Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 80/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 88/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (ICD-10; DSM IV) erforderlich.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1962 geborene Kläger erlitt am 30.04.1994 bei seiner Tätigkeit als Feuerwehrmann bei der US-Armee in V. einen Arbeitsunfall. Der Feuerwehrpanzer, in dem sich der Kläger mit einem weiteren Feuerwehrmann befand, war nach dem Durchbrechen eines Erdwalls abgekippt und hart am Boden aufgetroffen. Röntgenologisch wurde eine Brustwirbelkörper (BWK) 11- und 12-Fraktur mit Höhenminderung der Vorderkante des BWK 12 festgestellt.
Am 07.08.1995 erstellte die Unfallklinik M. ein neurologisches Gutachten. Auf nervenärztlichem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen festzustellen, insbesondere keine begleitende Verletzung der Strukturen des Spinalkanals. Die MdE wurde mit 0 v. H. eingeschätzt. Chirurgisch wurden im Gutachten der Unfallklinik M. vom 11.09.1995 knöchern fest verheilte Brüche im Bereich von BWK 11 und 12 diagnostiziert. Im BWK 12 sei eine geringe Höhenminderung im Vorderkantenbereich gegeben. Im radiologischen Gutachten vom 08.08.1995 wurden keine Zeichen eines posttraumatischen Bandscheibenvorfalls festgestellt. Es finde sich keine Gefügeverschiebung oder Achsdeviation.
Am 24.07.1997 bzw. 31.07.1997 wurde der Kläger erneut in der Unfallklinik M. begutachtet. Als Unfallfolgen wurden knöchern fest konsolidierte Wirbelkörperbrüche BWK 11 und BWK 12 mit deutlichen Verschmälerungen der Intervertebralräume 10/11, 11/12 und 12/LWK-1 sowie glaubhafte subjektive Beschwerden festgestellt. Nervenärzt-licherseits lägen keine Folgen vor. Das Beschwerdebild sei mit der Doppelbelastung als Feuerwehrmann und Landwirt verständlich, habe aber mit dem Unfallereignis nichts zu tun. Insgesamt wurde die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 10 v. H. eingeschätzt.
Mit Bescheid vom 16.01.1998 erkannte hierauf die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls an: "Deutliche Verschmälerungen der Intervertebralräume 10/11, 11/12 und 12/LWK 1, glaubhafte subjektive Beschwerden nach knöchern fest konsolidierten Brüchen des 11. und 12. Brustwirbelkörpers" und gewährte dem Kläger ab 28.11.1994 Stützrente nach einer MdE um 10 v. H.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.07.1999).
Mit Schreiben vom 24.06.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Verschlimmerungsantrag, da sich sein Medikamentenverbrauch in den letzten Jahren mehr als verdoppelt habe. Im Auftrag der Beklagten wurde der Kläger in der Unfallklinik T. begutachtet. Prof. Dr. W. kam in seinem Gutachten vom 04.04.2006 zum Ergebnis, eine Änderung in den unfallbedingten Verhältnissen des Klägers sei nicht eingetreten, es bestehe nur eine Änderung in der Wahrnehmung der Schmerzsymptomatik, die sich verstärkt habe. Das chronische Schmerzsyndrom sei nur zum Teil unfallbedingt. Unfallunabhängig seien degenerative Veränderungen im Bereich der mittleren und unteren Lendenwirbelsäule von LWK-II bis S I reichend. Die MdE sei weiterhin mit 10 v. H. einzuschätzen.
Mit Bescheid vom 21.07.2006 lehnte daraufhin die Beklagte den Rentenerhöhungsantrag des Klägers ab.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2007 zurück.
