, Dr. N und Herrn R sowie ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 15. Februar 2007 eingeholt. Darin hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H nach Untersuchung des Klägers am 24. Januar 2007 mitgeteilt, es bestehe eine leichtgeradige depressive Verstimmung mit somatischen Symptomen, eine atypische Dermatitis und ein chronisches lumbalgieformes Sydrom ohne Wurzelreizung. Der Kläger sei in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten im Freien oder in geschlossenen Räumen, jedoch nicht unter Einfluss von Hitze, Zugluft, Staub und Feuchtigkeit zu verrichten. Tätigkeiten mit einseitiger körperlicher Belastung und unter Zeitdruck wie Akkord oder Fließbandarbeit oder in Nachtschicht sollten vermieden werden. Das Heben und Tragen von Lasten bis 5 kg sei kurzzeitig zumutbar, ebenso das Arbeiten im Wechsel von Früh- und Spätschicht. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien dem Kläger wegen dessen Höhenangst nicht zumutbar, lediglich das Arbeiten an kleinen Leitern sei möglich. Tätigkeiten, die eine Belastung der Wirbelsäule implizieren, seien zu vermeiden, ebenso eine Dauerbelastung der Arme und Beine. Tätigkeiten, die Fingergeschicklichkeit erfordern, seien zumutbar, ebenso Tätigkeiten am Computer. Von einer herabgesetzten Konzentrationsfähigkeit und einer eingeschränkten Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit sowie einer reduzierten Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei auszugehen. Der Kläger sei in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei bislang nur mühsam möglich. Auch schildere der Kläger Beinbeschwerden bei längeren Fußwegen. Der Kläger könne seinen Arbeitsplatz mit dem Pkw aufsuchen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ferner ein Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. P (Untersuchung am 17. Januar 2008) eingeholt. Die Gutachterin hat eine paranoide Persönlichkeitsstörung, eine phobische sowie rezidivierende depressive Störung, eine Somatisierungsstörung, eine atypische Dermatitis, ein chronisches lumbalgieformes Syndrom ohne Wurzelreizung und "Zustand nach Drogen- und Alkoholabhängigkeit" diagnostiziert. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, regelmäßige Arbeiten zu verrichten. Jede Form von Arbeit würde wieder zur Anspannung, Dekompensation, Verstärkung der pathologischen Erlebnisverarbeitung und pathologischen Interaktionen führen. Die festgestellten Leiden beschränkten den Kläger in der Ausübung jeglicher Arbeit. Bei starker Ausprägung des Tinnitus´ sei das Hörvermögen eingeschränkt. Das Sehvermögen sei bei Auftreten von allergischen Reaktionen eingeschränkt (Zuschwellen der Augen). Von einer leichten Störung des Reaktionsvermögens sei auszugehen. Auffassungsgabe, Lern-, Merk-, Konzentrations-, Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit seien durch die Erkrankungen reduziert. Der Kläger sei nicht in der Lage, regelmäßig einen Weg zur Arbeit zu bewältigen. Zu Fuß seien seine Möglichkeiten durch Schmerzen deutlich reduziert, öffentliche Verkehrsmittel würden aus Angstgründen nicht benutzt und mit dem Auto könne der Kläger nur außerhalb von Hauptverkehrszeiten fahren. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche nicht für eine Arbeitszeit von sechs Stunden aus.

