Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 26 SB 238/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 46/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgericht Cottbus vom 11. Februar 2011 aufgehoben. Der Klägerin wird mit Wirkung vom 20. Oktober 2010 für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M M gewährt. Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Mit der am 23. September 2010 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 15. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2010 die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" (Gehbehinderung) sowie "aG" (außer-gewöhnliche Gehbehinderung). Unter dem 20. Oktober 2010 ersuchte die Klägerin um Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Mit Beschluss vom 11. Februar 2011 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass trotz Fristsetzung weder ein Klageantrag formuliert noch eine Begründung der Klage erfolgt sei. Dagegen richtet sich die am 28. Februar 2011 eingegangene Beschwerde.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 172 Sozialgerichts-gesetz – SGG – und auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren erster Instanz abgelehnt.
Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint sowie Kostenarmut gegeben ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 f Zivilprozessordnung – ZPO –). Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechts-sprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 3 GG und dem aus Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einen solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahrens an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007 -1 BVR 68/07-). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG a. a. O.). Vor diesem Hintergrund ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt entweder noch Beweis zu erheben ist oder wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig hält.
Nach diesen Maßstäben war hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs am 20. Oktober 2010, dem vollständigen Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu verneinen. Das Sozialgericht geht zu Unrecht davon aus, dass sich in Ermangelung einer Klagebegründung und eines Klageantrages nicht prüfen lässt, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, so dass Prozesskostenhilfe zu versagen war.
Gem. § 92 Abs. 1 SGG muss die Klage neben dem Kläger und den Beklagten lediglich den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Die Stellung eines bestimmten Klageantrages sowie die Begründung der Klage sind gem. § 91 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGG hingegen nicht zwingend, da es sich insoweit nur um Sollvorschriften handelt. Der Klageschrift vom 22. September 2010 ist zu entnehmen, gegen welchen Bescheid des Beklagten sich die Klägerin wendet. In ihrem Prozesskostenhilfegesuch hat die Klägerin zudem geltend gemacht, dass der ihr zu gewährende GdB bei Feststellung der gesundheitlichen Merkmale mindestens 50 betragen müsse. Angesichts der zuvor im Verwaltungsverfahren gegenständlichen Merkzeichen "G" und "aG" war damit das Klagebegehren der Klägerin hinreichend deutlich, so dass das Sozialgericht in der Lage und gehalten gewesen wäre dessen Erfolgsaussichten zu bewerten.
Hinreichende Erfolgsaussichten des Klagebegehrens sind auch gegeben. Denn angesichts dessen, dass die Klägerin auf ihren beim Beklagten am 26. März 2010 eingegangenen Antrag bislang von keinem Arzt untersucht worden ist, besteht in medizinischer Hinsicht Aufklärungsbedarf. Die durch den Beklagten im Verlauf des Verwaltungsverfahrens eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 13. Juni und 06. September 2010 sind lediglich nach Aktenlage erfolgt und reichen insoweit für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung eines GdB von mindestens 50 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "aG" nicht aus. Das Sozialgericht hat vielmehr den Sachverhalt unter Berücksichtigung der ihm gem. §§ 103, 106 SGG obliegenden Verpflichtung zur umfassenden Amtsermittlung weiter aufzuklären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG nicht anfechtbar.
Gründe:
I.
Mit der am 23. September 2010 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 15. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2010 die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" (Gehbehinderung) sowie "aG" (außer-gewöhnliche Gehbehinderung). Unter dem 20. Oktober 2010 ersuchte die Klägerin um Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Mit Beschluss vom 11. Februar 2011 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass trotz Fristsetzung weder ein Klageantrag formuliert noch eine Begründung der Klage erfolgt sei. Dagegen richtet sich die am 28. Februar 2011 eingegangene Beschwerde.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 172 Sozialgerichts-gesetz – SGG – und auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren erster Instanz abgelehnt.
Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint sowie Kostenarmut gegeben ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 f Zivilprozessordnung – ZPO –). Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechts-sprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 3 GG und dem aus Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einen solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahrens an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007 -1 BVR 68/07-). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG a. a. O.). Vor diesem Hintergrund ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt entweder noch Beweis zu erheben ist oder wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig hält.
Nach diesen Maßstäben war hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs am 20. Oktober 2010, dem vollständigen Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu verneinen. Das Sozialgericht geht zu Unrecht davon aus, dass sich in Ermangelung einer Klagebegründung und eines Klageantrages nicht prüfen lässt, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, so dass Prozesskostenhilfe zu versagen war.
Gem. § 92 Abs. 1 SGG muss die Klage neben dem Kläger und den Beklagten lediglich den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Die Stellung eines bestimmten Klageantrages sowie die Begründung der Klage sind gem. § 91 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGG hingegen nicht zwingend, da es sich insoweit nur um Sollvorschriften handelt. Der Klageschrift vom 22. September 2010 ist zu entnehmen, gegen welchen Bescheid des Beklagten sich die Klägerin wendet. In ihrem Prozesskostenhilfegesuch hat die Klägerin zudem geltend gemacht, dass der ihr zu gewährende GdB bei Feststellung der gesundheitlichen Merkmale mindestens 50 betragen müsse. Angesichts der zuvor im Verwaltungsverfahren gegenständlichen Merkzeichen "G" und "aG" war damit das Klagebegehren der Klägerin hinreichend deutlich, so dass das Sozialgericht in der Lage und gehalten gewesen wäre dessen Erfolgsaussichten zu bewerten.
Hinreichende Erfolgsaussichten des Klagebegehrens sind auch gegeben. Denn angesichts dessen, dass die Klägerin auf ihren beim Beklagten am 26. März 2010 eingegangenen Antrag bislang von keinem Arzt untersucht worden ist, besteht in medizinischer Hinsicht Aufklärungsbedarf. Die durch den Beklagten im Verlauf des Verwaltungsverfahrens eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 13. Juni und 06. September 2010 sind lediglich nach Aktenlage erfolgt und reichen insoweit für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung eines GdB von mindestens 50 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "aG" nicht aus. Das Sozialgericht hat vielmehr den Sachverhalt unter Berücksichtigung der ihm gem. §§ 103, 106 SGG obliegenden Verpflichtung zur umfassenden Amtsermittlung weiter aufzuklären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG nicht anfechtbar.
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