L 10 R 1710/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1247/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1710/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.03.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die am 1957 geborene Klägerin war zuletzt bis Mitte 1992 als Montagehelferin versicherungspflichtig beschäftigt. Ein erster, im März 1994 wegen der Folgen eines operierten Bandscheibenvorfalls im Lendenwirbelsäulen(LWS)bereich L5/S1 gestellter Rentenantrag blieb erfolglos. Die Beklagte hatte Gutachten beim Orthopäden Dr. R. und beim Nervenarzt Dr. F. eingeholt, die ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht hatten. In seiner verfahrensabschließenden Entscheidung gelangte das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 27.06.2000, L 1 RJ 525/98 auf Grund der im Rechtsstreit bei Prof. Dr. E. auf nervenärztlichem und Dr. D. auf orthopädischem Fachgebiet eingeholten Gutachten (jeweils: vollschichtiges Leistungsvermögen) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig war.

Nachdem die Beklagte einen von der Klägerin für die Zeit ab Januar 2001 erneut gestellten Rentenantrag ebenfalls abgelehnt hatte, führte die Klägerin vor dem Sozialgericht Freiburg ein weiteres Klageverfahren durch (S 4 RJ 1499/01), in dessen Verlauf das Sozialgericht ein Gutachten beim Facharzt für innere Medizin Dr. Sch. (Leistungsfähigkeit unter drei Stunden wegen degenerativem LWS-Syndrom und sekundärem generalisiertem Fibromyalgiesyndrom) und von Prof. Dr. E. (somatoforme Schmerzstörung, gleichwohl seien mindestens sechs Stunden leichte Tätigkeiten möglich) einholte. Der Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Beklagte bereit erklärte, der Klägerin ein Heilverfahren sowie Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.07.2002 bis zum Ende des Heilverfahrens, längstens jedoch bis 30.09.2003 zu gewähren. In der Folgezeit bezog die Klägerin befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zunächst bis 30.09.2006 und - auf ihren Verlängerungsantrag hin und entgegen einem Gutachten von Dr. R. (generalisiertes Schmerzsyndrom, Leistungsfähigkeit mehr als sechs Stunden unter Beachtung einiger qualitativer Einschränkungen) - bis 30.09.2009 (stattgebender Widerspruchsbescheid vom 26.07.2006).

Den Weitergewährungsantrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.06.2009 und am 10.02.2010 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 05.02.2010 ab. Zu Grunde lag ein erneutes Gutachten von Dr. R. , der wieder ein generalisiertes Schmerzsyndrom bei vorbeschriebener Fibromyalgie diagnostizierte, angesichts nicht nachweisbarer Weichteilreizzustände und nur mäßiger Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule sowie nicht nachzuweisender Funktionseinbußen der peripheren Körpergelenke der Klägerin weiterhin leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen für zumutbar hielt, sowie das Gutachten der Ärztin für Nervenheilkunde Bechert, die auf ihrem Fachgebiet eine somatoforme Schmerzstörung diagnostizierte, jedoch keine Hinweise auf eine Wurzelschädigung und keine eindeutigen neurologischen Defizite fand und gravierende Bewegungseinschränkungen weder bei der Untersuchung noch beim An- und Auskleiden feststellen konnte. Die von der Klägerin angegebenen Funktionseinschränkungen konnte sie nicht objektivieren. Antriebsstörungen oder andere Zeichen einer Depression schloss sie aus. Auch sie nahm ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für zumindest körperlich leichte Tätigkeiten an.

Das am 09.03.2010 angerufene Sozialgericht hat ein Gutachten bei Prof. Dr. M. , Facharzt für Neurochirurgie mit Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie, eingeholt. Der Sachverständige hat einen Ganzkörperschmerz und einen leichten Restzustand nach Bandscheibenvorfalloperation 1991 mit leichter Lumbalgie ohne radikuläre Beteiligung sowie degenerative Veränderungen der LWS und Halswirbelsäule (HWS), eine Schmerzmittelabhängigkeit sowie Angststörungen mit Panikattacken, Albträumen mit Schlafstörungen und episodisch auftretenden mittelgradigen Depressionen angenommen. Als Comorbidität bestünden ein Diabetes mellitus, eine Mangelfunktion der Schilddrüse sowie eine Hypertonie. Zumutbar seien der Klägerin deshalb nur noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten (5 bis 10 kg) überwiegend im Sitzen. Häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an laufenden Maschinen seien ebenso zu vermeiden wie Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Schicht- und Nachtarbeit, Arbeiten in Kälte und Nässe sowie mittelschwierige und schwierige Arbeiten geistiger Art und unter besonderer nervlicher Beanspruchung. Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 17.03.2011 abgewiesen.

Gegen das ihr am 11.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.04.2011 Berufung eingelegt. Sie weist u.a. darauf hin, dass sie zu Recht Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen und sich ihre gesundheitliche Situation nicht verbessert, sondern verschlechtert habe. Der Bluthochdruck habe sich verstärkt, sodass sie an Schwindelattacken leide. Sie leide an Gehbeschwerden, weil eine Thrombose im linken Bein aufgetreten sei, weshalb sie Marcumar und Cortison einnehmen und Kompressionsstrümpfe tragen müsse. Sie habe sich einer Krebsoperation unterziehen müssen, insoweit sei allerdings ein Stillstand festzustellen. Ein Magenleiden sei hinzu gekommen, was zu Übelkeit und Erbrechen führe. Zusammen mit den nach wie vor bestehenden Folgen des Bandscheibenvorfalls und der Fibromyalgie sei ihr täglicher Ablauf erheblich beeinträchtigt; sie leide an massiven Gehbeschwerden und benötige Gehhilfen. Die Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. M. sei für sie nicht nachvollziehbar und entspreche im Übrigen auch nicht seinem Fachgebiet. Sie beantragt ein weiteres Gutachten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.03.2011 und den Bescheid vom 30.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 30.09.2009 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend

Der Senat hat im Hinblick auf eine von der Klägerin behauptete Verschlechterung ihrer Gehfähigkeit - sie könne sich nur noch an Gehilfen fortbewegen - eine sachverständige Zeugenauskunft des behandelnden Orthopäden B. eingeholt. Dieser hat das Gangbild als verlangsamt und je nach Beschwerdezustand leicht hinkend beschrieben, eine Gehstrecke von 500 m aber auch ohne Hilfen für möglich erachtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 30.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2010 über die Ablehnung der Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, allerdings ausweislich des in der Klageschrift gestellten Antrages allein in Bezug auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für eine solche Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Wie die Beklagte und das Sozialgericht gelangt auch der Senat zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann. Dabei stützt sich der Senat auf das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten von Prof. Dr. M. und die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. R. und der Nervenärztin Bechert.

Auf somatischem Gebiet liegen bei der Klägerin degenerative Veränderung der Wirbelsäule und ein Zustand nach Bandscheibenoperation an der LWS 1991 vor. Indessen führen diese Veränderungen zu keinen wesentlichen funktionellen Einschränkungen. Prof. Dr. M. hat diesbezüglich lediglich einen leichten Restzustand mit leichter Lumbalgie ohne radikuläre Beteiligung diagnostiziert und insoweit die Beurteilung der Nervenärztin B. (keine Hinweise auf eine Wurzelschädigung, keine neurologischen Defizite) bestätigt. Damit sind der Klägerin - wie Prof. Dr. M. und Dr. R. zutreffend dargelegt haben - nur noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung möglich, möglichst im Sitzen und ohne häufiges Bücken; auszuschließen sind damit auch Akkordarbeiten sowie Arbeiten unter ungünstigen Witterungseinflüssen. Eine zeitliche Leistungseinschränkung resultiert hieraus nicht.

Im Vordergrund der Beschwerdesituation steht bei der Klägerin vielmehr ein generalisiertes Schmerzsyndrom, von der Nervenärztin B. als somatoforme Schmerzstörung klassifiziert. Hiervon gehen alle drei genannten Gutachter aus, dies entspricht auch der Beschwerdeschilderung der Klägerin (Ganzkörperschmerz). Allerdings haben alle drei genannten Gutachter hieraus übereinstimmend keine zeitliche Leistungseinschränkung hergeleitet und die qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen den oben aufgeführten. Dem schließt sich der Senat an. In der letzten Untersuchung durch Dr. R. fanden sich keinerlei Weichteilreizzustände, die Funktionstestungen auf Sehnenansatzprobleme waren negativ, ansonsten fanden sich allenfalls mäßige Bewegungseinschränkungen. Dies stimmt mit der Beobachtung der Nervenärztin B. überein, der weder bei der eigentlichen Untersuchung noch beim Aus- und Ankleiden gravierende Bewegungseinschränkungen auffielen. Prof. Dr. M. hat - wie schon Dr. R. und die Nervenärztin B. - ein ungestörtes Gangbild, wenn auch verlangsamt, beschrieben. Er hat - ebenso wenig wie Dr. R. und die Nervenärztin B. - bei der Untersuchung der Klägerin auch im Übrigen keine schwerer wiegenden Auffälligkeiten gefunden. Das tagtägliche Verhalten der Klägerin, wie es von der Nervenärztin B. und von Prof. Dr. M. dokumentiert ist, lässt ebenfalls keinen Schluss darauf zu, dass der Klägerin leichte Tätigkeiten nicht mehr zumindest sechs Stunden täglich möglich sind. Vielmehr versorgt sich die Klägerin in allen wichtigen Bereichen selbst. Sie kauft ein, transportiert den Einkauf in den 4. Stock (ohne Aufzug), einschließlich Getränkekisten (wenn auch nach ihren Angaben gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen erschwert), sie kocht, sie erledigt die Wäsche und sie ist in der Lage, mit Ausnahme der Fenster, ihre Wohnung zu putzen. Dass diese Verrichtungen nach Angaben der Klägerin zum Teil nur mit entsprechenden Hilfsmitteln (Stehhilfe beim Kochen) bzw. mit Unterbrechungen durchgeführt werden, ändert nichts. Zum einen sagt der Umstand, dass die Klägerin Pausen einlegt nichts über deren Notwendigkeit aus, zum anderen handelt es sich um Verrichtungen, die über die der Klägerin nur noch zugemuteten leichten Tätigkeiten hinausgehen (insbesondere Putzen, Getränkekisten schleppen, ggf. auch Wäschekorb tragen).

