Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1124/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 255/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 2 SGB VI ist keine Nahtlosigkeit zwischen der letzten selbstständigen Tätigkeit und der versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erforderlich. Es ist vielmehr ausreichend, wenn zuletzt vor der versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit eine andere (nicht versicherungspflichtige) selbstständige Tätigkeit ausgeübt wurde.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Oktober 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2007 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin auch für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 27. Juni 2001 sowie ab 1. März 2003 von der Versicherungspflicht zu befreien.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht.
Die 1941 geborene Klägerin, die seit Juli 2006 eine Regelaltersrente von der Beklagten bezieht (in Höhe von 754,51 EUR aufgrund von Kindererziehungszeiten und Versorgungsausgleich), gab unter dem 28.6.2001 an, nach ihrer Scheidung sei sie von August 1990 bis Juni 1996 als Betreiberin eines Hotels/Restaurants selbstständig tätig gewesen. Von Juli 1996 bis Februar 2000 habe sie nicht gearbeitet. Ab März 2000 sei sie für die H. M. Versicherungs-AG selbstständig tätig.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahren, eingeleitet aufgrund einer Anfrage der Klägerin vom Mai 2001, erfuhr die Beklagte von der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin für die Versicherung und leitete ein Prüfungsverfahren ein. Im Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht für Selbstständige gab die Klägerin unter dem 10.8.2001 an, sie sei freie Mitarbeiterin der Hamburg Mannheimer Versicherung und in der Beratung und dem Verkauf von Produkten der Verbandsvorsorge tätig, wozu auch Reisen in andere Städte in Süddeutschland gehörten. Sie erhalte eine Erfolgsprämie.
Unter dem 12.10.2001 vermerkte ein Mitarbeiter der Beklagten, in der Akte sei kein Befreiungsantrag zu finden. Da die Antragsfrist aufgrund der verzögerten Bearbeitung seitens der Beklagten zwischenzeitlich abgelaufen sei, erkenne sie einen gegebenenfalls zu stellenden Befreiungsantrag als rechtzeitig gestellt an, sofern dieser innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang ihres Aufklärungsschreiben eingehe.
Mit Schreiben vom 16.10.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Mitarbeiterin der Hamburg Mannheimer Versicherung der Versicherungspflicht unterliege und wies sie auf die Befreiungsmöglichkeit hin.
Auf den von der Klägerin am 15.11.2001 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht (wegen Vollendung des 58. Lebensjahres bei Eintritt der Versicherung) teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 7.1.2002 mit, die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor, da sie die Tätigkeit erst nach Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt habe. Für sie bestehe nur die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Nr. 1 SGB VI, d.h. für einen Zeitraum von drei Jahren nach der erstmaligen Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 21.1.2002 die Befreiung nach dieser Vorschrift.
Mit Bescheid vom 13.2.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreterin ab 1.3.2000 sei sie nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht ende aufgrund der Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1a Nr. 1 SGB VI am 27.6.2001. Zur Feststellung der Höhe der Beiträge bat die Beklagte um Rücksendung des ausgefüllten Vordrucks.
Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie vom 28.6.2001 bis 1.3.2003 von der Versicherungspflicht befreit werde.
Am 8.4.2002 beantragte die Klägerin die Zahlung von Beiträgen nach einem Arbeitsentgelt in Höhe von 50 v.H. der Bezugsgröße (halber Regelbeitrag) bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit sowie die weitere Befreiung nach Ablauf des im Bescheid vom 13.2.2002 genannten Zeitraums.
Mit Bescheid vom 17.4.2002 teilte die Beklagte der Klägerin (nochmals) mit, dass sie ab 1.3.2000 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig sei. Ferner erklärte sie, dass die Klägerin berechtigt sei, bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme ihrer Selbstständigkeit, d.h. bis zum 31.12.2003, den halben Regelbeitrag zu zahlen. Mit der anliegenden Beitragsberechnung verlangte sie von der Klägerin für die Zeit vom 1.3.2000 bis 27.6.2001 DM 6.844,46 bzw. 3.501,03 EUR.
Mit einem weiteren Bescheid vom 17.4.2002 teilte die Beklagte der Klägerin (nochmals) mit, dass sie auf ihren Antrag vom 28.6.2001 vom 28.6.2001 bis 1.3.2003 von der Versicherungspflicht befreit werde.
Am 17.5.2002 legte die Klägerin Widerspruch ein und erklärte, sie widerspreche der Rentenversicherungspflicht. Sie gab an, sie habe auch mehrere Auftraggeber gehabt. Von August 1999 bis August 2000 habe sie für den TV 3 Verlag in Singen, von Januar 2000 bis August 2001 für Frederic M in Münster, von März 2000 bis jetzt für die H. M. Versicherung in Hamburg gearbeitet und von September 2000 bis jetzt sei sie als Hausverwalterin in Konstanz tätig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.1.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 27.6.2003 leitete die Beklagte wegen der Beiträge für die Zeit vom 1.3.2000 bis 27.6.2001 Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Klägerin ein.
Mit Schreiben vom 22.10.2003 bat die Klägerin um Überprüfung des bindend gewordenen Bescheides und um Absehung von Vollstreckungsmaßnahmen, da kein vollstreckungsfähiges Einkommen und Vermögen vorhanden sei.
Mit Bescheid vom 22.3.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreterin sei sie ab 2.3.2003 nach § 2 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig. Ab 2.3.2003 sei der halbe Regelbeitrag (232,05 EUR) und ab 1.1.2004 der Regelbeitrag (470,93 EUR) zu zahlen.
