L 7 SO 208/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 20 SO 185/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 208/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Übertritt von einer Einrichtung in eine andere Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG setzt einen nahtlosen Wechsel voraus. Eine Unterbrechung von 5 Tagen mit der Ungewissheit, wann und wo sich ein neuer Eintrit in eine weitere Einrichtung anschließt, steht einem nahtlosen Wechsel entgegen.

Ein unfreiwilliger Aufenthalt bei der Familie von nur 5 Tagen kann je noch Vorliegen der Gesamtumstände keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 1 SGB I begründen, obwohl die voraussichtliche Dauer des Aufenthaltes zunächst unklar war.

Kann in den zwei Monaten vor Aufnahme in eine Einrichtung nach § 97 Abs. 2 BSHG ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden, tritt nach § 103 Satz 2 BSHG (subsidiär) ein Erstattungsanspruch gegenüber dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe ein.
I. Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Oktober 2010 abgeändert, soweit die Beigeladene zur Zahlung verurteilt ist, und die Klage insoweit abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten beider Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Zeit vom 15. Juli 2003 bis 31. Dezember 2004.

Die 1970 geborene C. wurde am 15. Juli 2003 im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Klägers in die Betreute Wohngemeinschaft in der D-Straße in D-Stadt aufgenommen. Auf ihren Antrag gewährte der Kläger ihr mit Bescheid vom 23. Juli 2003 Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 15. Juli 2003 bis 31. Juli 2003 in Höhe von 347,23 Euro und ab 1. August 2003 bis auf weiteres in Höhe von 649,77 Euro monatlich (Blatt 34 ff. VA). Die vorherige Aufenthaltssituation der C. stellte sich wie folgt dar:

- Letzte eigene Wohnung in der E.-Straße in B-Stadt bis zur Zwangsräumung am 2. April 2001.
- Ca. 4-wöchiger Aufenthalt beim Bruder ihres damaligen Freundes in F.
- Vom 1. Mai 2001 bis 11. September 2001 wohnte die C. zusammen mit ihrem Freund in der Einzimmerwohnung eines Bekannten in der G-Straße in B-Stadt, ohne dort gemeldet zu sein.
- 12. September 2001 bis 23. September 2002: Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt H.
- 23. September 2002 bis 12. Dezember 2002: Langzeittherapie zur Drogenentwöhnung in der Fachklinik in I.-Stadt. Hier wurde die C. am 12. Dezember 2002 vorzeitig disziplinarisch entlassen.
- Vom 12. Dezember 2002 bis 16. Dezember 2002 wohnte sie bei ihren Eltern in J. und meldete dort ihren Wohnsitz an.
- 16. Dezember 2002 bis 19. Dezember 2002: stationäre Drogenentwöhnung in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in K.
- 19. Dezember 2002 bis 20. Februar 2003: Übergangseinrichtung des Zentrums für soziale Psychiatrie in L.
- Am 20. Februar 2003 erfolgte die Aufnahme in das Therapiedorf M. in M-Stadt. - Am 15. Juli 2003 schloss sich die Aufnahme in die Betreute Wohngemeinschaft in D-Stadt an.

Der Kläger beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 7. April 2004 die Kostenerstattung nach der Vereinbarung über das Betreute Wohnen. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der gewöhnliche Aufenthalt der C. vor Aufnahme in das Betreute Wohnen nicht zweifelsfrei in seinem Bereich in J-Stadt gelegen habe. Die C. habe sich nur für 5 Tage bei ihren Eltern aufgehalten. Ein gewöhnlicher Aufenthalt werde hierdurch nicht begründet. Nach seiner Auffassung habe der letzte gewöhnliche Aufenthalt in B Stadt gelegen. Hierfür spreche auch, dass die C. Taschengeld und ihren Krankenversicherungsschutz durch die B-Stadt erhalten habe.

Der Kläger verfolgte sodann gegenüber der Stadt B. den Kostenerstattungsanspruch, den diese - wie bereits im Oktober 2003 - mit Schreiben vom 14. Juni 2004 erneut ablehnte. Die C. habe sich zwar bereits während des Aufenthalts in der Fachklinik in I Stadt zur Fortsetzung der Therapie entschieden; ein Aufnahmetermin habe aber noch nicht festgestanden. Der Aufenthalt bei ihren Eltern in J. sei zukunftsoffen gewesen und damit ein gewöhnlicher Aufenthalt der C. nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I begründet worden.

Der Kläger hat am 30. April 2007 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) erhoben und die Zahlung von 13.936,95 EUR zuzüglich Zinsen von dem Beklagten begehrt. Er hat vorgetragen, die C. habe am 12. Dezember 2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in J. begründet. Es sei unerheblich, dass der Aufenthalt dort nur wenige Tage gedauert habe, denn die C. habe sich bei ihren Eltern nicht nur besuchsweise aufgehalten. Gleichzeitig hat der Kläger beantragt, die Stadt B. zum Verfahren beizuladen. Das SG hat die C. vernommen und auf den erneuten Antrag des Klägers mit Beschluss vom 4. März 2010 die B-Stadt zum Verfahren beigeladen gem. § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG.

Die Beigeladene hat sich auf die Verjährung des Kostenerstattungsanspruchs berufen. Der Beiladungsbeschluss sei ihr erst am 10.03.2010 zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Verjährungsfrist des Anspruchs, der sich auf den Zeitraum bis einschließlich 31.12.2004 beziehe, bereits abgelaufen gewesen.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 6. Oktober 2010 die Beigeladene verurteilt, an den Kläger 13.936,95 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt der C. habe sich im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen (B-Stadt) befunden. Die C. habe ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme in das Betreute Wohnen nicht im Zuständigkeitsbereich der Beklagten (J.) gehabt. Zwar sei es für die C. am 12. Dezember 2002 nicht objektiv einzuschätzen gewesen, zu welchem Zeitpunkt und in welche Therapieeinrichtung sie sich begeben würde. Dies spreche, ebenso wie die Meldung beim Einwohnermeldeamt, für einen zukunftsoffenen Aufenthalt bei ihren Eltern. Dagegen sei aber die Kürze des Aufenthalts von nur 5 Tagen anzuführen und der Umstand, dass die C. bereits nach zwei Tagen die Zusage für die Aufnahme in der Übergangseinrichtung zum 16. Dezember 2002 erhalten habe. Die C. habe, außer ihren Eltern und ihrem Bruder, keine Freunde und Bekannte in J-Stadt gehabt und keine Einrichtungsgegenstände. Das Verhältnis zu ihren Eltern sei wegen der strafrechtlich relevanten Vergangenheit der C. angespannt gewesen und sie habe die staatsanwaltliche Auflage gehabt, eine Therapie durchzuführen. Insofern sei ein längerer Aufenthalt bei ihren Eltern nicht in Betracht gekommen. Der maßgebende letzte gewöhnliche Aufenthalt habe sich in B-Stadt in der G-Straße befunden. Dieser Aufenthalt in der Wohnung des Bekannten der C. sei zukunftsoffen gewesen und erst durch die Verhaftung der C. beendet worden. Zum damaligen Zeitpunkt habe sich das soziale Umfeld der C. in B-Stadt befunden und sie habe dort zusammen mit ihrem damaligen Freund eine Wohnung gesucht. Sie habe bis zu ihrer Verhaftung vorgehabt, dauerhaft in B-Stadt zu verweilen.

Der Anspruch sei nicht verjährt. Durch die mit Klageerhebung beantragte Beiladung sei die vierjährige Verjährungsfrist nach den sinngemäß geltenden Vorschriften des BGB gehemmt worden. Die Beiladung habe in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB i.V.m. § 167 ZPO die Verjährungsfrist gehemmt, denn der Beiladungsbeschluss sei "demnächst" im Sinne des Gesetzes zugestellt worden. Dabei sei nicht die rein zeitliche Betrachtungsweise entscheidend, sondern die Partei sei vor Verzögerungen zu schützen, die ihre Ursache im gerichtlichen Geschäftsbetrieb hätten und deshalb nicht von ihr beeinflusst werden könnten.

