Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 AS 454/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die teilweise Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2007 nebst einer Erstattungsforderung i.H.v. insgesamt 1.810,47 Euro.
Die Kläger beantragten am 16.11.2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie legten unter anderem verschiedene Entgeltbescheinigungen der Klägerin zu 1 betreffend die Monate September bis November 2006 vor, aus denen sich ergab, dass die Klägerin zu 1 im Unternehmen des Klägers zu 2 gegen ein monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. gleichbleibend 410.- Euro brutto, bzw. 368,48 Euro netto beschäftigt war und dass dieses Arbeitsentgelt jeweils zum zehnten Tag des Folgemonats fällig wurde.
Mit Bescheid vom 04.12.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 16.11.2006 bis zum 31.05.2007. Die monatliche Leistungshöhe betrug 868,70 Euro, wobei die Beklagte das Arbeitsentgelt der Klägerin zu 1 mit 200,11 Euro monatlich anrechnete. Mit Bescheid vom 19.03.2007 nahm die Beklagte außerdem für den Monat März 2007 eine Korrektur der Leistungshöhe vor (nur noch 839,67 Euro), nachdem sich die Klägerin zu 1 mehrere Tage in stationärer Behandlung befunden hatte.
Mit Bescheid vom 11.01.2007 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin zu 1 Arbeitslosengeld (Alg) i.H.v. monatlich 625,20 Euro für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 30.12.2007. Nachdem die Beklagte am 30.03.2007 von dem Alg-Bezug erfahren hatte, forderte sie den entsprechenden Bescheid sowie das Kündigungsschreiben bei der Klägerin zu 1 an, die beides mit der Bemerkung übersandte, sie habe das Kündigungsschreiben (vom 18.12.2006) schon bei der Antragstellung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 24.04.2007 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie beabsichtige, den Bewilligungsbescheid teilweise aufzuheben und für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 30.04.2007 unrechtmäßig erbrachte Leistungen i.H.v. 1.810,47 Euro erstattet zu verlangen. Die Kläger hielten entgegen, sie hätten in einem am 20.12.2006 erhaltenen Anmeldebogen mitgeteilt, dass die Klägerin zu 1 zum 01.01.2007 arbeitslos werde. Im Übrigen hätten sie auch bei der Arbeitslosmeldung auf den bestehenden Bezug von SGB II-Leistungen hingewiesen.
Mit zwei Bescheiden vom 16.05.2007 setzte die Beklagte unter Aufhebung der früheren Bewilligungsbescheide die Leistungen im Zeitraum 01.01.2007 bis 31.05.2007 wie folgt neu fest: Januar 2007 243,50 Euro Februar 2007 473,61 Euro März 2007 444,58 Euro April 2007 473,61 Euro Mai 2007 473,61 Euro. Weiterhin verlangte sie den Betrag von 1.810,47 Euro erstattet.
Am 11.06.2007 legten die Kläger hiergegen Widerspruch ein und führten aus, sie trügen keinerlei Verschulden daran, dass das Alg nicht bei der Leistungsberechnung nach dem SGB II berücksichtigt worden sei.
Mit insgesamt vier weiteren Bescheiden vom 22.10.2007 differenzierte die Beklagte sodann dahingehend, dass sie jeweils gegenüber dem Kläger zu 2 sowie der Klägerin zu 1 nebst beiden Kindern die Bewilligung für die Monate Januar, Februar und April aufhob und für März zurücknahm. Anschließend wies die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2007 den Widerspruch zurück. Sie führte ergänzend aus, im Januar 2007 sei nach dem Zuflussprinzip "der Lohn für den Monat Dezember" zu berücksichtigen gewesen, der i.H.v. insgesamt 206,48 Euro auf das Einkommen anzurechnen gewesen sei, so dass abweichend von der bisherigen Berechnung im Januar 2007 nur ein Leistungsanspruch von 237,13 Euro bestanden habe.
Hiergegen richtet sich die 28.11.2007 beim SG Altenburg erhobene und durch Beschluss vom 31.01.2008 an das erkennende Gericht verwiesene Klage.
Die Kläger führen ergänzend aus, eine Rückforderung könne – wenn überhaupt – nur die Klägerin zu 1 treffen, denn nur diese habe anzurechnendes Einkommen bezogen. Im Übrigen habe sich der Beklagten angesichts des Wegfalls des Arbeitseinkommens der Klägerin zu 1 auch aufdrängen müssen, dass diese nunmehr Alg erhalte. Somit treffe auch die Klägerin zu 1 keinerlei Verschulden an einer möglichen Überzahlung.
Die Kläger beantragen,
die beiden Bescheide vom 16.05.2007 in der Fassung der vier Bescheide vom 22.10.2007 sowie des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, um Ausfüllung des Anmeldebogens sei die Klägerin zu 1 nur gebeten worden, weil sie bis dahin lediglich mit der Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit G.) Kontakt gehabt habe. Im Übrigen sei es nicht Sache der Beklagten, Ansprüche auf Alg festzustellen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
&8195;
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kläger sind durch die angefochtenen Entscheidungen nicht beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Entscheidungen sind weder dem Grunde nach (dazu Punkt A) noch der Höhe nach zu beanstanden (dazu Punkt B). Insbesondere durfte die Beklagte ihre Leistungsbescheide auch gegenüber den Klägern zu 2 bis 4 aufheben (dazu Punkt A II).
A.) Die angefochtenen Aufhebungs- und Rücknahmebescheide sind dem Grunde nach nicht zu beanstanden.
I.) Die Beklagte durfte den Leistungsbescheid vom 04.12.2006 (ggf. in Gestalt des Bescheides vom 19.03.2007) gegenüber der Klägerin zu 1 teilweise aufheben (dazu unter Punkt 1) bzw. zurücknehmen (dazu unter Punkt 2).
1.) Die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 04.12.2006 für die Monate Januar, Februar, April und Mai 2007 ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III).
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Dauerverwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile des SGB anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes, § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X.
