Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 151/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 612,24 EUR nebst 5% Zinsen aus 603,74 EUR seit dem 02.12.2010 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten. Der Streitwert wird auf 612,24 EUR festgesetzt. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Behandlung einer Versicherten der Beklagten in einem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus stationär erfolgt und entsprechend zu vergüten ist.
Die am XXXXX1980 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Frau S.H. (i.F.: Versicherte) wurde am 30.10.2010, 23:26 mit dem Rettungswagen in ein von der Klägerin betriebenes Krankenhaus (hier: Klinik H.) gebracht. Zu diesem Zeitpunkt litt sie an starken, kolikartigen Schmerzen im Bereich der rechten Niere; es bestand Verdacht auf einen obstruierenden Ureterstein (Harnleiterstein). Der Verlaufsbericht des Behandlungsteam verzeichnet Einträge vom 31.10.2010, 02:00 Uhr und 07:00; im Verlauf des 31.10.2010 erfolgten noch eine Ultraschalluntersuchung sowie eine Computertomografie. Entlassen wurde die Versicherte am 31.10.2010, 18:49 Uhr.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten mit Rechnung vom 10.11.2010 zunächst einen Betrag von 603,74 Euro. Die Beklagte verweigerte die Begleichung mit der Begründung, es habe keine vollstationäre Behandlung vorgelegen, da die Versicherte nicht mindestens 24 Stunden im Krankenhaus behandelt worden sei. Der MDK wurde nicht eingeschaltet.
&8195; Am 11.02.2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin führt aus, eine Mindestaufenthaltsdauer von 24 Stunden ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus der einschlägigen Rechtsprechung des BSG. Die ursprüngliche Forderung sei um weitere 8,50 Euro zu erweitern, da das Verwaltungsverfahren zum Einzug der Eigenbeteiligung habe betrieben werden müssen. Im Übrigen sei eine inhaltliche Überprüfung ihrer Rechnung ausgeschlossen, da die Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) verstrichen sei, ohne dass die Beklagten den MDK eingeschaltet habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 612,24 EUR nebst 5% Zinsen aus 603,74 seit dem 02.12.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie entnimmt dem Urteil des BSG vom 04.03.2004 (B 3 KR 4/03 R), dass eine vollstationäre Behandlung eine tatsächliche Aufenthaltsdauer des Versicherten von 24 Stunden voraussetze. Die Formulierung des BSG, wonach die Behandlung sich über einen Tag und eine Nacht erstrecken müsse, könne bei herkömmlicher Betrachtungsweise nicht anders verstanden werden. Auf die Erforderlichkeit der Behandlung komme es somit nicht mehr an. Auch § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da diese Vorschrift das Amtsermittlungsprinzip jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nicht einschränke.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogenen Akten beider Beteiligter verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und mit dem zuletzt gestellten Antrag auch begründet.
A.) Die Klage ist statthaft als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG); sie ist nicht fristgebunden und eines Vorverfahrens bedurfte es nicht.
B.) Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag auch begründet.
I.) Die Klage ist – hinsichtlich der Vergütungsforderung – indes nicht schon deswegen begründet, weil die Rechnung der Klägerin aufgrund des Verstreichens der Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V durch das Gericht nicht mehr überprüfbar wäre. Das Gericht sieht sich nicht durch § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V an der Nachprüfung gehindert, ob die erfolgte Behandlung des Versicherten als stationäre oder ambulante Behandlung zu vergüten ist.
1.) Bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist eine Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der erbrachten Leistung durch den MDK zeitnah durchzuführen, § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V. Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen, § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V.
2.) Die Vorschrift wird in der Rechtsprechung überwiegend dahingehend verstanden, dass die Krankenkasse nach Ablauf der von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V keine medizinischen Einwendungen mehr vorbringen kann (SG Darmstadt, Urteil vom 20.05.2010, S 18 KR 344/08, juris, Rn. 20). Soweit der Vorschrift damit eine Präklusionswirkung zukommt, ist sie als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. allgemein BVerfGE 69, 126, 136 f.). Teil dieser engen Auslegung ist insbesondere der allgemeine Grundsatz, dass sich eine Präklusionswirkung stets nur auf die Sachverhaltsermittlung erstrecken kann, nicht aber auf die rechtliche Prüfung unter Zugrundelegung des auch bei Eintritt der Präklusionswirkung bereits festgestellten Sachverhalts (vgl. Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 106a, Rn. 4). Von diesem Grundsatz weicht auch § 275 Abs. 1c SGB V gerade nicht ab, denn die Vorschrift nimmt auf eine Überprüfung durch den MDK Bezug und beschränkt damit die Ausschlusswirkung im Ergebnis auf solche Umstände, die auch das Gericht nur nach Heranziehung medizinischen Sachverstandes zu klären vermag. Hinsichtlich dessen, was einer Überprüfung durch den MDK jedoch überhaupt nicht zugänglich ist, kann § 275 Abs. 1c SGB V jedoch auch keine Ausschlusswirkung entfalten.
