Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1531/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 3428/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 6. Juli 2011 abgeändert und der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2011 i.H.v. EUR 451,20 monatlich zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner erstattet zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
Die gem. § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Sie ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Das Sozialgericht Konstanz (SG) hat im angefochtenen Beschluss eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erbringung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu Unrecht vollständig abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Ablehnungsbescheid vom 28.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2011 ist fristgerecht mit (09.06.2011) Klage angefochten, mithin nicht bestandskräftig geworden, so dass diese der Zulässigkeit einer solchen vorläufigen Regelung nicht entgegenstehen.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Verfassungsrechtliche Vorgaben zwingen gegebenenfalls jedoch diesen grundsätzlichen Entscheidungsmaßstab zu revidieren. Der einstweilige Rechtsschutz ist Ausfluss der in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) enthaltenen Garantie effektiven Rechtsschutzes. Aus dieser folgt das Gebot, soweit als möglich zu verhindern, dass durch hoheitliche Maßnahmen oder Entscheidungen der Verwaltungsbehörde Tatsachen geschaffen werden, die auch dann, wenn diese sich nach richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweisen, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Diese Gefahr besteht auch in der Leistungsverwaltung, wenn die Verwaltung ein Leistungsbegehren zurückweist. Auch neben Art. 19 Abs. 4 GG enthält das Verfassungsrecht Vorgaben für Maßstab und Prüfungsumfang gerichtlicher Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz. Die in den Grundrechten zum Ausdruck kommende Wertentscheidung muss beachtet werden. Es ist Aufgabe des Staates und damit auch der Gerichte, sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen. Diese beiden verfassungsrechtlichen Zielsetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes haben Auswirkungen auf den Entscheidungsmaßstab der Fachgerichte. Dieser verschärft sich, wenn nicht nur die prozessrechtliche Dimension des Art. 19 Abs. 4 GG betroffen ist, sondern dem materiellen Anspruch grundrechtliches Gewicht zukommt. Entscheidend ist, welche Rechtsverletzungen bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes drohen. Drohen schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Güter, kann die gerichtliche Entscheidung nicht auf die nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht. Es genügt dabei bereits eine nur mögliche oder zeitweilig andauernde Verletzung. Der Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist dann, insbesondere wenn eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht möglich ist, eine umfassende Güter- und Folgenabwägung zugrunde zu legen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NZS 2003, 253 und NVwZ 2005, 927). Allerdings sind dabei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht völlig unberücksichtigt zu lassen. Denn eine Grundrechtsbeeinträchtigung kann von vornherein nicht vorliegen, wenn das Recht oder der Anspruch überhaupt nicht in Betracht kommt. Eine bestimmte Mindestwahrscheinlichkeit (z.B. überwiegend) ist aber nicht zu fordern (Krodel NZS 2006, 637; Hk-SGG, 3. Aufl., § 86b Rdnr. 5).
Nach dem derzeitigen Sachstand kann ein Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB II nicht ausgeschlossen werden. Zunächst steht ihre Aufnahme in die stationäre Behandlung im Zentrum für Psychiatrie R. (ZfP) dem Anspruch nicht entgegen. Die Aufnahme erfolgte Anfang August 2011, als Entlassungstermin war vorgesehen der 13. September 2011. Die weitere Behandlung erfolgt nach ihren nicht bestrittenen Angaben ambulant im Sinne zweiwöchentlicher Gabe von sog. Depotspritzen. Da sie somit voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus untergebracht war, ist der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende hiervon nicht berührt (§ 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II). Die Antragstellerin erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB II, insbesondere ist ihre Hilfebedürftigkeit auch vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden. Sie ist auch erwerbsfähig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II. Anhaltspunkte für eine länger dauernde Einschränkung ihres Leistungsvermögens unter drei Stunden täglich bestehen derzeit aufgrund der mittlerweile durchgeführten Behandlung nicht (§ 8 Abs. 1 SGB II).
Die rechtliche Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin als rumänischer Staatsangehörigen bestimmt sich nach § 8 Abs. 2 SGB II. Danach können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig i.S.d. Abs. 1 sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Nach dem mit Wirkung zum 1. April 2011 eingeführten Satz 2 des § 8 Abs. 2 SGB II ist die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) aufzunehmen, ausreichend. Damit ist klargestellt, dass es allein auf die abstrakte Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis ankommt und eine Arbeitsmarktprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 Abs. 2 AufenthG nicht vorzunehmen ist. Nicht entscheidend ist mithin, ob auf dem Arbeitsmarkt bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen (vgl. Hackethal in jurisPK-SGB II, § 8 Rdnr. 33, 35). Nach § 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dürfen rumänische Staatsangehörige eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden. Solche Übergangsregelungen hat die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Rumänien zumindest bis zum 31. Dezember 2011 angeordnet (Mitteilung der Bundesregierung an die Europäische Kommission vom 17. Dezember 2008, BAnz. Nr. 198 vom 31. Dezember 2008, S. 4807; vgl. a. Hackethal a.a.O.). Die Antragstellerin bedarf daher zur Beschäftigungsaufnahme einer sog. Arbeitsgenehmigung-EU. Diese kann nach § 284 Abs. 2 und 3 SGB III als befristete Arbeitserlaubnis-EU nach Maßgabe § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 AufenthG erteilt werden. § 39 Abs. 6 AufenthG betrifft die hier nicht in Betracht kommende Aufnahme einer qualifizierten Berufstätigkeit, Abs. 2 bis 4 die Arbeitsmarktprüfung. Da diese gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II außer Betracht zu bleiben hat, besteht mithin die - ausreichende - abstrakte Möglichkeit der Erteilung der Arbeitserlaubnis-EU. Die weiteren Einschränkungen des § 284 Abs. 4 SGB III gelten nur für Ausländer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Da sich die Antragstellerin aber allein aufgrund ihrer Unionsbürgerschaft für die ersten drei Monate legal in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, vom 29. April 2004 (RL 2004/38/EG)), kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht unter diese einschränkende Regelung über den Anwerbestopp fällt; dies entspricht auch der Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit (Rademacker im Hauck/Noftz, SGB III, § 284 Rdnr. 121). Die Antragstellerin ist mithin erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 2 SGB II.