Die Beigeladene hat gegen das ihr am 13. Oktober 2010 zugestellte Urteil am 8. November 2010 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Anspruch sei ihr gegenüber verjährt. Nach § 167 ZPO habe eine Beiladung nur dann verjährungshemmende Wirkung, wenn die Zustellung "demnächst" erfolge, d.h. in nicht allzu erheblichem zeitlichen Abstand. Eine Zeitspanne von mehr als drei Jahren könne nicht mehr als demnächst anzusehen sein. Zudem habe sich die C. nur vorübergehend als Wohnsitzlose in B-Stadt aufgehalten. Die enge familiäre Beziehung zu den Eltern spreche für einen dortigen gewöhnlichen Aufenthalt, ebenso wie die amtliche Meldung des Wohnsitzes.

Die Beigeladene beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Oktober 2010 abzuändern soweit die Beigeladene zur Zahlung verurteilt ist und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Oktober 2010 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Oktober 2010 abzuändern, soweit die Klage gegen den Beklagten abgewiesen wurde und den Beklagten zur Zahlung von 13.936,95 Euro an den Kläger zu verurteilen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Oktober 2010 zurückzuweisen.

Er beruft sich vollumfänglich auf das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Klägers und des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beigeladenen ist begründet. Die ebenfalls zulässige Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet, denn der Kläger hat weder einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beigeladenen, noch gegenüber dem Beklagten.

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Bei einem Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern handelt es sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (Keller in: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 54 Rdnr. 41 m.w.N.). Die Beteiligten streiten um Erstattungsansprüche, die den Zeitraum vom 15. Juli 2003 bis 31. Dezember 2004 betreffen. Maßgeblich ist die bis zum 31. Dezember 2004 geltende Rechtslage, obwohl das BSHG zum 1. Januar 2005 außer Kraft getreten ist. Denn aus dem intertemporalen Verwaltungsrecht ergibt sich, dass materiellrechtlich das BSHG nach seinem zeitlichen Gestaltungswillen auf den jeweils zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden ist. Ein Rechtssatz ist grundsätzlich nicht auf solche Sachverhalte anwendbar, die - wie vorliegend - bereits vor seinem Inkrafttreten verwirklicht waren (Urteil des BSG v. 24.03.2009, B 8/9b SO 17/07 R u. B 8 SO 34/07 R; Kopp, SGb 1993, 593, 598 f.). Erstattungsansprüche entstehen analog § 40 SGB I kraft Gesetz unmittelbar mit Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen (Böttiger in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Aufl. 2011, vor §§ 102-114 Rn. 11).

Ein nach § 103 BSHG (in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) in Betracht kommender Kostenerstattungsanspruch liegt weder gegenüber der Beigeladenen und gegenüber dem Beklagten vor.

Nach § 103 Abs. 1 BSHG hat der gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zuständige Träger der Sozialhilfe dem Träger, der nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG die Leistung zu erbringen hat, die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Nach § 97 Abs. 2 BSHG ist für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat. War bei Einsetzen der Sozialhilfe der Hilfeempfänger aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Hilfebeginn ein solcher Fall ein, dann ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Ist in den Fällen des § 97 Abs. 2 Satz 3 und 4 ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln und war für die Hilfegewährung ein örtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig, dann sind diesem die aufgewendeten Kosten von dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört.

Ein gewöhnlicher Aufenthalt der C. in den letzten zwei Monaten vor Aufnahme in das Betreute Wohnen bzw. in die sog. erste Einrichtung ist nicht festzustellen, so dass ein Erstattungsanspruch gegenüber dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe entstanden ist. Die Beiladung des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe war entbehrlich, da der Kläger erklärt hat, wegen der eingetretenen Verjährung keine Ansprüche mehr gegen diesen geltend zu machen.

