L 7 KA 41/97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 Ka 63/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 41/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. September 1997 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Kläger besitzt die Anerkennung als Facharzt für Laboratoriumsdiagnostik. Er ist als praktischer Arzt/Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Arztsitz in Berlin-Reinickendorf zugelassen.

Am 29. September 1995 beantragte er auf Vordrucken der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung die Anerkennung seiner Praxis als onkologische Schwerpunktpraxis (für die Primärkas-sen AOK, BKK und IKK) sowie die Genehmigung zur Teilnahme an der Verbesserung der onkologischen Versorgung als onkologisch verantwortlicher Arzt gemäß der ab 1. Juli 1995 gültigen Ersatzkassenvereinbarung und die Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen GO-Nrn. 8650 und 8651 EBM sowie der GO-Nrn. 8652 bis 8654 und 8655 EBM. Er gab hierzu und ergänzend zu seinen vorausgegangenen Schreiben vom 2. August, 10. August, 18. August und 22. September 1995 an, als Facharzt für Laboratoriumsdiagnostik die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrung in der Behandlung von Krebspatienten zu besitzen. An einer onkologischen Kooperationsgemeinschaft mit Ärzten anderer Fachbereiche bzw. an einem Anschluss an einen onkologischen Arbeitskreis sei er nicht interessiert. Die gemäß §§ 4, 5 und 8 der Ersatzkassen-Vereinbarung erforderlichen Anforderungen an die baulichen, apparativ-technischen, hygienischen und personellen Voraussetzungen der Abrechnungsgenehmigungen erfülle er nicht. Diese seien jedoch Unsinn, weil sie zur Diagnostik nicht erforderlich seien. Er verwahre sich gegen die Liquidierung seiner Facharztanerkennungen durch die Beklagte, weil hierfür nicht diese, sondern die Ärztekammer zuständig sei.

Die Beklagte lehnte seinen Antrag mit Bescheid vom 25. Oktober 1995 - bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 1996 - mit der Begründung ab, dass der Kläger weder eine fachliche Qualifikation noch entsprechende Erfahrungen in der onkologischen Diagnostik und Therapie, wie sie die Onkologievereinbarungen beschrieben, durch Zeugnisse und Bescheinigungen nachgewiesen habe. Ihm fehle eine mindestens zweijährige praktische Tätigkeit in der Diagnostik und Therapie neoplastischer Erkrankungen, der medikamentösen Krebstherapie, der Therapie mit Blutbestandteilen sowie der psychosozialen Krankenbetreuung. Ferner habe er keine anonymisierte Dokumentation von 200 Therapiezyklen pro Organgebiet vorlegen können. Schließlich fehlten die in den Vereinbarungen genannten organisatorischen Maßnahmen und die Teilnahme an einer onkologischen Kooperationsgemeinschaft.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 10. September 1997 abgewiesen. Der Kläger sei im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit berechtigt, tumorkranke Versicherte zu behandeln, und habe Anspruch darauf, die von ihm in diesem Zusammenhang erbrachten ärztlichen Leistungen nach den gebührenordnungsmäßigen Bestimmungen honoriert zu bekommen. Dies werde auch von der Beklagten nicht bestritten. Gegenstand des Verfahrens sei ausschließlich die Frage, ob der Kläger Anspruch darauf habe, an der Vereinbarung über besondere Maßnahmen zur Verbesserung der onkologischen Versorgung teilzunehmen und den durch die Behandlung von Tumorkranken besonderen Aufwand erstattet zu bekommen. Dies setze eine besondere Genehmigung der Beklagten voraus. Die in den Vereinbarungen aufgeführten Voraussetzungen zum Erwerb dieser Genehmigung habe der Kläger jedoch nicht nachgewiesen, so dass die Beklagte den Antrag auf Genehmigung zu Recht abgelehnt habe. Gegen die Rechtmäßigkeit dieser Vereinbarungen bestünden keine Bedenken, dienten sie doch dazu, bestimmte Qualitätsstandards hinsichtlich der ärztlichen Betreuung und Überwachung von Tumorpatienten zu halten und den mit der Behandlung solcher Patienten verbundenen besonderen Aufwand des Arztes über die nach den Gebührenordnungen vorgesehene Vergütung hinaus zusätzlich zu honorieren.

Gegen das ihm am 19. September 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am selben Tag Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf sein vorangegangenes Vorbringen berufen.

Der Kläger hat weder im sozialgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren einen ausdrücklichen Antrag gestellt; das Sozialgericht hat seinem schriftsätzlichen Vorbringen den sinngemäßen Antrag entnommen,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Genehmigung zur Abrechnung der Zuschläge für die Betreuung von tumorkranken Versicherten zu erteilen.

Der Kläger hat in der Berufungsschrift erklärt, er halte alle Anträge aufrecht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und beruft sich zur Begründung auf den Inhalt des sozialgerichtlichen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die den Antrag des Klägers betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist auch in der Berufungsinstanz mangels eines anderweitigen, eindeutig formulierten Antrages des Klägers das Begehren, ihm eine Genehmigung zur Abrechnung der GO-Nrn. 8650, 8651 sowie 8652 bis 8654 und 8655 EBM zu erteilen, das das Sozialgericht seinem mit der Berufung angefochtenen Urteil zugrunde gelegt hat. Denn der Kläger hat mit der Berufungsschrift ausdrücklich seine bis dahin gestellten Anträge weiterverfolgt.

Mit diesem Streitgegenstand ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die das Begehren des Klägers ablehnenden Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Abrechnungsgenehmigungen. Gemäß § 4 Nr. 2 der Vergütungsvereinbarungen der Beklagten mit der AOK Berlin, dem BKK-Landesverband Berlin-Brandenburg und dem IKK-Landesverband Brandenburg und Berlin für die Jahre 1995 ff (vgl. KV-Blatt 8/1997 A 95 f sowie KV-Blatt 3/1996 A 10 ff) sowie § 9 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Verbänden der Ersatzkassen vom 13. September 1994 (KV-Blatt 11/1994 S. 226 ff) bedarf die Abrechnung der genannten Gebührenordnungspositionen des EBM der vorherigen Genehmigung durch die Beklagte. Diese ist nur zu erteilen, wenn der Arzt eingehende Erfahrungen und Kenntnisse bei der Behandlung sterbender Patienten nachweist. Seine direkte Anbindung an eine Schwerpunktpraxis für Onkologie oder zumindest eine regelmäßig enge Zusammenarbeit mit einer solchen Praxis muss dauerhaft sichergestellt sein. Hierfür beschreibt die Vereinbarung über besondere Maßnahmen zur Verbesserung der onkologischen Versorgung zwischen der Beklagten und den Ersatzkassen in §§ 2 bis 5 besondere Voraussetzungen. Diese erfüllt der Kläger nicht. Er vermag weder durch seine Facharztanerkennung für Laboratoriumsmedizin noch durch die von ihm im Rahmen dieser Weiterbildungsmaßnahmen erworbenen Qualifikationen die von den Onkologie-Vereinbarungen geforderten besonderen Kenntnisse und Erfahrungen nachzuweisen. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §§ 153 Abs. 2 und 136 Abs. 3 SGG auf das zutreffende sozialgerichtliche Urteil sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten Bezug, dem er nach eigener Sachprüfung folgt. Darüber hinaus ist der Kläger nicht Mitglied einer onkologischen Kooperationsgemeinschaft von Ärzten verschiedener Fachgruppen wie dies durch die Onkologie-Vereinbarungen der Beklagten mit den Primär- und Ersatzkassen ausdrücklich gefordert wird. Er verfügt auch nicht über die besonderen baulichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen zur intensiven Betreuung Krebskranker durch den onkologisch verantwortlichen Arzt zur umfassenden Planung der Therapie, der psychosozialen Betreuung der Patienten und ihrer Familien, der Hinzuziehung komplementärer Dienste, der häuslichen Krankenpflege sowie der Mitwirkung bei der Einleitung und Durchführung der medizinischen, sozialen und beruflichen Rehabilitation. Weder an der Bildung einer onkologischen Kooperationsgemeinschaft noch an der Teilnahme an einem interdisziplinären onkologischen Arbeitskreis oder Qualitätszirkel ist der Kläger interessiert; er hat vielmehr in seinen Anträgen die Teilnahme an diesen nach den Onkologie-Vereinbarungen obligatorischen Voraussetzungen für die begehrten Abrechnungsgenehmigungen eindeutig abgelehnt. Schon deshalb können ihm die begehrten Abrechnungsgenehmigungen nicht erteilt werden.

Die Onkologie-Vereinbarungen der Beklagten mit den Primär- und Ersatzkassen sind in den genannten, die Ablehnung der Abrechnungsgenehmigungen des Klägers rechtfertigenden Voraussetzungen, mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Partner der Bundesmantelverträge dürfen zur Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Behandlung die Erbringung und Abrechnung bestimmter ärztlicher Leistungen dafür besonders qualifizierten Ärzten vorbehalten (BSG Urteil vom 20. Januar 1999 - B 6 KA 23/98 R - sowie BSG Urteil vom 18. März 1998 - 6 BKA 19/97 R -). Auf der Grundlage der §§ 72 Abs. 2, 82 Abs. 1 Satz 1 und § 135 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- durften die Vertragspartner der Bundesmantelverträge einheitliche Qualifikationserfordernisse für die an der vertragsärztlichen Versorgung teil-nehmenden Ärzte, und zwar für ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die ihrer Eigenart nach besondere Kenntnisse und Erfahrungen des Arztes voraussetzten, vereinbaren. Die nähere Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung ist damit der Regelung durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen überantwortet. Im Rahmen dieser Ermächtigungsgrundlage bestehen keine Bedenken gegen die grundsätzliche Berechtigung der Partner der Bundesmantelverträge, die Voraussetzungen für die Erbringung bestimmter Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung festzulegen und damit die Regelung des EBM hinsichtlich der Abrechenbarkeit in ihm enthaltener Leistungen zu ergänzen (BSG Urteil vom 20. Januar 1999 - B 6 KA 23/98 R -). Die Umsetzung im Rahmen der Vergütung dieser ärztlichen Leistungen obliegt sodann den Partnern der Vergütungsvereinbarungen.

Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, für die onkologische Behandlung sterbender Patienten sowie die diagnostische und therapeutische Versorgung von Krebskranken im Allgemeinen für die Abrechnung besonderer Zuschläge für die Vergütung der Behandlung dieser Patienten zusätzliche ärztliche Erfahrungen und Kenntnisse sowie organisatorische und sachliche Maßnahmen zu verlangen. Denn von den eine solche Behandlung durchführenden Ärzten wird nicht nur verlangt, dass sie die ambulante Behandlung ganz oder teilweise selbst durchführen, sondern zusätzlich die Gesamtbehandlung entsprechend einem einheitlichen Therapieplan unabhängig von notwendigen Überweisungen leiten und mit den durch die Überweisungen hinzugezogenen Vertragsärzten koordinieren (vgl. § 2 Abs. 1 der Onkologie-Vereinbarung der Beklagten mit den Ersatzkassen). Durch die damit zusammenhängenden besonderen Anforderungen an die ambulante Behandlung krebskranker Patienten ergeben sich für den onkologisch verantwortlichen Arzt nicht nur besondere Belastungen durch erhöhten Zeitaufwand, sondern auch beträchtliche Kosten für die Beschäftigung besonders qualifizierten Personals und zusätzlicher Praxiseinrichtungen speziell zur Versorgung Krebskranker. Wegen der sich daraus ergebenden Belastung ist eine besondere Regelung zur Kostenerstattung für den onkologisch verantwortlichen Arzt nötig (vgl. hierzu § 2 Abs. 3 a.a.O.). Es erscheint deshalb sachgerecht, dass er als Voraussetzung für die Abrechnung dieser besonderen Kosten die von der Beklagten geforderte fachliche Befähigung sowie die Erfüllung der weiteren im Bescheid genannten Erfordernisse nachweisen kann.

Für die Rüge des Klägers, ihm werde durch die Onkologie-Vereinbarungen seine Facharztanerkennung für Laboratoriumsdiagnostik genommen, fehlt jede Grundlage. Seine Facharztanerkennung bleibt durch die Versagung der Abrechnungsgenehmigungen unberührt; er darf auch weiterhin Tumor-Patienten behandeln und diese Behandlungen gegenüber der Beklagten abrechnen. Er kann lediglich die besonderen, in den Onkologie-Vereinbarungen genannten Abrechnungspositionen des EBM gegenüber der Beklagten für diese Behandlungen nicht geltend machen. Seine Klage wäre deshalb mangels Feststellungs- bzw. Rechtsschutzinteresses schon unzulässig, soweit er mit ihr zum Schutze seiner Facharztanerkennung die Feststellung der Nichtigkeit der Onkologie-Vereinbarungen begehren sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil hierfür die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorlagen.
Rechtskraft
Aus
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