L 5 KR 64/11

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 13 KR 208/08
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 64/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Unbefristet erteilte Befreiungen von Fahrkosten sind - ebenso wie unbefristet erteilte Befreiungen von Zuzahlungen (BSG 22.04.2008 - B 1 KR 10/07 R, juris Rn. 9; BSG 22.04.2008 - B 1 KR 18/07 R, juris Rn. 16) - mit Inkraftteten des GKV-Modernisierungsgesetzes zum 1.1.2004 gegenstandslos geworden.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 23.02.2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Übernahme von Kosten für Fahrten zur ambulanten ärztlichen Behandlung hat.

Beim 1936 geborenen Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, liegen im Wesentlichen folgende Gesundheitsstörungen vor: Zustand nach schwerer Contusio cerebri (2000) mit anhaltenden Schwindelsensationen, organischem posttraumatischem Psychosyndrom im Sinne eines Frontalhirnsyndroms; distral symmetrische sensomotorische Neuropathie; essentieller Kopftremor; insulinpflichtiger Diabetes mellitus; koronare Herzkrankheit, Zustand nach Erweiterung der Herzkranzgefäße (PTCA) und Stent; Zustand nach Herzschrittmacherimplantation; arterielle Hypertonie; diabetische Polyneuropathie und Niereninsuffizienz; chronische Bronchitis; Osteoporose; Wirbelsäulenveränderungen. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Merkzeichen G und B sind festgestellt. Mit Schreiben vom 27.05.2007 beantragte der Kläger die Übernahme der Fahrkosten von seinem Wohnort in M zur ärztlichen Behandlung in P. Mit Bescheid vom 18.06.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen für die Übernahme von Fahrkosten nach § 8 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch SGB V (Krankentransport Richtlinien) seien nicht erfüllt. Der Kläger legte ein Attest des Dr. S vom 09.07.2007 vor, der ausführte, aufgrund der Vielzahl der Erkrankungen des Klägers liege eine erhebliche Behandlungsintensität (mindestens einmal wöchentlich) auf Dauer vor. Dr. G , Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), führte in seiner Stellungnahme vom 12.07.2007 aus, es bleibe unklar, welche Therapie in welchem Umfang regelmäßig durchgeführt werde. Dr. S teilte mit, der Kläger müsse sich mindestens einmal in der Woche in der Praxis vorstellen, um die Insulininjektionen "zu richten und ggf. Änderungen der Einstellung vorzunehmen". Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2007 die Fahrkostenübernahme erneut ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2008, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 14.04.2008, wies die Beklagte die Widersprüche gegen die ablehnenden Bescheide zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 13.05.2008 Klage beim Sozialgericht Speyer erhoben und ärztliche Unterlagen vorgelegt. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S vom 10.12.2009 sowie einen Befundbericht bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M vom 14.12.2009 eingeholt und die Klage durch Urteil vom 23.02.2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, als Anspruchsgrundlage komme allein § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Betracht. Danach übernehme die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die in § 8 der Krankentransport-Richtlinie geregelt seien. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien nicht erfüllt. Der Kläger leide nicht an einer Grunderkrankung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 der Krankentransport-Richtlinie, die durch ein durch diese Krankheit vorgegebenes Therapieschema behandelt werde. Er leide an einer Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen. Der Diabetes mellitus werde nicht im Rahmen eines konkreten Therapieschemas ambulant ärztlich behandelt, sondern es erfolge eine ärztliche Überwachung des Insulingebrauchs nach Bedarf. Zu diesem Zweck erfolgten die Vorstellungen des Klägers "sporadisch" (Befundbericht des Dr. S ) bzw. "öfter" (Befundbericht des Dr. M ), nicht aber regelmäßig nach einem vorgegebenen Schema. Auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 1 der Krankentransport-Richtlinie seien nicht erfüllt, da der Kläger keinen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen aG, Bl oder H besitze und auch nicht die Pflegestufe II oder III festgestellt sei. Er habe auch keinen Anspruch auf Genehmigung von Fahrten nach § 8 Abs. 3 Satz 2 der Krankentransport-Richtlinie.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 08.03.2011 Berufung eingelegt. Er macht geltend, er stütze seinen Anspruch auf eine bereits Mitte der 90er Jahre erteilte unbefristete Zusage der Beklagten auf Fahrkostenbefreiung mit Gültigkeit der Versichertenkarte bis Dezember 2021. Die Beklagte habe über Jahre hinweg die Transportkosten des Taxibetriebes G L beglichen, danach sei er Jahre lang von einem Bekannten kostenlos mitgenommen worden. Dieses kostensparende Verhalten führe nicht zu einem Anspruchsverzicht. Vielmehr habe er nach wie vor aus Vertrauensgesichtspunkten einen Anspruch auf Fahrkostenbefreiung bis 2021. Der Kläger hat eine Ablichtung seiner Versichertenkarte mit Gültigkeitsdauer bis zum Dezember 2021 vorgelegt sowie die Ablichtung einer Karte, mit der auf unbegrenzte Zeit die Befreiung von Zuzahlungen bei Arznei-, Verband- und Heilmitteln, von Fahrkosten und von Zuzahlung bei technischen Pflegehilfsmitteln bescheinigt wird.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 23.02.2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 18.06.2007 und 24.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.04.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Fahrkosten zur ambulanten ärztlichen Behandlung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend, die nach altem Recht erteilten Befreiungskarten hätten auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 - BGBl I 2190) bereits seit dem 01.01.2004 ihre Wirkung vollständig verloren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der begehrten Fahrkosten zur ambulanten ärztlichen Behandlung, da die Voraussetzungen des § 8 der Krankentransport-Richtlinie nicht erfüllt sind. Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug.

Ein Anspruch lässt sich auch nicht aus der dem Kläger von der Beklagten Mitte der 90er Jahre erteilten Befreiungsbescheinigung herleiten. Denn die auf unbegrenzte Zeit erteilte Befreiung von Zuzahlungen und Fahrkosten ging mit Inkrafttreten des GMG am 01.01.2004 ins Leere. Hinsichtlich der Befreiung von Zuzahlungen hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die nach altem Recht erteilten Befreiungsbescheide ab 01.01.2004 keiner Aufhebung durch den Leistungsträger bedurften. Sie gingen vielmehr mit Inkrafttreten des gänzlich neuen Regelungskonzepts des GMG ins Leere, weil sie gegenstandslos wurden (BSG 22.04.2008 - B 1 KR 10/07 R, juris, Rn 9; BSG 22.04.2008 - B 1 KR 18/07 R, juris, Rn 16).

Dies gilt auch für den Bereich der Fahrkosten. Mit dem GMG wurde § 60 SGB V neu gefasst. Fahrkosten zur ambulanten Behandlung werden grundsätzlich nicht mehr erstattet, nur nach Genehmigung durch die Krankenkassen kann in besonderen Ausnahmefällen etwas anderes gelten. Die bisherige Regelung, wonach Fahrkosten generell in Härtefällen übernommen wurden, wurde aufgehoben (vgl hierzu BSG 26.09.2006 - B 1 KR 20/05 R, juris, Rn 13 mwN). Die Neugestaltungen der Zuzahlungs- und Fahrkostenregelungen sind Maßnahmen, die zum Zweck der Schließung von Finanzierungslücken im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung getroffen wurden (vgl Entwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, BTDrucks 15/1525, 76f). Vor diesem Hintergrund sind durch die Einführung des neuen Regelungskonzepts auch Befreiungen von Fahrkosten, die nach altem Recht erteilt worden waren, gegenstandslos geworden. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 28.07.2008 (B 1 KR 27/07 R, juris, Rn 20ff), die einen am 17.02.2004 erteilten Bewilligungsbescheid betrifft. Im vorliegenden Fall beruft sich der Kläger indessen auf eine vor dem 01.01.2004 erteilte Befreiungsbescheinigung, aus der er seit dem 01.01.2004 keine Rechte mehr herleiten kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved