L 9 R 628/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 843/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 628/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1959 geborene Kläger begann am 1. September 1976 eine Ausbildung als Installateur, die im Juli 1978 ohne förmlichen Abschluss endete, und war dann - unterbrochen durch den Wehrdienst (November 1978 bis April 1980) im Ausbildungsbetrieb als Klempner und Installateur bis 1987 beschäftigt. Anschließend arbeitete er in einem anderen Betrieb als Installateur und - nach seiner Ausreise aus der DDR im Frühjahr 1989 - in der Bundesrepublik Deutschland zunächst bei verschiedenen Unternehmen jeweils einige Monate als Installateur. Ab Juli 1991 arbeitete er bei der Firma Sabo in Villingen-Schwenningen bis Juni 2006 als Installateur (Heizungs- und Sanitärarbeiten, Bau und Wartung von Heizungsanlagen sowie Blechnerarbeiten). Danach hat er Sozialleistungen und anschließend im Zeitraum vom 8. Mai 2007 bis 6. Mai 2008 Arbeitslosengeld sowie in der Folge ab 7. Mai 2008 Arbeitslosengeld II bezogen. Ab 1. Juli 2009 hat der Kläger einen sogenannten "Ein-Euro-Job" im Bereich Metallverarbeitung übernommen. Wegen der Einzelheiten der anerkannten versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 5. August 2010 verwiesen.

Im April 2006 erfolgte wegen einer koronaren Zweigefäßerkrankung eine Stentimplantation. Auf den Antrag vom 31. Juli 2006 wurde ihm eine stationäre Heilbehandlung vom 6. bis 27. September 2006 in der Knappschafts-Klinik Bad D. gewährt (Entlassungsbericht vom 25 Oktober 2006; Diagnosen [D:]: Z.n. RCX-PTCA und Stentimplantation bei koronarer Zweigefäßerkrankung, Z.n. gastrointestinaler Blutung im Mai 2006, arterielle Hyptertonie, Hyperlipidämie, Refluxösophagitis, LWS-Syndrom; der Kläger sei in der Lage, die bisherige Tätigkeit als Installateur sowie leichte bis mittelschwere Arbeiten mit überwiegendem Stehen, Gehen oder Sitzen - ohne Heben und Tragen schwerer Lasten [ohne mechanische Hilfsmittel] - täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten).

Nachdem der MDK in einem Gutachten vom 21. Dezember 2006 zum Ergebnis gelangt war, der Kläger könne auf Dauer schwere und schwerste körperliche Tätigkeiten sowie die eines Installateurs nicht mehr verrichten, behandelte die Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe als Rentenantrag.

Mit Bescheid vom 12. April 2007 sowie Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab, da der Kläger mindestens sechs Stunden arbeitstäglich als Installateur tätig sein könne und auch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten könne.

Dem lagen neben dem Heilverfahren-Entlassungsbericht der Knappschafts-Klinik Bad D. vom 25. Oktober 2006 u. a. der Bericht des behandelnden Kardiologen Dr. K. vom 20. September 2007 (D: koronare Zweigefäßerkrankung, Z.n. PTCA und Taxusstent-Implantation einer RCX-Stenose, PTCA 50 %ige Abgangsstenose RCX, gering eingeschränkte linksventrikuläre Funktionsstörung, Kontroll-Koronarangiographie 3/07 mit gutem Langzeitergebnis [verbliebene Stenosierung bis 50 % RCA und 45 % RIVA], Z. n. gastrointestinaler Blutung unter ASS und Clopidogrel) sowie eine ärztliche Stellungnahme vom 10. Dezember 2007 (keine Progression der koronaren Herzerkrankung, die von Dr. Kaden im März 2007 durchgeführte Kontroll-Koronarangiographie habe ein gutes Langzeitergebnis gezeigt, der Kläger könne weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten wie auch die letzte Tätigkeit als Installateur sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes - ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel sowie Absturzgefahr - sechs Stunden arbeitstäglich verrichten) zu Grunde.

