Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 2870/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4689/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.08.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Bei dem Kläger liegt eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus vor. Ferner leidet er an einem Wirbelsäulensyndrom. Schon als Heranwachsender kam es zu Verhaltensauffälligkeiten mit Affektdurchbrüchen und impulsivem Verhalten. Nach Abschluss der Realschule brach er eine Lehre zum Industriekaufmann nach einem halben Jahr ab. Es kam zu einer Auseinandersetzung mit dem Vater und einem anschließenden ersten Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus. In den folgenden Jahren wechselte der Kläger immer wieder den Arbeitsplatz. Mitte der 1970iger Jahre erfolgte ein längerer Aufenthalt in der forensischen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses, nachdem er mit der Mutter seines Kindes in Streitigkeiten geraten war. Auch danach erfolgten wiederholt Aufenthalte in Heimen und ähnlichen Einrichtungen. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1989 kam es zu einer Phase intensiven Alkoholgebrauchs, wobei der Kläger seinen Angaben zufolge nunmehr seit vielen Jahren abstinent lebt. Wechselnde Beschäftigungen waren von längeren Arbeitslosigkeitszeiten unterbrochen. Zuletzt war der Kläger als Lagerarbeiter beim D. M., wo es dann nach seinen Angaben zu einer zunehmenden Arbeitsbelastung kam, in seinem Empfinden in Verbindung mit einer Mobbingsituation, bis Anfang 1999 beschäftigt. Im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzverlust erfolgte bis in das Jahr 2002 eine regelmäßige nervenärztliche Behandlung durch Dr. K ... Seit 1999 ist der Kläger arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Ab Oktober 2007 war er für ein Jahr im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit (1-EUR-Job) fünf Stunden täglich bei einer Spielzeugfirma tätig.
Den Rentenantrag des Klägers vom Dezember 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 ab. Dem lag das Gutachten des Facharztes für Innere und Psychotherapeutische Medizin Dr. W. zu Grunde, der die beim Kläger bestehende psychiatrische Erkrankung noch als mäßiggradige chronische Anpassungsstörung mit Angst und Dysthymie diagnostizierte und den Kläger unter Einbeziehung der Wirbelsäulenbeschwerden in der Lage erachtete, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden täglich auszuüben.
Deswegen hat der Kläger am 11.08.2009 beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat hinsichtlich der Persönlichkeitsstörung auf inzwischen bestehende deutliche paranoide Züge hingewiesen und mitgeteilt, keine erfolgreichen Behandlungsansätze gefunden zu haben. Der Kläger lebe stark zurückgezogen und sei wenig zugänglich. Das Sozialgericht hat den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat ausgeführt, die Persönlichkeitsstörung begleite den Kläger letztlich schon sein Leben lang. Sie setze seine psychische Belastbarkeit herab. Insoweit sollten Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck und Publikumsverkehr vermieden werden. Darüber hinausgehende Leistungseinschränkungen seien jedoch weder aus der Untersuchung noch aus der Anamnese ableitbar gewesen. Zu keinem Zeitpunkt sei der Eindruck entstanden, dass der Kläger in seiner zeitlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt wäre. Im Wesentlichen gestützt darauf hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 27.08.2010, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen.
Gegen das ihm am 03.09.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger noch im selben Monat Berufung eingelegt. Er beruft sich insbesondere auf den von ihm vorgelegten Abschlussbericht zu der Arbeitsgelegenheit bei der Spielzeugfirma, in dem Frau B. davon ausging, dass er noch längere Zeit benötigen werde, bis er wieder dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Im Übrigen verweist er auf ein im Jahr 1998 festgestelltes Burn-out-Syndrom und die Ausführungen von Dr. K ... Zuletzt hat er darauf hingewiesen, den Facharzt gewechselt zu haben und nunmehr bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. in Behandlung zu stehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.08.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat die "emotional instabile Persönlichkeit mit Affektlabilität" als seit längerem strukturiert kompensiert beschrieben und den Kläger für nicht adäquat sozialisierbar erachtet.
Ferner hat der Senat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. mit der Erstellung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Dieser hat nicht für erkennbar erachtet, dass sich in den letzten Jahren eine Verschlechterung im Gesundheitszustand ergeben habe. Die Persönlichkeitszüge würden den Kläger schon sein Leben lang begleiten. Dieser habe gelernt, damit einigermaßen umzugehen. Sie brächten eine gewisse Stressintoleranz mit sich. Der Kläger gehe seinen Möglichkeiten entsprechend einem normalen Tagesablauf nach, interessiere sich am Tagesgeschehen, habe soziale Aktivitäten, mache Spaziergänge und versorge seinen Haushalt. Unter bestimmten Bedingungen habe er sich nach eigenen Angaben sogar eine Berufstätigkeit vorstellen können. Dr. D. hat sich der Leistungseinschätzung von Dr. W. angeschlossen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zur Recht abgewiesen. Dem Kläger steht keine Rente wegen Erwerbsminderung zu.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe steht dem Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Auf der Grundlage der von Dr. D. und Dr. W. erstellten Gutachten steht für den Senat fest, dass der Kläger eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit ohne besonderen Zeitdruck, ohne Publikumsverkehr, ohne Nacht- und/oder Wechselschichten sowie unter Vermeidung von Zwangshaltungen und häufigem Bücken bei klar strukturierten Arbeitsaufgaben mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Auf Grund des Jahre zurückliegenden Alkoholmissbrauches sind Tätigkeiten mit vermehrtem Kontakt zu Alkohol auszuschließen.
Mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen ist sowohl dem beim Kläger bestehenden Wirbelsäulensyndrom als auch der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung ausreichend Rechnung getragen. Mit dem Ausschluss von Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck wird erreicht, dass Stress- und Belastungssituationen, die - so überzeugend Dr. D. - zu einer Verstärkung der mit der Persönlichkeitsstörung verbundenen Symptomatik führen, vermieden werden. Gleiches gilt für den mit dem Ausschluss von Publikumsverkehr bezweckten Ausschluss von Kritik durch Dritte, auf die der Kläger persönlichkeitsbedingt verstärkt reagiert. Weder für Dr. W. noch für Dr. D. sind nach den von ihnen jeweils durchgeführten ambulanten Untersuchungen Gründe ersichtlich gewesen, weswegen dem Kläger unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen nur noch Tätigkeiten von unter sechs Stunden zuzumuten sein sollten. Dr. D. hat hierzu überzeugend darauf hingewiesen, dass die Persönlichkeitsstörung den Kläger schon sein Leben lang begleitet und ihn in früheren Zeiten durchaus nicht hinderte, versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen nachzugehen. Er hat damit die entsprechende Auffassung von Dr. W. bestätigt.
Für das so von Dr. D. und Dr. W. dargestellte Leistungsvermögen spricht auch, dass der Kläger seinen Möglichkeiten entsprechend einem normalen Tagesablauf nebst sozialen Aktivitäten nachgeht, Interesse am Tagesgeschehen hat, seinen Haushalt versorgt und neben Spaziergängen auch ein regelmäßiges Hanteltraining absolviert. Im Übrigen hält der Senat den von Dr. D. durchgeführten Rückschluss von der nicht erfolgten und nicht versuchten medikamentösen Behandlung auf einen nur relativ geringen Leidensdruck für berechtigt. Dr. D. weist nachvollziehbar darauf hin, dass entgegen den Darstellungen des Klägers eine Alkoholabhängigkeit nicht per se gegen den Einsatz von Medikamenten spricht. Im Übrigen ergibt sich für den Senat auch aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H. die Richtigkeit der Annahme eines relativ geringen Leidensdrucks, denn Dr. H. beschreibt einen hinsichtlich der Persönlichkeitsstörung schon lange strukturiert kompensierten Zustand.