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind im vorliegenden Fall erfüllt.
a) Die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderliche wesentliche Änderung bestand darin, dass die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin zu 1 mit Bescheid vom 11.01.2007 Alg für die Zeit ab dem 01.01.2007 bewilligt hat. Das Alg ist – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – gem. den §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt, 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bei dem Anspruch der Klägerin zu 1 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mindernd zu berücksichtigen. Auf die genaue Höhe der "Anrechnung" wird noch unter Punkt B zurückzukommen sein.
b) Auch die Voraussetzungen der rückwirkenden Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (hier i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III) sind erfüllt. Dass die Klägerin zu 1 das Alg erst nach dem Erlass des Bescheides vom 04.12.2006 erzielt hat, ist unstreitig und ergibt sich klar aus dem zeitlichen Ablauf. Auf die Frage, ob sie die Überzahlung des Alg II in irgendeiner Form vorwerfbar herbeigeführt hat, kommt es angesichts der verschuldensunabhängigen Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht an. Eine Ermessensausübung, in deren Rahmen eine eventuelle Mitverantwortlichkeit der Beklagten (für die im vorliegenden Fall ohnehin sehr wenig ersichtlich ist) berücksichtigt werden könnte, ist durch die Verweisung auf § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ohnehin ausgeschlossen (vgl. Düe, in: Niesel, SGB III, 5. Aufl., 2010, § 330, Rn. 50).
c) Die Beklagte hat auch die einschlägige Jahresfrist ab Kenntnis der die Aufhebung rechtfertigenden Tatsachen eingehalten, §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X.
2.) Auch die teilweise Rücknahme des Leistungsbescheides vom 04.12.2006 in der Fassung des Bescheides vom 19.03.2007 ist rechtmäßig. Sie beruht auf § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III. Hiernach ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
a) Der Bescheid vom 04.12.2006 war in der Gestalt, die er durch den speziell die Leistungshöhe im März 2007 regelnden Bescheid vom 19.03.2007 erhalten hat rechtswidrig, weil die gesetzlich vorgeschriebene Berücksichtigung des Alg unterblieben ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Darlegungen unter Punkt 1 a verwiesen.
b) Es kann offenbleiben, ob die Klägerin zu 1 – wie sie meint – ihren Mitteilungspflichten in hinreichendem Umfang nachgekommen ist, da jedenfalls der zum Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens führende Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt ist. Die erforderliche Sorgfalt verletzt in besonders schwerem Maße, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 m.w.N.). Die Klägerin zu 1 musste mit einer Rücknahme des Bewilligungsbescheides für den Monat März 2007 rechnen, da sie die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides ohne Mühe hätte erkennen können (zu dieser Umschreibung der grob fahrlässigen Unkenntnis vgl. Waschull, in: LPK-SGB X, 2. Aufl., 2007, § 45, Rn. 42 m.w.N.). Ihr musste anhand des Bewilligungsbescheides vom 04.12.2006 bekannt sein, dass ihr Arbeitsentgelt auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet wurde. Dass auch Sozialleistungen anzurechnen waren, musste sich für sie schon daraus ergeben, dass "sogar" das Kindergeld angerechnet wurde. Diese beiden Umstände legten indes den Schluss nahe, dass auch ein das Arbeitseinkommen ersetzendes Alg angerechnet werden musste. Wenn nun infolge ihrer Arbeitslosigkeit dieses Arbeitsentgelt (i.H.v. zuletzt durchgängig 368,40 Euro netto im Monat) durch das Alg (i.H.v. 625,20 Euro monatlich) ersetzt wurde, das um 70 Prozent höher lag als das Arbeitsentgelt, so musste sich der Klägerin der Schluss auf eine weitere Herabsetzung der Leistungen nach dem SGB II förmlich aufdrängen.
c) Auch die einschlägigen Fristen aus § 45 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 SGB X hat die Beklagte gewahrt.
II.) Auch gegenüber den übrigen Klägern war die Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsbewilligungen rechtmäßig. Sie können sich nicht darauf berufen, die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (dazu unter Punkt 1) bzw. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X (dazu unter Punkt 2) seien nur in der Person der Klägerin zu 1 erfüllt gewesen.
1.) Die Kläger zu 2 bis 4 können sich nicht darauf berufen, nicht sie, sondern nur die Klägerin zu 1 habe das anzurechnende Alg erzielt und somit den Tatbestand aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X lässt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes auch dann zu, wenn nicht der Antragsteller bzw. Adressat Einkommen erzielt hat, sondern eine andere Person, deren wirtschaftliche Verhältnisse für den Leistungsanspruch erheblich sind (BSG, Urteil vom 05.06.2003, B 11 AL 70/02 R, juris; BSG, Urteil vom 10.01.1989, 10 RKg 12/87, SozR 1300 § 48 Nr. 53; aus dem Schrifttum etwa Waschull, a.a.O., § 48, Rn. 66). Dass ein von einem Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft erzieltes Einkommen rechtlich als Einkommen auch der anderen Angehörigen zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus denjenigen materiell-rechtlichen Vorschriften, kraft derer solches Einkommen für alle Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft Auswirkungen auf die Leistungshöhe hat (hierzu und zum folgenden Merten, in: Hauck/Noftz, § 48 SGB X, Rn. 66). Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende trifft insbesondere § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II eine solche Regelung. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Diese – zunächst nur die Höhe des Leistungsanspruchs betreffende – Regelung liefe in weiten Teilen leer, wenn sie nur im Streit um einen möglicherweise höheren Leistungsanspruch zu beachten wäre und nicht auch auf der Kehrseite, d.h. bei der Rückabwicklung einer rechtswidrig zu hoch gewährten Leistung.
