L 18 AS 300/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 195/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 300/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Januar 2001 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der 1985 geborene Kläger steht im Leistungsbezug des Beklagten. Er zog ohne Einholung einer entsprechenden Zusicherung des Beklagten für die Aufwendungen der neuen Unterkunft zum 1. August 2006 um. Mit Bescheiden vom 4. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2008 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) vom 12. September 2006 für die Zeit bis 30. September 2006 ab und bewilligte ihm Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 28. Februar 2007 jeweils iHv 80 vH der Regelleistung. Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) gewährte der Beklagte nicht. Mit Bescheid vom 28. Februar 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger, der zum 16. März 2007 erneut umzog, ohne eine diesbezügliche Zusicherung des Beklagten einzuholen, Leistungen iHv jeweils 80 vH der Regelleistung für die Zeit vom 1. März 2007 bis 31. August 2008. Im Widerspruchsverfahren hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab 1. Mai 2007 "ganz" auf (Bescheid vom 12. Juni 2007), weil der Kläger wegen der Erzielung von Einkommen aus einer Beschäftigung ab 1. Mai 2007 nicht mehr hilfebedürftig sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. März 2008).

Mit seiner Klage gegen die genannten Widerspruchsbescheide hat der Kläger beantragt, den Beklagten "zur Nachzahlung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 299,00 Euro für den Zeitraum vom 12.09.06 bis einschließlich 31.03.07" zu verurteilen. Im Erörterungstermin vom 14. Mai 2009 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass für den "streitigen Zeitraum" auch die Zahlung der vollen Regelleistung begehrt werde. Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat das Verfahren abgetrennt, soweit der Kläger Leistungen für KdU in der Zeit vom 1. März 2007 bis 31. August 2007 "begehrt" (Beschluss vom 27. Januar 2011) und sodann mit Gerichtsbescheid vom 28. Januar 2011 die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 28. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2008 verurteilt, dem Kläger KdU-Leistungen und die Regelleistung für die Zeit vom 1. bis 15. März 2007 "in voller Höhe" zu zahlen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er Leistungen auch "für die Zeit nach seinem Umzug" geltend macht.

II.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig; der Senat konnte sie daher gemäß § 158 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Ausübung des ihm durch diese Vorschrift insoweit eingeräumten Ermessens durch Beschluss entsprechend verwerfen. An einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung war der Senat auch nicht deshalb gehindert, weil das Sozialgericht (SG) durch Gerichtsbescheid entschieden hat (vgl BSG, Beschluss vom 8. November 2005 – B 1 KR 76/05 B = SozR 4-1500 § 158 Nr 2). Denn die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl § 124 Abs. 2 und 3 SGG) und damit auf das ihnen zustehende Recht, die Streitsache mündlich zu verhandeln, verzichtet. Sie wurden vorher auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gericht die Berufung für unzulässig erachtet.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die – wie hier – eine Geldleistung betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt. Der Beschwerdewert übersteigt vorliegend indes nicht den Wert von 750,- EUR. Dies ergibt sich aus Folgendem: Der Kläger hat mit seiner Klage – S 24 AS 599/08 – unter Änderung des Bescheides des Beklagten vom 4. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2008 (Leistungszeitraum vom 12. September 2009 bis 28. Februar 2007) und des Bescheides vom 28. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2008 (Leistungszeitraum vom 1. März 2007 bis 31. August 2007) die Verurteilung des Beklagten zur "Nachzahlung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 299,00 Euro für den Zeitraum vom 12.09.06 bis einschließlich 31.03.07" begehrt. Aus der Klagebegründung ergibt sich kein darüber hinausgehender Leistungszeitraum. Im Erörterungstermin vom 14. Mai 2009 hat der Kläger – bis auf die Geltendmachung der "vollen" Regelleistung im "streitigen Zeitraum" - ebenfalls kein weitergehendes Klagebegehren geltend gemacht. Das SG hat daraufhin den Rechtsstreit, soweit der Kläger Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. März 2007 "bis 31.08.2007" begehrt, abgetrennt, unter dem Aktenzeichen – S 14 AS 195/11 – weitergeführt und mit dem hier angefochtenen Gerichtsbescheid vom 28. Januar 2011 entschieden.

Soweit das SG über das Begehren des Klägers hinausgegangen ist und entgegen § 123 SGG eine Entscheidung auch über den Leistungszeitraum vom 1. April 2007 bis 31. August 2007 getroffen hat, ist nicht ersichtlich, dass der Kläger mit seiner Berufung entgegen dem erstinstanzlichen Vorbringen nunmehr auch höhere Leistungen für diesen Zeitraum geltend machen würde. Der Hinweis des Klägers darauf, dass der Aufhebungsbescheid für die Zeit ab 1. Mai 2007 vom 12. Juni 2007 Gegenstand des Verfahrens gemäß § 96 Abs. 1 SGG geworden sein dürfte, ändert hieran nichts. Denn ungeachtet dessen, dass dies nicht der Fall ist, weil sich die vorliegende Klage nur auf die Gewährung höherer Leistungen bis 31. März 2007 richtete und somit nicht der Bescheid vom 12. Juni 2007, sondern der Bescheid vom 4. März 2011 über die Bewilligung höherer Leistungen für die Zeit vom 1. März bis 15. März 2007 kraft Gesetzes Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist, ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger eine entsprechende Klageerweiterung im Klage- oder Berufungsverfahren erklärt hätte. Im Übrigen würde auch die Erweiterung eines bei Einlegung des Rechtsmittels nicht berufungsfähigen Streitgegenstandes im Verlauf des Berufungsverfahrens nicht zur Zulässigkeit der Berufung führen (vgl BSG, Urteil vom 25. Juli 1985 – 7 RAr 33/84 = BSGE 58, 291-302; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rz 20 mwN). Als Beschwer des Klägers verbleibt damit allenfalls die vom SG verlautbarte Klageabweisung für den Leistungszeitraum vom 16. März 2007 bis 31. März 2007. Angesichts geltend gemachter tatsächlicher Kosten für Unterkunft und Heizung für März 2007 iHv 299,- EUR (sh Klageschrift und Antragstellung) wird der Beschwerdewert von mehr als 750,- EUR damit nicht erreicht, und zwar selbst dann nicht, wenn von dem im Mietvertrag für die Zeit ab 16. März 2007 vereinbarten monatlichen Mietzins iHv 336,- EUR auszugehen wäre. Nicht anderes ergibt sich, wenn die im Erörterungstermin vom 14. Mai 2009 erstmals ergänzend geltend gemachten 20 vH der Regelleistung für die Zeit vom 16. März 2007 bis 31. März 2007 hinzugerechnet werden.

Die demnach nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Zulassung der Berufung liegt nicht vor. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Die Verwendung der entsprechenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil genügt insoweit nicht (vgl BSG, Beschluss vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 B – juris - mwN). Der Mangel der Zulassung lässt sich auch nicht durch eine Umdeutung der unstatthaften Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG beheben. Denn eine derartige Umdeutung kommt nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 25/01 R = SozR 4-1500 § 158 Nr 1). Beide Rechtsmittel haben eine unterschiedliche Zielrichtung und demgemäß völlig unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe. Zudem hat der Kläger auch nach dem entsprechenden gerichtlichen Hinweis ausdrücklich um eine Entscheidung "hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung" gebeten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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