Nach Eingang ergänzender Stellungnahmen des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten (Dr. S) und der Gutachter Dr. P und Dr. H hat das SG die Klage durch Urteil vom 14. Dezember 2009 abgewiesen und ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser EM. Eine EM nach § 43 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) bestehe nicht, da der Kläger noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich mindestens sechs Stunden erwerbsfähig zu sein. Dies habe der Sachverständige Dr. H in überzeugender Weise und in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern festgestellt. Der anders lautenden Einschätzung der Gutachterin Dr. P könne nicht gefolgt werden. Das Gutachten leide an schweren handwerklichen Fehlern. So fehle eine vollständige psychiatrische Anamnese. Die Gutacherin habe versäumt, einen vollständigen Tagesablauf des Klägers zu erfragen. Auch seien die – erheblichen - Abweichungen zum Gutachten des Dr. H nicht erörtert und gewürdigt worden. Die Diagnose einer "Phobischen Störung" sei aus sich heraus nicht verständlich. Für die diagnostizierte Somatisierungsstörung fehle es am Nachweis der hierfür erforderlichen Symptome. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sei beim Kläger nicht feststellbar; keiner der hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Katalogfälle sei gegeben. Dem Kläger stehe auch nicht die (hilfsweise begehrte) Rente wegen teilweiser EM bei BU zu. BU liege nicht vor. Zwar könne zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er seinen bisherigen Beruf als Post-Kraftfahrer bzw. Dienstleister/Briefzusteller nicht mehr verrichten könne. Der Kläger sei aber in der Lage, die ihm sozial zumutbare Tätigkeit eines Registrators, auf die er sich verweisen lassen müsse, sechs Stunden täglich auszuüben.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger nur noch sein Begehren auf Gewährung von Rente wegen voller EM für die Zeit ab 1. August 2005 weiter; Rente wegen teilweiser EM, gegebenenfalls bei BU, macht er nicht mehr geltend. Er trägt vor, bei ihm summierten sich ungewöhnliche Leistungseinschränkungen. Seine Anpassungsschwierigkeiten hätten sich im Lauf der Jahre verstärkt. Eine Therapie mit Antidepressiva sei in der Vergangenheit gescheitert. Tätigkeiten am Computer könne er wegen seiner Augendruckschmerzen nicht ausüben. Wegen dieser Beschwerden könne er zeitweise auch nicht die Augen öffnen. Zudem leide er unter einem Tinnitus und wiederkehrenden Schwindelgefühlen. Tätigkeiten, die eine Fingergeschicklichkeit erforderten, könne er nicht ausüben, da seine Rückenschmerzen oft und unerwartet in Arme und Finger ausstrahlten. Auch leide er unter einer Sonnenallergie, weshalb eine Tätigkeit im Freien nicht möglich sei. Seine Wegefähigkeit sei aufgehoben. Er könne oft nicht einmal 100 m zu Fuß zurücklegen, ohne tagelang unter erheblichen Schmerzen zu leiden. Beim Autofahren erleide er Panikattacken.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2009 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2006 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. August 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.

Der Senat hat einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. O vom 13. Dezember 2010 und ein medizinisches Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J vom 11. Mai 2011 (Untersuchung des Klägers am 30. März 2011) eingeholt. Diese Ärztin hat die Diagnose eines leichtgradig depressiven Syndroms mit somatischen Symptomen mit Hinweisen auf eine gestörte Erlebnisverarbeitung, die während des Rentenverfahrens eine gewisse Verfestigung erfahren habe, mitgeteilt. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten seien sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen abverlangbar, allerdings nicht unter Einfluss von Hitze, Zugluft, Staub und Feuchtigkeit. Ein Wechsel der Arbeitshaltungen von sitzend, gehend und stehend werde empfohlen. Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeit sowie Tätigkeiten mit erhöhtem Publikumsverkehr sollten vermieden werden. Tätigkeiten in Früh- und Spätschichten seien zumutbar. Von Nachtschichttätigkeiten sei zur Wahrung eines geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus bei bestehenden Durchschlafstörungen Abstand zu nehmen. Einfache bis mittelschwere geistige Tätigkeiten seien möglich. Die Teilbereiche des Hör- und Sehvermögens, des Reaktionsvermögens, der Lese- und Schreibgewandtheit, der Auffassungsgabe, der Lern- und Merkfähigkeit und des Gedächtnisses sowie des Konzentrationsvermögens und der Daueraufmerksamkeit seien unbeeinträchtigt. Unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen von sechs bis acht Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu attestieren. Wegstrecken von mehr als 500 Metern seien zu bewältigen. Anhaltspunkte für eine Agoraphobie oder eine Einschränkung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel hätten sich während der Exploration nicht ergeben. Der Kläger habe angegeben, Spaziergänge zu unternehmen und aufgrund seiner räumlichen bzw. örtlichen Gegebenheiten das Auto zu nutzen. Einschränkungen seines Hörvermögens seien bei der Untersuchung nicht zu verzeichnen gewesen. Der Kläger sei sehr gut in der Lage gewesen, akustische Reize aufzunehmen und adäquat zu verarbeiten; über Beschwerden aufgrund eines Tinnitus´ habe er nicht berichtet.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten bzw. eingereichten Befundberichte und die Gutachten bzw. ergänzenden Stellungnahmen von Dr. H, Dr. P und Dr. J Bezug genommen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten (Verwaltungsteil und Gutachtenheft) und die Gerichtsakten (2 Bände) lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist unbegründet. Der im Berufungsverfahren nur noch geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen voller EM für die Zeit ab dem 1. August 2005 besteht nicht. Der Kläger war und ist nicht voll erwerbsgemindert.