2.) Die Kläger zu 2 bis 4 dringend auch nicht damit durch, die Voraussetzungen einer Rücknahme für Vergangenheit seien wenn überhaupt nur in der Person der die Klägerin zu 1 erfüllt.
a) Was die beiden in den Jahren 2002 und 2004 geborenen Kläger zu 3 und 4 – die beiden Söhne der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 – betrifft, so ist ihnen die bereits festgestellte grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin zu 1 von der Rechtswidrigkeit des einschlägigen Bewilligungsbescheides nach den §§ 166 Abs. 1, 1629 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zuzurechnen. Nach § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst die elterliche Sorge die Vertretung des Kindes. Nach § 166 Abs. 1 3. Alt BGB kommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. Kennenmüssen bedeutet in der Terminologie des BGB die grob fahrlässige Unkenntnis, § 122 Abs. 2 BGB. Mit anderen Worten: Hat der gesetzliche Vertreter eines Kindes grob fahrlässige Unkenntnis von einem rechtserheblichen Umstand, so gilt dies auch dann für das vertretene Kind, wenn es selbst (etwa aus Altersgründen) noch gar keinen Begriff von den betreffenden Umständen haben kann. Hieraus ergibt sich im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (wie im Sozialrecht allgemein), dass bei minderjährigen Hilfebedürftigen auf das Wissen des gesetzlichen Vertreters abzustellen ist (allgemein zur Zurechnung von Kenntnis und Kennenmüssen des Vertreters BSG, Urteil vom 13.12.1984, 9a RV 40/83, SozR 1300 § 48 Nr. 11, obiter dictum; Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl., 2010, § 45, Rn. 59; speziell zur Zurechnung des Kennenmüssens innerhalb von Bedarfsgemeinschaften SG Aachen, Urteil vom 22.02.2008, S 8 AS 61/07, juris; SG Dortmund, Urteil vom 22.07.2009, S 28 AS 228/08, juris; zur Zurechnung von Vertreterhandeln insgesamt bereits BSG, Urteil vom 22.10.1968, 9 RV 418/65, SozR Nr. 24 zu § 47 VerwVG). Es kann an dieser Stelle vorerst dahinstehen, ob auch der Kläger zu 2 als Vater der Kläger zu 3 und 4 die Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide hätte erkennen müssen. Auch angesichts § 1629 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BGB, wonach die Eltern das Kind gemeinschaftlich vertreten, genügen für die Zurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB Kenntnis und Kennenmüssen auch nur eines Elternteils (hierzu Udsching/Link, SGb 2007, 513 (517), Fn. 57 m.w.N.).
b) Was den Kläger zu 2 betrifft, kann dahinstehen, ob eine erweiternde Auslegung der Vertretungsvermutung in § 38 SGB II i.V.m. § 166 Abs. 1 BGB eine Wissenszurechnung auch unter Ehegatten ermöglicht (was überwiegend verneint wird: ausführlich Udsching/Link, a.a.O. S. 517; weiterhin auch SG Cottbus, Gerichtsbescheid vom 14.04.2009, S 14 AS 2197/08, juris; Schoch, in: LPK-SGB II, 3. Aufl., 2009, § 38, Rn. 17; Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008, § 38, Rn. 19;), denn die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X sind auch in der Person des Klägers zu 2 selbst erfüllt. Dass der Kläger zu 2 Kenntnis von der Erwerbstätigkeit seiner Ehefrau sowie vom Ende dieser Erwerbstätigkeit (und somit vom Wegfall des Arbeitsentgelts) hatte, ergibt sich bereits daraus, dass die Klägerin zu 1 im Unternehmen des Klägers zu 2 beschäftigt gewesen war. Dass der Kläger zu 2 unter diesen Umständen auch Kenntnis vom Alg-Bezug seiner Ehefrau und von der Höhe des Alg hatte, hat er selbst angegeben. Somit verfügte der Kläger zu 2 über dieselbe Datengrundlage, aufgrund derer sich auch bei der Klägerin zu 1 grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide bejahen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 2 nach seiner persönlichen Einsichtsfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, dieselben naheliegenden Überlegungen zur Diskrepanz zwischen Arbeitsentgelt, Alg und den SGB II-Leistungen anzustellen, hat das Gericht nicht.
III.) Die Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligungsbescheide scheitert auch nicht etwa daran, dass die Beklagte wegen des an die Klägerin zu 1 gezahlten Alg einen Erstattungsanspruch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit hätte, der den Erstattungsanspruch gegenüber den Klägern aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X verdrängte (allgemein zu dieser Auswirkung der Erfüllungsfiktion etwa Böttiger, in: LPK-SGB X, a.a.O., vor § 102, Rn. 17 f., und § 107, Rn. 8 f., jeweils m.w.N.). Als Grundlage für einen solchen vorrangigen Erstattungsanspruch der Beklagten kommt im vorliegenden Fall einzig § 104 SGB X in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt sind. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist nach der Definition in § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Hieraus folgt aber zugleich, dass es an dem in § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorausgesetzten Verhältnis der Vor- und Nachrangigkeit dann fehlt, wenn ein Leistungsträger die ihm obliegende Leistung rechtzeitig erbringt. Dies gilt auch in dem Fall, dass der andere, subsidiär verpflichtete Leistungsträger gleichartige Leistungen erbracht hat (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 RAr 42/93, SozR 3-1300 § 104 Nr. 8; Roos, in: v. Wulffen, a.a.O., § 104, Rn. 6; Kater, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 104 SGB X, Rn. 11, Böttiger, a.a.O., § 104, Rn. 12). Die Bundesagentur für Arbeit hat den gegen sie gerichteten Anspruch der Klägerin zu 1 rechtzeitig erfüllt. Laufende Geldleistungen nach dem SGB III werden gem. § 337 Abs. 2 SGB III regelmäßig monatlich nachträglich ausgezahlt. Hierzu gehört auch das Alg (Düe, a.a.O., § 337, Rn. 6). Die Bundesagentur für Arbeit hat den Alg-Antrag der Klägerin zu 1 bereits am 11.01.2007 und somit noch vor dem Zeitpunkt beschieden, an dem das Alg für den Monat Januar 2010 auszuzahlen gewesen.
B.) Die angefochtenen Bescheide sind auch hinsichtlich der Höhe des als Einkommen berücksichtigten Alg und somit hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung nicht zu beanstanden.
Die Höhe der von der Beklagten vorgenommenen Anrechnung haben die Kläger nicht gerügt. Die von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung durch das Gericht führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte – weder bei der Klägerin zu 1 noch bei den anderen Klägern – eine überhöhte Anrechnung vorgenommen hat. Ein Vergleich der im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2007 tatsächlich bewilligten und gezahlten SGB II-Leistungen (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) und den Leistungen, die den Klägern tatsächlich zugestanden hätten, führt zu folgendem Ergebnis:
I.) Im Monat Januar 2007 war von den ursprünglich bewilligten 868,70 Euro das Alg in voller Höhe als Einkommen abzuziehen.