Schließlich kann auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in Sinne dieser Vorschrift bei Ausländern auch rechtliche Voraussetzungen enthält, ob also ein gewöhnlicher Aufenthalt nur dort begründet werden kann, wo sich jemand rechtmäßig aufhält (so Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2010 - L 34 AS 1001/10 B ER - (juris); a.A. HessLSG FEVS 61, 251; ausdrücklich offen gelassen in Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 7 Nr. 21). Denn ein rechtmäßiger Aufenthalt der Antragstellerin ist zumindest möglich. Ob sich ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügigkeitG/EU (FreizügG/EU) ergibt, wonach Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, ist zunächst fraglich. Denn nach § 13 FreizügG/EU findet dieses Gesetz für rumänische Staatsangehörige derzeit nur Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 284 SGB III genehmigt, also eine entsprechende Erlaubnis bereits erteilt wurde, woran es vorliegend fehlt. Demnach müsste sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin allein aus den Regelungen des AufenthG ergeben. Hierin wird jedoch teilweise ein systematischer Konflikt mit dem in § 1 FreizügG/EU umschriebenen, allein an die Unionsbürgerschaft anknüpfenden Anwendungsbereich (Regelung der Einreise und des Aufenthalts von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union) des FreizügG/EU gesehen (Geyer in Hk-Ausländerrecht, FreizügG/EU, § 13 Rdnr. 2). Die in den Beitrittsverträgen vorgesehenen Übergangsmaßnahmen beträfen nur den Zugang zum Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland, ließen aber die Unionsbürgerschaft und das daraus folgende Aufenthaltsrecht unberührt (Geyer, a.a.O.). Darüber hinaus entspricht es der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen, solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU festzustellen. Bei Einreise bestand für die Antragstellerin zumindest das unbedingte Aufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 RL 2004/38/EG. Ob ihr das Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche zusteht, hat die Ausländerbehörde zu entscheiden. Die Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU wird erst mit dieser Verlustfeststellung begründet (vgl. BSG, a.a.O.; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., m.w.N.). Eine solche Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde liegt derzeit nicht vor. Daher kann nicht festgestellt werden, dass kein rechtmäßiger Aufenthalt vorliegt (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Entscheidend kommt es somit auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II an. Danach sind von der Leistungsberechtigung nach dem SGB II ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Dass der Antragstellerin ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zwecke der Arbeitsuche zusteht, ist nicht ersichtlich. Da sie nicht über ausreichende Existenzmittel und einen Krankenversicherungsschutz verfügt, kommt ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht ohne Arbeitsuche nach Ablauf der ersten drei Monate nicht in Betracht (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 i.V.m. § 4 FreizügG/EU). Zwar trägt sie vor, sie sei zur Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland gekommen, da ihre Eltern - beide deutsche Staatsangehörige - hier leben. Ein Recht zum Aufenthalt erwächst hieraus aber nicht. Der Familiennachzug zu einem Deutschen bestimmt sich nach den Regelungen des AufenthG. Da die am 18. Juni 1985 geborene Antragstellerin nicht mehr minderjährig ist, scheidet ein Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 AufenthG aus. In Betracht käme nur ein Anspruch aus § 28 Abs. 4 i.V.m. § 36 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden kann, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte notwendig ist. Darüber hinaus müssen jedoch die allgemeinen Voraussetzungen für einen Familiennachzug gem. § 27 Abs. 1 AufenthG erfüllt sein (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., AufenthG § 36 Rdnr. 11). Danach wird die Aufenthaltserlaubnis "zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet" erteilt. Dies setzt grundsätzlich eine gemeinsame Familienwohnung voraus. Zumindest ist eine derartige räumliche Nähe der Wohnungen erforderlich, dass die familiäre Kommunikation tatsächlich möglich und auch praktiziert wird. Es darf sich nicht nur um eine reine Begegnungsgemeinschaft handeln; ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt muss bestehen (Dienelt, a.a.O., § 27 Rdnr. 46). Der Wille nur eines Familienmitglieds, an der familiären Lebensgemeinschaft festzuhalten, genügt nicht (vgl. Dienelt, a.a.O., Rdnr. 47 zu Ehegatten). Solche Umstände liegen hier aber nicht vor. Die Antragstellerin wohnt in Radolfzell bei einem Bekannten. Ihr Vater, der in derselben Gemeinde lebt, lehnt einen Kontakt zur Antragstellerin vollständig ab. Mit der Mutter, die nicht einmal in derselben Gemeinde, sondern in Singen wohnt, konnte nach den eigenen Angaben der Antragstellerin bisher lediglich ein "positiver Kontakt" hergestellt werden. Dies alles genügt somit nicht, um von einer Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft ausgehen zu können. Nichts anderes ergibt sich, wenn man unterstellt, dass wenigstens ein Elternteil zumindest auch die rumänische Staatsangehörigkeit haben sollte. Dieser Elternteil könnte der Antragstellerin grundsätzlich das Aufenthaltsrecht eines Familienangehörigen nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. §§ 3, 4 FreizügG/EU vermitteln. Familienangehörige in diesem Sinne sind aber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU nur Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, was bei der Antragstellerin nicht der Fall ist. Ältere Kinder hingegen nur, wenn der Unionsbürger - hier unterstellt ein Elternteil - Unterhalt gewährt. Dies trifft bei der Antragstellerin ebenfalls nicht zu. Ein gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrecht als Familienangehörige steht der Antragstellerin mithin nicht zu.
Damit wäre die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Es spricht jedoch viel dafür, dass diese bundesgesetzliche Regelung mit dem Recht der Europäischen Union in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht vereinbar und damit auf Unionsbürger zumindest nicht einschränkungslos anzuwenden ist. Mit der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II wollte der Gesetzgeber von der Möglichkeit nach Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch machen (BT-Drucks. 16/5065 S. 234). Dieser sieht ausdrücklich vor, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b RL 2004/38/EG (Arbeitsuche) einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 4. Juni 2009 (Slg. 2009, I-4585 (Vatsouras und Koupatantze)) die Vereinbarkeit dieser Richtlinienregelung mit dem speziellen Gleichbehandlungsgrundsatz für Arbeitsuchende gem. Art. 39 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 in der konsolidierten Fassung vom 24. Dezember 2002 (EGV) festgestellt. Diese Vereinbarkeit beruht auf einer Auslegung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, dass es angesichts der Einführung der Unionsbürgerschaft (Art. 18 EGV) und der Ausprägung, die das Recht der Gleichbehandlung in der Rechtsprechung des EuGH erfahren hat, nicht mehr möglich ist, vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates erleichtern soll (EuGH a.a.O. sowie Slg. 2004, I-2703 (Collins) und Slg. 2005, I-8275 (Ioannidis)). Allerdings hat es auch der EuGH für legitim angesehen, dass ein Mitgliedstaat eine solche Beihilfe erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt wurde (EuGH a.a.O.). Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG wäre daher nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 39 Abs. 2 EGV vereinbar, wenn man hierin eine Ermächtigungsgrundlage für eine nationale Regelung sehen wollte, arbeitsuchende Unionsbürger für die gesamte Dauer der Arbeitsuche von Leistungen auszuschließen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Des Weiteren liefert die Richtlinienbestimmung kein starres Kriterium für die Feststellung der vom EuGH in der Collins-Entscheidung verlangten Verbindung des Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaates (vgl. Schlussanträge des Generalanwaltes (Slg. 2009, I-4585 (Vatsouras und Koupatantze)). Ein Verstoß einer nationalen Ausschlussregelung gegen Art. 39 Abs. 2 EGV liegt somit nicht vor, wenn es sich bei der versagten Leistung um eine reine Sozialhilfeleistung handelt oder die Regelung eine zulässige Festlegung der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates trifft.
Nach Auffassung des Senats stellen die Leistungen des SGB II - auch das den Lebensunterhalt sichernde Arbeitslosengeld II (Alg II) - keine reine Sozialhilfeleistung in diesem Sinne dar (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 25. August 2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B - (juris) m.w.N.). Der Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts und des Existenzminimums erlaubt noch keine Zuordnung zur Sozialhilfe in diesem Sinne, wenn die Leistung zumindest auch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert (vgl. a. Schlussanträge des Generalanwalts, a.a.O., (Vatsouras und Koupatantze): Sozialhilfeleistungen, die die Eingliederung in den Arbeitsmarkt fördern). Die allgemeine Zielumschreibung des § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II macht deutlich, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht nur den Lebensunterhalt sichern soll, sondern die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen soll. Diese den besonderen Regelungen vorangestellte Zielbestimmung gilt systematisch für alle Leistungen, nicht nur die speziellen Eingliederungsleistungen der §§ 14 bis 18a SGB II. Deutlicher wird dies noch durch den "Grundsatz des Forderns" in § 2 SGB II. So muss der erwerbsfähige Hilfebedürftige aktiv an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Auch § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt ausdrücklich den Bezug zwischen der Leistungsgewährung und der Erforderlichkeit für die Eingliederung her. Schließlich verknüpft die Sanktionsnorm des § 31 SGB II den Eingliederungszweck mit der Lebensunterhalt sicherenden Alg II-Leistung. Dieses kann bei Verstößen gegen die eigene Eingliederungsobliegenheit des Hilfebedürftigen abgesenkt werden oder wegfallen. Auch die dem Lebensunterhalt dienende Alg II-Leistung wird mithin nicht losgelöst vom Ziel der Eingliederung in den Arbeitsmarkt erbracht. Das BSG (SozR 4-4200 § 7 Nr. 7 zur stationären Einrichtung) hat gerade in einer erwerbszentrierten Orientierung des SGB II das maßgebliche Abgrenzungskriterium zur Sozialhilfe nach dem SGB XII gesehen.
Da das Alg II keine reine Sozialhilfeleistung i.S.d. Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG darstellt, ist die Zulässigkeit der Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II an den oben bereits dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Gleichbehandlung im Zugang zu finanziellen Leistungen für Arbeitsuchende zu messen, wie sie in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt wurden. Danach ist es auch gemeinschaftsrechtlich zulässig, für den Zugang zu finanziellen Leistungen für Arbeitsuchende danach zu differenzieren, ob eine ausreichende Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt desAufnahmemitgliedsstaates besteht, die z.B. an ein Wohnorterfordernis anknüpft (EuGH, a.a.O., (Collins)). Dieses Kriterium der Verbindung zum Arbeitsmarkt dient dem Ausgleich der Ansprüche aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EGV mit den Gefahren des sog. "Sozialtourismus" (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts, a.a.O., (Vatsouras und Koupatantze)). Die Ausgestaltung erfolgt durch nationales Recht, das sich aber in den Grenzen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben halten und insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren muss. Unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht ist danach ein unbefristeter Leistungsausschluss für die gesamte Zeit der Arbeitsuche des Unionsbürgers (vgl. a. Schlussanträge des Generalanwalts, a.a.O., (Vatsouras und Koupatantze)), wie in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorgesehen. Gegen die Anwendung dieses gemeinschaftsrechtlichen Maßstabes könnte allerdings im vorliegenden Falle sprechen, dass rumänische Staatsangehörige aufgrund der o.g. Übergangsmaßnahmen auf Grundlage des Beitrittsvertrages derzeit noch nicht über einen freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt verfügen. Dies könnte eine Berufung der Antragstellerin auf den speziellen Gleichbehandlungsgrundsatz gerade für Arbeitsuchende nach Art. 39 Abs. 2 EGV ausschließen. Auch dann bliebe aber das allgemeine Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 12 EGV bestehen, das der Antragstellerin bereits aus ihrer Unionsbürgerschaft erwächst. Danach ist unbeschadet besonderer Bestimmungen des Vertrages in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Der Ausschlusstatbestand des Aufenthaltsrechts allein zur Arbeitsuche knüpft ohne Weiteres an die Staatsangehörigkeit an, da er für deutsche Staatsangehörige keine Rolle spielt. Die Übergangsmaßnahmen aufgrund des Beitrittsvertrages könnten zwar besondere Bestimmungen i.S.d. Art. 12 EGV darstellen. Dann würde ein Leistungsausschluss, der auf dem eingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt beruht, nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II knüpft jedoch gerade nicht an einen möglicherweise fehlenden Arbeitsmarktzugang an, sondern an ein bestehendes - alleiniges - Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Wie oben ausgeführt, genügt aufgrund der Neuregelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II ab dem 1. April 2011 für die Zuordnung zum Leistungssystem des SGB II nunmehr die abstrakte Möglichkeit des Arbeitsmarktzugangs. Ist diese - wie hier - gegeben, besteht nach dem nationalen Leistungsrecht des SGB II kein Unterschied zwischen den Staatsangehörigen der "neuen" und der "alten" Mitgliedstaaten. Der Anknüpfungspunkt des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erscheint dann aber im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 12 EGV, zumindest fraglich. Jedenfalls solange die Ernsthaftigkeit der Arbeitsuche nicht erkennbar in Frage gestellt ist, kann auch eine Unvereinbarkeit des Ausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht mit der hier nötigen Sicherheit nicht ausgeschlossen werden. Für die Ernsthaftigkeit der Arbeitsuche spricht vorliegend zumindest der Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU und die Aufnahme einer Tätigkeit in nicht genehmigungspflichtigem Umfange. Ein Leistungsanspruch ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen.
Dies gilt auch, wenn man davon ausginge, dass der Antragstellerin materiell vor Erteilung der Arbeitserlaubnis-EU kein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche und damit im Ergebnis gar kein Aufenthaltsrecht mehr zusteht. Denn der EuGH hat gerade an einen seitens des Mitgliedstaates nicht beendeten Aufenthalt i.V.m. der Unionsbürgerschaft die Geltung des grundlegenden Prinzips der Gleichbehandlung nach Art. 12 EGV geknüpft. Hierbei hatte er es für die Anwendung des Diskriminierungsverbots bereits ausreichen lassen, dass trotz des Wegfalls des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts durch den Mitgliedstaat "Ausweisungsmaßnahmen" nicht vorgenommen worden oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilt war (EuGH Slg. 2004, I-7573, (Trojani)). Selbst bei materiell nicht bestehendem Aufenthaltsrecht kann somit bei einem seitens des Mitgliedstaates nicht beendeten Aufenthalt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz die Gewährung von finanziellen Leistungen erfordern, die der Mitgliedstaat seinen Bürgern in vergleichbarer Lage zukommen lässt (vgl. a. Senatsbeschluss vom 23. Juli 2008 - L 7 AS 3031/08 ER-B - NZS 2009, 512). Da das SGB II rumänische Staatsangehörige wie die Antragstellerin als erwerbsfähig ansieht, kann sich ein Anspruch der Antragstellerin auf Alg II ergeben, wie er erwerbsfähigen Bundesbürgern zusteht.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht eine Verpflichtung zur Vorlage im Wege der Vorabentscheidung durch den EuGH gem. Art. 234 EGV nicht; dem stünde bereits die Eilbedürftigkeit entgegen. Des Weiteren wird eine endgültige Entscheidung gerade nicht getroffen, sondern nur eine solche über einen vorläufigen Zustand. Dabei ist es möglich, aufgrund einer Interessen- und Folgenabwägung zu entscheiden, so dass die fragliche Norm nicht allein entscheidungserheblich wird. Grundsätzlich muss zwar eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift auch bei Zweifeln an deren Verfassungsmäßigkeit oder Vereinbarkeit mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht Beachtung finden, damit eine parlamentarische Entscheidung nicht durch eine Entscheidung eines Fachgerichts quasi außer Kraft gesetzt wird. Gleichwohl ist auch dem Gewicht der Interessen und Rechte der Antragstellerin ausreichend Rechnung zu tragen. Dabei ist zu beachten, dass die begehrten Leistungen der Grundsicherung der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, was bereits nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland Pflicht des Staates ist (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG; BVerfG, NVwZ 2005, 927). Auf Seiten des Grundsicherungsträgers ist das Interesse zu beachten, dass nun gewährte Leistungen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin voraussichtlich nicht erstattet werden können, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass ein Anspruch tatsächlich nicht bestanden hat. Der Antragstellerin ihrerseits würden für einen nicht absehbaren Zeitraum die Leistungen vorenthalten, die sie zur Aufrechterhaltung ihres Existenzminimums und damit für ein der Menschenwürde entsprechendes Leben benötigt. Diese damit verbundenen Einschränkungen während des Zeitraumes ohne Leistungen sind auch im Falle einer Nachzahlung bei Erfolg in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen.