Der Leistungsfall der vollen EM (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (§§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle EM (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) vorliegen. Vorliegend sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in der Person des Klägers sowohl im Hinblick auf die allgemeine Wartezeit als auch auf die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Hingegen war und ist der Kläger nicht voll erwerbsgemindert.

Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den allgemeinen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger war und ist im Zeitraum ab dem 1. August 2005 nicht voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn er verfügte und verfügt auch derzeit noch über ein vollschichtiges und damit auch ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten, mit dem er regelmäßig einer vollschichtigen und damit auch mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus dem vorliegenden Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. J. Denn die Sachverständige hat dem Kläger ein sechs- bis achtstündiges tägliches Restleistungsvermögen zumindest für leichte körperliche Arbeiten bescheinigt, mit dem er regelmäßig einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Das genannte Gutachten dokumentiert eine sorgfältige Meinungsbildung nach umfassender Befunderhebung und Untersuchung. Die darin abgegebene Leistungsbeurteilung ist schlüssig und nachvollziehbar aus den getroffenen medizinischen Feststellungen hergeleitet und stimmt im Wesentlichen mit den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. K und Dr. S und dem vom SG eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. H überein.

Die psychischen Störungen des Klägers bedingten und bedingen keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens. Soweit die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P in ihrem Gutachten davon ausgeht, das verbliebene Leistungsvermögen des Klägers reiche aufgrund einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer phobischen Störung für eine Arbeitszeit von sechs Stunden nicht aus, vermag dies die Überzeugungskraft des im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens nicht zu erschüttern. Eine schlüssige Erläuterung der Leistungsbeurteilung enthält das Gutachten von Frau Dr. P nicht. Bei der Befunderhebung geht die Gutachterin von den geklagten Beschwerden des Klägers aus, ohne diese zu objektivieren. Auch fehlt eine Exploration des Tagesablaufs des Klägers, die Rückschlüsse auf seine soziale Situation erlauben würde. Für die Diagnosen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer phobischen Störung bieten die objektivierbaren Leiden des Klägers keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Senat folgt insoweit den schlüssigen Darlegungen der Gutachterin Dr. J, die nach ihrem persönlichen Eindruck vom Kläger keine ausgeprägten und langfristig behindernden Störungen i.S. einer Persönlichkeitsstörung feststellen konnte. Überzeugend erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere ihr Hinweis auf die lange berufliche Konsistenz des Klägers ohne Wechsel des Arbeitgebers und auf seine kontinuierliche soziale Integration. Soweit die Gutachterin Dr. P darüber hinaus feststellte, beim Kläger liege eine phobische Störung (insbes. Agoraphobie) vor, ist dieser Einschätzung zur vollen Überzeugung des Senats ebenfalls nicht zu folgen. Dies ergibt sich aus dem – zeitnäheren – Gutachten der Sachverständigen Dr. J, die in der aktuellen Exploration keine Anhaltspunkte für phobische Störungen gesehen hat. Insoweit hat sie in überzeugender Weise darauf hingewiesen, dass die vom Kläger angegebenen Gründe hinsichtlich der Frage, warum er das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel in der Vergangenheit, insbesondere das U-Bahn-Fahren in B, vermieden habe ("nicht jeden Tag die gleichen Gesichter sehen"), nicht einer primär phobisch untermauernden Vermeidung entsprächen. Ausweislich des Gutachtens hat der Kläger bei der Sachverständigen Dr. J darüber hinaus angegeben, das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel sei ihm möglich. Der Gutachterin Dr. J folgend geht der Senat davon aus, dass beim Kläger (lediglich) ein leichtgradig depressives Syndrom vorliegt, das keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens bedingt. Hinsichtlich der depressiven Symptomatik hat diese Sachverständige zudem schlüssig dargelegt, dass sich der Kläger während der Exploration ausreichend schwingungs- und modulationsfähig gezeigt habe; eine klassische Symptomatik mit Früherwachen und Morgentief habe er nicht geschildert. Auch empfinde er Freude und berichte von seinem Hobby, der Fotografie. Überzeugend erscheint auch ihr Hinweis darauf, dass der Kläger den Entschluss, wegen steigender Mietpreise B zu verlassen und finanzielle Mittel in ein Haus in A zu investieren, selbst gefasst und in die Tat umgesetzt habe. Der Rückschluss der Gutachterin, dass dies für eine gewisse Veränderungsmotivation und Entschlusskraft trotz des Vorliegens seines psychischen Beschwerdebildes spreche und auf gewisse Ressourcen des Klägers verweise, ist plausibel. Aus den Angaben der Gutachterin ist darüber hinaus zu entnehmen, dass der Kläger im Zuge der Renovierung seines Hauses mitgearbeitet hat, soweit dies seine Allergie zuließ. Dies spricht ebenfalls für die Entfaltung von Eigeninitiative und lässt die Einschätzung, es liege (lediglich) ein leichtgradig depressives Syndrom vor, vollends nachvollziehbar erscheinen.

Das danach bestehende mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen des Klägers ist nach den von der Sachverständigen Dr. J festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde (vgl § 43 Abs. 3 SGB VI). Der Kläger konnte und kann zwar nach den von der Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen seiner orthopädischen, dermatologischen und psychiatrischen Leiden nur noch körperlich leichte Tätigkeiten ohne Zeitdruck im Wechsel der Arbeitshaltungen und nicht unter Einfluss von Hitze, Zugluft, Staub und Feuchtigkeit verrichten. In geistiger Hinsicht waren und sind dem Kläger einfache bis mittelschwere geistige Tätigkeiten zumutbar, wobei Einschränkungen im Bereich der Stresstoleranz und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit dahingehend vorliegen, dass Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- und Fließbandarbeit sowie Tätigkeiten mit erhöhtem Publikumsverkehr vermieden werden sollten. Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand und besteht aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag oder liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – veröffentlicht in juris). Die bei dem Kläger festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind jedenfalls nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Einschränkungen wie der Ausschluss von Hitze, Zugluft, Staub und Feuchtigkeit zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und erst recht nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 1 bis 4/95 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Das Gleiche gilt hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten des Klägers, die keine nennenswerten Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz mit einer seinem Ausbildungsniveau entsprechenden geistigen Beanspruchung erkennen lassen; nur eine darüber hinausgehende besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die indes nicht vorliegt, könnte aber eine spezifische schwere Leistungsbehinderung darstellen (vgl. BSG SozR-2200 § 1246 Nr. 104, 117). Insgesamt betreffen die bei dem Kläger festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt.