Eine depressive Störung liegt bei der Klägerin nicht vor. Der von der Nervenärztin B. beschriebene Befund (bewusstseinsklar, allseits orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, affektive Schwingungsfähigkeit nicht eingeschränkt, lebhafter Antrieb, Mimik und Gestik adäquat, keinerlei Hinweise auf Einschränkung von Auffassung, Konzentration und Gedächtnis) lässt die Annahme einer depressiven Symptomatik nicht zu; folgerichtig verneinte die Nervenärztin B. eine derartige Störung. Soweit Prof. M. von in der Vergangenheit episodisch aufgetretenen mittelgradigen Depressionen ausgegangen ist, spielt dies für die aktuelle Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin keine Rolle.

Ob die von der Klägerin angegebenen Existenzängste mit Schlafstörungen überhaupt als psychische Auffälligkeit zu bewerten sind - verneinend die Nervenärztin Bechert, bejahend im Sinne einer Angststörung Prof. Dr. M. - bedarf keiner abschließenden Klärung. Denn eine zeitliche oder auch nur qualitative Leistungseinschränkung lässt sich hierdurch nicht ableiten. Insbesondere ist die Klägerin hierdurch in ihren Kontakten zur Umwelt nicht gehindert. So hat sie - so ihre Angaben gegenüber der Nervenärztin B. - zu ihren Geschwistern und der Mutter guten Kontakt, sie hat Freunde und Bekannte und sie ist in der Lage, ihre Besorgungen zu machen. Prof. Dr. M. hat die Klägerin als für Kontakt offen und gesprächsbedürftig beschrieben.

Aber selbst wenn, möglicherweise wegen der Schlafstörungen und der von Prof. Dr. M. beschriebenen Opiatabhängigkeit, eine Einschränkung für mittelschwierige geistige Tätigkeiten und für Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Beanspruchung, für Schichtarbeit sowie für Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an laufenden Maschinen bestehen sollte, handelt es sich auch insoweit lediglich um qualitative, nicht aber um zeitliche Leistungseinschränkungen.

Im Ergebnis vermag der Senat somit kein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen zu bejahen. Keiner der aktuell mit der Begutachtung der Klägerin betrauten Ärzte hat eine derartige Einschränkung angenommen. Vielmehr hat Prof. Dr. M. überzeugend dargelegt, dass die Klägerin trotz der angegebenen größten Schmerzstärken (8 bis 10 auf einer bis 10 reichenden und den stärksten vorstellbaren Schmerz erfassenden Skala) jeden Tag wiederholt von ihrer Wohnung im 4. Stock die Treppe runtermarschiert, Einkaufen geht, die Mutter besucht, Besorgungen macht oder mit dem selben maximalen Dauerschmerz zwei Stunden im Bett liest. Ein aufgehobenes Leistungsvermögen, wie es die Klägerin behauptet, ließe solche Aktivitäten nicht zu. Dass die Klägerin - worauf alle drei Gutachter hingewiesen haben - auf ihre Beschwerden fixiert ist und von ihrer Leistungsunfähigkeit überzeugt ist, ändert hieran nichts.

Auf die frühere Begutachtung durch Dr. Sch. im Dezember 2001 kann sich die Klägerin nicht berufen. Unabhängig von der Frage, inwieweit die Beurteilung von Dr. Sch. einer kritischen Prüfung standgehalten hätte (immerhin war Prof. Dr. E. trotz des Schmerzsyndroms von einem mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen ausgegangen), ist für die vorliegend zu beantwortende Frage einer Einschränkung des Leistungsvermögens in rentenrelevantem Umfang auf den Gesundheitszustand der Klägerin nach dem 30.09.2009 abzustellen; denn streitig ist die Gewährung von Rente nach diesem Zeitpunkt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich Prof. Dr. M. bei der Erstellung seines Gutachtens nicht außerhalb seines Fachgebietes bewegt. Denn er ist nicht nur Facharzt für Neurochirurgie, sondern er führt auch die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie. Damit gehört es zu seinem Fachgebiet, Schmerzzustände, wie sie hier von der Klägerin vorgebracht werden, zu beurteilen.