In Abwägung dieser Interessen erscheint es dem Senat angemessen, dass der Antragstellerin die Leistungen zur Grundsicherung gewährt werden, die maßgebliche Regelleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch zunächst auf 80% beschränkt wird. Damit wird der Antragstellerin jedenfalls das zum Lebensunterhalt Unerlässliche zur Verfügung gestellt, während gleichzeitig die Belastung des Grundsicherungsträgers reduziert wird (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 - L 7 AS 5702/10 ER-B -; vgl. a. BVerfG a.a.O., das ausdrücklich einen Abschlag um 20% des Regelsatzes für zulässig erachtet). Aus demselben Grund hat der Senat die Verpflichtung des Antragsgegners nicht bereits für zurückliegende Zeiträume angeordnet. Die Befristung der Leistung erscheint im Hinblick auf das laufende Verfahren über die Arbeitserlaubnis-EU und die ggf. daraus folgenden Konsequenzen für Entscheidungen der Ausländerbehörde als sachgerecht. Unter Berücksichtigung der glaubhaft gemachten Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. EUR 160.- monatlich, ergibt sich mithin der monatliche Gesamtbetrag von EUR 451,20 (EUR 291,20 (80% von EUR 364.-) + EUR 160.-). Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner erstattet zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
Die gem. § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Sie ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Das Sozialgericht Konstanz (SG) hat im angefochtenen Beschluss eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erbringung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu Unrecht vollständig abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Ablehnungsbescheid vom 28.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2011 ist fristgerecht mit (09.06.2011) Klage angefochten, mithin nicht bestandskräftig geworden, so dass diese der Zulässigkeit einer solchen vorläufigen Regelung nicht entgegenstehen.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Verfassungsrechtliche Vorgaben zwingen gegebenenfalls jedoch diesen grundsätzlichen Entscheidungsmaßstab zu revidieren. Der einstweilige Rechtsschutz ist Ausfluss der in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) enthaltenen Garantie effektiven Rechtsschutzes. Aus dieser folgt das Gebot, soweit als möglich zu verhindern, dass durch hoheitliche Maßnahmen oder Entscheidungen der Verwaltungsbehörde Tatsachen geschaffen werden, die auch dann, wenn diese sich nach richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweisen, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Diese Gefahr besteht auch in der Leistungsverwaltung, wenn die Verwaltung ein Leistungsbegehren zurückweist. Auch neben Art. 19 Abs. 4 GG enthält das Verfassungsrecht Vorgaben für Maßstab und Prüfungsumfang gerichtlicher Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz. Die in den Grundrechten zum Ausdruck kommende Wertentscheidung muss beachtet werden. Es ist Aufgabe des Staates und damit auch der Gerichte, sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen. Diese beiden verfassungsrechtlichen Zielsetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes haben Auswirkungen auf den Entscheidungsmaßstab der Fachgerichte. Dieser verschärft sich, wenn nicht nur die prozessrechtliche Dimension des Art. 19 Abs. 4 GG betroffen ist, sondern dem materiellen Anspruch grundrechtliches Gewicht zukommt. Entscheidend ist, welche Rechtsverletzungen bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes drohen. Drohen schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Güter, kann die gerichtliche Entscheidung nicht auf die nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht. Es genügt dabei bereits eine nur mögliche oder zeitweilig andauernde Verletzung. Der Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist dann, insbesondere wenn eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht möglich ist, eine umfassende Güter- und Folgenabwägung zugrunde zu legen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NZS 2003, 253 und NVwZ 2005, 927). Allerdings sind dabei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht völlig unberücksichtigt zu lassen. Denn eine Grundrechtsbeeinträchtigung kann von vornherein nicht vorliegen, wenn das Recht oder der Anspruch überhaupt nicht in Betracht kommt. Eine bestimmte Mindestwahrscheinlichkeit (z.B. überwiegend) ist aber nicht zu fordern (Krodel NZS 2006, 637; Hk-SGG, 3. Aufl., § 86b Rdnr. 5).
Nach dem derzeitigen Sachstand kann ein Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB II nicht ausgeschlossen werden. Zunächst steht ihre Aufnahme in die stationäre Behandlung im Zentrum für Psychiatrie R. (ZfP) dem Anspruch nicht entgegen. Die Aufnahme erfolgte Anfang August 2011, als Entlassungstermin war vorgesehen der 13. September 2011. Die weitere Behandlung erfolgt nach ihren nicht bestrittenen Angaben ambulant im Sinne zweiwöchentlicher Gabe von sog. Depotspritzen. Da sie somit voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus untergebracht war, ist der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende hiervon nicht berührt (§ 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II). Die Antragstellerin erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB II, insbesondere ist ihre Hilfebedürftigkeit auch vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden. Sie ist auch erwerbsfähig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II. Anhaltspunkte für eine länger dauernde Einschränkung ihres Leistungsvermögens unter drei Stunden täglich bestehen derzeit aufgrund der mittlerweile durchgeführten Behandlung nicht (§ 8 Abs. 1 SGB II).
Die rechtliche Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin als rumänischer Staatsangehörigen bestimmt sich nach § 8 Abs. 2 SGB II. Danach können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig i.S.d. Abs. 1 sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Nach dem mit Wirkung zum 1. April 2011 eingeführten Satz 2 des § 8 Abs. 2 SGB II ist die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) aufzunehmen, ausreichend. Damit ist klargestellt, dass es allein auf die abstrakte Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis ankommt und eine Arbeitsmarktprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 Abs. 2 AufenthG nicht vorzunehmen ist. Nicht entscheidend ist mithin, ob auf dem Arbeitsmarkt bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen (vgl. Hackethal in jurisPK-SGB II, § 8 Rdnr. 33, 35). Nach § 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dürfen rumänische Staatsangehörige eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden. Solche Übergangsregelungen hat die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Rumänien zumindest bis zum 31. Dezember 2011 angeordnet (Mitteilung der Bundesregierung an die Europäische Kommission vom 17. Dezember 2008, BAnz. Nr. 198 vom 31. Dezember 2008, S. 4807; vgl. a. Hackethal a.a.O.). Die Antragstellerin bedarf daher zur Beschäftigungsaufnahme einer sog. Arbeitsgenehmigung-EU. Diese kann nach § 284 Abs. 2 und 3 SGB III als befristete Arbeitserlaubnis-EU nach Maßgabe § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 AufenthG erteilt werden. § 39 Abs. 6 AufenthG betrifft die hier nicht in Betracht kommende Aufnahme einer qualifizierten Berufstätigkeit, Abs. 2 bis 4 die Arbeitsmarktprüfung. Da diese gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II außer Betracht zu bleiben hat, besteht mithin die - ausreichende - abstrakte Möglichkeit der Erteilung der Arbeitserlaubnis-EU. Die weiteren Einschränkungen des § 284 Abs. 4 SGB III gelten nur für Ausländer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Da sich die Antragstellerin aber allein aufgrund ihrer Unionsbürgerschaft für die ersten drei Monate legal in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, vom 29. April 2004 (RL 2004/38/EG)), kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht unter diese einschränkende Regelung über den Anwerbestopp fällt; dies entspricht auch der Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit (Rademacker im Hauck/Noftz, SGB III, § 284 Rdnr. 121). Die Antragstellerin ist mithin erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 2 SGB II.
Schließlich kann auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in Sinne dieser Vorschrift bei Ausländern auch rechtliche Voraussetzungen enthält, ob also ein gewöhnlicher Aufenthalt nur dort begründet werden kann, wo sich jemand rechtmäßig aufhält (so Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2010 - L 34 AS 1001/10 B ER - (juris); a.A. HessLSG FEVS 61, 251; ausdrücklich offen gelassen in Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 7 Nr. 21). Denn ein rechtmäßiger Aufenthalt der Antragstellerin ist zumindest möglich. Ob sich ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügigkeitG/EU (FreizügG/EU) ergibt, wonach Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, ist zunächst fraglich. Denn nach § 13 FreizügG/EU findet dieses Gesetz für rumänische Staatsangehörige derzeit nur Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 284 SGB III genehmigt, also eine entsprechende Erlaubnis bereits erteilt wurde, woran es vorliegend fehlt. Demnach müsste sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin allein aus den Regelungen des AufenthG ergeben. Hierin wird jedoch teilweise ein systematischer Konflikt mit dem in § 1 FreizügG/EU umschriebenen, allein an die Unionsbürgerschaft anknüpfenden Anwendungsbereich (Regelung der Einreise und des Aufenthalts von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union) des FreizügG/EU gesehen (Geyer in Hk-Ausländerrecht, FreizügG/EU, § 13 Rdnr. 2). Die in den Beitrittsverträgen vorgesehenen Übergangsmaßnahmen beträfen nur den Zugang zum Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland, ließen aber die Unionsbürgerschaft und das daraus folgende Aufenthaltsrecht unberührt (Geyer, a.a.O.). Darüber hinaus entspricht es der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen, solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU festzustellen. Bei Einreise bestand für die Antragstellerin zumindest das unbedingte Aufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 RL 2004/38/EG. Ob ihr das Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche zusteht, hat die Ausländerbehörde zu entscheiden. Die Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU wird erst mit dieser Verlustfeststellung begründet (vgl. BSG, a.a.O.; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., m.w.N.). Eine solche Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde liegt derzeit nicht vor. Daher kann nicht festgestellt werden, dass kein rechtmäßiger Aufenthalt vorliegt (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Entscheidend kommt es somit auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II an. Danach sind von der Leistungsberechtigung nach dem SGB II ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Dass der Antragstellerin ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zwecke der Arbeitsuche zusteht, ist nicht ersichtlich. Da sie nicht über ausreichende Existenzmittel und einen Krankenversicherungsschutz verfügt, kommt ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht ohne Arbeitsuche nach Ablauf der ersten drei Monate nicht in Betracht (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 i.V.m. § 4 FreizügG/EU). Zwar trägt sie vor, sie sei zur Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland gekommen, da ihre Eltern - beide deutsche Staatsangehörige - hier leben. Ein Recht zum Aufenthalt erwächst hieraus aber nicht. Der Familiennachzug zu einem Deutschen bestimmt sich nach den Regelungen des AufenthG. Da die am 18. Juni 1985 geborene Antragstellerin nicht mehr minderjährig ist, scheidet ein Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 AufenthG aus. In Betracht käme nur ein Anspruch aus § 28 Abs. 4 i.V.m. § 36 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden kann, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte notwendig ist. Darüber hinaus müssen jedoch die allgemeinen Voraussetzungen für einen Familiennachzug gem. § 27 Abs. 1 AufenthG erfüllt sein (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., AufenthG § 36 Rdnr. 11). Danach wird die Aufenthaltserlaubnis "zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet" erteilt. Dies setzt grundsätzlich eine gemeinsame Familienwohnung voraus. Zumindest ist eine derartige räumliche Nähe der Wohnungen erforderlich, dass die familiäre Kommunikation tatsächlich möglich und auch praktiziert wird. Es darf sich nicht nur um eine reine Begegnungsgemeinschaft handeln; ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt muss bestehen (Dienelt, a.a.O., § 27 Rdnr. 46). Der Wille nur eines Familienmitglieds, an der familiären Lebensgemeinschaft festzuhalten, genügt nicht (vgl. Dienelt, a.a.O., Rdnr. 47 zu Ehegatten). Solche Umstände liegen hier aber nicht vor. Die Antragstellerin wohnt in Radolfzell bei einem Bekannten. Ihr Vater, der in derselben Gemeinde lebt, lehnt einen Kontakt zur Antragstellerin vollständig ab. Mit der Mutter, die nicht einmal in derselben Gemeinde, sondern in Singen wohnt, konnte nach den eigenen Angaben der Antragstellerin bisher lediglich ein "positiver Kontakt" hergestellt werden. Dies alles genügt somit nicht, um von einer Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft ausgehen zu können. Nichts anderes ergibt sich, wenn man unterstellt, dass wenigstens ein Elternteil zumindest auch die rumänische Staatsangehörigkeit haben sollte. Dieser Elternteil könnte der Antragstellerin grundsätzlich das Aufenthaltsrecht eines Familienangehörigen nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. §§ 3, 4 FreizügG/EU vermitteln. Familienangehörige in diesem Sinne sind aber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU nur Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, was bei der Antragstellerin nicht der Fall ist. Ältere Kinder hingegen nur, wenn der Unionsbürger - hier unterstellt ein Elternteil - Unterhalt gewährt. Dies trifft bei der Antragstellerin ebenfalls nicht zu. Ein gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrecht als Familienangehörige steht der Antragstellerin mithin nicht zu.
Damit wäre die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Es spricht jedoch viel dafür, dass diese bundesgesetzliche Regelung mit dem Recht der Europäischen Union in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht vereinbar und damit auf Unionsbürger zumindest nicht einschränkungslos anzuwenden ist. Mit der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II wollte der Gesetzgeber von der Möglichkeit nach Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch machen (BT-Drucks. 16/5065 S. 234). Dieser sieht ausdrücklich vor, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b RL 2004/38/EG (Arbeitsuche) einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 4. Juni 2009 (Slg. 2009, I-4585 (Vatsouras und Koupatantze)) die Vereinbarkeit dieser Richtlinienregelung mit dem speziellen Gleichbehandlungsgrundsatz für Arbeitsuchende gem. Art. 39 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 in der konsolidierten Fassung vom 24. Dezember 2002 (EGV) festgestellt. Diese Vereinbarkeit beruht auf einer Auslegung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, dass es angesichts der Einführung der Unionsbürgerschaft (Art. 18 EGV) und der Ausprägung, die das Recht der Gleichbehandlung in der Rechtsprechung des EuGH erfahren hat, nicht mehr möglich ist, vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates erleichtern soll (EuGH a.a.O. sowie Slg. 2004, I-2703 (Collins) und Slg. 2005, I-8275 (Ioannidis)). Allerdings hat es auch der EuGH für legitim angesehen, dass ein Mitgliedstaat eine solche Beihilfe erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt wurde (EuGH a.a.O.). Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG wäre daher nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 39 Abs. 2 EGV vereinbar, wenn man hierin eine Ermächtigungsgrundlage für eine nationale Regelung sehen wollte, arbeitsuchende Unionsbürger für die gesamte Dauer der Arbeitsuche von Leistungen auszuschließen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Des Weiteren liefert die Richtlinienbestimmung kein starres Kriterium für die Feststellung der vom EuGH in der Collins-Entscheidung verlangten Verbindung des Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaates (vgl. Schlussanträge des Generalanwaltes (Slg. 2009, I-4585 (Vatsouras und Koupatantze)). Ein Verstoß einer nationalen Ausschlussregelung gegen Art. 39 Abs. 2 EGV liegt somit nicht vor, wenn es sich bei der versagten Leistung um eine reine Sozialhilfeleistung handelt oder die Regelung eine zulässige Festlegung der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates trifft.
Nach Auffassung des Senats stellen die Leistungen des SGB II - auch das den Lebensunterhalt sichernde Arbeitslosengeld II (Alg II) - keine reine Sozialhilfeleistung in diesem Sinne dar (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 25. August 2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B - (juris) m.w.N.). Der Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts und des Existenzminimums erlaubt noch keine Zuordnung zur Sozialhilfe in diesem Sinne, wenn die Leistung zumindest auch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert (vgl. a. Schlussanträge des Generalanwalts, a.a.O., (Vatsouras und Koupatantze): Sozialhilfeleistungen, die die Eingliederung in den Arbeitsmarkt fördern). Die allgemeine Zielumschreibung des § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II macht deutlich, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht nur den Lebensunterhalt sichern soll, sondern die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen soll. Diese den besonderen Regelungen vorangestellte Zielbestimmung gilt systematisch für alle Leistungen, nicht nur die speziellen Eingliederungsleistungen der §§ 14 bis 18a SGB II. Deutlicher wird dies noch durch den "Grundsatz des Forderns" in § 2 SGB II. So muss der erwerbsfähige Hilfebedürftige aktiv an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Auch § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt ausdrücklich den Bezug zwischen der Leistungsgewährung und der Erforderlichkeit für die Eingliederung her. Schließlich verknüpft die Sanktionsnorm des § 31 SGB II den Eingliederungszweck mit der Lebensunterhalt sicherenden Alg II-Leistung. Dieses kann bei Verstößen gegen die eigene Eingliederungsobliegenheit des Hilfebedürftigen abgesenkt werden oder wegfallen. Auch die dem Lebensunterhalt dienende Alg II-Leistung wird mithin nicht losgelöst vom Ziel der Eingliederung in den Arbeitsmarkt erbracht. Das BSG (SozR 4-4200 § 7 Nr. 7 zur stationären Einrichtung) hat gerade in einer erwerbszentrierten Orientierung des SGB II das maßgebliche Abgrenzungskriterium zur Sozialhilfe nach dem SGB XII gesehen.
Da das Alg II keine reine Sozialhilfeleistung i.S.d. Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG darstellt, ist die Zulässigkeit der Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II an den oben bereits dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Gleichbehandlung im Zugang zu finanziellen Leistungen für Arbeitsuchende zu messen, wie sie in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt wurden. Danach ist es auch gemeinschaftsrechtlich zulässig, für den Zugang zu finanziellen Leistungen für Arbeitsuchende danach zu differenzieren, ob eine ausreichende Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt desAufnahmemitgliedsstaates besteht, die z.B. an ein Wohnorterfordernis anknüpft (EuGH, a.a.O., (Collins)). Dieses Kriterium der Verbindung zum Arbeitsmarkt dient dem Ausgleich der Ansprüche aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EGV mit den Gefahren des sog. "Sozialtourismus" (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts, a.a.O., (Vatsouras und Koupatantze)). Die Ausgestaltung erfolgt durch nationales Recht, das sich aber in den Grenzen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben halten und insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren muss. Unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht ist danach ein unbefristeter Leistungsausschluss für die gesamte Zeit der Arbeitsuche des Unionsbürgers (vgl. a. Schlussanträge des Generalanwalts, a.a.O., (Vatsouras und Koupatantze)), wie in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorgesehen. Gegen die Anwendung dieses gemeinschaftsrechtlichen Maßstabes könnte allerdings im vorliegenden Falle sprechen, dass rumänische Staatsangehörige aufgrund der o.g. Übergangsmaßnahmen auf Grundlage des Beitrittsvertrages derzeit noch nicht über einen freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt verfügen. Dies könnte eine Berufung der Antragstellerin auf den speziellen Gleichbehandlungsgrundsatz gerade für Arbeitsuchende nach Art. 39 Abs. 2 EGV ausschließen. Auch dann bliebe aber das allgemeine Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 12 EGV bestehen, das der Antragstellerin bereits aus ihrer Unionsbürgerschaft erwächst. Danach ist unbeschadet besonderer Bestimmungen des Vertrages in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Der Ausschlusstatbestand des Aufenthaltsrechts allein zur Arbeitsuche knüpft ohne Weiteres an die Staatsangehörigkeit an, da er für deutsche Staatsangehörige keine Rolle spielt. Die Übergangsmaßnahmen aufgrund des Beitrittsvertrages könnten zwar besondere Bestimmungen i.S.d. Art. 12 EGV darstellen. Dann würde ein Leistungsausschluss, der auf dem eingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt beruht, nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II knüpft jedoch gerade nicht an einen möglicherweise fehlenden Arbeitsmarktzugang an, sondern an ein bestehendes - alleiniges - Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Wie oben ausgeführt, genügt aufgrund der Neuregelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II ab dem 1. April 2011 für die Zuordnung zum Leistungssystem des SGB II nunmehr die abstrakte Möglichkeit des Arbeitsmarktzugangs. Ist diese - wie hier - gegeben, besteht nach dem nationalen Leistungsrecht des SGB II kein Unterschied zwischen den Staatsangehörigen der "neuen" und der "alten" Mitgliedstaaten. Der Anknüpfungspunkt des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erscheint dann aber im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 12 EGV, zumindest fraglich. Jedenfalls solange die Ernsthaftigkeit der Arbeitsuche nicht erkennbar in Frage gestellt ist, kann auch eine Unvereinbarkeit des Ausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht mit der hier nötigen Sicherheit nicht ausgeschlossen werden. Für die Ernsthaftigkeit der Arbeitsuche spricht vorliegend zumindest der Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU und die Aufnahme einer Tätigkeit in nicht genehmigungspflichtigem Umfange. Ein Leistungsanspruch ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen.
Dies gilt auch, wenn man davon ausginge, dass der Antragstellerin materiell vor Erteilung der Arbeitserlaubnis-EU kein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche und damit im Ergebnis gar kein Aufenthaltsrecht mehr zusteht. Denn der EuGH hat gerade an einen seitens des Mitgliedstaates nicht beendeten Aufenthalt i.V.m. der Unionsbürgerschaft die Geltung des grundlegenden Prinzips der Gleichbehandlung nach Art. 12 EGV geknüpft. Hierbei hatte er es für die Anwendung des Diskriminierungsverbots bereits ausreichen lassen, dass trotz des Wegfalls des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts durch den Mitgliedstaat "Ausweisungsmaßnahmen" nicht vorgenommen worden oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilt war (EuGH Slg. 2004, I-7573, (Trojani)). Selbst bei materiell nicht bestehendem Aufenthaltsrecht kann somit bei einem seitens des Mitgliedstaates nicht beendeten Aufenthalt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz die Gewährung von finanziellen Leistungen erfordern, die der Mitgliedstaat seinen Bürgern in vergleichbarer Lage zukommen lässt (vgl. a. Senatsbeschluss vom 23. Juli 2008 - L 7 AS 3031/08 ER-B - NZS 2009, 512). Da das SGB II rumänische Staatsangehörige wie die Antragstellerin als erwerbsfähig ansieht, kann sich ein Anspruch der Antragstellerin auf Alg II ergeben, wie er erwerbsfähigen Bundesbürgern zusteht.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht eine Verpflichtung zur Vorlage im Wege der Vorabentscheidung durch den EuGH gem. Art. 234 EGV nicht; dem stünde bereits die Eilbedürftigkeit entgegen. Des Weiteren wird eine endgültige Entscheidung gerade nicht getroffen, sondern nur eine solche über einen vorläufigen Zustand. Dabei ist es möglich, aufgrund einer Interessen- und Folgenabwägung zu entscheiden, so dass die fragliche Norm nicht allein entscheidungserheblich wird. Grundsätzlich muss zwar eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift auch bei Zweifeln an deren Verfassungsmäßigkeit oder Vereinbarkeit mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht Beachtung finden, damit eine parlamentarische Entscheidung nicht durch eine Entscheidung eines Fachgerichts quasi außer Kraft gesetzt wird. Gleichwohl ist auch dem Gewicht der Interessen und Rechte der Antragstellerin ausreichend Rechnung zu tragen. Dabei ist zu beachten, dass die begehrten Leistungen der Grundsicherung der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, was bereits nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland Pflicht des Staates ist (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG; BVerfG, NVwZ 2005, 927). Auf Seiten des Grundsicherungsträgers ist das Interesse zu beachten, dass nun gewährte Leistungen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin voraussichtlich nicht erstattet werden können, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass ein Anspruch tatsächlich nicht bestanden hat. Der Antragstellerin ihrerseits würden für einen nicht absehbaren Zeitraum die Leistungen vorenthalten, die sie zur Aufrechterhaltung ihres Existenzminimums und damit für ein der Menschenwürde entsprechendes Leben benötigt. Diese damit verbundenen Einschränkungen während des Zeitraumes ohne Leistungen sind auch im Falle einer Nachzahlung bei Erfolg in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen.
In Abwägung dieser Interessen erscheint es dem Senat angemessen, dass der Antragstellerin die Leistungen zur Grundsicherung gewährt werden, die maßgebliche Regelleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch zunächst auf 80% beschränkt wird. Damit wird der Antragstellerin jedenfalls das zum Lebensunterhalt Unerlässliche zur Verfügung gestellt, während gleichzeitig die Belastung des Grundsicherungsträgers reduziert wird (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 - L 7 AS 5702/10 ER-B -; vgl. a. BVerfG a.a.O., das ausdrücklich einen Abschlag um 20% des Regelsatzes für zulässig erachtet). Aus demselben Grund hat der Senat die Verpflichtung des Antragsgegners nicht bereits für zurückliegende Zeiträume angeordnet. Die Befristung der Leistung erscheint im Hinblick auf das laufende Verfahren über die Arbeitserlaubnis-EU und die ggf. daraus folgenden Konsequenzen für Entscheidungen der Ausländerbehörde als sachgerecht. Unter Berücksichtigung der glaubhaft gemachten Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. EUR 160.- monatlich, ergibt sich mithin der monatliche Gesamtbetrag von EUR 451,20 (EUR 291,20 (80% von EUR 364.-) + EUR 160.-). Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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