Der Senat vermag sich nicht der Auffassung von Dr. H., der Kläger sei nicht adäquat sozialisierbar und daher nur unter sechs Stunden leistungsfähig, anzuschließen. Dagegen spricht bereits, dass der Kläger selbst gegenüber Dr. D. angegeben hat, sich unter bestimmten Bedingungen eine Berufstätigkeit vorstellen zu können. Angesichts dessen und vor dem Hintergrund, dass es sich um eine schon seit Beginn des Berufslebens des Klägers vorhandene Persönlichkeitsstörung handelt, erweist sich auch die Stellungnahme von Frau B. zu der ca. einjährigen Tätigkeit bei einer Spielzeugfirma nicht als geeignet, um die von den Sachverständigen angenommene Leistungsfähigkeit in Zweifel zu ziehen. Frau Bakonyi, die hier ohnehin nicht als ärztliche Sachverständige in Erscheinung tritt, setzte sich nicht mit der langen Vorgeschichte des Klägers auseinander. Maßgeblich ist hier zudem nicht das vom Kläger im Rahmen der verpflichtenden Arbeitsgelegenheit gezeigte Leistungsvermögen, sondern das objektiv unter besonderer Berücksichtigung der dem Kläger zumutbaren Willensanspannung festzustellende Leistungsvermögen im Rahmen eines entgeltlichen Arbeitsverhältnisses, das zur Überzeugung des Senats von Dr. W. und Dr. D. zutreffend beschrieben worden ist.
Zum Berufungsvorbringen des Klägers ist noch zu ergänzen, dass nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. D. ein "Burn-out" nicht diagnostiziert werden kann. Den Ausführungen von Dr. K. vermag der Senat ebenfalls keine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung zu entnehmen. Seinem Hinweis, der Kläger lebe zurückgezogen und sei wenig zugänglich, wird durch die beschriebenen qualitativen Einschränkungen - insbesondere dem Ausschluss von Publikumsverkehr - Rechnung getragen. Der zuletzt vom Kläger vorgetragene Facharztwechsel veranlasst den Senat nicht zu weiteren Ermittlungen. Der Kläger hat nicht dargestellt, dass sich in seinem Gesundheitszustand Wesentliches geändert hat. Dies ist, nachdem beide gerichtliche Sachverständigen einen schon lange in gleicher Weise bestehenden Zustand beschrieben haben, auch nicht naheliegend.
Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, kommt für den Kläger nicht in Betracht, da er über keine abgeschlossene Ausbildung verfügt und sich auch im Rahmen seiner verschiedenen beruflichen Tätigkeiten keinen entsprechenden Status (Berufsschutz) erwarb. Der Kläger kann vielmehr auf sämtliche Arbeitsplätze des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Bei dem Kläger liegt eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus vor. Ferner leidet er an einem Wirbelsäulensyndrom. Schon als Heranwachsender kam es zu Verhaltensauffälligkeiten mit Affektdurchbrüchen und impulsivem Verhalten. Nach Abschluss der Realschule brach er eine Lehre zum Industriekaufmann nach einem halben Jahr ab. Es kam zu einer Auseinandersetzung mit dem Vater und einem anschließenden ersten Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus. In den folgenden Jahren wechselte der Kläger immer wieder den Arbeitsplatz. Mitte der 1970iger Jahre erfolgte ein längerer Aufenthalt in der forensischen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses, nachdem er mit der Mutter seines Kindes in Streitigkeiten geraten war. Auch danach erfolgten wiederholt Aufenthalte in Heimen und ähnlichen Einrichtungen. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1989 kam es zu einer Phase intensiven Alkoholgebrauchs, wobei der Kläger seinen Angaben zufolge nunmehr seit vielen Jahren abstinent lebt. Wechselnde Beschäftigungen waren von längeren Arbeitslosigkeitszeiten unterbrochen. Zuletzt war der Kläger als Lagerarbeiter beim D. M., wo es dann nach seinen Angaben zu einer zunehmenden Arbeitsbelastung kam, in seinem Empfinden in Verbindung mit einer Mobbingsituation, bis Anfang 1999 beschäftigt. Im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzverlust erfolgte bis in das Jahr 2002 eine regelmäßige nervenärztliche Behandlung durch Dr. K ... Seit 1999 ist der Kläger arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Ab Oktober 2007 war er für ein Jahr im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit (1-EUR-Job) fünf Stunden täglich bei einer Spielzeugfirma tätig.
Den Rentenantrag des Klägers vom Dezember 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 ab. Dem lag das Gutachten des Facharztes für Innere und Psychotherapeutische Medizin Dr. W. zu Grunde, der die beim Kläger bestehende psychiatrische Erkrankung noch als mäßiggradige chronische Anpassungsstörung mit Angst und Dysthymie diagnostizierte und den Kläger unter Einbeziehung der Wirbelsäulenbeschwerden in der Lage erachtete, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden täglich auszuüben.