Soweit die Klägerin in der Berufung einzelne Beschwerden hervorhebt bzw. eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes behauptet, rechtfertigt dieser Vortrag keine andere Entscheidung. Die behaupteten Schwindelattacken im Zusammenhang mit dem nach Angaben der Klägerin verstärkten Bluthochdruck sind - durch sachgerechte Einstellung der Hypertonie - behandelbar und rechtfertigen ohnehin nur qualitative Einschränkungen in Bezug auf (Ab)Sturzgefahren, also insbesondere den bereits von Prof. Dr. M. im Zusammenhang mit der Opiatabhängigkeit vorgenommenen Ausschluss von Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an laufenden Maschinen. Vergleichbares gilt in Bezug auf die vorgetragene Thrombose. Diese wird - so der vorgelegte Befundbericht von Dr. Sch. - mit Marcumar und damit adäquat behandelt, was lediglich Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr ausschließt. Nicht zutreffend ist der Vortrag der Klägerin, zwischenzeitlich sei ein Magenleiden hinzugetreten. Dies ist bereits im Gutachten der Nervenärztin B. dokumentiert und es ist nicht erkennbar, inwieweit die diagnostizierte Magenschleimhautentzündung leistungslimitierend sein soll; angesichts des massiven Übergewichtes der Klägerin (166 cm Körpergröße und mehr als 100 kg Gewicht, so Prof. Dr. M. ) bestehen jedenfalls keine Auswirkungen auf den Ernährungs- und Kräftezustand.

Eine rentenrelevante Einschränkung der Gehfähigkeit verneint der Senat. Zwar gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos, das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Zu Grunde gelegt wird ein generalisierender Maßstab. Es wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kraftfahrzeugs) zu berücksichtigen.

Die Behauptungen der Klägerin über durch den Restzustand nach erfolgter Bandscheibenoperation hervorgerufene massive Einschränkungen ihrer Bewegungsfähigkeit sind durch die eingeholten Gutachten und das dort dokumentierte, im Wesentlichen unauffällige Gangbild und die auf Grund ihrer eigenen Angaben dokumentierte Fähigkeit, mehrmals täglich die vier Stockwerke zu ihrer Wohnung zu überwinden, widerlegt. Insbesondere vermag der Senat den Angaben der Klägerin, sie traue sich nicht mehr in den Keller, weil sie dort über Treppen hingelangen müsse, nicht zu folgen Dies steht in völligem Widerspruch zu den - unwidersprochenen - Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach die Klägerin zu Besorgungen und Besuchen die Treppen aus dem 4. Stock und zurück überwindet und dies - da sie weiterhin dort wohnt - nach wie vor tut.

Nicht bestätigt hat sich die Behauptung der Klägerin über eine wesentliche Verschlechterung der Gehfähigkeit. Diesbezüglich ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des behandelnden Orthopäden B. keine rentenrelevante Einschränkung. Der Orthopäde B. hat zwar eine Verschlechterung von Seiten der rechten Hüfte mit Schmerzen im rechten Bein angegeben. Es handelt sich aber - trotz der radiologisch diagnostizierten Stenose in Höhe L 4/5 (Bericht Dres. Pietsch und Hahn vom Juli 2011) - nicht um eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes. So hat der Orthopäde B. nur geringfügig schlechtere Bewegungsmaße (Extension/Flexion 0-10-120, Innen-/Außenrotationn 20-0-40) gegenüber den von Dr. R. im November 2009 erhobenen (Extension/Flexion 0-0-120, Innen-/Außenrotationn 20-0-30) beschrieben. Gleiches gilt für das vom Orthopäden B. angegebene verlangsamte Gangbild in Bezug auf das Gutachten von Prof. Dr. M. (ebenfalls verlangsamtes Gangbild). Der Orthopäde B. ist auch nicht von einem andauernden Hinken ausgegangen, sondern hat dies vom jeweiligen Beschwerdezustand abhängig gesehen. Jedenfalls hat er - dies ergibt sich aus der Bejahung einer Gehstrecke von 500 m ohne die Notwendigkeit von Hilfen - die Nutzung von Gehstöcken nicht für erforderlich und eine Gehstrecke von 500 m für zumutbar erachtet. Schließlich hat er angegeben, die Klägerin komme mit dem Auto in seine Praxis. Im Ergebnis ist es der Klägerin nach wie vor möglich, einen Arbeitsplatz aufzusuchen.

Nachdem der Sachverhalt somit geklärt ist, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beurteilung der von der Klägerin behaupteten Leistungsminderung nicht erforderlich. Den diesbezüglichen Antrag der Klägerin lehnt der Senat daher ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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