Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 2529/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 21/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Klägerin werden Kosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Altersrente für Frauen im Zeitraum vom 19.07.1994 bis 31.07.1999.
Mit Bescheid vom 04.10.1994 lehnte die Beklagte (u.a.) die Gewährung einer Altersrente für Frauen ab, weil nach Vollendung des 40. Lebensjahres nicht mehr als 10 Jahre Pflichtbeitragszeiten nachgewiesen waren. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.
Regelaltersrente wurde der 1934 geborenen und in Griechenland lebenden Klägerin ab 01.08.1999 bewilligt (Bescheid vom 17.06.1999).
Einen Antrag der anwaltlich vertretenen Klägerin, die Entscheidungen vom 04.10.1994 und 17.06.1999 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu überprüfen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2006 ebenfalls bestandskräftig ab. Die erneute Überprüfung habe ergeben, dass die Bescheide rechtmäßig seien.
Mit Schreiben vom 23.10.2006 wies die Bevollmächtigte der Klägerin erneut auf Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld in Griechenland hin (09.03.1984 bis 08.08.1984) und machte geltend, dass mit den nunmehr nachgewiesenen Pflichtbeitragszeiten Rentenansprüche zu einem früheren Zeitpunkt bestanden hätten.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2008 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2009 zurück.
In dem anschließend vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) geführten Klageverfahren hat die Antragstellerin beantragt, ihr rückwirkend ab dem 19.07.1994 bis zur Gewährung der Regelaltersrente eine Altersrente für Frauen zu gewähren. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.07.2010 abgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Insoweit wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 03.01.2011, 14.03.2011, 23.05.2011, 12.07.2011, 08.08.2011 und 25.08.2011 verwiesen.
Die Klägerin beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Juli 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Rücknahme des Bescheides vom 04. Oktober 1994 Altersrente für Frauen für die Zeit vom 19. Juli 1994 bis 31. Juli 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 01.09.2011 hat der Senat den Antrag der Klägerin, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, abgelehnt.
Die Beteiligten wurden auf die Absicht des Senats, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, ebenso hingewiesen wie auf die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Senat beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf Akten des SG und des Senats verwiesen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Gemäß § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG beträgt die Berufungsfrist nur dann drei Monate, wenn das Urteil im Ausland zugestellt worden ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage, § 151, Rdn. 6). Die dem Gerichtsbescheid des SG Stuttgart beigefügte Rechtmittelbelehrung ist daher unzutreffend, weshalb die auf die Zustellung des Urteiles (04.10.2010) am 04.01.2011 eingegangene Berufung fristgemäß ist (§ 66 Abs. 2 SGG). Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen im Übrigen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Altersrente für Frauen im geltend gemachten Zeitraum hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 31.08.2011 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), nachdem die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 04.10.1994 keinen Widerspruch eingelegt hatte und die Entscheidung (die Ablehnung der Gewährung einer Altersrente für Frauen) bestandskräftig und damit zwischen den Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden war. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn und soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Beklagte bei Erlass der Entscheidung vom 04.10.1994 und unter Geltung der damaligen Rechtslage (vgl. BSG Urt. v. 01.12.1999, B 5 RJ 20/98 R in Juris) das Recht unrichtig angewandt hat, denn selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin unterstellen wollte, ergäbe sich keine für die Antragstellerin günstigere Entscheidung. Denn auch in diesem Fall könnte die Beklagte nicht zur Gewährung der Altersrente für den geltend gemachten Zeitraum verurteilt werden. § 44 Abs. 4 SGB X bestimmt, dass ein Anspruch auf Auszahlung der Rente nur für die letzten vier Jahre vor der Antragstellung (gerichtet auf die Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides) geltend gemacht werden kann. Wäre die Beklagte also auf den Antrag vom 15.06.2006 dem Grunde nach verpflichtet, eine Altersrente für Frauen zu gewähren, müsste sie dies wegen § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X nur für 4 Jahre vor der Rücknahmeentscheidung tun. Dabei ist bei einer Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides auf Antrag das Antragsdatum entscheidend und (nach § 44 Abs. 4 S. 2 SGB X) vom Beginn des entsprechenden Jahres an zu rechnen. Für den vorliegenden Fall ergäbe dies nur einen Anspruch auf Zahlung der Altersrente für Frauen ab 01.01.2002. Dieser Zeitraum liegt außerhalb des beantragten Zeitraumes, zumal die Klägerin zu dieser Zeit bereits die mit Bescheid vom 17.06.1999 bewilligte Regelaltersrente bezogen hat.