Deswegen hat der Kläger am 11.08.2009 beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat hinsichtlich der Persönlichkeitsstörung auf inzwischen bestehende deutliche paranoide Züge hingewiesen und mitgeteilt, keine erfolgreichen Behandlungsansätze gefunden zu haben. Der Kläger lebe stark zurückgezogen und sei wenig zugänglich. Das Sozialgericht hat den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat ausgeführt, die Persönlichkeitsstörung begleite den Kläger letztlich schon sein Leben lang. Sie setze seine psychische Belastbarkeit herab. Insoweit sollten Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck und Publikumsverkehr vermieden werden. Darüber hinausgehende Leistungseinschränkungen seien jedoch weder aus der Untersuchung noch aus der Anamnese ableitbar gewesen. Zu keinem Zeitpunkt sei der Eindruck entstanden, dass der Kläger in seiner zeitlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt wäre. Im Wesentlichen gestützt darauf hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 27.08.2010, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen.
Gegen das ihm am 03.09.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger noch im selben Monat Berufung eingelegt. Er beruft sich insbesondere auf den von ihm vorgelegten Abschlussbericht zu der Arbeitsgelegenheit bei der Spielzeugfirma, in dem Frau B. davon ausging, dass er noch längere Zeit benötigen werde, bis er wieder dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Im Übrigen verweist er auf ein im Jahr 1998 festgestelltes Burn-out-Syndrom und die Ausführungen von Dr. K ... Zuletzt hat er darauf hingewiesen, den Facharzt gewechselt zu haben und nunmehr bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. in Behandlung zu stehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.08.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat die "emotional instabile Persönlichkeit mit Affektlabilität" als seit längerem strukturiert kompensiert beschrieben und den Kläger für nicht adäquat sozialisierbar erachtet.
Ferner hat der Senat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. mit der Erstellung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Dieser hat nicht für erkennbar erachtet, dass sich in den letzten Jahren eine Verschlechterung im Gesundheitszustand ergeben habe. Die Persönlichkeitszüge würden den Kläger schon sein Leben lang begleiten. Dieser habe gelernt, damit einigermaßen umzugehen. Sie brächten eine gewisse Stressintoleranz mit sich. Der Kläger gehe seinen Möglichkeiten entsprechend einem normalen Tagesablauf nach, interessiere sich am Tagesgeschehen, habe soziale Aktivitäten, mache Spaziergänge und versorge seinen Haushalt. Unter bestimmten Bedingungen habe er sich nach eigenen Angaben sogar eine Berufstätigkeit vorstellen können. Dr. D. hat sich der Leistungseinschätzung von Dr. W. angeschlossen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zur Recht abgewiesen. Dem Kläger steht keine Rente wegen Erwerbsminderung zu.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe steht dem Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Auf der Grundlage der von Dr. D. und Dr. W. erstellten Gutachten steht für den Senat fest, dass der Kläger eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit ohne besonderen Zeitdruck, ohne Publikumsverkehr, ohne Nacht- und/oder Wechselschichten sowie unter Vermeidung von Zwangshaltungen und häufigem Bücken bei klar strukturierten Arbeitsaufgaben mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Auf Grund des Jahre zurückliegenden Alkoholmissbrauches sind Tätigkeiten mit vermehrtem Kontakt zu Alkohol auszuschließen.
Mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen ist sowohl dem beim Kläger bestehenden Wirbelsäulensyndrom als auch der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung ausreichend Rechnung getragen. Mit dem Ausschluss von Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck wird erreicht, dass Stress- und Belastungssituationen, die - so überzeugend Dr. D. - zu einer Verstärkung der mit der Persönlichkeitsstörung verbundenen Symptomatik führen, vermieden werden. Gleiches gilt für den mit dem Ausschluss von Publikumsverkehr bezweckten Ausschluss von Kritik durch Dritte, auf die der Kläger persönlichkeitsbedingt verstärkt reagiert. Weder für Dr. W. noch für Dr. D. sind nach den von ihnen jeweils durchgeführten ambulanten Untersuchungen Gründe ersichtlich gewesen, weswegen dem Kläger unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen nur noch Tätigkeiten von unter sechs Stunden zuzumuten sein sollten. Dr. D. hat hierzu überzeugend darauf hingewiesen, dass die Persönlichkeitsstörung den Kläger schon sein Leben lang begleitet und ihn in früheren Zeiten durchaus nicht hinderte, versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen nachzugehen. Er hat damit die entsprechende Auffassung von Dr. W. bestätigt.