Hiergegen legte die Klägerin am 7.4.2004 Widerspruch ein, gab nochmals ihre selbstständigen gewerblichen Tätigkeiten seit 1999 an und erklärte, aus ihrer Tätigkeit bei der Hamburg Mannheimer Versicherung erziele sie derzeit fünf Sechstel ihrer selbstständigen Einkünfte. Unter dem 27.8.2004 behauptete sie, vertreten durch ihren damaligen Bevollmächtigten, aus den Tätigkeiten - neben derjenigen bei der Hamburg Mannheimer Versicherung - habe sie Einkünfte von mehr als ein Sechstel.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.11.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz (S 7 RA 2887/04) erhoben, mit der sie sich gegen die Versicherungspflicht wandte.
Im Erörterungstermin vom 14.3.2005 hat das SG darauf hingewiesen, dass Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits nur der Bescheid vom 22.3.2004, d.h. die Frage der Beitragszahlung ab 2.3.2003, sein dürfte. Hinsichtlich des Zeitraums bis 27.6.2001 sei über den Überprüfungsantrag (Bl. 84/85 der Verwaltungsakten) nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch nicht entschieden worden. Im Rahmen eines Vergleichs hat sich die Klägerin verpflichtet, bis spätestens 30.4.2005 der Beklagten Unterlagen über ihr Einkommen aus der Zeit von März 2000 bis Juni 2001 (§ 44er-Verfahren), auch bezüglich der Höhe der jeweiligen Einnahmen bei den jeweiligen Auftraggebern, und ferner den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 vorzulegen und auf entsprechende Anforderung der Beklagten gegebenenfalls weitere Unterlagen. Die Beklagte hat sich verpflichtet, auf den Antrag Bl. 84/85 der Verwaltungsakten die Frage der Versicherungspflicht und gegebenenfalls die Höhe der Beiträge für den Zeitraum März 2000 bis Juni 2001 zu überprüfen und hierüber einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlassen und ferner die Frage der Höhe der Beiträge für die Zeit ab März 2003 nochmals zu überprüfen und hierüber ebenfalls einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlassen.
Mit Bescheid vom 27.9.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, in ihrer Beitragszahlung ab 2.3.2003 trete eine Änderung ein. Sie forderte von der Klägerin 16.411,99 EUR (Beiträge vom 1.3.2000 bis 27.6.2001, 2.3.2003 bis 30.9.2005, Mahngebühren und Säumniszuschläge).
Hiergegen legte die Klägerin am 28.10.2005 Widerspruch ein. Nach Vorlage weiterer Unterlagen, u. a. den Einkommensteuerbescheiden für 2000 bis 2003, erließ die Beklagte am 31.5.2006 einen Änderungsbescheid, in dem sie den Monatsbeitrag für die Zeit vom 1.3.2000 bis 31.12.2000 von 432,32 DM auf 280,35 DM reduzierte. Insgesamt forderte sie von der Klägerin für die Zeit vom 1.3.2000 bis 27.6.2001 und vom 2.3.2003 bis 30.6.2006 Pflichtbeiträge in Höhe von 18.799,00 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.8.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.9.2005 zurück, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 31.5.2006 abgeholfen worden sei.
Mit Schreiben vom 25.7.2006 forderte die Beklagte von der Klägerin die Zahlung von Pflichtbeiträgen (nebst Säumniszuschlägen) in Höhe von 23.864,32 EUR.
Hiergegen legte die Klägerin am 17.8.2006 Widerspruch ein und begehrte die Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1a Nr. 2 SGB VI, da sie vor dem 2.1.1949 geboren sei.
Mit Bescheid vom 19.9.2006 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17.8.2006 auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Die Klägerin habe am 21.6.1999 das 58. Lebensjahr vollendet. Die selbstständige Tätigkeit habe die Klägerin erst danach aufgenommen. Es verbleibe bei ihrer Entscheidung vom 17.4.2002 zur Versicherungspflicht aufgrund der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin.
Hiergegen legte die Klägerin am 26.9.2006 Widerspruch ein und erklärte, sie habe ihre selbstständige Tätigkeit nicht erst am 1.3.2000 begonnen, sondern sei schon von Januar 1980 bis September 1996 als Betreiberin eines Hotel-Restaurants selbstständig tätig gewesen und habe ab September 1999 als selbstständige Mitarbeiterin für eine Zeitung im Anzeigenverkauf gearbeitet.
Mit Bescheid vom 11.10.2006 lehnte die Beklagte (erneut) den Antrag vom 17.8.2006 auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI sei nur möglich, wenn die zur Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI führende Tätigkeit bereits vor dem 1.1.1999 aufgenommen worden sei und am 31.12.1998 nicht zu einer Versicherungspflicht geführt habe. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit jedoch erst am 1.3.2000 aufgenommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.2.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI und § 231 Abs. 5 SGB VI lägen nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 15.3.2007 Klage zum SG Konstanz (S 4 R 1124/07) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bei ihr lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI vor. Nach der Gesetzesformulierung müsse die vor Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübte selbstständige Tätigkeit auch nicht unmittelbar bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt worden sein. Es heiße lediglich, dass die selbstständige Tätigkeit zuvor ausgeübt worden sei. Dies sei bei ihr der Fall gewesen. Bis September 1996 habe sie - vor Vollendung des 58. Lebensjahres - selbstständig ein Hotel/Restaurant betrieben. Für die Anwendung von § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI könne es keinen Unterschied machen, ob der ältere Selbstständige vor Vollendung des 58. Lebensjahres - wie sie - für eine gewisse Zeit die selbstständige Tätigkeit unterbreche, um sie dann nach Vollendung des 58. Lebensjahres wieder aufzunehmen. Denn auch in diesem Fall sei der Zweck der gesetzlichen Regelung erfüllt, den älteren Selbstständigen die Möglichkeit zu geben, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, um die bisherige Form der Altersvorsorge außerhalb der Rentenversicherung ausbauen zu können.
In der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 hat die Klägerin erklärt, streitgegenständlich sei nur noch der Bescheid, mit dem die Befreiung von der Versicherungspflicht abgelehnt worden sei. Sie hat beantragt, den Bescheid vom 11.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.2.2007 aufzuheben und sie von der Versicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte hat erwidert, bei der zuvor ausgeübten selbstständigen Tätigkeit müsse es sich nicht um die gleiche Tätigkeit handeln, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres zur Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI führe. Entscheidend sei, dass der Wechsel der Tätigkeit lückenlos sei. Vorliegend sei dies nicht der Fall. Die nicht versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit als Betreiberin eines Hotels habe die Klägerin bis September 1996 ausgeübt. Die versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit habe sie am 1.3.2000 (nach Vollendung des 58. Lebensjahres) begonnen.
Mit Urteil vom 29.10.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 231 Abs. 5 SGB VI lägen nicht vor, da die Klägerin am 31.12.1998 keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe. Auch eine Befreiung nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI komme nicht in Betracht. Die Klägerin habe am 22.6.1999 das 58. Lebensjahr vollendet. Eine selbstständige Tätigkeit habe die Klägerin frühestens im August 1999 aufgenommen, wobei es sich noch nicht um die Tätigkeit für die Hamburg Mannheimer Versicherungs-AG, sondern um die Tätigkeit für den TV 3 Verlag gehandelt habe. Zwischen der Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit im Sommer 1996 und der Neuaufnahme der anderen selbstständigen Tätigkeit im Sommer 1999 lägen somit ca. drei Jahre. Die Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI sei zum 1.1.1999 eingeführt worden, um eine Befreiung in der Phase des altersbedingten Übergangs aus einer selbstständigen Tätigkeit in die Nichterwerbstätigkeit zu ermöglichen, da diese Phase häufig über das Zwischenstadium einer Selbstständigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI verlaufe. Von einer Phase des Übergangs könne jedoch nur gesprochen werden, wenn ein gewisser zeitlicher Zusammenhang bestehe. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Darüber hinaus habe die Klägerin gerade keine private Altersvorsorge, deren weiterer Aufbau geschützt werden könne.
Gegen das am 5.12.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2.1.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG lägen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI vor. Weder aus der Formulierung des Gesetzes noch aus den Kommentierungen zu § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI ergebe sich, dass die selbstständige Tätigkeit bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt worden sein müsse. Auch in ihrem Fall sei es so gewesen, dass sie in dem Zeitpunkt, in dem sie nach Vollendung des 58. Lebensjahres im August 1999 die Tätigkeit für den TV 3 Verlag und ab März 2000 die Tätigkeit für die Hamburg Mannheimer Versicherungs-AG aufgenommen habe, nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen ausreichenden Versicherungsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben, weshalb es auch ihr ermöglicht werden müsse, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen und ihre bisherige Altersvorsorge außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung fortsetzen zu können. Auch bei ihr liege trotz der dreijährigen "Auszeit" ein phasenweiser Übergang aus der ehemals ausgeführten selbstständigen Tätigkeit über das Zwischenstadium einer selbstständigen Tätigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in die Nichterwerbstätigkeit vor. Es sei kein Grund ersichtlich, warum bei ihr die Befreiungsmöglichkeit nicht bestehen solle.
Mit Bescheid vom 13.10.2009 forderte die Beklagte von der Klägerin Pflichtbeiträge nebst Säumniszuschläge in Höhe von 30.027,93 EUR.
Mit Bescheid vom 18.5.2010 entschied die Beklagte, dass in der Zeit vom 1.3.2000 bis 30.9.2000 keine Versicherungspflicht bestand, weil die Klägerin nicht auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig gewesen sei. Ab 1.10.2000 bestehe wieder Versicherungspflicht. Die Beklagte verlangte von der Klägerin nunmehr die Zahlung von Beiträgen in Höhe von 16.619,24 EUR.
Die Klägerin hat unter dem 2.9.2010 vorgetragen, im Berufungsverfahren verfolge sie lediglich ihr Begehren auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI weiter. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 18.5.2010 entschieden habe, dass in der Zeit vom 1.3.2000 bis 30.9.2000 keine Versicherungspflicht bestanden habe, hat sie den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Oktober 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie für die Zeit ab 1. Oktober 2000 von der Versicherungspflicht zu befreien, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee hat unter dem 5.5.2011 bestätigt, dass die Klägerin (damaliger Name: Brigitte Krieg) am 2.1.1980 den Betrieb eines Hotels-Restaurants gewerblich angezeigt und das Gewerbe am 30.6.1996 abgemeldet hat.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. II.