1.) Insbesondere brauchte der Ausfall des Arbeitsentgelts der Klägerin zu 1 in diesem Monat noch nicht zu Gunsten der Kläger berücksichtigt (d.h. im Ergebnis mit dem Alg saldiert) zu werden, da das Arbeitsentgelt für Dezember 2006 erst im Januar 2007 fällig geworden war. Aus demselben Grund brauchte vom Alg nicht auch der in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II (hier: i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung, Alg II-VO, in der vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, a.F.) vorgesehene Freibetrag von 30.- Euro in Abzug gebracht werden, da dem im Gesetz ausdrücklich genannten Zweck dieses Freibetrages (Beiträge zu bestimmten Versicherungen) bereits im Wege eines Abzugs vom anzurechnenden Arbeitsentgelt Rechnung getragen worden war.
2.) Nicht zu berücksichtigen ist an dieser Stelle allerdings, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid das Arbeitsentgelt der Klägerin zu 1 nicht mehr mit 200,11 Euro (wie im Bewilligungsbescheid), sondern jetzt mit 206,48 Euro angerechnet wissen möchte. Zu einer auf dieser Neuberechnung resultierenden Aufhebung war die Beklagte nicht ermächtigt. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X als im vorliegenden Fall einschlägige Ermächtigungsgrundlage beschränkt bereits nach seinem ausdrücklichen Wortlaut ("soweit") die Aufhebung eines Verwaltungsakts auf denjenigen Teil, für den einer der Tatbestände aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 SGB X erfüllt ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.06.2003, B 11 AL 70/02 R, juris). Die Vorschrift eröffnet dem Leistungsträger nicht etwa die Möglichkeit zu einer umfassenden Überprüfung seiner Entscheidungen. Soweit die Beklagte also den Bescheid vom 04.12.2006 offenbar nicht nur hinsichtlich der Anrechnung von Alg, sondern darüber hinaus auch hinsichtlich der Höhe des anzurechnenden Arbeitsentgelts der Klägerin zu 1 korrigieren möchte, ist der Widerspruchsbescheid als eigene Rücknahmeentscheidung i.S.d. § 45 SGB X auszulegen, da sich Höhe und Fälligkeitszeitpunkt des Arbeitsentgelts der Klägerin zu 1 zwischen der Antragstellung und dem Monat Januar 2007 nicht geändert haben. Diese Rücknahme scheitert jedoch an § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird (auch § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt insoweit nichts anderes). Von den verschiedenen Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X ist im vorliegenden Fall keiner erfüllt. Insbesondere braucht sich die Klägerin zu 1 hinsichtlich einer zu niedrigen Anrechnung ihres Arbeitsentgelts keine grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit vorwerfen zu lassen. Die Vorschriften, nach denen sich richtet, in welcher Höhe Arbeitsentgelt anzurechnen sind, sind für juristische Laien nur schwer verständlich (dies gilt insbesondere für § 30 SGB II, aber auch für die detailreiche und sehr "technische" Regelung des § 11 SGB II). Auch der Bewilligungsbescheid vom 04.12.2006 nennt in den Rubriken "Einkommensbereinigung", "Erwerbseinkommen" und "Absetzung/Freibetrag §§ 11,30" Zahlen, die – da jede nähere Aufschlüsselung oder sonstige Erklärung fehlt – dem Adressaten leidglich eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Diese Plausibilitätskontrolle jedoch musste schon angesichts der nur geringen Abweichung um nur 6,37 Euro monatlich zu dem Ergebnis führen, der Bescheid vom 04.12.2006 sei richtig.
3.) Zusammenfassend ergibt sich für Januar 2007 somit folgendes Bild: Ursprünglich bewilligte Leistung: 868,70 Euro Anrechnung Alg: - 625,20 Euro Freibetrag bei der Alg-Anrechnung: + 0 Euro Leistungsanspruch: 243,50 Euro
Höhe der Überzahlung: 625,20 Euro
II.) In den Monaten Februar, April und Mai 2007 war zunächst der Ausfall des Erwerbseinkommens i.H. der anzurechnenden 200,11 Euro (nicht: 206,48 Euro, siehe soeben unter Punkt I 2) monatlich zu berücksichtigen, der den Leistungsanspruch der Kläger rechnerisch erhöht hat. Im Gegenzug musste das Alg angerechnet werden, nunmehr jedoch gemindert um den Freibetrag von 30.- Euro (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO a.F.), da nun eine Berücksichtigung von Freibeträgen nicht mehr beim Arbeitsentgelt erfolgen konnte. Dies ergibt in jedem dieser Monate folgendes Bild:
Ursprünglich bewilligte Leistung: 868,70 Euro Erhöhung des Bedarfs wegen Wegfall Arbeitsentgelt + 200,11 Anrechnung Alg: - 625,20 Euro Freibetrag bei der Alg-Anrechnung: + 30,00 Euro Leistungsanspruch: 473,61 Euro
Höhe der Überzahlung somit: 395, 09 Euro
III.) Im März 2007 gilt das zu den Monaten Februar, April und Mai Gesagte entsprechend, allerdings war hier die von der Beklagten bewilligte Leistung durch den Bescheid vom 19.03.2007 von 868,70 Euro auf 839,67 Euro herabgesetzt worden. Das Gericht hat diese Herabsetzung nicht zu überprüfen, da die Kläger den Bescheid vom 19.03.2007 nicht angefochten haben er somit bindend (§ 77 SGG) geworden ist. Somit lagen sowohl der zustehende Leistungsanspruch als auch der Überzahlungsbetrag im Februar 2007 jeweils um 29,03 Euro niedriger bei 444,58 (Leistungsanspruch) bzw. bei 366,06 Euro (Überzahlung).
IV. Eine Addition der auf dieser Grundlage errechneten Überzahlungen lässt jedenfalls nicht erkennen, dass die Beklagte von einer überhöhten Gesamtüberzahlung ausginge.