3.) Hierzu gehört auch die Frage, ob eine (bereits stattgefundene) Behandlung stationär erfolgt ist oder nicht. Diese Frage beantwortet sich nicht anhand der – ggf. unter Heranziehung medizinischen Sachverstandes vorzunehmenden – Prüfung eines vorgefundenen Sachverhalts (wie dies etwa für die Frage gilt, ob eine bestimmte Behandlung oder Untersuchung indiziert war), sondern danach, ob der festgestellte Sachverhalt unter den letztlich unbestimmten Rechtsbegriff "stationär" zu subsumieren ist. Das Gericht sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber eine solche, aus ärztlicher Sicht ja gerade fachfremde Prüfung dem MDK überlassen sehen wollte.
4.) Erst recht lässt sich § 275 Abs. 1c SGB V auch nicht die Rechtsfolge entnehmen, dass eine Rechnung nach Ablauf der dort genannten Frist keinerlei wie auch immer gearteten Einwendungen mehr ausgesetzt sein sollte. Eine derart weitreichende und nicht nur vom sozialprozessualen Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG), sondern auch von anderen Grundsätzen (Waffengleichheit, Verfahrensherrschaft der Krankenkasse im vorgerichtlichen Verfahren etc) abweichende Rechtsfolge hätte einer eindeutigen gesetzlichen Anordnung bedurft.
&8195; II.) Anspruchsgrundlage hinsichtlich der Behandlungskosten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung des Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Insbesondere ist die Behandlung der Versicherten auch stationär im Rechtssinne erfolgt.
1.) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe keine stationäre Behandlung vorgelegen, da sich die Versicherte nicht mindestens 24 Stunden im Krankenhaus aufgehalten habe. Zwar lässt sich der Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 04.03.2004, B 3 KR 4/03 R, SozR 4-2500 § 39 Nr. 1) entnehmen, dass (außer in den Fällen einer entgegen ärztlichem Rat abgebrochenen stationären Behandlung) ein Eingriff nur "ambulant" (i.S.d. § 115b SGB V) stattfindet, wenn der Patient entsprechend dem ärztlichen Behandlungsplan nicht die Nacht vor und die Nacht nach dem Eingriff im Krankenhaus verbringt. Das BSG selbst hat dieses Kriterium indes als "weniger geeignet" bezeichnet, um die Fälle einer nicht-operativen stationären Behandlung von denen einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus (etwa im Rahmen der Notfallversorgung, § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V) abzugrenzen (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 17/06 R, SozR 4-2500 § 39 Nr. 8; aus neuerer Zeit auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.03.2011, L 5 KR 50/10, juris, Rn. 26). Auch wenn der Patient nicht einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verbringt, liegt eine stationäre Behandlung dann vor, wenn die für eine Krankenhausbehandlung typische intensive, aktive und fortdauernde ärztliche Betreuung oder aber die Pflege mit Hilfe von jederzeit verfügbarem Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal erforderlich ist (BSG, a.a.O.).
2.) Vor diesem Hintergrund ist die Behandlung der Versicherten als stationär anzusehen. Die Versicherte hat eine für eine Krankenhausbehandlung typische intensive, aktive und fortdauernde ärztliche Betreuung erfahren. Sie litt bei ihrem Eintreffen mit dem Rettungswagen an kolikartigen Schmerzen im Bereich der rechten Flanke, deren Ursache aufgeklärt und falls möglich beseitigt werden musste. Hierzu waren fortdauernde Untersuchungen erforderlich, wie sie in der Tat auch vorgenommen worden sind: Der Verlaufsbericht des Behandlungsteam verzeichnet Einträge vom 31.10.2010, 02:00 Uhr und 07:00; im Verlauf des 31.10.2010 erfolgten noch eine Ultraschalluntersuchung sowie eine Computertomografie. Die starken Schmerzen erforderten eine fortdauernde symptombezogene Behandlung, weiterhin erscheint des dem Gericht auch nachvollziehbar, dass die Ärzte der Klägerin von der Notwendigkeit einer weiteren Beobachtung der Versicherten ausgegangen sind.