Die auf die Hinweise des Berichterstatters des Senats zur weiteren Begründung der Berufung vorgebrachten Einwendungen sind rechtlich nicht haltbar und lassen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der einzig hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage vermissen. Für eine Gewährung der beantragten Altersrente für Frauen bedarf es im vorliegenden Fall erst der Beseitigung eines zwischen den Beteiligten bindenden Bescheides (nämlich des Bescheides vom 04.10.1994). Um dies zu erreichen, kann sich die Klägerin allein auf § 44 SGB X stützen. Auf dessen Rechtsfolgenseite ist das von der Klägerin angestrebte Ziel jedoch nicht (mehr) zu erreichen. Es trifft auch nicht zu, dass die Beklagte daran gehindert wäre, unzutreffende Entscheidungen auch nach Jahren noch zu korrigieren. Entscheidend ist allein, dass eine solche Korrektur nach dem Willen des Gesetzgebers über § 44 SGB X nur zu einem Ausgleich für die letzten vier Jahre vor der Verwaltungsentscheidung bzw. Antragstellung führen kann. Die rechtskundig vertretene Klägerin negiert bewusst die sich aus § 44 SGB X ergebenden Rechtsfolgen und deren Konsequenz für das vorliegende Verfahren. Hierauf wurde die Klägerin nicht nur in den Verfügungen des Berichterstatters sondern auch im Beschluss des Senats vom 01.09.2011 hingewiesen.
Soweit die Klägerin mit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand argumentiert, liegen diese Voraussetzungen ebenfalls nicht vor. Dass die Klägerin daran gehindert gewesen ist, ohne Verschulden eine gesetzliche Frist (§ 27 SGB X) oder eine gesetzlich Frist des Prozessrechts (§ 67 SGG) einzuhalten, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Schließlich geht es hier nicht um die Versäumung einer Antragsfrist sondern um die Revidierung einer bestandskräftigen Entscheidung der Beklagten. Hierfür sieht das Gesetz keine Fristen vor, die einzuhalten wären. Sofern die Klägerin eine Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist nach Bekanntgabe des Bescheides vom 04.10.1994 begehren sollte, steht dem im Übrigen § 67 Abs. 3 SGG entgegen, wonach der Antrag ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist unzulässig ist. Ein Fall der höheren Gewalt liegt im Übrigen insoweit nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht zunächst auf § 193 SGG und berücksichtigt insoweit den Ausgang des Verfahrens. Der Senat hat darüber hinaus im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Das Festhalten an der Berufung erfüllt angesichts der gemachten Hinweise den Tatbestand der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Maßstab ist nicht die konkrete subjektive Sicht der Klägerin, sondern die eines verständigen Beteiligten. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, 29.05.1996, 2 BvR 725/96 in Juris) und die wegen des übereinstimmenden Wortlautes und Zweckes beider Vorschriften auch hier heranzuziehen ist. Die offensichtliche Aussichtslosigkeit ergibt sich aus der - oben dargelegten - Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage, auf die der Senat mehrmals und zuletzt im Beschluss vom 01.09.2011 hingewiesen hat. Hierauf hat die Bevollmächtigte der Klägerin mit haltlosen Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an der Berufung festgehalten und auch innerhalb der nach Zustellung des ablehnenden Prozesskostenhilfebeschlusses gewährten Frist trotz des darin enthaltenen Hinweises auf die Missbräuchlichkeit keine weiteren Erklärungen mehr abgegeben. Das Verhalten ihrer Bevollmächtigten muss sich die Klägerin insoweit zurechnen lassen (vgl. § 192 Abs. 1 S. 2 SGG). Der Klägerin sind daher Kosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen. Angesichts der geringen Rente, welche die Klägerin bezieht, belässt es der Senat bei dem gem. § 192 Abs. 1 S. 3 iVm. § 184 Abs. 2 SGG genannten Mindestbetrag iHv. 225 EUR.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Klägerin werden Kosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Altersrente für Frauen im Zeitraum vom 19.07.1994 bis 31.07.1999.
Mit Bescheid vom 04.10.1994 lehnte die Beklagte (u.a.) die Gewährung einer Altersrente für Frauen ab, weil nach Vollendung des 40. Lebensjahres nicht mehr als 10 Jahre Pflichtbeitragszeiten nachgewiesen waren. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.
Regelaltersrente wurde der 1934 geborenen und in Griechenland lebenden Klägerin ab 01.08.1999 bewilligt (Bescheid vom 17.06.1999).
Einen Antrag der anwaltlich vertretenen Klägerin, die Entscheidungen vom 04.10.1994 und 17.06.1999 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu überprüfen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2006 ebenfalls bestandskräftig ab. Die erneute Überprüfung habe ergeben, dass die Bescheide rechtmäßig seien.
Mit Schreiben vom 23.10.2006 wies die Bevollmächtigte der Klägerin erneut auf Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld in Griechenland hin (09.03.1984 bis 08.08.1984) und machte geltend, dass mit den nunmehr nachgewiesenen Pflichtbeitragszeiten Rentenansprüche zu einem früheren Zeitpunkt bestanden hätten.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2008 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2009 zurück.
In dem anschließend vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) geführten Klageverfahren hat die Antragstellerin beantragt, ihr rückwirkend ab dem 19.07.1994 bis zur Gewährung der Regelaltersrente eine Altersrente für Frauen zu gewähren. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.07.2010 abgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Insoweit wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 03.01.2011, 14.03.2011, 23.05.2011, 12.07.2011, 08.08.2011 und 25.08.2011 verwiesen.
Die Klägerin beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Juli 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Rücknahme des Bescheides vom 04. Oktober 1994 Altersrente für Frauen für die Zeit vom 19. Juli 1994 bis 31. Juli 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 01.09.2011 hat der Senat den Antrag der Klägerin, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, abgelehnt.
Die Beteiligten wurden auf die Absicht des Senats, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, ebenso hingewiesen wie auf die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Senat beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf Akten des SG und des Senats verwiesen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Gemäß § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG beträgt die Berufungsfrist nur dann drei Monate, wenn das Urteil im Ausland zugestellt worden ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage, § 151, Rdn. 6). Die dem Gerichtsbescheid des SG Stuttgart beigefügte Rechtmittelbelehrung ist daher unzutreffend, weshalb die auf die Zustellung des Urteiles (04.10.2010) am 04.01.2011 eingegangene Berufung fristgemäß ist (§ 66 Abs. 2 SGG). Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen im Übrigen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Altersrente für Frauen im geltend gemachten Zeitraum hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 31.08.2011 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), nachdem die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 04.10.1994 keinen Widerspruch eingelegt hatte und die Entscheidung (die Ablehnung der Gewährung einer Altersrente für Frauen) bestandskräftig und damit zwischen den Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden war. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn und soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Beklagte bei Erlass der Entscheidung vom 04.10.1994 und unter Geltung der damaligen Rechtslage (vgl. BSG Urt. v. 01.12.1999, B 5 RJ 20/98 R in Juris) das Recht unrichtig angewandt hat, denn selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin unterstellen wollte, ergäbe sich keine für die Antragstellerin günstigere Entscheidung. Denn auch in diesem Fall könnte die Beklagte nicht zur Gewährung der Altersrente für den geltend gemachten Zeitraum verurteilt werden. § 44 Abs. 4 SGB X bestimmt, dass ein Anspruch auf Auszahlung der Rente nur für die letzten vier Jahre vor der Antragstellung (gerichtet auf die Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides) geltend gemacht werden kann. Wäre die Beklagte also auf den Antrag vom 15.06.2006 dem Grunde nach verpflichtet, eine Altersrente für Frauen zu gewähren, müsste sie dies wegen § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X nur für 4 Jahre vor der Rücknahmeentscheidung tun. Dabei ist bei einer Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides auf Antrag das Antragsdatum entscheidend und (nach § 44 Abs. 4 S. 2 SGB X) vom Beginn des entsprechenden Jahres an zu rechnen. Für den vorliegenden Fall ergäbe dies nur einen Anspruch auf Zahlung der Altersrente für Frauen ab 01.01.2002. Dieser Zeitraum liegt außerhalb des beantragten Zeitraumes, zumal die Klägerin zu dieser Zeit bereits die mit Bescheid vom 17.06.1999 bewilligte Regelaltersrente bezogen hat.
Die auf die Hinweise des Berichterstatters des Senats zur weiteren Begründung der Berufung vorgebrachten Einwendungen sind rechtlich nicht haltbar und lassen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der einzig hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage vermissen. Für eine Gewährung der beantragten Altersrente für Frauen bedarf es im vorliegenden Fall erst der Beseitigung eines zwischen den Beteiligten bindenden Bescheides (nämlich des Bescheides vom 04.10.1994). Um dies zu erreichen, kann sich die Klägerin allein auf § 44 SGB X stützen. Auf dessen Rechtsfolgenseite ist das von der Klägerin angestrebte Ziel jedoch nicht (mehr) zu erreichen. Es trifft auch nicht zu, dass die Beklagte daran gehindert wäre, unzutreffende Entscheidungen auch nach Jahren noch zu korrigieren. Entscheidend ist allein, dass eine solche Korrektur nach dem Willen des Gesetzgebers über § 44 SGB X nur zu einem Ausgleich für die letzten vier Jahre vor der Verwaltungsentscheidung bzw. Antragstellung führen kann. Die rechtskundig vertretene Klägerin negiert bewusst die sich aus § 44 SGB X ergebenden Rechtsfolgen und deren Konsequenz für das vorliegende Verfahren. Hierauf wurde die Klägerin nicht nur in den Verfügungen des Berichterstatters sondern auch im Beschluss des Senats vom 01.09.2011 hingewiesen.
Soweit die Klägerin mit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand argumentiert, liegen diese Voraussetzungen ebenfalls nicht vor. Dass die Klägerin daran gehindert gewesen ist, ohne Verschulden eine gesetzliche Frist (§ 27 SGB X) oder eine gesetzlich Frist des Prozessrechts (§ 67 SGG) einzuhalten, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Schließlich geht es hier nicht um die Versäumung einer Antragsfrist sondern um die Revidierung einer bestandskräftigen Entscheidung der Beklagten. Hierfür sieht das Gesetz keine Fristen vor, die einzuhalten wären. Sofern die Klägerin eine Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist nach Bekanntgabe des Bescheides vom 04.10.1994 begehren sollte, steht dem im Übrigen § 67 Abs. 3 SGG entgegen, wonach der Antrag ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist unzulässig ist. Ein Fall der höheren Gewalt liegt im Übrigen insoweit nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht zunächst auf § 193 SGG und berücksichtigt insoweit den Ausgang des Verfahrens. Der Senat hat darüber hinaus im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Das Festhalten an der Berufung erfüllt angesichts der gemachten Hinweise den Tatbestand der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Maßstab ist nicht die konkrete subjektive Sicht der Klägerin, sondern die eines verständigen Beteiligten. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, 29.05.1996, 2 BvR 725/96 in Juris) und die wegen des übereinstimmenden Wortlautes und Zweckes beider Vorschriften auch hier heranzuziehen ist. Die offensichtliche Aussichtslosigkeit ergibt sich aus der - oben dargelegten - Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage, auf die der Senat mehrmals und zuletzt im Beschluss vom 01.09.2011 hingewiesen hat. Hierauf hat die Bevollmächtigte der Klägerin mit haltlosen Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an der Berufung festgehalten und auch innerhalb der nach Zustellung des ablehnenden Prozesskostenhilfebeschlusses gewährten Frist trotz des darin enthaltenen Hinweises auf die Missbräuchlichkeit keine weiteren Erklärungen mehr abgegeben. Das Verhalten ihrer Bevollmächtigten muss sich die Klägerin insoweit zurechnen lassen (vgl. § 192 Abs. 1 S. 2 SGG). Der Klägerin sind daher Kosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen. Angesichts der geringen Rente, welche die Klägerin bezieht, belässt es der Senat bei dem gem. § 192 Abs. 1 S. 3 iVm. § 184 Abs. 2 SGG genannten Mindestbetrag iHv. 225 EUR.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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