L 12 AS 1532/09 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 1208/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1532/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Fahrtkosten zum Arzt in den Monaten November und Dezember 2006 in Höhe von insgesamt 44,- EUR streitig.

Die 1944 geborene Klägerin bezog gemeinsam mit ihrem in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehemann (geb. 1944) durch den Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte hatte der Klägerin u.a. für November und Dezember 2006 Arbeitslosengeld II (Alg II) bewilligt (Bescheide vom 6. September 2006, 4. Oktober 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9. November 2006) und dabei u.a. die Regelleistung in Höhe von monatlich 311,- EUR berücksichtigt.

Im Dezember 2006 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass ihr infolge von 11 Arztterminen in S.-W. im November 2006 Fahrtkosten in Höhe von 44,- EUR entstanden seien, die von der Krankenkasse nicht erstattet worden seien, und beantragte die Erstattung durch den Beklagten. Mit Änderungsbescheid vom 14. Dezember 2006, der den in den Bescheiden vom 6. September 2006, 4. Oktober 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9. November 2006 geregelten Bewilligungsabschnitt bis zum 31. Dezember 2006 betrifft, lehnte der Beklagte die Erstattung entstandener Fahrtkosten ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2007).

Dagegen erhob die Klägerin - zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann - am 16. Februar 2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) und machte geltend, dass in der Regelleistung lediglich 12,60 EUR für Fahrtkosten enthalten seien, die zudem nicht für Arztbesuche vorgesehen seien. In Anlehnung an § 21 Abs. 5 SGB II seien die Fahrtkosten zu übernehmen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 3. November 2008 nahm der Ehemann der Klägerin seine Klage zurück. Die Klage der Klägerin hat das SG durch Urteil vom 3. November 2008 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der ihr im November und Dezember 2006 entstandenen Fahrtkosten. Hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage. Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel bzw. für die Mobilität überhaupt seien von der Regelleistung des § 20 SGB II abgedeckt. Ein Anspruch auf Leistungen für Fahrtkosten ergebe sich weder aus § 23 Abs. 3 SGB II noch aus § 21 Abs. 1 SGB II. Auch ergebe sich ein Anspruch nicht aus § 21 SGB II, der Leistungen für Mehrbedarfe für abschließend aufgezählte, regelmäßig anfallende monatliche Sonderbedarfe vorsehe. Ein solcher Sonderbedarf liege nicht vor. Weiterhin könne § 28 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. SGB XII nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen werden. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 73 SGB XII gegenüber dem Sozialhilfeträger. Aus der Pauschalierung der Regelleistung folge, dass nicht jeden Monat ein bestimmter Betrag, z.B. für fremde Verkehrsdienstleistungen, zur Verfügung stehe, sondern der Leistungsempfänger selbstverantwortlich mit dem ihm zustehenden Geld umgehen müsse und könne. So werde bei niedrigen Ausgaben für Verkehrsdienstleistungen kein Betrag zurückgefordert, bei höheren Leistungen bestehe kein Anspruch auf weitere Leistungen. Eine Bedarfsdeckung sei gegebenenfalls durch eine "Mittelumschichtung" innerhalb der Regelleistung zu erreichen. Etwas anderes könne erst dann gelten, wenn regelmäßig ein deutlich erhöhter atypischer Bedarf anfalle. Aus der von der Klägerin vorgelegten Fahrtkostenaufstellung ergeben sich jedoch, dass bei ihr nur wenige Monate mit höheren Fahrtkosten vorgelegen hätten, während in vielen Monaten nur niedrigere Fahrtkosten angefallen seien. Über das gesamte Jahr sei nur ein Bedarf in Höhe von monatlich 7,10 EUR angefallen. Auch hätte die Klägerin mit dem Aufsuchen eines wohnortnahen Arztes ihre Kosten senken können. Eine besondere Lebenslage i.S. des § 73 SGB XII liege nicht vor.

Gegen das ihr am 6. März 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. März 2009 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Es könne nicht sein, dass für Menschen mit einem Bedarf an aufwändiger Ernährung ein Tatbestand für den Mehraufwand eingeführt werde, aber für andere erhöhte Mehrbedarfe keine Regelung im Gesetz vorgesehen sei. Eine Umschichtung der Mittel innerhalb des Regelsatzes sei nicht möglich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 3. November 2008 hat keinen Erfolg.

Die gem. § 145 Abs. 1 S. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist auch im Übrigen statthaft (§ 145 Abs.1 S. 1 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Beide Voraussetzungen sind in Anbetracht des Beschwerdewerts des streitigen Ersatzes im November und Dezember 2006 entstandener Fahrtkosten in Höhe von 44,- EUR, auf den sich die Klage ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2008 ausdrücklich gestellten Antrags beschränkt und über den das SG ausschließlich entschieden hat, nicht gegeben. Das SG hat in dem angefochtenen Urteil vom 3. November 2008 die Berufung ausdrücklich nicht zugelassen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn 1) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 2) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist nicht gegeben. Die Klägerin hat keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Obergericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit; vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG 9. Aufl. 2008, § 144 Rdnr. 28 und § 160 Rdnr. 6 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Ein Individualinteresse genügt nicht (Leitherer a.a.O., § 144 Rdnr. 28). Die Rechtsfrage darf sich nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden sein. Hinsichtlich der Übernahme von Fahrtkosten für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ist für die hier maßgebliche Rechtslage im Jahr 2006 genügend Rechtsprechung des BSG vorhanden (bspw. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 44/08 R -; Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R -). Ebenso ist geklärt, dass die Regelungen des SGB II keine Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts über die gesetzliche Pauschale hinaus zulassen und die Gewährung eines Mehr- oder Sonderbedarfs im SGB II ist nur in den ausdrücklich gesetzlich normierten Fällen möglich ist (vgl. bspw. BSGE 97, 242; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 44/08 R -). Schließlich hat das BVerfG, das das Fehlen einer eigenständigen Rechtsgrundlage für bestimmte fortlaufende atypische Bedarfe (- die hier nicht vorliegen -) außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II beanstandet hat (Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -), bereits entschieden, dass die durch seine Anordnung im Urteil vom 9. Februar 2010 geschaffene Härtefallregelung nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 9. Februar 2010 gilt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2010 - 1 BvR 395/09 -).

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 m.w.N. aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Das SG hat keinen tragfähigen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von der Rechtsprechung des BSG abweicht. Schließlich hat die Klägerin auch keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Mangel des gerichtlichen Verfahrens, auf dem die Entscheidung des SG beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG), gerügt.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Mangels Anfechtbarkeit der vorliegenden Nichtzulassungsentscheidung (§ 177 SGG) wird das angefochtene Urteil des SG vom 3. November 2008 hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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