Deswegen hat der Kläger am 15. Februar 2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und geltend gemacht, für ihn komme auf Grund seiner gesundheitlichen Situation lediglich ein behindertengerechter Arbeitsplatz in Frage. Eine geeignete Beschäftigung in seinem Beruf als Installateur gebe es nicht. Auch sein Hausarzt sehe keine Chance für ihn, in seinem Beruf wieder tätig zu werden.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne ihm zumutbare Tätigkeiten wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Eine weitergehende Einschränkung sei nicht nachgewiesen. Insbesondere könne er auch Tätigkeiten als Monteur von Kleingeräten, Pförtner oder Hauswart zumutbar verrichten. Hierzu hat sie eine Stellungnahme des Internisten und Sozialmediziners Dr. D. vom 13. November 2009 vorgelegt.

Das SG hat den behandelnden Allgemeinmediziner Dr. I. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat am 9. Mai 2008 über die seit 1. Dezember 2005 durchgeführten Untersuchungen und erhobenen Befunde sowie Behandlungen berichtet und die Auffassung vertreten, der Kläger sei nur ca. 4 Stunden täglich beruflich einsatzfähig. Hierzu hat er ihm vorliegende Arztbriefe (u. a. Internist Dr. M. vom 30. März 2006, Prof. Dr. H. vom 11. April 2006 [über die stationäre Behandlung vom 4. bis 11. April 2006], Berichte der Kardiologen Dr. D. und Dr. L. vom 23. Februar, 15. März und 20. September 2007) vorgelegt.

Ferner hat das SG ein Sachverständigengutachten des Internisten und Kardiologen PD Dr. K. vom 24. August 2009 eingeholt. Er ist nach Aktenlage und Untersuchung zum Ergebnis gelangt, es bestünden eine leichte bis mäßige kardiopulmonale Einschränkung mit Belastungsdypnoe beginnend bei 75 Watt, eine gering reduzierte systolische linksventrikuläre Funktion, eine angedeutete diastolische Dysfunktion, eine geringe Mitralklappeninsuffizienz, ein V.a. Belastungskoronarinsuffizienz bei belastungsabhängigem linksthorakalem Druckgefühl und belastungsinduzierten Bewegungsstörungen im Vorderwandseptelbereich, belastungsabhängiger Schwindel und "Schwarzwerden vor Augen", eine mäßige ventrikuläre Extrasystolie, ein Z. n. PTCA und Taxus-Stentimplantation, ein postinterventionelles Hämatom der rechten Leiste, ein Z.n. gastrointestinalen Blutungen, eine mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung bei langjährigem Nikotinabusus, eine Pollinosis, eine Neigung zu Tinnitus sowie ein LWS-Syndrom mit nur geringen Beschwerden. Durch die kardiopulmonale Einschränkung auf dem Boden der bekannten koronaren Herzerkrankung und der obstruktiven Ventilationsstörung sei die körperliche Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Leichte körperliche Tätigkeiten - ohne schwere und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über ca. 10 kg, überwiegendem Gehen, Ersteigen von Leitern und Gerüsten, häufigem Bücken, auf Leitern, Gerüsten, Hebebühnen oder Dächern, mit und an laufenden Maschinen ohne entsprechende Vorsichtsmaßnahmen, gleichförmiger Körperhaltung oder Zwangshaltungen, Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, in Kälte sowie unter Wärmeeinfluss, mit Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen, im Freien sowie mit hoher Verantwortung und nervlicher Belastung - überwiegend im Stehen und Sitzen, mit gelegentlichem Gehen, seien in Tagesschicht sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Nachdem der Kläger seine Lehre nicht abgeschlossen habe, aber als Heizungs- und Sanitärinstallateur gearbeitet habe, könne offen bleiben, ob er als Facharbeiter oder Angelernter des oberen Bereiches anzusehen sei. Er sei nämlich jedenfalls in der Lage, ihm zumutbare Tätigkeiten eines Monteurs von Kleingeräten, eine leichte Tätigkeit ohne Heben von Gewichten über 10 kg, die er auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit als Installateur ohne Einarbeitung von mehr als 3 Monaten ausüben könne, zu verrichten. Da der Kläger somit zumutbare Tätigkeiten ausüben könne, sei er nicht berufsunfähig und im Übrigen auch nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 19. Januar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 5. Februar 2010 Berufung eingelegt. Schwere Arbeiten seien ihm nicht möglich und er sei nicht in der Lage, die von ihm geforderten Arbeiten im genannten Umfang zu verrichten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger sei allenfalls als Angelernter des oberen Bereichs anzusehen und könne ihm zumutbare Tätigkeiten als Montierer von Kleingeräten oder Teilezurichter, Pförtner oder Hauswart verrichten. Hierzu hat sie Tätigkeitsbeschreibungen sowie Entscheidungen des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 12. Januar 2010 (Az. L 5 R 640/05) und des Thüringer LSG vom 11. August 2009 (Az. L 2 KN 701/05) - zu Tätigkeiten des Teilezurichters oder Teilemontierers in der Metallindustrie - vorgelegt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie die einschlägige Rechtsprechung hierzu - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er ihm zumutbare Tätigkeiten, zumindest als Montierer von Kleingeräten, aber auch die von der Beklagten benannten Tätigkeiten als Teilezurichter in der Metallindustrie, wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen und Entscheidungen, zu denen Stellung zu nehmen der Kläger Gelegenheit hatte, nach eigener Prüfung an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass der Kläger auf Grund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit zur Überzeugung des Senats der Stufe der Facharbeiter zuzuordnen ist. Dass er seine bisherige Tätigkeit als Installateur sowie schwere Arbeiten nicht mehr verrichten kann, begründet hier noch keine Berufsunfähigkeit. Denn der Kläger kann unter Berücksichtigung des sogenannten Mehrstufenschemas ihm zumutbare Tätigkeiten eines Angelernten noch wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. In Betracht kommen, die Tätigkeiten eines Teilemontierers, z. B. in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie, wie sie in der von der Beklagten vorgelegten Entscheidung des Sächsischen LSG vom 12. Januar 2010 - gestützt auf berufskundliche Gutachten bzw. gutachterliche Äußerungen - beschrieben sind. Hierbei werden die unterschiedlichsten Teile, z. B. für die Innenräume eines Fahrzeuges und Motorinnenräume, Überrollbügel, Sitzversteller oder Überrollschutzsysteme, montiert. Es handelt sich um eine leichte Tätigkeit, die wahlweise im Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet werden kann und bei der unnatürliche Haltungen nicht anfallen, ebenso wenig Fließband- und Akkordarbeit. Zu bewegen sind allenfalls Lasten bis zu 5 kg. Entsprechende Tätigkeiten kann der Kläger zur Überzeugung des Senats auch unter Berücksichtigung des vom SG eingeholten Sachverständigengutachtens noch verrichten. In diesem sind keine weitergehenden qualitativen Einschränkungen beschrieben, die entsprechenden Tätigkeiten entgegen stünden. Auch der Senat vermag nach den vorliegenden ärztlichen Äußerungen keine weitergehenden wesentlichen und dauerhaften funktionellen Einschränkungen festzustellen. Anhaltspunkte dafür, dass gegenüber der letzten Begutachtung eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, sind weder konkret dargetan, noch sonstwie ersichtlich.

Im Übrigen sind diese Tätigkeiten dem Kläger unter Berücksichtigung seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit als Installateur auch zumutbar. Er kann diese auf Grund seiner Vorkenntnisse im Bereich Metallbearbeitung zur Überzeugung des Senats auch nach einer Einarbeitung von höchstens drei Monaten ausüben. Dass er dazu in der Lage ist, beweist er nicht zuletzt durch Ausübung des "Ein-Euro-Jobs" mit Bohrarbeiten. Entsprechende Tätigkeiten sind in die Lohngruppe 6 des Tarifvertrages der Eisen- und Metallindustrie Nordrheinwestfalen eingruppiert, eine Lohngruppe unter der Lohngruppe der Facharbeiter. Mithin sind ihm entsprechende Tätigkeiten auch sozial zumutbar.

Im Übrigen kann der Kläger auch alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den genannten qualitativen Einschränkungen wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten.

Damit ist der Kläger weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig.

Nachdem somit ein Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit nicht vorliegt, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weswegen seine Berufung zurückgewiesen wird. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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