Hiergegen legte der Kläger am 11.04.2007 Klage beim Sozialgericht Regensburg (SG) ein. Das Gericht erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. D ... Dieser kam am 17.12.2007 zum Ergebnis, dass die MdE auf seinem Fachgebiet 10 v. H. betrage. Eine Verletzung im unteren Brustwirbelsäulenbereich habe aufgrund der anatomischen Gegebenheiten keine Auswirkungen auf die Halswirbelsäule bzw. auf die oberen Extremitäten, da die neuronalen Strukturen, welche für die oberen Extremitäten verantwortlich sind, das Rückenmark bereits weit cranial vom Unfallgebiet davon verlassen haben. Es habe sich im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung ein kräftiger Muskelstatus des Klägers ergeben, wobei sich insbesondere im Bereich der oberen Extremitäten, im Bereich beider Hände, erhebliche Verarbeitungszeichen fanden, so dass insgesamt von einer erheblichen Arbeitsbenutzung der oberen Extremitäten ausgegangen werden müsse. Dies sei jedoch nicht vereinbar mit den subjektiv angegeben Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule. Fortgeschrittene degenerative Veränderungen seien den zuletzt gefertigten Röntgenaufnahmen nicht zu entnehmen. Unfallunabhängig finde sich eine Degeneration am Lumbosacralübergang im Sinne einer Spondyl-
arthrose der Etage LWK 5/SWK 1.
Auf Antrag des Klägers erstellte der Nervenarzt Dr. K. am 21.08.2008 ein weiteres Gutachten unter Hinzuziehung eines Gutachtens des Dipl.-Psychologen K. vom 14.07.2008. Dr. K. erkannte als Unfallfolgen ein chronisches Schmerzsyndrom, Stadium III nach Gerbershagen sowie eine depressive Angststörung und eine beginnende Polyneuropathie an. Die MdE schätzte er mit 50 v. H. ein.
Das SG ernannte daraufhin den Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Dipl.-Psy-chologen Dr. C. zum gerichtlichen Sachverständigen. Dieser kam am 22.01.2009 zum Ergebnis, gegenüber dem Bescheid vom 16.01.1998 sei keine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung eingetreten. Beim Kläger liege eine zunehmende Fixierung auf Schmerzmedikamente vor, die dazu führe, dass er ständig Opiate nehme.
Dr. K. äußerte sich in einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2009.
Mit Urteil vom 29.10.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es bezog sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C ...
Hiergegen hat der Kläger am 01.03.2010 Berufung eingelegt. Er hat sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. K. berufen. Am 15.03.2010 hat er mitgeteilt, dass er seit 01.01.2009 sein landwirtschaftliches Anwesen verpachtet habe. Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. eingeholt. Vorab wurden die Akten zum landwirtschaftlichen Unfall von 1996 beigezogen. Dr. C. hat ausgeführt, es gebe keine Hinweise dafür, dass eine zusätzliche Schädigung durch den Unfall von 1996 im Bereich der vorbestehenden konsolidierten BWK 11-/12-Fraktur stattgefunden habe. Allerdings müsse darauf hingewiesen werden, dass der Kläger im Rahmen der wiederholten Begutachtungen niemals diesbezügliche Beschwerden (1996, 1997) angegeben habe. Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass er nach wie vor berufstätig sei. Er gehe einer Bürotätigkeit im Bereich des Brandschutzes nach. Arbeitgeber sei die US-Armee G.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29.10.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2007 aufzuheben, ein chronisches Schmerzsyndrom, ein Lumbalsyndrom, eine depressive Anpassungsstörung, eine Angststörung, eine beginnende beinbetonte Polyneuropathie sowie eine opiatbedingte Obstipation als weitere Folgen des Unfalls vom 30.04.1994 anzuerkennen und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 24.05.2005 eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg die Klage abgewiesen. Insbesondere sind auch die beantragten weiteren Unfallfolgen nicht anzuerkennen.
Auf eine weitere Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verzichtet, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist.
Auch das Vorbringen im Berufungsverfahren kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Der Kläger stützt sich im Wesentlichen darauf, dass der von ihm benannte Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten weitere Unfallfolgen bejaht hat, so vor allem ein chronisches Schmerzsyndrom, eine depressive Anpassungsstörung und eine Polyneuropathie. Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen ist hierdurch jedoch nicht nachgewiesen. Im Bescheid vom 16.01.2998 wurden bereits subjektive Beschwerden - somit Schmerzen, die über das übliche Maß hinausgehen - als Unfallfolge anerkannt. Der Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 22.01.2009 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.10.2010 überzeugend dargelegt, dass weitere Unfallfolgen nicht anzuerkennen sind. Aus nervenärztlicher Sicht ergab sich als wesentliche Diagnose ein Schmerzsyndrom bei Zustand nach BWK 11 und 12-Fraktur. Funktionell bedeutsame neurologische Ausfälle ließen sich nicht feststellen. Dr. C. fand auch keine klinischen Hinweise für eine beinbetonte Polyneuropathie. Eine verzögerte Nervenleitgeschwindigkeit wurde nicht gemessen. Im Übrigen stellt eine Polyneuropathie auch keine Folge einer Opiatbehandlung dar.
Ein auffallender psychopathologischer Befund war zum Untersuchungszeitpunkt ebenfalls nicht zu beschreiben, sieht man von der reaktiv-depressiven Symptomatik aufgrund einer Trennung von der Ehefrau ab. Dr. C. weist darauf hin, dass bei einer nervenärztlichen Untersuchung durch Dr. G. am 26.01.1995 ein unauffälliger neurologischer Untersuchungsbefund festgestellt wurde. Im psychopathologischen Befund wurde eine sehr appellative dramatische Schilderung angegeben, wobei eine Diskrepanz zwischen Schilderung und Verhalten auffiel. Der Nervenarzt konnte damals keinen Hinweis für ein organisches Korrelat für die geklagten Schmerzen finden. Er wies auf eine funktionelle Überlagerung hin. Auch bei weiteren zeitnahen Untersuchungen waren keine neurologischen Ausfälle objektivierbar. Eine Sulcus-Ulnaris-Symptomatik, wie sie der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. C. berichtet hat, wurde zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt.
Die zunehmende Fixierung auf Schmerzmedikamente, die dazu führte, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben heute unter einer ständigen Opiatmedikation und Zusatzmedikation arbeitet, ist nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Aus den beigezogenen Befundberichten und dem Gutachten des Dr. C. ist zu entnehmen, dass die Unfallfolgen hieran nur einen unwesentlichen Anteil haben.
Auch die von Dr. K. diagnostizierte depressive Anpassungsstörung ist nicht unfallbedingt, wenn sie überhaupt zu einem Zeitpunkt vorgelegen haben sollte. Nach den Feststellungen des Dr. C. hat diese zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Eine behandlungsbedürftige Angstsymptomatik liegt ebenso wenig vor. Bei der Begutachtung durch Dr. C. war ein diesbezügliches Vermeidungs- oder Angstverhalten nicht zu objektivieren. Es reicht nicht aus, dass der Kläger angibt, wiederholt in Angstträumen vom Fahren mit dem Löschpanzer zu träumen. Die Schilderung des Unfalls bei Dr. C. erfolgte völlig sachlich ohne erkennbare Emotionen. Es fand sich kein Hinweis für Angst oder eine depressive Symptomatik. Hierbei ist auch zu beachten, dass der Kläger noch bis 2008 in der Landwirtschaft mit großen Maschinen gearbeitet hat und bereits 1996 einen vergleichbaren Unfall mit einem Traktor hatte. Auch bleibt der Sachverständige Dr. K. eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (ICD-10; DSM IV) schuldig.
Schließlich ist als weitere Unfallfolge auch kein Lumbalsyndrom anzuerkennen. Zwar findet sich eine Degeneration am lumbosacralen Übergang im Sinne einer Spondylarthrose im Bereich LWK 5/SWK 1. Wie jedoch bereits Dr. D. in seinem Gutachten ausgeführt hat, ist diese als unfallunabhängig einzustufen. Eine Verschlimmerung des Befundes konnte aufgrund der Befunde und Röntgenaufnahmen ebenfalls nicht festgestellt werden. Eine relevante Fehlstatik bzw. Achsabweichung der Wirbelsäule aufgrund der Wirbelfraktur ergibt sich aus den vorgelegten Aufnahmen nicht. Auch liegen keine fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen vor. Der Sachverständige verweist hierbei auf die aktuellen Röntgenaufnahmen.
Die MdE ist nach wie vor mit 10 v. H. richtig eingeschätzt. Hierbei ist das Schmerzsyndrom bereits berücksichtigt. Ein isolierter Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung führt nämlich regelmäßig zu einer MdE unter 10 v. H. (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, 8. Aufl., S. 442). Nur mit Berücksichtigung der Schmerzen ist deshalb eine MdE von 10. v.H. gerechtfertigt.
Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen ist deshalb nicht nachgewiesen. Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1962 geborene Kläger erlitt am 30.04.1994 bei seiner Tätigkeit als Feuerwehrmann bei der US-Armee in V. einen Arbeitsunfall. Der Feuerwehrpanzer, in dem sich der Kläger mit einem weiteren Feuerwehrmann befand, war nach dem Durchbrechen eines Erdwalls abgekippt und hart am Boden aufgetroffen. Röntgenologisch wurde eine Brustwirbelkörper (BWK) 11- und 12-Fraktur mit Höhenminderung der Vorderkante des BWK 12 festgestellt.
Am 07.08.1995 erstellte die Unfallklinik M. ein neurologisches Gutachten. Auf nervenärztlichem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen festzustellen, insbesondere keine begleitende Verletzung der Strukturen des Spinalkanals. Die MdE wurde mit 0 v. H. eingeschätzt. Chirurgisch wurden im Gutachten der Unfallklinik M. vom 11.09.1995 knöchern fest verheilte Brüche im Bereich von BWK 11 und 12 diagnostiziert. Im BWK 12 sei eine geringe Höhenminderung im Vorderkantenbereich gegeben. Im radiologischen Gutachten vom 08.08.1995 wurden keine Zeichen eines posttraumatischen Bandscheibenvorfalls festgestellt. Es finde sich keine Gefügeverschiebung oder Achsdeviation.
Am 24.07.1997 bzw. 31.07.1997 wurde der Kläger erneut in der Unfallklinik M. begutachtet. Als Unfallfolgen wurden knöchern fest konsolidierte Wirbelkörperbrüche BWK 11 und BWK 12 mit deutlichen Verschmälerungen der Intervertebralräume 10/11, 11/12 und 12/LWK-1 sowie glaubhafte subjektive Beschwerden festgestellt. Nervenärzt-licherseits lägen keine Folgen vor. Das Beschwerdebild sei mit der Doppelbelastung als Feuerwehrmann und Landwirt verständlich, habe aber mit dem Unfallereignis nichts zu tun. Insgesamt wurde die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 10 v. H. eingeschätzt.
Mit Bescheid vom 16.01.1998 erkannte hierauf die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls an: "Deutliche Verschmälerungen der Intervertebralräume 10/11, 11/12 und 12/LWK 1, glaubhafte subjektive Beschwerden nach knöchern fest konsolidierten Brüchen des 11. und 12. Brustwirbelkörpers" und gewährte dem Kläger ab 28.11.1994 Stützrente nach einer MdE um 10 v. H.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.07.1999).
Mit Schreiben vom 24.06.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Verschlimmerungsantrag, da sich sein Medikamentenverbrauch in den letzten Jahren mehr als verdoppelt habe. Im Auftrag der Beklagten wurde der Kläger in der Unfallklinik T. begutachtet. Prof. Dr. W. kam in seinem Gutachten vom 04.04.2006 zum Ergebnis, eine Änderung in den unfallbedingten Verhältnissen des Klägers sei nicht eingetreten, es bestehe nur eine Änderung in der Wahrnehmung der Schmerzsymptomatik, die sich verstärkt habe. Das chronische Schmerzsyndrom sei nur zum Teil unfallbedingt. Unfallunabhängig seien degenerative Veränderungen im Bereich der mittleren und unteren Lendenwirbelsäule von LWK-II bis S I reichend. Die MdE sei weiterhin mit 10 v. H. einzuschätzen.
Mit Bescheid vom 21.07.2006 lehnte daraufhin die Beklagte den Rentenerhöhungsantrag des Klägers ab.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2007 zurück.
Hiergegen legte der Kläger am 11.04.2007 Klage beim Sozialgericht Regensburg (SG) ein. Das Gericht erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. D ... Dieser kam am 17.12.2007 zum Ergebnis, dass die MdE auf seinem Fachgebiet 10 v. H. betrage. Eine Verletzung im unteren Brustwirbelsäulenbereich habe aufgrund der anatomischen Gegebenheiten keine Auswirkungen auf die Halswirbelsäule bzw. auf die oberen Extremitäten, da die neuronalen Strukturen, welche für die oberen Extremitäten verantwortlich sind, das Rückenmark bereits weit cranial vom Unfallgebiet davon verlassen haben. Es habe sich im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung ein kräftiger Muskelstatus des Klägers ergeben, wobei sich insbesondere im Bereich der oberen Extremitäten, im Bereich beider Hände, erhebliche Verarbeitungszeichen fanden, so dass insgesamt von einer erheblichen Arbeitsbenutzung der oberen Extremitäten ausgegangen werden müsse. Dies sei jedoch nicht vereinbar mit den subjektiv angegeben Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule. Fortgeschrittene degenerative Veränderungen seien den zuletzt gefertigten Röntgenaufnahmen nicht zu entnehmen. Unfallunabhängig finde sich eine Degeneration am Lumbosacralübergang im Sinne einer Spondyl-
arthrose der Etage LWK 5/SWK 1.
Auf Antrag des Klägers erstellte der Nervenarzt Dr. K. am 21.08.2008 ein weiteres Gutachten unter Hinzuziehung eines Gutachtens des Dipl.-Psychologen K. vom 14.07.2008. Dr. K. erkannte als Unfallfolgen ein chronisches Schmerzsyndrom, Stadium III nach Gerbershagen sowie eine depressive Angststörung und eine beginnende Polyneuropathie an. Die MdE schätzte er mit 50 v. H. ein.
Das SG ernannte daraufhin den Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Dipl.-Psy-chologen Dr. C. zum gerichtlichen Sachverständigen. Dieser kam am 22.01.2009 zum Ergebnis, gegenüber dem Bescheid vom 16.01.1998 sei keine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung eingetreten. Beim Kläger liege eine zunehmende Fixierung auf Schmerzmedikamente vor, die dazu führe, dass er ständig Opiate nehme.
Dr. K. äußerte sich in einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2009.
Mit Urteil vom 29.10.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es bezog sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C ...
Hiergegen hat der Kläger am 01.03.2010 Berufung eingelegt. Er hat sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. K. berufen. Am 15.03.2010 hat er mitgeteilt, dass er seit 01.01.2009 sein landwirtschaftliches Anwesen verpachtet habe. Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. eingeholt. Vorab wurden die Akten zum landwirtschaftlichen Unfall von 1996 beigezogen. Dr. C. hat ausgeführt, es gebe keine Hinweise dafür, dass eine zusätzliche Schädigung durch den Unfall von 1996 im Bereich der vorbestehenden konsolidierten BWK 11-/12-Fraktur stattgefunden habe. Allerdings müsse darauf hingewiesen werden, dass der Kläger im Rahmen der wiederholten Begutachtungen niemals diesbezügliche Beschwerden (1996, 1997) angegeben habe. Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass er nach wie vor berufstätig sei. Er gehe einer Bürotätigkeit im Bereich des Brandschutzes nach. Arbeitgeber sei die US-Armee G.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29.10.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2007 aufzuheben, ein chronisches Schmerzsyndrom, ein Lumbalsyndrom, eine depressive Anpassungsstörung, eine Angststörung, eine beginnende beinbetonte Polyneuropathie sowie eine opiatbedingte Obstipation als weitere Folgen des Unfalls vom 30.04.1994 anzuerkennen und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 24.05.2005 eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg die Klage abgewiesen. Insbesondere sind auch die beantragten weiteren Unfallfolgen nicht anzuerkennen.
Auf eine weitere Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verzichtet, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist.
Auch das Vorbringen im Berufungsverfahren kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Der Kläger stützt sich im Wesentlichen darauf, dass der von ihm benannte Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten weitere Unfallfolgen bejaht hat, so vor allem ein chronisches Schmerzsyndrom, eine depressive Anpassungsstörung und eine Polyneuropathie. Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen ist hierdurch jedoch nicht nachgewiesen. Im Bescheid vom 16.01.2998 wurden bereits subjektive Beschwerden - somit Schmerzen, die über das übliche Maß hinausgehen - als Unfallfolge anerkannt. Der Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 22.01.2009 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.10.2010 überzeugend dargelegt, dass weitere Unfallfolgen nicht anzuerkennen sind. Aus nervenärztlicher Sicht ergab sich als wesentliche Diagnose ein Schmerzsyndrom bei Zustand nach BWK 11 und 12-Fraktur. Funktionell bedeutsame neurologische Ausfälle ließen sich nicht feststellen. Dr. C. fand auch keine klinischen Hinweise für eine beinbetonte Polyneuropathie. Eine verzögerte Nervenleitgeschwindigkeit wurde nicht gemessen. Im Übrigen stellt eine Polyneuropathie auch keine Folge einer Opiatbehandlung dar.