C.) Die Erstattungsforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die teilweise Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2007 nebst einer Erstattungsforderung i.H.v. insgesamt 1.810,47 Euro.
Die Kläger beantragten am 16.11.2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie legten unter anderem verschiedene Entgeltbescheinigungen der Klägerin zu 1 betreffend die Monate September bis November 2006 vor, aus denen sich ergab, dass die Klägerin zu 1 im Unternehmen des Klägers zu 2 gegen ein monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. gleichbleibend 410.- Euro brutto, bzw. 368,48 Euro netto beschäftigt war und dass dieses Arbeitsentgelt jeweils zum zehnten Tag des Folgemonats fällig wurde.
Mit Bescheid vom 04.12.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 16.11.2006 bis zum 31.05.2007. Die monatliche Leistungshöhe betrug 868,70 Euro, wobei die Beklagte das Arbeitsentgelt der Klägerin zu 1 mit 200,11 Euro monatlich anrechnete. Mit Bescheid vom 19.03.2007 nahm die Beklagte außerdem für den Monat März 2007 eine Korrektur der Leistungshöhe vor (nur noch 839,67 Euro), nachdem sich die Klägerin zu 1 mehrere Tage in stationärer Behandlung befunden hatte.
Mit Bescheid vom 11.01.2007 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin zu 1 Arbeitslosengeld (Alg) i.H.v. monatlich 625,20 Euro für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 30.12.2007. Nachdem die Beklagte am 30.03.2007 von dem Alg-Bezug erfahren hatte, forderte sie den entsprechenden Bescheid sowie das Kündigungsschreiben bei der Klägerin zu 1 an, die beides mit der Bemerkung übersandte, sie habe das Kündigungsschreiben (vom 18.12.2006) schon bei der Antragstellung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 24.04.2007 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie beabsichtige, den Bewilligungsbescheid teilweise aufzuheben und für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 30.04.2007 unrechtmäßig erbrachte Leistungen i.H.v. 1.810,47 Euro erstattet zu verlangen. Die Kläger hielten entgegen, sie hätten in einem am 20.12.2006 erhaltenen Anmeldebogen mitgeteilt, dass die Klägerin zu 1 zum 01.01.2007 arbeitslos werde. Im Übrigen hätten sie auch bei der Arbeitslosmeldung auf den bestehenden Bezug von SGB II-Leistungen hingewiesen.
Mit zwei Bescheiden vom 16.05.2007 setzte die Beklagte unter Aufhebung der früheren Bewilligungsbescheide die Leistungen im Zeitraum 01.01.2007 bis 31.05.2007 wie folgt neu fest: Januar 2007 243,50 Euro Februar 2007 473,61 Euro März 2007 444,58 Euro April 2007 473,61 Euro Mai 2007 473,61 Euro. Weiterhin verlangte sie den Betrag von 1.810,47 Euro erstattet.
Am 11.06.2007 legten die Kläger hiergegen Widerspruch ein und führten aus, sie trügen keinerlei Verschulden daran, dass das Alg nicht bei der Leistungsberechnung nach dem SGB II berücksichtigt worden sei.
Mit insgesamt vier weiteren Bescheiden vom 22.10.2007 differenzierte die Beklagte sodann dahingehend, dass sie jeweils gegenüber dem Kläger zu 2 sowie der Klägerin zu 1 nebst beiden Kindern die Bewilligung für die Monate Januar, Februar und April aufhob und für März zurücknahm. Anschließend wies die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2007 den Widerspruch zurück. Sie führte ergänzend aus, im Januar 2007 sei nach dem Zuflussprinzip "der Lohn für den Monat Dezember" zu berücksichtigen gewesen, der i.H.v. insgesamt 206,48 Euro auf das Einkommen anzurechnen gewesen sei, so dass abweichend von der bisherigen Berechnung im Januar 2007 nur ein Leistungsanspruch von 237,13 Euro bestanden habe.
Hiergegen richtet sich die 28.11.2007 beim SG Altenburg erhobene und durch Beschluss vom 31.01.2008 an das erkennende Gericht verwiesene Klage.
Die Kläger führen ergänzend aus, eine Rückforderung könne – wenn überhaupt – nur die Klägerin zu 1 treffen, denn nur diese habe anzurechnendes Einkommen bezogen. Im Übrigen habe sich der Beklagten angesichts des Wegfalls des Arbeitseinkommens der Klägerin zu 1 auch aufdrängen müssen, dass diese nunmehr Alg erhalte. Somit treffe auch die Klägerin zu 1 keinerlei Verschulden an einer möglichen Überzahlung.
Die Kläger beantragen,
die beiden Bescheide vom 16.05.2007 in der Fassung der vier Bescheide vom 22.10.2007 sowie des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, um Ausfüllung des Anmeldebogens sei die Klägerin zu 1 nur gebeten worden, weil sie bis dahin lediglich mit der Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit G.) Kontakt gehabt habe. Im Übrigen sei es nicht Sache der Beklagten, Ansprüche auf Alg festzustellen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
&8195;
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kläger sind durch die angefochtenen Entscheidungen nicht beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Entscheidungen sind weder dem Grunde nach (dazu Punkt A) noch der Höhe nach zu beanstanden (dazu Punkt B). Insbesondere durfte die Beklagte ihre Leistungsbescheide auch gegenüber den Klägern zu 2 bis 4 aufheben (dazu Punkt A II).
A.) Die angefochtenen Aufhebungs- und Rücknahmebescheide sind dem Grunde nach nicht zu beanstanden.
I.) Die Beklagte durfte den Leistungsbescheid vom 04.12.2006 (ggf. in Gestalt des Bescheides vom 19.03.2007) gegenüber der Klägerin zu 1 teilweise aufheben (dazu unter Punkt 1) bzw. zurücknehmen (dazu unter Punkt 2).
1.) Die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 04.12.2006 für die Monate Januar, Februar, April und Mai 2007 ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III).
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Dauerverwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile des SGB anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes, § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X.