Der Kläger ist dem Grunde nach anspruchsberechtigt. Denn er ist der örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe, innerhalb dessen Gebiet die Hilfeempfängerin ihren tatsächlichen Aufenthalt in der Betreuten Wohngemeinschaft zumindest seit dem 15. Juli 2003 genommen hat (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Die Hilfeempfängerin C. war zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Betreute Wohnen aus einer anderen Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BSHG übergetreten. Sie war zuvor in dem Therapiedorf M Stadt untergebracht, in der Übergangseinrichtung L. und in der Klinik für Psychiatrie in K-Stadt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist derjenige, den C. vor Aufnahme in der Klinik für Psychiatrie in K. hatte, denn diese ist als "erste Einrichtung" im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 2 BSHG anzusehen, in die die C. vor Aufnahme in dem Betreuen Wohnen aufgenommen worden war.

Durch den kurzfristigen Aufenthalt bei ihren Eltern in J-Stadt ist der Übertritt von einer Einrichtung in eine andere Einrichtung im Sinne von § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG unterbrochen worden, so dass nicht etwa der gewöhnliche Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme in die JVA H-Stadt maßgeblich ist. Die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers soll im Falle eines Übertrittes von einer Einrichtung in eine andere Einrichtung nach § 97 Abs. 2 Satz 2 BSHG nach der Begründung des Gesetzentwurfes nur bei einem "nahtlosen" Wechsel erhalten bleiben (BT-Drs. 12/4401, S. 84). Eine Ausnahme kann lediglich dann angenommen werden, wenn sich die beabsichtigte Aufnahme z.B. bedingt durch den Transport oder ein Wochenende verzögert und der Hilfeempfänger in Kenntnis der bevorstehenden Aufnahme einen kurzfristigen Zwischenaufenthalt bei einem Familienangehörigen einlegen muss (BayVGH v. 29.07.1999, 12 B 97.3431). Dagegen steht die Ungewissheit, wann und wo sich ein neuerlicher Eintritt in eine weitere Einrichtung verwirklichen wird, einem Übertritt entgegen (OVG Brandenburg, Beschluss v. 07.12.1999, 4 B 59/99). Vorliegend war zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Fachklinik I-Stadt noch nicht geklärt, in welcher Einrichtung die Klägerin die Therapie fortsetzen kann. Sowohl die Dauer des Aufenthaltes von 5 Tagen als auch die fehlende Kenntnis, in welcher Einrichtung und wann die Therapie fortgesetzt werden konnte, steht einem nahtlosen Übertritt von der Klinik in I-Stadt in die Klinik für Psychiatrie in K-Stadt entgegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der C. war damit der gewöhnliche Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in K-Stadt als erste Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die C. keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Vor der Aufnahme in der Klinik in K-Stadt hielt sich die H. für 5 Tage bei ihren Eltern auf, davor etwa 3 Monate in der Fachklinik I-Stadt und zuvor ca. 1 Jahr in der JVA H-Stadt. Der Senat stimmt mit dem Sozialgericht Frankfurt am Main insoweit überein, dass die C. während des nur 5 Tage andauernden Aufenthaltes bei ihren Eltern dort keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ob sich jemand gewöhnlich in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise entscheiden, wobei alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung bei Beginn eines streitigen Zeitraums erkennbaren Umstände zu berücksichtigen sind (BSGE 63, 93 = SozR 2200 § 205 Nr. 65). Dies können subjektive wie objektive, tatsächliche wie rechtliche, bestehende wie künftig zu erwartende Umstände sein (BSGE 62, 67). Das BSG hat aus § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I ein Drei-Stufen-Schema entwickelt; es prüft (1) den Aufenthalt, (2) die Umstände des Aufenthalts und nimmt (3) eine Würdigung der Umstände vor, wobei es insbesondere ermittelt, ob der Betroffene am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet nicht nur vorübergehend verweilt (BSGE 62, 67 = SozR 7833 § 1 Nr 1). Das BSG setzt "nicht nur vorübergehend" mit "dauernd" gleich; ein vorübergehendes Verweilen lasse sich somit nur ausschließen, wenn ein Ende des Aufenthalts aus der Sicht der in Frage kommenden Bezugszeit nicht zu erwarten sei (Seewald in: KassKomm. Std. 06/11, § 30 SGB I Rdnr. 19 ff.).