3.) An der Erforderlichkeit der im vorliegenden Fall erfolgten ärztlichen Betreuung hat das Gericht keine Zweifel. Im Übrigen greift nach Auffassung der Kammer bei der letztlich nur unter Heranziehung medizinischen Sachverstandes zu beantwortenden Frage, ob die einzelnen Untersuchungs- und Behandlungsschritte jeweils medizinisch indiziert waren, die Ausschlusswirkung des § 275 Abs. 1c SGB V zugunsten der Klägerin ein. Die Kammer schließt sich insoweit dem Urteil des SG Darmstadt vom 20.05.2010, S 18 KR 344/08, an, wonach ein Verstreichen dieser Frist zur Folge hat, dass die Krankenkasse mit Einwendungen hinsichtlich der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ausgeschlossen ist. Insbesondere würde der Zweck von § 275 Abs. 1c SGB V konterkariert werden, wenn sich die Krankenkasse durch Klageeinreichung über die im vorgerichtlichen Verfahren eingetretene Präklusion hinwegsetzen könnte (SG Darmstadt, a.a.O.). Dieser Sichtweise steht auch nicht das Urteil des BSG vom 16.12.2008 (B 1 KN 3/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 15) entgegen, denn im dort entschiedenen Fall war § 275 Abs. 1c SGB V mangels Rückwirkung nicht einschlägig (BSG, a.a.O. = juris, Rn. 37).
III.) Die weitere Forderung i.H.v. 8,50 Euro beruht auf § 3 Satz 1 der Vereinbarung zur Umsetzung der Kostenerstattung nach § 43b Abs. 3 Satz 9 SGB V (Zuzahlungsvereinbarung, ZuzV).
IV.) Die Zinsforderung beruht auf den §§ 14 Abs. 1, 12 des Vertrages Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (H1). An dem zunächst gestellten Antrag auf Verzinsung auch dieser erst mit Klageerhebung geltend gemachten Forderung hat die Klägerin zuletzt nicht mehr festgehalten.
C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Insoweit wirkt sich nicht aus, dass die Klage hinsichtlich einer Nebenforderung (Verzinsung der Kostenpauschale für das Verwaltungsverfahren zum Einzug der Eigenbeteiligung) ohne Erfolg geblieben ist. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG. Jedenfalls die Frage nach der Reichweite von § 275 Abs. 1c SGB V hat aus Sicht der Kammer grundsätzliche Bedeutung.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Behandlung einer Versicherten der Beklagten in einem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus stationär erfolgt und entsprechend zu vergüten ist.
Die am XXXXX1980 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Frau S.H. (i.F.: Versicherte) wurde am 30.10.2010, 23:26 mit dem Rettungswagen in ein von der Klägerin betriebenes Krankenhaus (hier: Klinik H.) gebracht. Zu diesem Zeitpunkt litt sie an starken, kolikartigen Schmerzen im Bereich der rechten Niere; es bestand Verdacht auf einen obstruierenden Ureterstein (Harnleiterstein). Der Verlaufsbericht des Behandlungsteam verzeichnet Einträge vom 31.10.2010, 02:00 Uhr und 07:00; im Verlauf des 31.10.2010 erfolgten noch eine Ultraschalluntersuchung sowie eine Computertomografie. Entlassen wurde die Versicherte am 31.10.2010, 18:49 Uhr.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten mit Rechnung vom 10.11.2010 zunächst einen Betrag von 603,74 Euro. Die Beklagte verweigerte die Begleichung mit der Begründung, es habe keine vollstationäre Behandlung vorgelegen, da die Versicherte nicht mindestens 24 Stunden im Krankenhaus behandelt worden sei. Der MDK wurde nicht eingeschaltet.
&8195; Am 11.02.2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin führt aus, eine Mindestaufenthaltsdauer von 24 Stunden ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus der einschlägigen Rechtsprechung des BSG. Die ursprüngliche Forderung sei um weitere 8,50 Euro zu erweitern, da das Verwaltungsverfahren zum Einzug der Eigenbeteiligung habe betrieben werden müssen. Im Übrigen sei eine inhaltliche Überprüfung ihrer Rechnung ausgeschlossen, da die Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) verstrichen sei, ohne dass die Beklagten den MDK eingeschaltet habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 612,24 EUR nebst 5% Zinsen aus 603,74 seit dem 02.12.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie entnimmt dem Urteil des BSG vom 04.03.2004 (B 3 KR 4/03 R), dass eine vollstationäre Behandlung eine tatsächliche Aufenthaltsdauer des Versicherten von 24 Stunden voraussetze. Die Formulierung des BSG, wonach die Behandlung sich über einen Tag und eine Nacht erstrecken müsse, könne bei herkömmlicher Betrachtungsweise nicht anders verstanden werden. Auf die Erforderlichkeit der Behandlung komme es somit nicht mehr an. Auch § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da diese Vorschrift das Amtsermittlungsprinzip jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nicht einschränke.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogenen Akten beider Beteiligter verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und mit dem zuletzt gestellten Antrag auch begründet.
A.) Die Klage ist statthaft als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG); sie ist nicht fristgebunden und eines Vorverfahrens bedurfte es nicht.
B.) Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag auch begründet.
I.) Die Klage ist – hinsichtlich der Vergütungsforderung – indes nicht schon deswegen begründet, weil die Rechnung der Klägerin aufgrund des Verstreichens der Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V durch das Gericht nicht mehr überprüfbar wäre. Das Gericht sieht sich nicht durch § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V an der Nachprüfung gehindert, ob die erfolgte Behandlung des Versicherten als stationäre oder ambulante Behandlung zu vergüten ist.
1.) Bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist eine Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der erbrachten Leistung durch den MDK zeitnah durchzuführen, § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V. Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen, § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V.
2.) Die Vorschrift wird in der Rechtsprechung überwiegend dahingehend verstanden, dass die Krankenkasse nach Ablauf der von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V keine medizinischen Einwendungen mehr vorbringen kann (SG Darmstadt, Urteil vom 20.05.2010, S 18 KR 344/08, juris, Rn. 20). Soweit der Vorschrift damit eine Präklusionswirkung zukommt, ist sie als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. allgemein BVerfGE 69, 126, 136 f.). Teil dieser engen Auslegung ist insbesondere der allgemeine Grundsatz, dass sich eine Präklusionswirkung stets nur auf die Sachverhaltsermittlung erstrecken kann, nicht aber auf die rechtliche Prüfung unter Zugrundelegung des auch bei Eintritt der Präklusionswirkung bereits festgestellten Sachverhalts (vgl. Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 106a, Rn. 4). Von diesem Grundsatz weicht auch § 275 Abs. 1c SGB V gerade nicht ab, denn die Vorschrift nimmt auf eine Überprüfung durch den MDK Bezug und beschränkt damit die Ausschlusswirkung im Ergebnis auf solche Umstände, die auch das Gericht nur nach Heranziehung medizinischen Sachverstandes zu klären vermag. Hinsichtlich dessen, was einer Überprüfung durch den MDK jedoch überhaupt nicht zugänglich ist, kann § 275 Abs. 1c SGB V jedoch auch keine Ausschlusswirkung entfalten.
3.) Hierzu gehört auch die Frage, ob eine (bereits stattgefundene) Behandlung stationär erfolgt ist oder nicht. Diese Frage beantwortet sich nicht anhand der – ggf. unter Heranziehung medizinischen Sachverstandes vorzunehmenden – Prüfung eines vorgefundenen Sachverhalts (wie dies etwa für die Frage gilt, ob eine bestimmte Behandlung oder Untersuchung indiziert war), sondern danach, ob der festgestellte Sachverhalt unter den letztlich unbestimmten Rechtsbegriff "stationär" zu subsumieren ist. Das Gericht sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber eine solche, aus ärztlicher Sicht ja gerade fachfremde Prüfung dem MDK überlassen sehen wollte.
4.) Erst recht lässt sich § 275 Abs. 1c SGB V auch nicht die Rechtsfolge entnehmen, dass eine Rechnung nach Ablauf der dort genannten Frist keinerlei wie auch immer gearteten Einwendungen mehr ausgesetzt sein sollte. Eine derart weitreichende und nicht nur vom sozialprozessualen Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG), sondern auch von anderen Grundsätzen (Waffengleichheit, Verfahrensherrschaft der Krankenkasse im vorgerichtlichen Verfahren etc) abweichende Rechtsfolge hätte einer eindeutigen gesetzlichen Anordnung bedurft.
&8195; II.) Anspruchsgrundlage hinsichtlich der Behandlungskosten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung des Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Insbesondere ist die Behandlung der Versicherten auch stationär im Rechtssinne erfolgt.
1.) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe keine stationäre Behandlung vorgelegen, da sich die Versicherte nicht mindestens 24 Stunden im Krankenhaus aufgehalten habe. Zwar lässt sich der Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 04.03.2004, B 3 KR 4/03 R, SozR 4-2500 § 39 Nr. 1) entnehmen, dass (außer in den Fällen einer entgegen ärztlichem Rat abgebrochenen stationären Behandlung) ein Eingriff nur "ambulant" (i.S.d. § 115b SGB V) stattfindet, wenn der Patient entsprechend dem ärztlichen Behandlungsplan nicht die Nacht vor und die Nacht nach dem Eingriff im Krankenhaus verbringt. Das BSG selbst hat dieses Kriterium indes als "weniger geeignet" bezeichnet, um die Fälle einer nicht-operativen stationären Behandlung von denen einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus (etwa im Rahmen der Notfallversorgung, § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V) abzugrenzen (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 17/06 R, SozR 4-2500 § 39 Nr. 8; aus neuerer Zeit auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.03.2011, L 5 KR 50/10, juris, Rn. 26). Auch wenn der Patient nicht einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verbringt, liegt eine stationäre Behandlung dann vor, wenn die für eine Krankenhausbehandlung typische intensive, aktive und fortdauernde ärztliche Betreuung oder aber die Pflege mit Hilfe von jederzeit verfügbarem Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal erforderlich ist (BSG, a.a.O.).
2.) Vor diesem Hintergrund ist die Behandlung der Versicherten als stationär anzusehen. Die Versicherte hat eine für eine Krankenhausbehandlung typische intensive, aktive und fortdauernde ärztliche Betreuung erfahren. Sie litt bei ihrem Eintreffen mit dem Rettungswagen an kolikartigen Schmerzen im Bereich der rechten Flanke, deren Ursache aufgeklärt und falls möglich beseitigt werden musste. Hierzu waren fortdauernde Untersuchungen erforderlich, wie sie in der Tat auch vorgenommen worden sind: Der Verlaufsbericht des Behandlungsteam verzeichnet Einträge vom 31.10.2010, 02:00 Uhr und 07:00; im Verlauf des 31.10.2010 erfolgten noch eine Ultraschalluntersuchung sowie eine Computertomografie. Die starken Schmerzen erforderten eine fortdauernde symptombezogene Behandlung, weiterhin erscheint des dem Gericht auch nachvollziehbar, dass die Ärzte der Klägerin von der Notwendigkeit einer weiteren Beobachtung der Versicherten ausgegangen sind.
3.) An der Erforderlichkeit der im vorliegenden Fall erfolgten ärztlichen Betreuung hat das Gericht keine Zweifel. Im Übrigen greift nach Auffassung der Kammer bei der letztlich nur unter Heranziehung medizinischen Sachverstandes zu beantwortenden Frage, ob die einzelnen Untersuchungs- und Behandlungsschritte jeweils medizinisch indiziert waren, die Ausschlusswirkung des § 275 Abs. 1c SGB V zugunsten der Klägerin ein. Die Kammer schließt sich insoweit dem Urteil des SG Darmstadt vom 20.05.2010, S 18 KR 344/08, an, wonach ein Verstreichen dieser Frist zur Folge hat, dass die Krankenkasse mit Einwendungen hinsichtlich der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ausgeschlossen ist. Insbesondere würde der Zweck von § 275 Abs. 1c SGB V konterkariert werden, wenn sich die Krankenkasse durch Klageeinreichung über die im vorgerichtlichen Verfahren eingetretene Präklusion hinwegsetzen könnte (SG Darmstadt, a.a.O.). Dieser Sichtweise steht auch nicht das Urteil des BSG vom 16.12.2008 (B 1 KN 3/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 15) entgegen, denn im dort entschiedenen Fall war § 275 Abs. 1c SGB V mangels Rückwirkung nicht einschlägig (BSG, a.a.O. = juris, Rn. 37).
III.) Die weitere Forderung i.H.v. 8,50 Euro beruht auf § 3 Satz 1 der Vereinbarung zur Umsetzung der Kostenerstattung nach § 43b Abs. 3 Satz 9 SGB V (Zuzahlungsvereinbarung, ZuzV).
IV.) Die Zinsforderung beruht auf den §§ 14 Abs. 1, 12 des Vertrages Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (H1). An dem zunächst gestellten Antrag auf Verzinsung auch dieser erst mit Klageerhebung geltend gemachten Forderung hat die Klägerin zuletzt nicht mehr festgehalten.
C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Insoweit wirkt sich nicht aus, dass die Klage hinsichtlich einer Nebenforderung (Verzinsung der Kostenpauschale für das Verwaltungsverfahren zum Einzug der Eigenbeteiligung) ohne Erfolg geblieben ist. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG. Jedenfalls die Frage nach der Reichweite von § 275 Abs. 1c SGB V hat aus Sicht der Kammer grundsätzliche Bedeutung.
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