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind im vorliegenden Fall erfüllt.
a) Die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderliche wesentliche Änderung bestand darin, dass die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin zu 1 mit Bescheid vom 11.01.2007 Alg für die Zeit ab dem 01.01.2007 bewilligt hat. Das Alg ist – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – gem. den §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt, 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bei dem Anspruch der Klägerin zu 1 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mindernd zu berücksichtigen. Auf die genaue Höhe der "Anrechnung" wird noch unter Punkt B zurückzukommen sein.
b) Auch die Voraussetzungen der rückwirkenden Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (hier i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III) sind erfüllt. Dass die Klägerin zu 1 das Alg erst nach dem Erlass des Bescheides vom 04.12.2006 erzielt hat, ist unstreitig und ergibt sich klar aus dem zeitlichen Ablauf. Auf die Frage, ob sie die Überzahlung des Alg II in irgendeiner Form vorwerfbar herbeigeführt hat, kommt es angesichts der verschuldensunabhängigen Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht an. Eine Ermessensausübung, in deren Rahmen eine eventuelle Mitverantwortlichkeit der Beklagten (für die im vorliegenden Fall ohnehin sehr wenig ersichtlich ist) berücksichtigt werden könnte, ist durch die Verweisung auf § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ohnehin ausgeschlossen (vgl. Düe, in: Niesel, SGB III, 5. Aufl., 2010, § 330, Rn. 50).
c) Die Beklagte hat auch die einschlägige Jahresfrist ab Kenntnis der die Aufhebung rechtfertigenden Tatsachen eingehalten, §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X.
2.) Auch die teilweise Rücknahme des Leistungsbescheides vom 04.12.2006 in der Fassung des Bescheides vom 19.03.2007 ist rechtmäßig. Sie beruht auf § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III. Hiernach ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
a) Der Bescheid vom 04.12.2006 war in der Gestalt, die er durch den speziell die Leistungshöhe im März 2007 regelnden Bescheid vom 19.03.2007 erhalten hat rechtswidrig, weil die gesetzlich vorgeschriebene Berücksichtigung des Alg unterblieben ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Darlegungen unter Punkt 1 a verwiesen.
b) Es kann offenbleiben, ob die Klägerin zu 1 – wie sie meint – ihren Mitteilungspflichten in hinreichendem Umfang nachgekommen ist, da jedenfalls der zum Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens führende Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt ist. Die erforderliche Sorgfalt verletzt in besonders schwerem Maße, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 m.w.N.). Die Klägerin zu 1 musste mit einer Rücknahme des Bewilligungsbescheides für den Monat März 2007 rechnen, da sie die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides ohne Mühe hätte erkennen können (zu dieser Umschreibung der grob fahrlässigen Unkenntnis vgl. Waschull, in: LPK-SGB X, 2. Aufl., 2007, § 45, Rn. 42 m.w.N.). Ihr musste anhand des Bewilligungsbescheides vom 04.12.2006 bekannt sein, dass ihr Arbeitsentgelt auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet wurde. Dass auch Sozialleistungen anzurechnen waren, musste sich für sie schon daraus ergeben, dass "sogar" das Kindergeld angerechnet wurde. Diese beiden Umstände legten indes den Schluss nahe, dass auch ein das Arbeitseinkommen ersetzendes Alg angerechnet werden musste. Wenn nun infolge ihrer Arbeitslosigkeit dieses Arbeitsentgelt (i.H.v. zuletzt durchgängig 368,40 Euro netto im Monat) durch das Alg (i.H.v. 625,20 Euro monatlich) ersetzt wurde, das um 70 Prozent höher lag als das Arbeitsentgelt, so musste sich der Klägerin der Schluss auf eine weitere Herabsetzung der Leistungen nach dem SGB II förmlich aufdrängen.
c) Auch die einschlägigen Fristen aus § 45 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 SGB X hat die Beklagte gewahrt.
II.) Auch gegenüber den übrigen Klägern war die Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsbewilligungen rechtmäßig. Sie können sich nicht darauf berufen, die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (dazu unter Punkt 1) bzw. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X (dazu unter Punkt 2) seien nur in der Person der Klägerin zu 1 erfüllt gewesen.
1.) Die Kläger zu 2 bis 4 können sich nicht darauf berufen, nicht sie, sondern nur die Klägerin zu 1 habe das anzurechnende Alg erzielt und somit den Tatbestand aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X lässt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes auch dann zu, wenn nicht der Antragsteller bzw. Adressat Einkommen erzielt hat, sondern eine andere Person, deren wirtschaftliche Verhältnisse für den Leistungsanspruch erheblich sind (BSG, Urteil vom 05.06.2003, B 11 AL 70/02 R, juris; BSG, Urteil vom 10.01.1989, 10 RKg 12/87, SozR 1300 § 48 Nr. 53; aus dem Schrifttum etwa Waschull, a.a.O., § 48, Rn. 66). Dass ein von einem Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft erzieltes Einkommen rechtlich als Einkommen auch der anderen Angehörigen zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus denjenigen materiell-rechtlichen Vorschriften, kraft derer solches Einkommen für alle Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft Auswirkungen auf die Leistungshöhe hat (hierzu und zum folgenden Merten, in: Hauck/Noftz, § 48 SGB X, Rn. 66). Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende trifft insbesondere § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II eine solche Regelung. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Diese – zunächst nur die Höhe des Leistungsanspruchs betreffende – Regelung liefe in weiten Teilen leer, wenn sie nur im Streit um einen möglicherweise höheren Leistungsanspruch zu beachten wäre und nicht auch auf der Kehrseite, d.h. bei der Rückabwicklung einer rechtswidrig zu hoch gewährten Leistung.