Für das so von Dr. D. und Dr. W. dargestellte Leistungsvermögen spricht auch, dass der Kläger seinen Möglichkeiten entsprechend einem normalen Tagesablauf nebst sozialen Aktivitäten nachgeht, Interesse am Tagesgeschehen hat, seinen Haushalt versorgt und neben Spaziergängen auch ein regelmäßiges Hanteltraining absolviert. Im Übrigen hält der Senat den von Dr. D. durchgeführten Rückschluss von der nicht erfolgten und nicht versuchten medikamentösen Behandlung auf einen nur relativ geringen Leidensdruck für berechtigt. Dr. D. weist nachvollziehbar darauf hin, dass entgegen den Darstellungen des Klägers eine Alkoholabhängigkeit nicht per se gegen den Einsatz von Medikamenten spricht. Im Übrigen ergibt sich für den Senat auch aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H. die Richtigkeit der Annahme eines relativ geringen Leidensdrucks, denn Dr. H. beschreibt einen hinsichtlich der Persönlichkeitsstörung schon lange strukturiert kompensierten Zustand.
Der Senat vermag sich nicht der Auffassung von Dr. H., der Kläger sei nicht adäquat sozialisierbar und daher nur unter sechs Stunden leistungsfähig, anzuschließen. Dagegen spricht bereits, dass der Kläger selbst gegenüber Dr. D. angegeben hat, sich unter bestimmten Bedingungen eine Berufstätigkeit vorstellen zu können. Angesichts dessen und vor dem Hintergrund, dass es sich um eine schon seit Beginn des Berufslebens des Klägers vorhandene Persönlichkeitsstörung handelt, erweist sich auch die Stellungnahme von Frau B. zu der ca. einjährigen Tätigkeit bei einer Spielzeugfirma nicht als geeignet, um die von den Sachverständigen angenommene Leistungsfähigkeit in Zweifel zu ziehen. Frau Bakonyi, die hier ohnehin nicht als ärztliche Sachverständige in Erscheinung tritt, setzte sich nicht mit der langen Vorgeschichte des Klägers auseinander. Maßgeblich ist hier zudem nicht das vom Kläger im Rahmen der verpflichtenden Arbeitsgelegenheit gezeigte Leistungsvermögen, sondern das objektiv unter besonderer Berücksichtigung der dem Kläger zumutbaren Willensanspannung festzustellende Leistungsvermögen im Rahmen eines entgeltlichen Arbeitsverhältnisses, das zur Überzeugung des Senats von Dr. W. und Dr. D. zutreffend beschrieben worden ist.
Zum Berufungsvorbringen des Klägers ist noch zu ergänzen, dass nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. D. ein "Burn-out" nicht diagnostiziert werden kann. Den Ausführungen von Dr. K. vermag der Senat ebenfalls keine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung zu entnehmen. Seinem Hinweis, der Kläger lebe zurückgezogen und sei wenig zugänglich, wird durch die beschriebenen qualitativen Einschränkungen - insbesondere dem Ausschluss von Publikumsverkehr - Rechnung getragen. Der zuletzt vom Kläger vorgetragene Facharztwechsel veranlasst den Senat nicht zu weiteren Ermittlungen. Der Kläger hat nicht dargestellt, dass sich in seinem Gesundheitszustand Wesentliches geändert hat. Dies ist, nachdem beide gerichtliche Sachverständigen einen schon lange in gleicher Weise bestehenden Zustand beschrieben haben, auch nicht naheliegend.
Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, kommt für den Kläger nicht in Betracht, da er über keine abgeschlossene Ausbildung verfügt und sich auch im Rahmen seiner verschiedenen beruflichen Tätigkeiten keinen entsprechenden Status (Berufsschutz) erwarb. Der Kläger kann vielmehr auf sämtliche Arbeitsplätze des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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