L 5 AS 435/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 2806/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 435/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg (SG), das seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen eine Eingliederungsvereinbarung (EV) ersetzenden Verwaltungsakt des Antrags- und Beschwerdegegners abgelehnt hat.

Der am 1987 geborene Antragsteller bewohnt gemeinsam mit seiner 1985 geborenen Ehefrau und der gemeinsamen 2006 geborenen Tochter L ... eine Wohnung in O und bezieht laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der monatliche Gesamtleistungsbetrag für die Bedarfsgemeinschaft betrug im Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis zum 31. März 2011 1.079,08 EUR (Bescheide vom 24. März und 6. September 2010). Es wurden Regelleistungen iHv 861,00 EUR (2 x 323,00 EUR und 215,00 EUR), Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) iHv 402,08 EUR gewährt; das für die Tochter bezogene Kindergeld wurde auf den Bedarf angerechnet.

Im Zeitraum vom 1. April 2010 bis zum 30. Juni 2010 kamen geringere Leistungen aufgrund von Sanktionen gegen den Antragsteller (100% der Regelleistung von 1. April bis 30. Juni 2010) und seine Ehefrau (100% der Regelleistung von 1. April bis 12. Mai 2010) zur Auszahlung. Diese waren wegen der Nichtteilnahme an der Bildungsmaßnahme "Aktivierungshilfe" im Januar 2010 verhängt worden. Während des Sanktionszeitraumes erhielten sowohl der Antragsteller als auch die Ehefrau jeweils Lebensmittelgutscheine im Wert von 100,00 EUR monatlich. Im Juni 2010 scheiterte ein vom Antragsgegner initiierter Abschluss einer EV, mit der dem Antragsteller die Teilnahme an einer Maßnahme "Aktiv-Center O ... " angeboten werden sollte. Der Antragsteller nahm an einer Informationsveranstaltung zur Maßnahme teil, unterschrieb jedoch die EV nicht. Er erklärte, er wolle sich den Entwurf der EV daheim in Ruhe durchlesen und diese dann unterschrieben wieder abgeben. Eine Abgabe erfolgte jedoch nicht.

Bei der Vorsprache des Antragstellers am 16. August 2010 kam es wieder nicht zu dem vom Antragsgegner beabsichtigten Abschluss einer EV. Gegenstand der EV sollte u.a. wiederum die Teilnahme an einer Maßnahme, nämlich einer Arbeitsgelegenheit (AG) mit Mehraufwandsentschädigung sein, die zugleich eine Qualifizierungsmaßnahme für unter 25jährige des Maßnahmeträgers, der Wirtschaftsakademie Dr. R & P ... mbH in G. (WAK), war. Ein Mitarbeiter der WAK nahm an dem Gespräch teil. Dem Antragsteller wurde die Maßnahme erläutert und eine Einladung zur Vorsprache am folgenden Tag beim Maßnahmeträger ausgehändigt. Ihm wurde die Benutzung des von der WAK zur Verfügung gestellten Busses, der um 7.00 Uhr morgens am ZOB O. abfuhr, angeboten. Der Antragsteller quittierte den Erhalt der Einladung mit seiner Unterschrift. Im Weiteren kam der Abschluss der EV nicht zustande, weil der Antragsteller den Raum verließ.

Am selben Tag erließ der Antragsgegner einen die EV ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Die Regelungen des Bescheids sollten für den Zeitraum vom 16. August 2010 bis zum 31. März 2011 gelten. Als Ziel der EV war die Einmündung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Helferbereich genannt. Dazu wurde eine AG mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16d Satz 2 SGB II angeboten. Weiter heißt es im Bescheid: "Art der Tätigkeit: Helfer; Tätigkeitsort: Wirtschaftsakademie Dr. P. R ... & P GmbH Niederlassung G. ; Zeitlicher Umfang 20h/Wo. zzgl. 20 h/Wo. Qualifikation; zeitliche Verteilung: ab 17.08.2010 für die dauer von 6 Monaten (mit Option auf Verlängerung); Höhe der Mehraufwandsentschädigung pro Stunde: 1,28; individuell verfolgtes Maßnahmeziel: Vermittlung von gewerblichen Kenntnissen, Einmündung in Arbeit im Helferbereich." Außerdem wurde dem Antragsteller auferlegt, monatlich mindestens fünf Bewerbungen zu fertigen und hierüber Nachweise vorzulegen.

Gegen den Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, ihm sei eine vorgefertigte EV zur Unterschrift vorgelegt worden, ohne dass deren Inhalt gemeinsam erarbeitet oder besprochen worden sei. Das Mitnehmen des Entwurfs zur Prüfung sei ihm untersagt worden. