L 9 U 2869/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 2413/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2869/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. März 2008 insoweit aufgehoben, als es die Beklagte verurteilt hat, eine gesundheitliche Beeinträchtigung in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 28. März 2005 anzuerkennen und dem Kläger aus Anlass dieses Unfalls eine Verletztenrente nach einer MdE im Grad von 30 v. H. seit 28. März 2005 zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anerkennung des Ereignisses vom 28.03.2005 als Arbeitsunfall, die Feststellung von Unfallfolgen sowie die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1963 geborene Kläger war seit Juli 1990 bei der S. AG als Omnibusfahrer beschäftigt. Ausweislich der Unfallanzeige der SSB vom 27.04.2005 lenkte er am frühen Morgen des 28.03.2005, dem Ostermontag, einen Omnibus der Linie 42 ab Schlossplatz in Richtung G., als ihm der einzige Fahrgast in eigenartiger Weise ansprach und ihm von in Linienbussen hochgegangenen Bomben erzählte. Der Mann hatte auf den Kläger den Eindruck erweckt, er sei eventuell bewaffnet und habe ihn mit diesen Andeutungen zwingen wollen, von seiner Linienstrecke abzuweichen und nach seinen Anweisungen zu fahren. Als der Kläger den Befehlen nicht Folge leisten wollte, sei der Fahrgast tätlich geworden. Dessen Schläge von außen in die Fahrerkabine habe der Kläger zum Teil abwehren können oder sei entsprechend ausgewichen. Hierbei sei der Bus zum Teil auch auf die Gegenfahrbahn geraten. Nachdem der Angreifer mitbekommen habe, dass der Kläger den installierten Überfallalarm abgesetzt habe, sei dieser beim Stopp an der Haltestelle Straußstaffel unter Ausstoß von Androhungen geflohen. Der Kläger fuhr nach Rücksprache mit der Leitstelle zunächst weiter, bis an der Haltestelle Hauptbahnhof ein Ablöser das Fahrzeug übernahm und der Kläger einer Polizeistreife zur Aufnahme des Vorkommnisses zur Verfügung stand.

Am Tattag stellte der Kläger nach dem Vorfall die Arbeit ein. Am nächsten Tag arbeitete er zunächst ab 03:50 Uhr, stellte die Arbeit wegen psychischer Folgen dann ein. Als Verletzung wurden in der Unfallanzeige Angstzustände angegeben. Die Frage nach verletzten Körperteile wurde verneint.

Am 10.05.2005 nahm der Kläger seine Tätigkeit nach der bis dahin dauernden Arbeitsunfähigkeit wieder auf. Die Beklagte (zunächst Berufsgenossenschaft der Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen - BG Bahnen -, die zum 01.01.2010 mit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft fusionierte, nunmehr Verwaltungs-BG) bat den Neurologen und Psychiater F., in dessen Behandlung sich der Kläger begeben hatte, um einen ausführlichen Bericht und die Veranlassung von probatorischen Therapiesitzungen bei einem Traumatherapeuten. Am 19.05.2005 nahm der Kläger einen Gesprächstermin bei der Dipl. Psychologin H.-K. vom DB-Service Stuttgart wahr und vereinbarte mit ihr, dass er sich bei ihr wieder melden würde, wenn er weiteren Gesprächsbedarf habe. Ein Mitarbeiter aus dem Bereich Berufshilfe/Heilverfahren bot dem Kläger persönlich Beratung an; der Kläger wollte hiervon jedoch keinen Gebrauch machen (Aktenvermerk vom 23.05.2005). Die Beklagte holte einen Zwischenbericht bei Dipl. Psychologin H.-K. vom 25.05.2005 ein und zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Betriebskrankenkasse (BKK) mhplus, beginnend ab 01.04.2002, bei. Darin sind u. a. Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 27.12.2002 bis 22.04.2003 wegen einer depressiven Episode, Anpassungsstörungen und einer mittelgradigen depressiven Episode sowie vom 27.10. bis 17.11.2003 wegen Anpassungsstörungen ausgewiesen.

Nachdem der Kläger der Beklagten am 17.05.2005 mitgeteilt hatte, sein behandelnder Neurologe und Psychiater F. habe eine stationäre Behandlung in die Wege geleitet, veranlasste die Beklagte ein beratungsärztliches Gespräch des Klägers bei dem Neurologen und Psychiater Dr. M ... Dieser führte unter dem 17.06.2005 aus, beim Kläger lägen Angstzustände und Schlafstörungen im Sinne einer Anpassungsstörung vor. Diese mischten sich mit wütend-aggressivem Verhalten und massiven Forderungen gegen den Versicherungsträger bei vorbestehender Persönlichkeitsstörung. Angesichts der ausgeprägten vorbestehenden Vulnerabilität des Klägers erscheine eine stationäre Behandlung sinnvoll, um einer weitergehenden Anspruchshaltung vorzubeugen.

Der Neurologe und Psychiater F. teilte unter dem 22.06.2005 mit, der Kläger habe sich nach dem Vorfall am 04.04.2005 erneut bei ihm vorgestellt; zuvor sei der Kläger in der Praxis Bloch/Aue behandelt worden, da er (F.) zur Zeit des Vorfalls in Urlaub gewesen sei. Er habe beim Kläger eine akute Belastungsreaktion als Reaktion auf die traumatisch erlebte Situation während seines Dienstes diagnostiziert. Der Kläger befinde sich seit längerer Zeit wegen einer Anpassungsstörung bei Veränderung am Arbeitsplatz mit längerer depressiver Reaktion bei Dipl. Psychologin H. in psychologischer Behandlung. Eine medikamentöse Therapie sei zuletzt nicht nötig gewesen, da sich das psychische Befinden des Klägers recht gut stabilisiert habe. Wegen der Ersterkrankung habe der Kläger eine Therapie in der Psychosomatischen Klinik Dr. R. absolviert.

Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Klinik Dr. R. vom 28.03.2003 (stationäre Behandlung vom 14.02. bis 28.03.2003; Diagnosen: Anpassungsstörung bei Arbeitsplatzkonflikt, kränkbare (narzisstische) Persönlichkeit, Sprunggelenksdistorsion mit I-Bandruptur) sowie das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Stuttgart, die Zeit vom 01.01.1985 bis 31.03.2002 betreffend (06. bis 07.11.1987 Alkoholabusus, Suizidversuch), bei und holte eine Auskunft bei der Dipl.-Psychologin H. vom 29.07.2005 ein.

Vom 28.06. bis 01.08.2005 sowie vom 16.08. bis 30.08.2005 befand sich der Kläger, der vom 27.05. bis 09.06.2005 Urlaub hatte, zu einem Heilverfahren in der Michael-Balint-Klinik. Der Leitende Oberarzt der Klinik H. K. nannte im Bericht vom 15.07.2005 (Begründung zum Antrag auf Verlängerung der stationären Behandlung) und im Entlassungsbericht vom 03.11.2005 als Diagnose eine posttraumatische Belastungsstörung.

Auf den Antrag der Balint-Klinik (Verlängerung bis 15.09.2005) verlängerte die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme bei Dr. M. vom 19.07.2005 (seines Erachtens sollte eine Abgrenzung von Vorschaden und Unfallfolgen erfolgen und das Heilverfahren um 14 Tage verlängert werden; weitere Behandlungsbedürftigkeit sollte zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse erfolgen) die ursprünglich vom 28.06.2005 bis 18.07.2005 dauernde Kostenzusage bis einschließlich 01.08.2005.

Die Beklagte beauftragte Prof. Dr. St. mit der Begutachtung des Klägers. Dieser gelangte im Gutachten vom 10.01.2006 unter Mitberücksichtigung eines psychologischen Zusatzgutachtens der Dipl. Psychologin M. zum Ergebnis, derzeit lägen beim Kläger keine auffälligen psychischen Befunde vor. Der Vorfall vom 28.03.2005 habe weder auf körperlichem noch auf neurologischem und auch nicht auf psychiatrischem Gebiet Folgen hinterlassen. Eine Gesundheitsstörung infolge des Vorfalls vom 28.03.2005 habe auch anfangs nicht bestanden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen Unfallfolgen liege nicht vor. Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet seien auch keine unfallunabhängigen Erkrankungen vorhanden.

Mit Bescheid vom 23.02.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 28.03.2005 ab. Zur Begründung führte sie aus, bei dem Ereignis vom 28.03.2005 sei der Unfallbegriff im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfüllt, weil es zu keinem Gesundheitsschaden gekommen sei. Eine konkrete, der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegende Diagnose, habe nicht erhoben werden können. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls lägen damit nicht vor. Der Gutachter Prof. Dr. St. sei zum Ergebnis gelangt, dass von Anfang an kein psychisches Beschwerdebild bestanden habe, das in einem Zusammenhang mit einem Ereignis vom 28.03.2005 stehe.

Hiergegen legte der Kläger am 17.03.2006 Widerspruch ein. Die BKK legte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 16.08.2006 vor, in dem der Psychiater Dr. B. ausführte, bei allen Schwierigkeiten einer diagnostischen Zuordnung sei davon auszugehen, dass es ohne das Ereignis vom 28.03.2005 nicht zu den von Dr. M., Dr. F. sowie der Michael-Balint-Klinik beschriebenen Beeinträchtigungen gekommen wäre. Er gehe diagnostisch am ehesten von einer sonstigen Reaktion auf eine schwere Belastung (F 43.8) aus. Die erwähnten Beeinträchtigungen rechtfertigten eine Arbeitsunfähigkeit für die Tätigkeit als Busfahrer. Bei dem geschilderten Überfall handle es sich um kein alltägliches Ereignis. Bis zu welchem Zeitpunkt Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe, könne den Unterlagen nicht zuverlässig entnommen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26.03.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, mit der er zuletzt die Anerkennung des Vorfalls vom 28.03.2005 als Arbeitsunfall, die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. ab 28.03.2005 begehrt hat.

Das SG hat den Neurologen und Psychiater Dr. P. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist im Gutachten vom 17.10.2007 zum Ergebnis gelangt, als Folge des Arbeitsunfalls vom 28.03.2005 liege beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung mit sozialen Isolierungstendenzen vor. Die MdE hierfür betrage 30 v. H. Arbeitsunfähigkeitszeiten hätten offensichtlich nicht über sechs Monate hinaus vorgelegen, sodass sich auch eine Staffelung der MdE nicht ergebe. Unfallunabhängig bestehe eine narzisstische Persönlichkeit mit sozialen Anpassungsstörungen.

Mit Urteil vom 20.03.2008 hat das SG den Bescheid vom 23.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Vorfall vom 28.03.2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen, eine gesundheitliche Beeinträchtigung in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung als dessen Folge festzustellen und dem Kläger aus Anlass dieses Unfalls eine Verletztenrente nach einer MdE im Grad von 30 v. H. seit 28.03.2005 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei dem streitgegenständlichen Vorgang handle es sich um einen Arbeitsunfall. Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls scheitere insbesondere nicht am Fehlen eines Gesundheitsschadens; ein solcher sei durch das Gutachten von Dr. P. nachgewiesen. Zur Überzeugung des SG liege eine psychische Beeinträchtigung in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung vor und sei als gesundheitliche Beeinträchtigung festzustellen. Das SG schließe sich dem Gutachten von Dr. P. an. Die von ihm vorgenommene MdE-Einschätzung sei schlüssig und nachvollziehbar, da eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einer MdE zwischen 20 und 40 einzuschätzen sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 23.05.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.06.2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, ihres Erachtens könne dem Gutachten von Dr. P. nicht gefolgt werden. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung erscheine insbesondere unter Berücksichtigung des Hergangs des Vorfalles unzutreffend, da das sogenannte Eingangskriterium A1 der international anerkannten Diagnosekriterien (ICD 10 und DSM IV) nicht erfüllt sei, weil es sich nicht um eine Situation außergewöhnlicher Belastung oder katastrophenartigen Ausmaßes gehandelt habe, die bei fast jedem tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (wie z. B. Kriegserlebnisse, Folter, Geiselnahme, Vergewaltigung usw.). Hierzu werde auf die Vorgangsschilderung des Klägers gegenüber der Polizei verwiesen. Zweifelhaft erscheine weiterhin, ob die psychische Beeinträchtigung des Klägers nach dem Vorfall unmittelbar aus dem Geschehensablauf und der dabei subjektiv empfundenen Bedrohungssituation entstanden sei oder ob diese nicht eher auf einer erneuten Enttäuschung über die mangelnde Unterstützung des Arbeitgebers bzw. der Vorgesetzten und Kollegen im Anschluss an das Geschehen zurückzuführen sei, zumal die Arbeitssituation des Klägers schon lange zuvor als belastend empfunden worden sei. Es sei von Dr. P. nicht nachvollziehbar dargelegt worden, weshalb in Anbetracht der nachweislich schon vor dem oben angegebenen Vorfall vorhandenen psychischen und sozialen Probleme dem am 28.03.2005 hinzugetretenen Ereignis die Bedeutung einer rechtlich wesentlichen Ursache für die danach vorhandenen Gesundheitsstörungen zukomme. Im Gegensatz zu dem von Prof. Dr. St. eingeholten Gutachten seien von Dr. P. auch keine testpsychologischen Untersuchungsverfahren zur Objektivierung und Quantifizierung etwaig bestehender psychischer Beeinträchtigungen mit anschließender kritischer Kausalitätsprüfung/-beurteilung durchgeführt worden. Im Hinblick auf die prämorbide Persönlichkeit des Klägers, bei dem schon vor dem streitgegenständlichen Ereignis erhebliche Arbeitsplatz- und Partnerschaftskonflikte bestanden hätten, erstaune es, dass konkurrierende Belastungsfaktoren und deren Einfluss auf die psychische Befindlichkeit des Klägers nicht diskutiert und als Mitursachen in Betracht gezogen worden seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. März 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger erwidert, das SG habe zu Recht den Vorgang vom 28.03.2005 als Arbeitsunfall anerkannt, eine psychiatrische Beeinträchtigung in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge dieses Vorfalls festgestellt und die Beklagte verurteilt, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren. Bereits aus seiner Unfallschilderung in der Unfallanzeige vom 27.04.2005 werde ersichtlich, dass er sich am 28.03.2005 in einer Situation äußerster Bedrohung befunden habe. Angesichts dessen sei unverständlich, warum diese Situation nicht als außergewöhnliche Belastung empfunden und angesehen werden solle. Insofern spreche eine lebensnahe Betrachtung dafür, dass eine psychische Beeinträchtigung unmittelbar aus dem Geschehensablauf resultiere. Dr. P. sei in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar zum Ergebnis gelangen, dass der Vorfall vom 28.03.2005 rechtlich wesentliche Ursache für die bei ihm aufgetretene Gesundheitsstörung sei. Die bei ihm aufgetretenen Symptome entsprächen den typischen posttraumatischen Belastungs-störungssymptomen.

Der Senat hat Dr. Sch., Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Im Gutachten vom 22.05.2009 hat Dr. Sch. ausgeführt, für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nach dem ICD-10 fünf Kriterien definiert, die jeweils obligat erfüllt sein müssen. Das A- oder Belastungskriterium verlange, dass der Betroffene einem kurz oder lang anhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt gewesen sei, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Gehe man von der Darstellung in der Geschädigtenvernehmung vom 28.03.2005 aus, sei schon sehr fraglich, ob der Vorfall so außergewöhnlich oder katastrophal gewesen sei. Nach hiesigen klinischen Erfahrungen auch mit Verbrechensopfern sei der Tathergang eher nicht geeignet, auch bei psychisch überdurchschnittlich robusten Menschen tiefgreifende Verzweiflung auszulösen. Das C- oder Vermeidungskriterium verlange, dass Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, tatsächlich wieder möglichst vermieden werden. Das von der Balint-Klinik beschriebene Vermeidungsverhalten - Vermeidung, alleine zu Fuß unterwegs zu sein, Türen und Fenster zu Hause verschlossen zu halten - erfülle das Vermeidungskriterium sicher nicht. Seinen Arbeitsplatz als Busfahrer, also die konkrete Situation, in der es zur Belastung gekommen sei, suche der Kläger werktäglich auf, ohne dass sich hier irgendein Hinweis auf Vermeidung finde. Nun berichte der Kläger, dass er die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel soweit als möglich meide, weil er befürchte, als Fahrgast in eine gefährliche Situation verwickelt zu werden. Dieses Sicherungsverhalten sei nach hiesiger Einschätzung im gleichen Kontext zu sehen wie das Schließen von Fenstern und Türen oder auch die Anfertigung eines neuen Haarschnitts bzw. das Lasern der Augen, um - mit anderem Haarschnitt und ohne Brille - vom Täter nicht erkannt zu werden. Dieses Verhalten sei im Sinne eines Sicherungsverhaltens bei bestehenden paranoid-ähnlichen Gedanken und ständiger Alarmbereitschaft, wie es in der Balint-Klinik beschrieben worden sei, zu sehen. Ein konsistentes Vermeidungsverhalten, wie es durch das Schädigungsereignis konditioniert worden wäre, könne hierin nicht erkannt werden. Das E- oder Zeitkriterien verlange, dass die charakteristische Psychopathologie innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis aufgetreten sein müsse. Wie oben bereits dargestellt, sei nach hiesiger Einschätzung das A- oder Belastungskriterium ebenso wenig erfüllt wie das C- oder Vermeidungskriterium. Vor diesen Hintergrund könne auch das Zeit-Kriterium nicht erfüllt sein. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass drei von fünf obligaten Kriterien für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt seien und daher diese Diagnose beim Kläger nicht gestellt werden könne. Gleichzeitig bestehe aus hiesiger Sicht kein Zweifel daran, dass der Kläger durch das in Rede stehende Ereignis eine erhebliche psychische Belastung erfahren habe. Diese manifestiere sich gegenwärtig in den vom Kläger plausibel beschriebenen Albträumen und Sicherungsverhaltensweisen. Nach ICD-10 sei dieses Syndrom der Kategorie der sonstigen Reaktion auf schwere Belastung (ICD-10: F 43.8) zuzuordnen.

Zum Zeitpunkt der hiesigen gutachterlichen Untersuchung habe sich weiterhin noch das Bild eines leichtgradigen depressiven Syndroms mit leicht gedrückter Stimmungslage und dysthym-morosem Affekt bei erheblicher Reizbarkeit ergeben. Als zusätzliche Diagnose sei deswegen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode, zu stellen. Beim Kläger sei zu berücksichtigen, dass bereits vor dem in Rede stehenden Schädigungsereignis manifeste psychische Auffälligkeiten bestanden hätten. In diesem Zusammenhang sei die Persönlichkeitsstörung des Probanden zu berücksichtigen, die bereits in der R.-Klinik im Jahr 2003 diagnostiziert worden sei. Die von hiesiger Seite diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen passiv-aggressiven Zügen sei als schädigungsunabhängig vorbestehend zu bezeichnen. Diese Persönlichkeitsstörung bestimme nachhaltig die weitere Auseinandersetzung mit jedweden Autoritäten, seien es Vorgesetzte oder die BG. Auch depressive Störungen seien bereits vor dem in Rede stehenden Schädigungsereignis diagnostiziert wurde. Die gegenwärtig zu diagnostizierende rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichtgradiger depressiver Episode sei ebenfalls als schädigungsunabhängig vorbestehend einzuschätzen.

Hingegen sei die beim Kläger festzustellende sonstige Reaktion auf schwere Belastung mit Albträumen und dem oben beschriebenen Sicherungsverhalten Folge des Schädigungsereignisses. Dies sei erst einmal in naturwissenschaftlichem Sinne der Fall, da es ohne das Schädigungsereignis nicht zu dieser gesundheitlichen Folge hätte kommen können. Darüber hinaus stehe das Schädigungsereignis in einem spezifischen inneren Zusammenhang mit den Albträumen und dem Sicherungsverhalten, so dass das Schädigungsereignis als wesentliche Mitursache einzuschätzen sei. Neben dem Schädigungsereignis hätten unzweifelhaft auch die schädigungsunabhängig vorbestehende Persönlichkeitsstörung als auch die rezidivierende depressive Störung bei der Entstehung dieser Belastungsreaktion mitgewirkt. Dem Schädigungsereignis komme jedoch aufgrund seiner spezifischen Wirksamkeit der Status einer wesentlichen Mitursache zu.

Bei der Beurteilung der MdE sei zu beachten, dass die schädigungsunabhängig bestehenden Erkrankungen - die kombinierte Persönlichkeitsstörung und die rezidivierende depressive Störung - bereits zu funktionellen Beeinträchtigungen hinsichtlich der sozialen Kompetenz und der Affektregulation geführt hätten. Die hier als schädigungsbedingt eingeschätzte sonstige Reaktion auf schwere Belastung manifestiere sich in wiederkehrenden Albträumen (zwei- bis viermal pro Woche) und objektiv unangemessenem Sicherungsverhalten (Schließen von Fenstern und Türen, hypervigilantes Reagieren auf Menschen, die dem Täter ähnlich sehen). Die hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen seien bezogen auf die Gesamtheit des Erwerbslebens von geringem Umfang. Die schädigungsbedingten Störungen seien der Kategorie der "Belastungsstörung mit emotionaler Einschränkung der Lebens- und Gestaltungsfähigkeit in geringem Ausmaß" bzw. der Kategorie der psychoreaktiven Störungen mit vegetativer Symptomatik ohne wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zuzuordnen. Nach der unfallmedizinischen Literatur sei die schädigungsbedingte MdE mit 10 v. H. einzuschätzen. Nach hiesiger Einschätzung sei retrospektiv Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Arbeitsunfalls vom 28.03.2005 bis zum Ende der zweiten stationären psychosomatischen Behandlung in der Michael-Balint-Klinik (30.08.2005) anzunehmen.

Auf der Grundlage des Gutachtens hat die Beklagte (damals BG Bahnen) am 01.07.2009 folgenden Vergleichsvorschlag unterbreitet: 1. Das Ereignis vom 28.03.2005 wird als Arbeitsunfall anerkannt. Als Unfallfolge wird eine "sonstige Reaktion auf schwere Belastung (ICD-10: F 43.8)" mit Albträumen und Sicherungsverhalten festgestellt. 2. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestand vom 28.03.2005 bis 30.08.2005. Eine weitere Behandlungsbedürftigkeit aufgrund des Arbeitsunfalls liegt über den genannten Zeitraum nicht vor. 3. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen der Unfallfolgen ab dem 01.09.2005 beträgt 10 %. 4. Die dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen werden zur Hälfte übernommen.

Diesen Vergleichsvorschlag hat der Kläger abgelehnt und eine Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters F. vom 08.10.2009 vorgelegt. Darin hat dieser den Verlauf des Verfahrens dargelegt und ausgeführt, nachdem das SG die Beklagte verurteilt hatte, habe sich der Kläger erleichtert gefühlt, dass seine Beschwerden, Klagen, Schlafstörungen und innere Unruhe nicht nur eingebildet seien, sondern einen realen Hintergrund hätten und es sich bei dem Überfall um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Als die BG gegen dieses Urteil Berufung eingelegt habe, habe er sich hintergangen, betrogen und allein gelassen gefühlt. Es seien eine noch stärkere Verbitterung, eine dysphorisch morose Verstimmung und zeitweise seien auch depressive Zustände mit suizidalen Impulsen aufgetreten. Er habe den Kläger aufgrund dieser Situation arbeitsunfähig schreiben müssen. Durch das Berufungsverfahren und die unfreiwillige Beschäftigung mit dem Vorfall werde die psychische Stabilität des bereits psychisch labilisierten Klägers torpediert. Seines Erachtens lägen die Faktoren einer posttraumatischen Belastungsstörung vor, wie sich auch aus dem Arztbrief der Balint-Klinik vom 10.10.2005 ergebe. Die prämorbiden Persönlichkeitsfaktoren könnten die Schwelle für die Symptom-entwicklung senken und so zur Verstärkung des Verlaufs beitragen. Dies sei im Gutachten von Prof. Dr. St. nicht berücksichtigt, so dass sich der ganze Verhandlungsprozess (gemeint wohl: Behandlungsprozess) verlängert habe und erschwert worden sei und sich unnötiger Weise schon vier Jahre hinziehe.

Der Senat hat den Arztbrief der Sonnenbergklinik vom 03.08.2010 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 29.04. bis 15.07.2010 beigezogen. Darin haben die dortigen Ärzte folgende Diagnosen gestellt: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Zügen, posttraumatische Belastungsstörung, rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelgradig. Sie führten aus, der Kläger habe zunächst seine depressive Symptomatik und die Schlafstörungen in den Vordergrund gestellt. Er habe "keinen Bock zu nichts", verstärkt seit Oktober letzten Jahres (2009); seitdem sei er arbeitsunfähig. Die Ärzte führten aus, die aktuelle depressive Dekompensation sei nach dem Scheitern der dritten ehelichen Beziehung des Klägers mit Trennungsfolge erfolgt. Bei sicherlich vorbestehend eingeschränktem Selbstwertgefühl und deutlich erhöhter Kränkbarkeit habe dies zu einer monatelangen Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der depressiven Entwicklung und zu einem nahezu vollständigen psychosozialen Rückzug geführt. Bezüglich des die Dynamik sicher verkomplizierenden traumatischen Erlebens im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Busfahrer bei einem Busüberfall bestünden aktuell Flashbacks, die überwiegend in triggernden Auslösesituationen aufträten, und gelegentlich Albträume sowie im Rahmen seiner Busfahrertätigkeit ein vom Kläger beschriebenes erhöhtes Anspannungs- und Erregungsniveau. Es sei daher zusätzlich von einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen. Allerdings seien schon vor dem Ereignis dissoziale Tendenzen in der Jugend, Beziehungsschwierigkeiten mit Mobbingerlebnissen beschrieben worden, weswegen eine verhaltenstherapeutische Behandlung durchgeführt worden sei. Das traumatisierende Ereignis habe so offensichtlich auf dem Boden einer Persönlichkeitsstruktur mit vulnerablen Zügen bezüglich Selbstwertempfinden, Kränkungserleben und Beziehungsschwierigkeiten stattgefunden. Eine Externalisierung seitens des Klägers ausschließlich auf das Überfallserlebnis stehe sicherlich auch unbewusst im Dienste der Abwehr im Sinne einer intra-psychischen Entlastung. Wenngleich das Überfallereignis sicherlich einen Einschnitt dargestellt und eine negative Auswirkung auf die persönliche Entwicklung des Klägers zur Folge gehabt habe, habe seine bewusste Fokussierung ausschließlich auf das Unfallereignis als Ursache seiner Lebensschwierigkeiten eine Abwehr im psychotherapeutischen Prozess dargestellt. Im Zusammenhang mit dem Überfallereignis und den nachfolgenden und wohl auch anstehenden gutachterlichen Stellungnahmen habe der Kläger wiederholt Gewaltfantasien bis hin zum erweiterten Suizid geäußert, falls seine nachhaltige Beschädigung durch das Überfallereignis nicht anerkannt werde. Bezüglich der depressiven Symptomatik habe sich der Kläger im stationären Rahmen stabilisieren können. Diese sei rückläufig gewesen, wenngleich sie weiterhin in geringem Ausmaß bestanden habe.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch teilweise begründet. Mit dem angefochtenen Urteil hat das SG zu Unrecht eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Arbeitsunfall vom 28.03.2005 festgestellt und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Verletztenrente zu gewähren. Dagegen hat das SG zu Recht festgestellt, dass es sich bei dem Vorfall vom 28.03.2005 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2007 hat die Berufsgenossenschaft der Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen (BG, die mit der Verwaltungs-BG fusioniert hat, generell Beklagte) schon die Anerkennung des Ereignisses vom 28.03.2005 als Arbeitsunfall abgelehnt und in der Begründung ausgeführt, dass von Anfang an kein psychisches Beschwerdebild bestanden habe, das in einem Zusammenhang mit dem Ereignis vom 28.03.2005 stehe. Im Widerspruchsbescheid hat sie ergänzend ausgeführt, selbst wenn das Ereignis vom 28.03.2005 als Arbeitsunfall anerkannt werden würde, wäre das psychische Beschwerdebild nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich auf diesen Vorfall zurückzuführen. Da die Beklagte schon das Vorliegen eines Arbeitsunfalls sowie von Folgen dieses Ereignisses bzw. von Folgen eines unterstellten Arbeitsunfalls abgelehnt hat, hat sie über einzelne Leistungen, insbesondere über die Gewährung einer Verletztenrente, gar nicht entschieden. Somit liegt ein Verwaltungsakt über die Gewährung von Verletztenrente bisher nicht vor. Insoweit fehlt es schon an dem gemäß § 54 Abs. 1 SGG erforderlichen Verwaltungsakt, durch den der Kläger insoweit beschwert sein könnte. Die mit der Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalls verbundene Feststellung "die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass der Ereignisses vom 28.03.2005 wird abgelehnt" stellt keine Entscheidung über die Verletztenrente dar, da die Beklagte eine diesbezügliche Überprüfung nicht vorgenommen hat und von ihrem Rechtsstandpunkt auch nicht vornehmen musste. Mangels einer entsprechenden Entscheidung über eine Verletztenrente ist eine Leistungsklage auf Gewährung von Verletztenrente nicht zulässig. Insoweit hätte das SG die Klage als unzulässig abweisen müssen.

Mit seiner Klage kann ein Versicherter in einem solchen Fall zulässigerweise lediglich die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sowie die Feststellung begehren, ob eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist (BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 m.w.N.; SozR 4-2700 § 8 Nr. 23 und BSG, Urteil vom 17.02.2007 - B 2 U 18/07 - in Juris).

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründete Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (s. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07/R - in Juris m. w. N.).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls und ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (aaO Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Im Urteil vom 9.5.2006 (aaO Rdnr. 21) hat das BSG keinen Zweifel daran gelassen, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung auch uneingeschränkt auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfällen und psychischen Störungen anzuwenden ist, die nach Arbeitsunfällen in vielfältiger Weise auftreten können. Die Feststellung der psychischen Störung sollte angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglichen Schu-lenstreiten aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen. Denn je genauer und klarer die beim Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG aaO Rdnr. 22). Das BSG hat im Weiteren darauf hingewiesen, dass es wegen der Komplexität von psychischen Gesundheitsstörungen im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel des Inhalts gebe, dass bei fehlender Alternativursache (etwa wenn eine Vorerkrankung oder Schadensanlage nicht nachweisbar sind) die versicherte naturwissenschaftliche Ursache (also die Einwirkung durch den Arbeitsunfall, festgestellt auf der ersten Stufe der Ursächlichkeitsprüfung) damit auch automatisch zu einer wesentlichen Ursache (im Sinne der Ursächlichkeitsprüfung auf der zweiten Stufe) wird. Dies würde angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren zu einer Umkehr der Beweislast führen, für die keine rechtliche Grundlage erkennbar sei (BSG aaO Rdnr. 39). Andererseits schließt aber eine "abnorme seelische Bereitschaft" die Annahme der psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht aus. Wunschbedingte Vorstellungen sind aber als konkurrierende Ursachen zu würdigen und können der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Reaktion entgegenstehen (BSG aaO Rdnr. 37 und 38).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Unfallfolge. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund einer Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Ausführungen von Dr. B. im sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 16.08.2006, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, sowie des Sachverständigengutachtens von Dr. Sch. vom 22.05.2009 sowie unter Zugrundelegung der anzuwendenden internationalen Qualifikation ICD-10-GM 2011, F43.1 bzw. DMS-IV-TR 309.81.

Nach der nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (aaO) anzuwendenden internationalen Klassifikation gemäß ICD-10-GM 2011, F43.1 bzw. DMS-IV-TR 309.81 entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z. B. zwanghafte oder asthenische Züge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsveränderung über.

Zusammengefasst ergeben sich damit fünf diagnostische Kriterien (im Folgenden A bis F), die jeweils obligat erfüllt sein müssen (vgl. DMS-IV-TR.309.81).

Das A- oder Trauma-Kriterium verlangt, dass der Betroffene mit einem extrem traumatischen Ereignis konfrontiert wird, welches den tatsächlichen oder drohenden Tod oder die schwere Verletzung oder eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhaltete. Als solche traumatische Erfahrungen werden kriegerische Auseinandersetzungen, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person (Vergewaltigung, körperlicher Angriff, Raubüberfall, Straßenüberfall, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Naturkatastrophen, schwere Autounfälle) genannt (Kriterium A1). Die Reaktion des Betroffenen auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kriterium A2).

Das B- oder Wiedererlebens-Kriterium verlangt, dass es bei dem Betroffenen zu wiederkehrenden und eindringlichen belastenden Erinnerungen oder Wiedererleben durch aufdringliche Nachhallerinnerungen tagsüber oder nachts in Form von Albträumen kommt.

Das C- oder Vermeidungs-Kriterium verlangt, dass der Betroffene Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen, tatsächlich oder möglichst vermeidet.

Das D- oder Hypersensibilitäts-Kriterium verlangt das Vorliegen von mindestens zwei Symptomen erhöhter psychischer Sensibilität wie Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten, übermäßige Wachsamkeit und übertriebene Schreckreaktion.

Das E- oder Zeit-Kriterium verlangt, dass das Störungsbild (Symptome unter Kriterium B, C und D) länger als ein Monat dauert. Die Symptome beginnen normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma. Von einem verzögerten Beginn ist die Rede, wenn der Beginn der Symptome mindestens sechs Monate nach dem Belastungsfaktor liegt.

Nach dem Kriterium F verursacht das Störungsbild in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht erfüllt. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat insbesondere aufgrund des Gutachtens von Dr. Sch. vom 22.05.2009 sowie des im Wege des Urkundenbeweises verwerteten sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. B. vom 16.08.2006. Der Senat vermag schon nicht festzustellen, dass es sich bei dem Verhalten des Fahrgastes gegenüber dem Kläger um ein derart extrem traumatisches Ereignis gehandelt hat, das mit Ereignissen wie gewalttätigen Angriffen, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folter, Kriegsgefangenschaft und einem schweren Autounfall gleichgesetzt werden kann. Auch ist der Senat - ebenso wie Dr. Sch. - nicht davon überzeugt, dass dieses Ereignis bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorgerufen hätte. Darüber hinaus ist auch nicht feststellbar, dass dieses Ereignis beim Kläger zu intensiver Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen geführt hat. Vielmehr hat der Kläger ausweislich der Geschädigtenvernehmung angegeben, als der Fahrgast angefangen habe, von der Bombe zu reden, habe er sofort den Überfallknopf gedrückt und sich auch den Wünschen des Fahrgastes widersetzt, eine andere Fahrtroute einzuschlagen und Schläge des Fahrgastes abgewehrt. Dies spricht gegen eine intensive Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen.

Zu Recht hat Dr. Sch. auch das Vorliegen des C- oder Vermeidungskriteriums verneint. Zwar hat der Kläger nach dem Bericht der Balint-Klinik ein Vermeidungsverhalten - Vermeidung, allein zu Fuß unterwegs zu sein, Türen und Fenster zu Hause verschlossen halten, neuer Haarschnitt, Lasern der Augen, um vom Täter nicht erkannt zu werden - gezeigt und war in ständiger Alarmbereitschaft. Seinen Arbeitsplatz hat er jedoch nach der vom 28.03. bis 09.05.2005 dauernden Arbeitsunfähigkeit wieder aufgesucht und war ab 10.05.2005 bis Oktober 2009, einer erneuten psychischen Dekompensation nach Scheitern seiner dritten Ehe, als Busfahrer beschäftigt.

Da das A- und C-Kriterium sowie das Zeit- bzw. E-Kriterium beim Kläger nicht vorliegen, hat Dr. Sch. schlüssig und nachvollziehbar die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht gestellt. Gleichzeitig hat er jedoch dargelegt, dass der Kläger durch das Ereignis erheblich psychisch belastet wurde. Diese Belastung manifestiert sich in Albträumen und Sicherungsverhaltensweisen. Nach ICD-10 ist dieses Syndrom als sonstige Reaktion auf schwere Belastung (ICD-10: F43.8) zu diagnostizieren, wie dies Dr. Sch. und Dr. B. übereinstimmend getan haben. Ferner liegen beim Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen/passiv-aggressiven Zügen (ICD-10: F61.0) sowie eine rezidivierende depressive Störung, die zur Zeit der Untersuchung bei Dr. Sch. leichtgradig war (ICD-10: F33.0) vor.

Die beim Kläger vorliegende kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen/passiv-aggressiven Zügen ist schädigungsunabhängig und bestand schon vor dem Ereignis vom 28.03.2005. Diese Persönlichkeitsstörung bestimmt nachhaltig die weitere Auseinandersetzung mit jedweder Autorität, seien es Vorgesetzte oder die Beklagte, wie Dr. Sch. nachvollziehbar dargelegt hat. Auch depressive Verstimmungen lagen bereits vor dem Schädigungsereignis vor. Depressive Verstimmungen waren während der Behandlung in der R.-Klinik von Februar bis März 2003 festgestellt worden. Auch noch später fanden Krankschreibungen wegen depressiver Episoden statt. Die bei der Untersuchung durch Dr. Sch. zu diagnostizierende rezidivierende depressive Störung mit leichtgradiger depressiver Episode ist als schädigungsunabhängig einzuschätzen. Depressive Erkrankungen resultieren in der Regel aus einem multitfaktoriellen Beziehungsgeflecht, wobei neben genetischen Faktoren auch die frühen Sozialisationsbedingungen und etwaige komorbide psychische Erkrankungen kausal relevant sind. Beim Kläger kommen als ursächlich für die depressive Erkrankung die problematischen Sozialisationsbedingungen mit broken-home-Konstellationen, die jugendliche Delinquenz und die mehrjährige Heimerziehung in Betracht. Auch die Persönlichkeitsstörung ist ein Kausalfaktor, der die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von depressiven Verstimmungen nachhaltig erhöht.

Die sich nicht zuletzt aufgrund der Persönlichkeitsstörung des Klägers schwierig gestaltende Auseinandersetzung mit der Beklagten stellt für sich genommen eine wesentliche Quelle der psychischen Belastung, der Verbitterung und Wut des Klägers dar. So steht zwar auch die von Dr. Sch. diagnostizierte Depressivität in unmittelbarem Zusammenhang mit dem für den Kläger bisher frustran verlaufenden Ringen um Anerkennung seines Opferstatus durch die Beklagte. Der Konflikt mit der Beklagten ist jedoch nicht wesentlich ursächlich auf das Schädigungsereignis zurückzuführen, sondern auf die Erwartungshaltung des Klägers, in dem von ihm gewünschten Ausmaß als Unfallopfer anerkannt zu werden. Damit sind die gegenwärtigen depressiven Verstimmungen nicht wesentlich durch das Schädigungsereignis verursacht.

Die beim Kläger vorliegende sonstige Reaktion auf schwere Belastung mit Albträumen und dem oben beschriebenen Sicherungsverhalten ist dagegen Folge des Schädigungsereignisses. Dies ist zuerst einmal im naturwissenschaftlichen Sinne der Fall, d. h. ohne das Schädigungsereignis wäre es nicht zu dieser gesundheitlichen Folge gekommen. Darüber hinaus steht das Schädigungsereignis in einem spezifischen Zusammenhang mit den Albträumen und dem Sicherungsverhalten, so dass das Schädigungsereignis als wesentliche Mitursache anzusehen ist. Neben dem Schädigungsereignis wirkte unzweifelhaft auch die schädigungsunabhängig vorbestehende Persönlichkeitsstörung als auch die depressive Störung mit bei der Entstehung der Belastungsreaktion. Dem Schädigungsereignis kommt jedoch aufgrund seiner spezifischen Wirksamkeit der Status einer wesentlichen Mitursache zu.

Unabhängig davon, dass die Klage auf Gewährung einer Verletztenrente nicht zulässig ist, weist der Senat zur Vermeidung weiteren unnötigen Streits darauf hin, dass Dr. Sch. nachvollziehbar begründet hat, warum eine rentenberechtigende MdE beim Kläger nicht vorliegt. Bei der Beurteilung der MdE ist nämlich zu beachten, dass die schädigungsunabhängig bestehenden Erkrankungen - die kombinierte Persönlichkeitsstörung und die rezidivierende depressive Störung - bereits zu funktionellen Beeinträchtigungen hinsichtlich der sozialen Kompetenz und der Affektregulation geführt hatten. Die schädigungsbedingt vorliegende sonstige Reaktion auf schwere Belastung manifestiert sich in wiederkehrenden Albträumen (zwei- bis viermal pro Woche) und objektiv unangemessenem Sicherungsverhalten (Schließen von Fenstern und Türen, hypervigilantes Reagieren auf Menschen, die dem Täter ähnlich sehen). Die hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen sind bezogen auf die Gesamtheit des Erwerbslebens von geringem Ausmaß, bedingen unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur lediglich eine MdE um 10 v. H. und führen somit zu keiner rentenberechtigenden MdE.

Der Beurteilung von Dr. P. hinsichtlich der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung schließt sich der Senat nicht an, weil er sich nicht im Einzelnen mit allen Faktoren, insbesondere dem ursprünglich beschriebenen Tathergang, auseinandergesetzt hat und deren Vorliegen nicht nachvollziehbar begründet hätte. Der Einschätzung der MdE durch Dr. P. folgt der Senat nicht, weil er sich nicht im Einzelnen damit auseinandersetzt, welche Störungen unfallbedingt sind und welche nicht.

Durch die Stellungnahme des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie F. vom 08.10.2009 wird das Gutachten von Dr. Sch. nicht erschüttert, zumal der Psychiater F. sich mit den Ausführungen im Gutachten gar nicht auseinandersetzt. Auch aus dem Entlassungsbericht der Sonnenbergklinik vom 03.08.2010 ergibt sich nichts, was das Gutachten von Dr. Sch. in Frage stellen würde. Zwar wird dort die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung genannt und damit begründet, dass nach einem Busüberfall Flashbacks bestünden, die überwiegend in triggernden Auslösesituationen aufträten und gelegentlich Albträume sowie im Rahmen der Busfahrertätigkeit ein erhöhtes Anspannungs- und Erregungsniveau vorlägen. Diese Umstände hat der Kläger auch Dr. Sch. gegenüber geschildert und hat dieser bei seiner Beurteilung berücksichtigt. Darüber hinaus erfolgte die depressive Dekompensation, die zu dem stationären Aufenthalt in der Sonnenbergklinik führte, über vier Jahre nach dem schädigenden Ereignis und nach dem Scheitern der dritten ehelichen Beziehung des Klägers. Bei Entlassung aus der stationären Behandlung war die depressive Symptomatik rückläufig, auch wenn sie noch in geringem Ausmaß bestand. Da die depressive Symptomatik, wie Dr. Sch. nachvollziehbar dargelegt hat, schädigungsunabhängig ist und darüber hinaus für die psychische Dekompensation nicht das Unfallereignis, sondern das Scheitern der Ehe wesentliche Ursache war, ergeben sich daraus keine neuen Gesichtspunkte.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt worden ist, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 28.03.2005 festzustellen und dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. ab 28.03.2005 zu gewähren.

Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen. Denn mit dem angefochtenen Urteil hat das SG zu Recht die angefochtenen Bescheide abgeändert und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 28.03.2005 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Dies bestreitet die Beklagte auch nicht mehr, wie in dem Vergleichsangebot vom 01.07.2009 zum Ausdruck gekommen ist. Darüber hinaus dürfte auch im Hinblick auf das Gutachten von Dr. Sch. vom 22.05.2009 - und das sozialmedizinische Gutachten von Dr. B. vom 16.08.2006 - nicht mehr streitig sein, dass der Arbeitsunfall vom 28.03.2005 zu einer sonstigen Reaktion auf schwere Belastung mit Albträumen und Sicherungsverhalten geführt hat, was die Beklagte ebenfalls im Vergleichs-angebot vom 01.07.2009 eingeräumt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klage des Klägers und die Berufung der Beklagten jeweils teilweise Erfolg hatten.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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