Die Berufung der Klägerin ist auch begründet, da sie Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht hat.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 19.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.2.2007, mit dem die Beklagte sinngemäß die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 2 SGB VI abgelehnt hat. Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtete sich die am 15.3.2007 erhobene Klage der Klägerin. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens war jedoch auch der Bescheid vom 11.10.2006 geworden, mit welchem die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 231 Abs. 5 SGB VI abgelehnt hatte. In dem in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 aufgenommenen Klageantrag ist lediglich der Bescheid vom 11.10.2006 ausdrücklich erwähnt und nicht der Bescheid vom 19.9.2006. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 jedoch gleichzeitig erklärt, dass Streitgegenstand nur noch der Bescheid sei, mit dem die Befreiung von der Versicherungspflicht abgelehnt worden sei. Im Rahmen des Klageverfahrens hat die Klägerin ihre Klage auch lediglich damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI vorlägen. Angesichts dessen sieht der Senat in der fehlenden Aufnahme des Bescheides vom 19.9.2006 im Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 keine Klagerücknahme. Das SG hat im angefochtenen Urteil ebenfalls über beide Bescheide, nämlich über den Bescheid vom 19.9.2006 und den Bescheid vom 11.10.2006, entschieden.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat die Klägerin erklärt (Schriftsatz vom 2.9.2010), dass sie lediglich noch die Ansicht vertrete, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI vorlägen und dass sie keine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 5 SGB VI begehre. Dementsprechend hat sie den Bescheid vom 11.10.2006 auch in ihrem Antrag - bewusst - nicht mehr aufgeführt.
Die von der Beklagten am 18.5.2010 erlassenen Bescheide sind - entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten - nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil sie den Bescheid vom 19.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.2.2007, die Befreiung von der Versicherungspflicht betreffend, nicht ersetzen und auch nicht abändern (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.6.2007 - L 16 R 1458/06 - in Juris). Im Übrigen hat die Klägerin den Rechtsstreit die Zeit vom 1.3.2000 bis 30.9.2000 betreffend auch in der Hauptsache für erledigt erklärt.
III.
Die Klägerin hat Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht.
Gemäß § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI werden Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, von der Versicherungspflicht befreit nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbstständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Die Klägerin ist aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreterin für die H. M. Versicherungs AG - ohne regelmäßige Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers - seit Oktober 2000 versicherungspflichtig, da sie seitdem auf Dauer und im Wesentlichen nur für diese Versicherung tätig war. Aufgrund dessen hat die Beklagte mit Bescheid vom 13.2.2002, geändert durch den Bescheid vom 18.5.2010, bei der Klägerin vom 1.10.2000 bis 27.6.2001 Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI und mit Bescheid vom 22.3.2004 - nach Ablauf der Befreiung für die Zeit vom 28.6.2001 bis 1.3.2003 - für die Zeit ab 2.3.2003 Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI festgestellt.
Die am 22.6.1941 geborene Klägerin hat am 21.6.1999 ihr 58. Lebensjahr vollendet und ist erstmals danach, nämlich ab Oktober 2000, gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig geworden.
Die Klägerin war auch zuvor, nämlich vom 2.1.1980 bis 30.6.1996 als Betreiberin eines Hotels-Restaurants selbstständig tätig, wie sich aus der Auskunft der IKK vom 5.5.2011 ergibt, die die Angaben der Klägerin bestätigt. Nach ihrem Auslandsaufenthalt - ohne Beschäftigung und ohne selbstständige Tätigkeit - war die Klägerin nach ihren Angaben wieder ab August 1999 in Deutschland selbstständig tätig, bis aufgrund der selbstständigen Tätigkeit überwiegend für die H. M. Versicherungs AG erstmals - nach Vollendung des 58. Lebensjahres - Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VII eintrat.
Damit liegen nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht vor. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass die zuvor ausgeübte selbstständige Tätigkeit bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt sein muss, um für die nach Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübte versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in den Genuss der Befreiungsmöglichkeit zu kommen. Entgegen den Ausführungen von Gürtner im Kasseler Kommentar (Sozialversicherungsrecht, Stand April 2011, § 6 SGB VI Rn. 20h) ist aus der Gesetzesbegründung auch nicht zu entnehmen, dass die zuvor ausgeübte selbstständige Tätigkeit wenigstens bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt worden sein musste.
Nach der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucks. 14/1855 Seite 9) soll § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI die Befreiung in der Phase des altersbedingten Übergangs aus einer selbstständigen Tätigkeit in die Nichterwerbstätigkeit ermöglichen. Diese Selbstständigen sollen das Recht haben, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, um ihre bisherige Form der Altersvorsorge außerhalb der Rentenversicherung ausbauen zu können. Sinn und Zweck der Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 ist es, sozial schutzbedürftige Selbstständige in die Rentenversicherungspflicht (Bundestags-Drucks. 14/45 Seite 46) einzubeziehen. Dieser Zweck ist in der Regel bei über 58-jährigen, die zuvor selbstständig tätig waren, nicht erreichbar, weswegen diesem Umstand durch § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI Rechnung getragen wurde, da vom 58. Lebensjahr bis zum 65. Lebensjahr (bzw. nunmehr Regelaltersgrenze) eine ausreichende Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr aufgebaut werden kann.
Nach Auffassung des Senats gehört die Klägerin zu dem Personenkreis der Selbstständigen, dem ausweislich der Gesetzesbegründung nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI das Recht zu Befreiung von der Versicherungspflicht zusteht. Die Klägerin konnte vom 58. Lebensjahr bis zum 65. Lebensjahr keine ausreichende Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr aufbauen, nachdem sie von Januar 1980 bis Ende Juli 1996 und von August 1999 bis September 2000 selbstständig tätig gewesen war und keine Beitragszeiten aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Versicherungsverlauf vom 14.12.2006) aufweist. Der Umstand, dass die Klägerin aufgrund von Kindererziehungszeiten und des Versorgungsausgleichs dennoch eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn aufgrund ihrer früheren selbstständigen Tätigkeit war eine Altersvorsorge außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung beabsichtigt. Diese Möglichkeit sollte ihr aufgrund von § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI verbleiben.