Ein auffallender psychopathologischer Befund war zum Untersuchungszeitpunkt ebenfalls nicht zu beschreiben, sieht man von der reaktiv-depressiven Symptomatik aufgrund einer Trennung von der Ehefrau ab. Dr. C. weist darauf hin, dass bei einer nervenärztlichen Untersuchung durch Dr. G. am 26.01.1995 ein unauffälliger neurologischer Untersuchungsbefund festgestellt wurde. Im psychopathologischen Befund wurde eine sehr appellative dramatische Schilderung angegeben, wobei eine Diskrepanz zwischen Schilderung und Verhalten auffiel. Der Nervenarzt konnte damals keinen Hinweis für ein organisches Korrelat für die geklagten Schmerzen finden. Er wies auf eine funktionelle Überlagerung hin. Auch bei weiteren zeitnahen Untersuchungen waren keine neurologischen Ausfälle objektivierbar. Eine Sulcus-Ulnaris-Symptomatik, wie sie der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. C. berichtet hat, wurde zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt.
Die zunehmende Fixierung auf Schmerzmedikamente, die dazu führte, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben heute unter einer ständigen Opiatmedikation und Zusatzmedikation arbeitet, ist nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Aus den beigezogenen Befundberichten und dem Gutachten des Dr. C. ist zu entnehmen, dass die Unfallfolgen hieran nur einen unwesentlichen Anteil haben.
Auch die von Dr. K. diagnostizierte depressive Anpassungsstörung ist nicht unfallbedingt, wenn sie überhaupt zu einem Zeitpunkt vorgelegen haben sollte. Nach den Feststellungen des Dr. C. hat diese zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Eine behandlungsbedürftige Angstsymptomatik liegt ebenso wenig vor. Bei der Begutachtung durch Dr. C. war ein diesbezügliches Vermeidungs- oder Angstverhalten nicht zu objektivieren. Es reicht nicht aus, dass der Kläger angibt, wiederholt in Angstträumen vom Fahren mit dem Löschpanzer zu träumen. Die Schilderung des Unfalls bei Dr. C. erfolgte völlig sachlich ohne erkennbare Emotionen. Es fand sich kein Hinweis für Angst oder eine depressive Symptomatik. Hierbei ist auch zu beachten, dass der Kläger noch bis 2008 in der Landwirtschaft mit großen Maschinen gearbeitet hat und bereits 1996 einen vergleichbaren Unfall mit einem Traktor hatte. Auch bleibt der Sachverständige Dr. K. eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (ICD-10; DSM IV) schuldig.
Schließlich ist als weitere Unfallfolge auch kein Lumbalsyndrom anzuerkennen. Zwar findet sich eine Degeneration am lumbosacralen Übergang im Sinne einer Spondylarthrose im Bereich LWK 5/SWK 1. Wie jedoch bereits Dr. D. in seinem Gutachten ausgeführt hat, ist diese als unfallunabhängig einzustufen. Eine Verschlimmerung des Befundes konnte aufgrund der Befunde und Röntgenaufnahmen ebenfalls nicht festgestellt werden. Eine relevante Fehlstatik bzw. Achsabweichung der Wirbelsäule aufgrund der Wirbelfraktur ergibt sich aus den vorgelegten Aufnahmen nicht. Auch liegen keine fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen vor. Der Sachverständige verweist hierbei auf die aktuellen Röntgenaufnahmen.
Die MdE ist nach wie vor mit 10 v. H. richtig eingeschätzt. Hierbei ist das Schmerzsyndrom bereits berücksichtigt. Ein isolierter Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung führt nämlich regelmäßig zu einer MdE unter 10 v. H. (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, 8. Aufl., S. 442). Nur mit Berücksichtigung der Schmerzen ist deshalb eine MdE von 10. v.H. gerechtfertigt.
Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen ist deshalb nicht nachgewiesen. Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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