So konnte und kann der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Bürohilfstätigkeiten verrichten. Das Gleiche gilt für Sortier- und Verpackungstätigkeiten. Die Umstellungsfähigkeit des im Rahmen der Prüfung des Vorliegens voller EM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Klägers reicht jedenfalls noch aus, körperliche Verrichtungen (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, einfaches Zusammensetzen von Teilen) auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (vgl. BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 8; BSG, Urteil vom 4. November 1998 – B 13 RJ 13/98 R = SozR 2200 § 1246 Nr 62). Im Hinblick darauf, dass nach der Leistungsbeurteilung der gerichtlichen Sachverständigen jedenfalls für derart leichte und geistig anspruchslose Tätigkeiten keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Auffassungsgabe, der Lern- und Merkfähigkeit und des Gedächtnisses sowie des Konzentrationsvermögens und der Daueraufmerksamkeit bestehen, konnte und kann der Kläger auch noch derart einfache Tätigkeiten nach einer Zeit der Einarbeitung bis zu drei Monaten vollwertig verrichten. Auf den Vortrag des Klägers, er könne aufgrund seiner Sonnenallergie keine Tätigkeiten im Freien verrichten, kommt es nicht an. Denn für den Kläger kommen Tätigkeitsfelder wie die bereits genannten Bürohilfstätigkeiten in Betracht, die in geschlossenen Räumen stattfinden. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob und ggf. für wie lange der Kläger noch in der Lage ist, am Computer zu arbeiten; denn das aufgezeigte Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten enthält auch Tätigkeiten, bei denen die Benutzung eines Computers nicht erforderlich ist.

Der Kläger war und ist nach Überzeugung des Senats auch noch in der Lage, eine Arbeitsstelle aufzusuchen, so dass er ausreichend wegefähig ist (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10). Insoweit hat das SG bereits zutreffend festgestellt, dass der Kläger über Führerschein und Auto verfügt und dieses auch nutzt. Während er gegenüber dem Sachverständigen Dr. H insoweit noch Einschränkungen angab, tat er dies gegenüber Frau Dr. J nicht mehr. Ausweislich des Gutachtens teilte er der Sachverständigen mit, dass das Fahren mit dem Pkw (ebenso wie die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel) möglich sei. Auf den Vortrag, es liege eine stark eingeschränkte Belastbarkeit des Klägers mit "erheblicher schmerzhaft eingeschränkter Gehstrecke" (vgl. die Bescheinigung des behandelnden Allgemeinarztes Dr. O vom 31. Oktober 2008), kommt es von daher schon nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2002 – B 5 RJ 8/02 R – juris). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich nach Auffassung des Senats in den erhobenen Befunden und insbesondere den eigenen Angaben des Klägers keine belastbaren Anhaltspunkte für die Einschätzung von Dr. O finden. So beschrieb der Kläger dem Gutacher Dr. H, dass er zum Bäcker und zum Supermarkt einkaufen gehe und Spaziergänge mit seiner Freundin unternehme. Der Gutachterin Dr. J erklärte er, er "laufe manchmal mit dem Hund der Mitbewohnerin, gehe aber auch zum Osterfeuer im Dorf". Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass der Kläger – wie von Dr. J festgestellt – noch Wegstrecken von mehr als 500 m zurücklegen und dabei eine Wegstrecke von 500 m in höchstens 20 Minuten bewältigen kann.

Da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens – wie dargelegt - eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung nicht vorlagen und auch nicht vorliegen, war die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Für den Kläger in Betracht kommende Tätigkeitsfelder sind bereits aufgezeigt worden.

Darauf, ob der Kläger einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhalten hätte oder erhalten kann, kommt es nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer wie den Kläger derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, ist für die Feststellung von EM - wie der Gesetzgeber klargestellt hat - unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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