Da die Klägerin schon in der Zeit vom 28.6.2001 bis 1.3.2003 von der Versicherungspflicht befreit war, waren das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin vom 1.10.2000 bis 27.6.2001 sowie ab 2.3.2003 von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI zu befreien.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil der Frage, ob die zuvor ausgeübte selbstständige Tätigkeit bis zum 58. Lebensjahr ausgeübt worden sein muss, grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin auch für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 27. Juni 2001 sowie ab 1. März 2003 von der Versicherungspflicht zu befreien.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht.
Die 1941 geborene Klägerin, die seit Juli 2006 eine Regelaltersrente von der Beklagten bezieht (in Höhe von 754,51 EUR aufgrund von Kindererziehungszeiten und Versorgungsausgleich), gab unter dem 28.6.2001 an, nach ihrer Scheidung sei sie von August 1990 bis Juni 1996 als Betreiberin eines Hotels/Restaurants selbstständig tätig gewesen. Von Juli 1996 bis Februar 2000 habe sie nicht gearbeitet. Ab März 2000 sei sie für die H. M. Versicherungs-AG selbstständig tätig.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahren, eingeleitet aufgrund einer Anfrage der Klägerin vom Mai 2001, erfuhr die Beklagte von der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin für die Versicherung und leitete ein Prüfungsverfahren ein. Im Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht für Selbstständige gab die Klägerin unter dem 10.8.2001 an, sie sei freie Mitarbeiterin der Hamburg Mannheimer Versicherung und in der Beratung und dem Verkauf von Produkten der Verbandsvorsorge tätig, wozu auch Reisen in andere Städte in Süddeutschland gehörten. Sie erhalte eine Erfolgsprämie.
Unter dem 12.10.2001 vermerkte ein Mitarbeiter der Beklagten, in der Akte sei kein Befreiungsantrag zu finden. Da die Antragsfrist aufgrund der verzögerten Bearbeitung seitens der Beklagten zwischenzeitlich abgelaufen sei, erkenne sie einen gegebenenfalls zu stellenden Befreiungsantrag als rechtzeitig gestellt an, sofern dieser innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang ihres Aufklärungsschreiben eingehe.
Mit Schreiben vom 16.10.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Mitarbeiterin der Hamburg Mannheimer Versicherung der Versicherungspflicht unterliege und wies sie auf die Befreiungsmöglichkeit hin.
Auf den von der Klägerin am 15.11.2001 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht (wegen Vollendung des 58. Lebensjahres bei Eintritt der Versicherung) teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 7.1.2002 mit, die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor, da sie die Tätigkeit erst nach Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt habe. Für sie bestehe nur die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Nr. 1 SGB VI, d.h. für einen Zeitraum von drei Jahren nach der erstmaligen Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 21.1.2002 die Befreiung nach dieser Vorschrift.
Mit Bescheid vom 13.2.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreterin ab 1.3.2000 sei sie nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht ende aufgrund der Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1a Nr. 1 SGB VI am 27.6.2001. Zur Feststellung der Höhe der Beiträge bat die Beklagte um Rücksendung des ausgefüllten Vordrucks.
Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie vom 28.6.2001 bis 1.3.2003 von der Versicherungspflicht befreit werde.
Am 8.4.2002 beantragte die Klägerin die Zahlung von Beiträgen nach einem Arbeitsentgelt in Höhe von 50 v.H. der Bezugsgröße (halber Regelbeitrag) bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit sowie die weitere Befreiung nach Ablauf des im Bescheid vom 13.2.2002 genannten Zeitraums.
Mit Bescheid vom 17.4.2002 teilte die Beklagte der Klägerin (nochmals) mit, dass sie ab 1.3.2000 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig sei. Ferner erklärte sie, dass die Klägerin berechtigt sei, bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme ihrer Selbstständigkeit, d.h. bis zum 31.12.2003, den halben Regelbeitrag zu zahlen. Mit der anliegenden Beitragsberechnung verlangte sie von der Klägerin für die Zeit vom 1.3.2000 bis 27.6.2001 DM 6.844,46 bzw. 3.501,03 EUR.
Mit einem weiteren Bescheid vom 17.4.2002 teilte die Beklagte der Klägerin (nochmals) mit, dass sie auf ihren Antrag vom 28.6.2001 vom 28.6.2001 bis 1.3.2003 von der Versicherungspflicht befreit werde.
Am 17.5.2002 legte die Klägerin Widerspruch ein und erklärte, sie widerspreche der Rentenversicherungspflicht. Sie gab an, sie habe auch mehrere Auftraggeber gehabt. Von August 1999 bis August 2000 habe sie für den TV 3 Verlag in Singen, von Januar 2000 bis August 2001 für Frederic M in Münster, von März 2000 bis jetzt für die H. M. Versicherung in Hamburg gearbeitet und von September 2000 bis jetzt sei sie als Hausverwalterin in Konstanz tätig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.1.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 27.6.2003 leitete die Beklagte wegen der Beiträge für die Zeit vom 1.3.2000 bis 27.6.2001 Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Klägerin ein.
Mit Schreiben vom 22.10.2003 bat die Klägerin um Überprüfung des bindend gewordenen Bescheides und um Absehung von Vollstreckungsmaßnahmen, da kein vollstreckungsfähiges Einkommen und Vermögen vorhanden sei.
Mit Bescheid vom 22.3.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreterin sei sie ab 2.3.2003 nach § 2 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig. Ab 2.3.2003 sei der halbe Regelbeitrag (232,05 EUR) und ab 1.1.2004 der Regelbeitrag (470,93 EUR) zu zahlen.
Hiergegen legte die Klägerin am 7.4.2004 Widerspruch ein, gab nochmals ihre selbstständigen gewerblichen Tätigkeiten seit 1999 an und erklärte, aus ihrer Tätigkeit bei der Hamburg Mannheimer Versicherung erziele sie derzeit fünf Sechstel ihrer selbstständigen Einkünfte. Unter dem 27.8.2004 behauptete sie, vertreten durch ihren damaligen Bevollmächtigten, aus den Tätigkeiten - neben derjenigen bei der Hamburg Mannheimer Versicherung - habe sie Einkünfte von mehr als ein Sechstel.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.11.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz (S 7 RA 2887/04) erhoben, mit der sie sich gegen die Versicherungspflicht wandte.
Im Erörterungstermin vom 14.3.2005 hat das SG darauf hingewiesen, dass Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits nur der Bescheid vom 22.3.2004, d.h. die Frage der Beitragszahlung ab 2.3.2003, sein dürfte. Hinsichtlich des Zeitraums bis 27.6.2001 sei über den Überprüfungsantrag (Bl. 84/85 der Verwaltungsakten) nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch nicht entschieden worden. Im Rahmen eines Vergleichs hat sich die Klägerin verpflichtet, bis spätestens 30.4.2005 der Beklagten Unterlagen über ihr Einkommen aus der Zeit von März 2000 bis Juni 2001 (§ 44er-Verfahren), auch bezüglich der Höhe der jeweiligen Einnahmen bei den jeweiligen Auftraggebern, und ferner den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 vorzulegen und auf entsprechende Anforderung der Beklagten gegebenenfalls weitere Unterlagen. Die Beklagte hat sich verpflichtet, auf den Antrag Bl. 84/85 der Verwaltungsakten die Frage der Versicherungspflicht und gegebenenfalls die Höhe der Beiträge für den Zeitraum März 2000 bis Juni 2001 zu überprüfen und hierüber einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlassen und ferner die Frage der Höhe der Beiträge für die Zeit ab März 2003 nochmals zu überprüfen und hierüber ebenfalls einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlassen.
Mit Bescheid vom 27.9.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, in ihrer Beitragszahlung ab 2.3.2003 trete eine Änderung ein. Sie forderte von der Klägerin 16.411,99 EUR (Beiträge vom 1.3.2000 bis 27.6.2001, 2.3.2003 bis 30.9.2005, Mahngebühren und Säumniszuschläge).
Hiergegen legte die Klägerin am 28.10.2005 Widerspruch ein. Nach Vorlage weiterer Unterlagen, u. a. den Einkommensteuerbescheiden für 2000 bis 2003, erließ die Beklagte am 31.5.2006 einen Änderungsbescheid, in dem sie den Monatsbeitrag für die Zeit vom 1.3.2000 bis 31.12.2000 von 432,32 DM auf 280,35 DM reduzierte. Insgesamt forderte sie von der Klägerin für die Zeit vom 1.3.2000 bis 27.6.2001 und vom 2.3.2003 bis 30.6.2006 Pflichtbeiträge in Höhe von 18.799,00 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.8.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.9.2005 zurück, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 31.5.2006 abgeholfen worden sei.
Mit Schreiben vom 25.7.2006 forderte die Beklagte von der Klägerin die Zahlung von Pflichtbeiträgen (nebst Säumniszuschlägen) in Höhe von 23.864,32 EUR.
Hiergegen legte die Klägerin am 17.8.2006 Widerspruch ein und begehrte die Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1a Nr. 2 SGB VI, da sie vor dem 2.1.1949 geboren sei.
Mit Bescheid vom 19.9.2006 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17.8.2006 auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Die Klägerin habe am 21.6.1999 das 58. Lebensjahr vollendet. Die selbstständige Tätigkeit habe die Klägerin erst danach aufgenommen. Es verbleibe bei ihrer Entscheidung vom 17.4.2002 zur Versicherungspflicht aufgrund der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin.
Hiergegen legte die Klägerin am 26.9.2006 Widerspruch ein und erklärte, sie habe ihre selbstständige Tätigkeit nicht erst am 1.3.2000 begonnen, sondern sei schon von Januar 1980 bis September 1996 als Betreiberin eines Hotel-Restaurants selbstständig tätig gewesen und habe ab September 1999 als selbstständige Mitarbeiterin für eine Zeitung im Anzeigenverkauf gearbeitet.
Mit Bescheid vom 11.10.2006 lehnte die Beklagte (erneut) den Antrag vom 17.8.2006 auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI sei nur möglich, wenn die zur Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI führende Tätigkeit bereits vor dem 1.1.1999 aufgenommen worden sei und am 31.12.1998 nicht zu einer Versicherungspflicht geführt habe. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit jedoch erst am 1.3.2000 aufgenommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.2.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI und § 231 Abs. 5 SGB VI lägen nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 15.3.2007 Klage zum SG Konstanz (S 4 R 1124/07) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bei ihr lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI vor. Nach der Gesetzesformulierung müsse die vor Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübte selbstständige Tätigkeit auch nicht unmittelbar bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt worden sein. Es heiße lediglich, dass die selbstständige Tätigkeit zuvor ausgeübt worden sei. Dies sei bei ihr der Fall gewesen. Bis September 1996 habe sie - vor Vollendung des 58. Lebensjahres - selbstständig ein Hotel/Restaurant betrieben. Für die Anwendung von § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI könne es keinen Unterschied machen, ob der ältere Selbstständige vor Vollendung des 58. Lebensjahres - wie sie - für eine gewisse Zeit die selbstständige Tätigkeit unterbreche, um sie dann nach Vollendung des 58. Lebensjahres wieder aufzunehmen. Denn auch in diesem Fall sei der Zweck der gesetzlichen Regelung erfüllt, den älteren Selbstständigen die Möglichkeit zu geben, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, um die bisherige Form der Altersvorsorge außerhalb der Rentenversicherung ausbauen zu können.
In der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 hat die Klägerin erklärt, streitgegenständlich sei nur noch der Bescheid, mit dem die Befreiung von der Versicherungspflicht abgelehnt worden sei. Sie hat beantragt, den Bescheid vom 11.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.2.2007 aufzuheben und sie von der Versicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte hat erwidert, bei der zuvor ausgeübten selbstständigen Tätigkeit müsse es sich nicht um die gleiche Tätigkeit handeln, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres zur Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI führe. Entscheidend sei, dass der Wechsel der Tätigkeit lückenlos sei. Vorliegend sei dies nicht der Fall. Die nicht versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit als Betreiberin eines Hotels habe die Klägerin bis September 1996 ausgeübt. Die versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit habe sie am 1.3.2000 (nach Vollendung des 58. Lebensjahres) begonnen.
Mit Urteil vom 29.10.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 231 Abs. 5 SGB VI lägen nicht vor, da die Klägerin am 31.12.1998 keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe. Auch eine Befreiung nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI komme nicht in Betracht. Die Klägerin habe am 22.6.1999 das 58. Lebensjahr vollendet. Eine selbstständige Tätigkeit habe die Klägerin frühestens im August 1999 aufgenommen, wobei es sich noch nicht um die Tätigkeit für die Hamburg Mannheimer Versicherungs-AG, sondern um die Tätigkeit für den TV 3 Verlag gehandelt habe. Zwischen der Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit im Sommer 1996 und der Neuaufnahme der anderen selbstständigen Tätigkeit im Sommer 1999 lägen somit ca. drei Jahre. Die Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI sei zum 1.1.1999 eingeführt worden, um eine Befreiung in der Phase des altersbedingten Übergangs aus einer selbstständigen Tätigkeit in die Nichterwerbstätigkeit zu ermöglichen, da diese Phase häufig über das Zwischenstadium einer Selbstständigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI verlaufe. Von einer Phase des Übergangs könne jedoch nur gesprochen werden, wenn ein gewisser zeitlicher Zusammenhang bestehe. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Darüber hinaus habe die Klägerin gerade keine private Altersvorsorge, deren weiterer Aufbau geschützt werden könne.
Gegen das am 5.12.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2.1.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG lägen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI vor. Weder aus der Formulierung des Gesetzes noch aus den Kommentierungen zu § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI ergebe sich, dass die selbstständige Tätigkeit bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt worden sein müsse. Auch in ihrem Fall sei es so gewesen, dass sie in dem Zeitpunkt, in dem sie nach Vollendung des 58. Lebensjahres im August 1999 die Tätigkeit für den TV 3 Verlag und ab März 2000 die Tätigkeit für die Hamburg Mannheimer Versicherungs-AG aufgenommen habe, nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen ausreichenden Versicherungsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben, weshalb es auch ihr ermöglicht werden müsse, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen und ihre bisherige Altersvorsorge außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung fortsetzen zu können. Auch bei ihr liege trotz der dreijährigen "Auszeit" ein phasenweiser Übergang aus der ehemals ausgeführten selbstständigen Tätigkeit über das Zwischenstadium einer selbstständigen Tätigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in die Nichterwerbstätigkeit vor. Es sei kein Grund ersichtlich, warum bei ihr die Befreiungsmöglichkeit nicht bestehen solle.
Mit Bescheid vom 13.10.2009 forderte die Beklagte von der Klägerin Pflichtbeiträge nebst Säumniszuschläge in Höhe von 30.027,93 EUR.
Mit Bescheid vom 18.5.2010 entschied die Beklagte, dass in der Zeit vom 1.3.2000 bis 30.9.2000 keine Versicherungspflicht bestand, weil die Klägerin nicht auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig gewesen sei. Ab 1.10.2000 bestehe wieder Versicherungspflicht. Die Beklagte verlangte von der Klägerin nunmehr die Zahlung von Beiträgen in Höhe von 16.619,24 EUR.
Die Klägerin hat unter dem 2.9.2010 vorgetragen, im Berufungsverfahren verfolge sie lediglich ihr Begehren auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI weiter. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 18.5.2010 entschieden habe, dass in der Zeit vom 1.3.2000 bis 30.9.2000 keine Versicherungspflicht bestanden habe, hat sie den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Oktober 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie für die Zeit ab 1. Oktober 2000 von der Versicherungspflicht zu befreien, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee hat unter dem 5.5.2011 bestätigt, dass die Klägerin (damaliger Name: Brigitte Krieg) am 2.1.1980 den Betrieb eines Hotels-Restaurants gewerblich angezeigt und das Gewerbe am 30.6.1996 abgemeldet hat.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. II.
Die Berufung der Klägerin ist auch begründet, da sie Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht hat.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 19.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.2.2007, mit dem die Beklagte sinngemäß die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 2 SGB VI abgelehnt hat. Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtete sich die am 15.3.2007 erhobene Klage der Klägerin. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens war jedoch auch der Bescheid vom 11.10.2006 geworden, mit welchem die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 231 Abs. 5 SGB VI abgelehnt hatte. In dem in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 aufgenommenen Klageantrag ist lediglich der Bescheid vom 11.10.2006 ausdrücklich erwähnt und nicht der Bescheid vom 19.9.2006. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 jedoch gleichzeitig erklärt, dass Streitgegenstand nur noch der Bescheid sei, mit dem die Befreiung von der Versicherungspflicht abgelehnt worden sei. Im Rahmen des Klageverfahrens hat die Klägerin ihre Klage auch lediglich damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI vorlägen. Angesichts dessen sieht der Senat in der fehlenden Aufnahme des Bescheides vom 19.9.2006 im Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 keine Klagerücknahme. Das SG hat im angefochtenen Urteil ebenfalls über beide Bescheide, nämlich über den Bescheid vom 19.9.2006 und den Bescheid vom 11.10.2006, entschieden.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat die Klägerin erklärt (Schriftsatz vom 2.9.2010), dass sie lediglich noch die Ansicht vertrete, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI vorlägen und dass sie keine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 5 SGB VI begehre. Dementsprechend hat sie den Bescheid vom 11.10.2006 auch in ihrem Antrag - bewusst - nicht mehr aufgeführt.
Die von der Beklagten am 18.5.2010 erlassenen Bescheide sind - entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten - nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil sie den Bescheid vom 19.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.2.2007, die Befreiung von der Versicherungspflicht betreffend, nicht ersetzen und auch nicht abändern (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.6.2007 - L 16 R 1458/06 - in Juris). Im Übrigen hat die Klägerin den Rechtsstreit die Zeit vom 1.3.2000 bis 30.9.2000 betreffend auch in der Hauptsache für erledigt erklärt.
III.
Die Klägerin hat Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht.
Gemäß § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI werden Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, von der Versicherungspflicht befreit nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbstständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Die Klägerin ist aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreterin für die H. M. Versicherungs AG - ohne regelmäßige Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers - seit Oktober 2000 versicherungspflichtig, da sie seitdem auf Dauer und im Wesentlichen nur für diese Versicherung tätig war. Aufgrund dessen hat die Beklagte mit Bescheid vom 13.2.2002, geändert durch den Bescheid vom 18.5.2010, bei der Klägerin vom 1.10.2000 bis 27.6.2001 Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI und mit Bescheid vom 22.3.2004 - nach Ablauf der Befreiung für die Zeit vom 28.6.2001 bis 1.3.2003 - für die Zeit ab 2.3.2003 Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI festgestellt.
Die am 22.6.1941 geborene Klägerin hat am 21.6.1999 ihr 58. Lebensjahr vollendet und ist erstmals danach, nämlich ab Oktober 2000, gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig geworden.
Die Klägerin war auch zuvor, nämlich vom 2.1.1980 bis 30.6.1996 als Betreiberin eines Hotels-Restaurants selbstständig tätig, wie sich aus der Auskunft der IKK vom 5.5.2011 ergibt, die die Angaben der Klägerin bestätigt. Nach ihrem Auslandsaufenthalt - ohne Beschäftigung und ohne selbstständige Tätigkeit - war die Klägerin nach ihren Angaben wieder ab August 1999 in Deutschland selbstständig tätig, bis aufgrund der selbstständigen Tätigkeit überwiegend für die H. M. Versicherungs AG erstmals - nach Vollendung des 58. Lebensjahres - Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VII eintrat.
Damit liegen nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht vor. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass die zuvor ausgeübte selbstständige Tätigkeit bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt sein muss, um für die nach Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübte versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in den Genuss der Befreiungsmöglichkeit zu kommen. Entgegen den Ausführungen von Gürtner im Kasseler Kommentar (Sozialversicherungsrecht, Stand April 2011, § 6 SGB VI Rn. 20h) ist aus der Gesetzesbegründung auch nicht zu entnehmen, dass die zuvor ausgeübte selbstständige Tätigkeit wenigstens bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübt worden sein musste.
Nach der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucks. 14/1855 Seite 9) soll § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI die Befreiung in der Phase des altersbedingten Übergangs aus einer selbstständigen Tätigkeit in die Nichterwerbstätigkeit ermöglichen. Diese Selbstständigen sollen das Recht haben, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, um ihre bisherige Form der Altersvorsorge außerhalb der Rentenversicherung ausbauen zu können. Sinn und Zweck der Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 ist es, sozial schutzbedürftige Selbstständige in die Rentenversicherungspflicht (Bundestags-Drucks. 14/45 Seite 46) einzubeziehen. Dieser Zweck ist in der Regel bei über 58-jährigen, die zuvor selbstständig tätig waren, nicht erreichbar, weswegen diesem Umstand durch § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI Rechnung getragen wurde, da vom 58. Lebensjahr bis zum 65. Lebensjahr (bzw. nunmehr Regelaltersgrenze) eine ausreichende Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr aufgebaut werden kann.
Nach Auffassung des Senats gehört die Klägerin zu dem Personenkreis der Selbstständigen, dem ausweislich der Gesetzesbegründung nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI das Recht zu Befreiung von der Versicherungspflicht zusteht. Die Klägerin konnte vom 58. Lebensjahr bis zum 65. Lebensjahr keine ausreichende Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr aufbauen, nachdem sie von Januar 1980 bis Ende Juli 1996 und von August 1999 bis September 2000 selbstständig tätig gewesen war und keine Beitragszeiten aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Versicherungsverlauf vom 14.12.2006) aufweist. Der Umstand, dass die Klägerin aufgrund von Kindererziehungszeiten und des Versorgungsausgleichs dennoch eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn aufgrund ihrer früheren selbstständigen Tätigkeit war eine Altersvorsorge außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung beabsichtigt. Diese Möglichkeit sollte ihr aufgrund von § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI verbleiben.
Da die Klägerin schon in der Zeit vom 28.6.2001 bis 1.3.2003 von der Versicherungspflicht befreit war, waren das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin vom 1.10.2000 bis 27.6.2001 sowie ab 2.3.2003 von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI zu befreien.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil der Frage, ob die zuvor ausgeübte selbstständige Tätigkeit bis zum 58. Lebensjahr ausgeübt worden sein muss, grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Rechtskraft
Aus
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