Der Aufenthalt der C. bei ihren Eltern war nicht als dauerhaft anzusehen. Obwohl die C. dort ihren Wohnsitz anmeldete, war es aus ihrer Sicht eindeutig, dass sie nur vorübergehend nach der disziplinarischen Entlassung aus der Fachklinik I-Stadt bei ihren Eltern unterkommen würde. Der Aufenthalt bei ihren Eltern war für sie nicht freiwillig und sie besaß nicht den erforderlichen Willen (BSGE 60, 262; Seewald in: Kass.Komm., Stand 06/11, § 30 SGB I Rn. 20), länger an diesem Ort zu verweilen. Nach Aussage der C. war das Verhältnis mit ihren Eltern wegen ihrer strafrechtlichen Vergangenheit sehr schwierig, so dass die Eltern sie auch nicht länger aufnehmen wollten. Eine Alternative hatte die C. nicht. Sie war aufgrund einer gerichtlichen Auflage gezwungen, die Therapie fortzuführen. Nach ihren Angaben war es der C. nicht gestattet, in Freiheit zu sein, weshalb sie sich sofort mit dem für sie zuständigen Staatsanwalt in Verbindung setzte. Damit war der Aufenthalt bei ihren Eltern nicht zukunftsoffen, sondern es war von vornherein nur eine kurzfristige Verweildauer bis zur Aufnahme in eine andere Therapieeinrichtung geplant. Die Zusage bekam die C. dann auch bereits nach zwei Tagen und sie wurde fünf Tage nach Entlassung aus der Klinik in I-Stadt in der Klinik in K-Stadt aufgenommen. Das fehlende subjektive Element, länger am Ort verweilen zu wollen ist deshalb auch nicht durch eine tatsächlich eingetretene, längere Verweildauer soweit überlagert worden, dass trotz des fehlenden Willens ein gewöhnlicher Aufenthalt eingetreten ist.

Damit hatte die C. zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Klinik in K-Stadt keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Auch in den zwei Monaten vor Aufnahme in die "erste Einrichtung", d.h. die psychiatrische Klinik in K-Stadt, hatte die C. keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Denn während des Aufenthaltes in einer Anstalt, einer Maßnahme der Freiheitsentziehung oder einer anderen Einrichtung wird ein für die Kostenerstattung erheblicher gewöhnlicher Aufenthalt nicht begründet, § 109 BSHG. Die C. befand sich aber in den zwei Monaten zuvor in der Klinik in I-Stadt und davor etwa ein Jahr lang in der JVA. Auch ein gewöhnlicher Aufenthalt in B-Stadt bestand nicht mehr. Denn die Wohnung der C. war bereits mehr als 1 Jahr zuvor geräumt worden und sie wollte nach bzw. während der Durchführung der Therapie nicht zu ihrem früheren Umfeld nach B Stadt zurückkehren.

Nach alledem hatte die C. zum Zeitpunkt der Aufnahme in die erste Einrichtung vor Aufnahme in das Betreute Wohnen ihren gewöhnlichen Aufenthalt weder im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen noch im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Es lag ein Fall des § 97 Abs. 2 Satz 3 und 4 BSHG vor, bei dem ein gewöhnlicher Aufenthalt des Hilfeempfängers nicht gegeben war und damit (subsidiär) nach § 103 Satz 2 BSHG ein Erstattungsanspruch gegenüber dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe eintritt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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