2.) Die Kläger zu 2 bis 4 dringend auch nicht damit durch, die Voraussetzungen einer Rücknahme für Vergangenheit seien wenn überhaupt nur in der Person der die Klägerin zu 1 erfüllt.
a) Was die beiden in den Jahren 2002 und 2004 geborenen Kläger zu 3 und 4 – die beiden Söhne der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 – betrifft, so ist ihnen die bereits festgestellte grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin zu 1 von der Rechtswidrigkeit des einschlägigen Bewilligungsbescheides nach den §§ 166 Abs. 1, 1629 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zuzurechnen. Nach § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst die elterliche Sorge die Vertretung des Kindes. Nach § 166 Abs. 1 3. Alt BGB kommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. Kennenmüssen bedeutet in der Terminologie des BGB die grob fahrlässige Unkenntnis, § 122 Abs. 2 BGB. Mit anderen Worten: Hat der gesetzliche Vertreter eines Kindes grob fahrlässige Unkenntnis von einem rechtserheblichen Umstand, so gilt dies auch dann für das vertretene Kind, wenn es selbst (etwa aus Altersgründen) noch gar keinen Begriff von den betreffenden Umständen haben kann. Hieraus ergibt sich im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (wie im Sozialrecht allgemein), dass bei minderjährigen Hilfebedürftigen auf das Wissen des gesetzlichen Vertreters abzustellen ist (allgemein zur Zurechnung von Kenntnis und Kennenmüssen des Vertreters BSG, Urteil vom 13.12.1984, 9a RV 40/83, SozR 1300 § 48 Nr. 11, obiter dictum; Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl., 2010, § 45, Rn. 59; speziell zur Zurechnung des Kennenmüssens innerhalb von Bedarfsgemeinschaften SG Aachen, Urteil vom 22.02.2008, S 8 AS 61/07, juris; SG Dortmund, Urteil vom 22.07.2009, S 28 AS 228/08, juris; zur Zurechnung von Vertreterhandeln insgesamt bereits BSG, Urteil vom 22.10.1968, 9 RV 418/65, SozR Nr. 24 zu § 47 VerwVG). Es kann an dieser Stelle vorerst dahinstehen, ob auch der Kläger zu 2 als Vater der Kläger zu 3 und 4 die Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide hätte erkennen müssen. Auch angesichts § 1629 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BGB, wonach die Eltern das Kind gemeinschaftlich vertreten, genügen für die Zurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB Kenntnis und Kennenmüssen auch nur eines Elternteils (hierzu Udsching/Link, SGb 2007, 513 (517), Fn. 57 m.w.N.).
b) Was den Kläger zu 2 betrifft, kann dahinstehen, ob eine erweiternde Auslegung der Vertretungsvermutung in § 38 SGB II i.V.m. § 166 Abs. 1 BGB eine Wissenszurechnung auch unter Ehegatten ermöglicht (was überwiegend verneint wird: ausführlich Udsching/Link, a.a.O. S. 517; weiterhin auch SG Cottbus, Gerichtsbescheid vom 14.04.2009, S 14 AS 2197/08, juris; Schoch, in: LPK-SGB II, 3. Aufl., 2009, § 38, Rn. 17; Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008, § 38, Rn. 19;), denn die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X sind auch in der Person des Klägers zu 2 selbst erfüllt. Dass der Kläger zu 2 Kenntnis von der Erwerbstätigkeit seiner Ehefrau sowie vom Ende dieser Erwerbstätigkeit (und somit vom Wegfall des Arbeitsentgelts) hatte, ergibt sich bereits daraus, dass die Klägerin zu 1 im Unternehmen des Klägers zu 2 beschäftigt gewesen war. Dass der Kläger zu 2 unter diesen Umständen auch Kenntnis vom Alg-Bezug seiner Ehefrau und von der Höhe des Alg hatte, hat er selbst angegeben. Somit verfügte der Kläger zu 2 über dieselbe Datengrundlage, aufgrund derer sich auch bei der Klägerin zu 1 grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide bejahen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 2 nach seiner persönlichen Einsichtsfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, dieselben naheliegenden Überlegungen zur Diskrepanz zwischen Arbeitsentgelt, Alg und den SGB II-Leistungen anzustellen, hat das Gericht nicht.
III.) Die Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligungsbescheide scheitert auch nicht etwa daran, dass die Beklagte wegen des an die Klägerin zu 1 gezahlten Alg einen Erstattungsanspruch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit hätte, der den Erstattungsanspruch gegenüber den Klägern aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X verdrängte (allgemein zu dieser Auswirkung der Erfüllungsfiktion etwa Böttiger, in: LPK-SGB X, a.a.O., vor § 102, Rn. 17 f., und § 107, Rn. 8 f., jeweils m.w.N.). Als Grundlage für einen solchen vorrangigen Erstattungsanspruch der Beklagten kommt im vorliegenden Fall einzig § 104 SGB X in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt sind. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist nach der Definition in § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Hieraus folgt aber zugleich, dass es an dem in § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorausgesetzten Verhältnis der Vor- und Nachrangigkeit dann fehlt, wenn ein Leistungsträger die ihm obliegende Leistung rechtzeitig erbringt. Dies gilt auch in dem Fall, dass der andere, subsidiär verpflichtete Leistungsträger gleichartige Leistungen erbracht hat (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 RAr 42/93, SozR 3-1300 § 104 Nr. 8; Roos, in: v. Wulffen, a.a.O., § 104, Rn. 6; Kater, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 104 SGB X, Rn. 11, Böttiger, a.a.O., § 104, Rn. 12). Die Bundesagentur für Arbeit hat den gegen sie gerichteten Anspruch der Klägerin zu 1 rechtzeitig erfüllt. Laufende Geldleistungen nach dem SGB III werden gem. § 337 Abs. 2 SGB III regelmäßig monatlich nachträglich ausgezahlt. Hierzu gehört auch das Alg (Düe, a.a.O., § 337, Rn. 6). Die Bundesagentur für Arbeit hat den Alg-Antrag der Klägerin zu 1 bereits am 11.01.2007 und somit noch vor dem Zeitpunkt beschieden, an dem das Alg für den Monat Januar 2010 auszuzahlen gewesen.
B.) Die angefochtenen Bescheide sind auch hinsichtlich der Höhe des als Einkommen berücksichtigten Alg und somit hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung nicht zu beanstanden.
Die Höhe der von der Beklagten vorgenommenen Anrechnung haben die Kläger nicht gerügt. Die von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung durch das Gericht führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte – weder bei der Klägerin zu 1 noch bei den anderen Klägern – eine überhöhte Anrechnung vorgenommen hat. Ein Vergleich der im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2007 tatsächlich bewilligten und gezahlten SGB II-Leistungen (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) und den Leistungen, die den Klägern tatsächlich zugestanden hätten, führt zu folgendem Ergebnis:
I.) Im Monat Januar 2007 war von den ursprünglich bewilligten 868,70 Euro das Alg in voller Höhe als Einkommen abzuziehen.
1.) Insbesondere brauchte der Ausfall des Arbeitsentgelts der Klägerin zu 1 in diesem Monat noch nicht zu Gunsten der Kläger berücksichtigt (d.h. im Ergebnis mit dem Alg saldiert) zu werden, da das Arbeitsentgelt für Dezember 2006 erst im Januar 2007 fällig geworden war. Aus demselben Grund brauchte vom Alg nicht auch der in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II (hier: i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung, Alg II-VO, in der vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, a.F.) vorgesehene Freibetrag von 30.- Euro in Abzug gebracht werden, da dem im Gesetz ausdrücklich genannten Zweck dieses Freibetrages (Beiträge zu bestimmten Versicherungen) bereits im Wege eines Abzugs vom anzurechnenden Arbeitsentgelt Rechnung getragen worden war.
2.) Nicht zu berücksichtigen ist an dieser Stelle allerdings, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid das Arbeitsentgelt der Klägerin zu 1 nicht mehr mit 200,11 Euro (wie im Bewilligungsbescheid), sondern jetzt mit 206,48 Euro angerechnet wissen möchte. Zu einer auf dieser Neuberechnung resultierenden Aufhebung war die Beklagte nicht ermächtigt. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X als im vorliegenden Fall einschlägige Ermächtigungsgrundlage beschränkt bereits nach seinem ausdrücklichen Wortlaut ("soweit") die Aufhebung eines Verwaltungsakts auf denjenigen Teil, für den einer der Tatbestände aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 SGB X erfüllt ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.06.2003, B 11 AL 70/02 R, juris). Die Vorschrift eröffnet dem Leistungsträger nicht etwa die Möglichkeit zu einer umfassenden Überprüfung seiner Entscheidungen. Soweit die Beklagte also den Bescheid vom 04.12.2006 offenbar nicht nur hinsichtlich der Anrechnung von Alg, sondern darüber hinaus auch hinsichtlich der Höhe des anzurechnenden Arbeitsentgelts der Klägerin zu 1 korrigieren möchte, ist der Widerspruchsbescheid als eigene Rücknahmeentscheidung i.S.d. § 45 SGB X auszulegen, da sich Höhe und Fälligkeitszeitpunkt des Arbeitsentgelts der Klägerin zu 1 zwischen der Antragstellung und dem Monat Januar 2007 nicht geändert haben. Diese Rücknahme scheitert jedoch an § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird (auch § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt insoweit nichts anderes). Von den verschiedenen Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X ist im vorliegenden Fall keiner erfüllt. Insbesondere braucht sich die Klägerin zu 1 hinsichtlich einer zu niedrigen Anrechnung ihres Arbeitsentgelts keine grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit vorwerfen zu lassen. Die Vorschriften, nach denen sich richtet, in welcher Höhe Arbeitsentgelt anzurechnen sind, sind für juristische Laien nur schwer verständlich (dies gilt insbesondere für § 30 SGB II, aber auch für die detailreiche und sehr "technische" Regelung des § 11 SGB II). Auch der Bewilligungsbescheid vom 04.12.2006 nennt in den Rubriken "Einkommensbereinigung", "Erwerbseinkommen" und "Absetzung/Freibetrag §§ 11,30" Zahlen, die – da jede nähere Aufschlüsselung oder sonstige Erklärung fehlt – dem Adressaten leidglich eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Diese Plausibilitätskontrolle jedoch musste schon angesichts der nur geringen Abweichung um nur 6,37 Euro monatlich zu dem Ergebnis führen, der Bescheid vom 04.12.2006 sei richtig.
3.) Zusammenfassend ergibt sich für Januar 2007 somit folgendes Bild: Ursprünglich bewilligte Leistung: 868,70 Euro Anrechnung Alg: - 625,20 Euro Freibetrag bei der Alg-Anrechnung: + 0 Euro Leistungsanspruch: 243,50 Euro
Höhe der Überzahlung: 625,20 Euro
II.) In den Monaten Februar, April und Mai 2007 war zunächst der Ausfall des Erwerbseinkommens i.H. der anzurechnenden 200,11 Euro (nicht: 206,48 Euro, siehe soeben unter Punkt I 2) monatlich zu berücksichtigen, der den Leistungsanspruch der Kläger rechnerisch erhöht hat. Im Gegenzug musste das Alg angerechnet werden, nunmehr jedoch gemindert um den Freibetrag von 30.- Euro (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO a.F.), da nun eine Berücksichtigung von Freibeträgen nicht mehr beim Arbeitsentgelt erfolgen konnte. Dies ergibt in jedem dieser Monate folgendes Bild:
Ursprünglich bewilligte Leistung: 868,70 Euro Erhöhung des Bedarfs wegen Wegfall Arbeitsentgelt + 200,11 Anrechnung Alg: - 625,20 Euro Freibetrag bei der Alg-Anrechnung: + 30,00 Euro Leistungsanspruch: 473,61 Euro
Höhe der Überzahlung somit: 395, 09 Euro
III.) Im März 2007 gilt das zu den Monaten Februar, April und Mai Gesagte entsprechend, allerdings war hier die von der Beklagten bewilligte Leistung durch den Bescheid vom 19.03.2007 von 868,70 Euro auf 839,67 Euro herabgesetzt worden. Das Gericht hat diese Herabsetzung nicht zu überprüfen, da die Kläger den Bescheid vom 19.03.2007 nicht angefochten haben er somit bindend (§ 77 SGG) geworden ist. Somit lagen sowohl der zustehende Leistungsanspruch als auch der Überzahlungsbetrag im Februar 2007 jeweils um 29,03 Euro niedriger bei 444,58 (Leistungsanspruch) bzw. bei 366,06 Euro (Überzahlung).
IV. Eine Addition der auf dieser Grundlage errechneten Überzahlungen lässt jedenfalls nicht erkennen, dass die Beklagte von einer überhöhten Gesamtüberzahlung ausginge.
C.) Die Erstattungsforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved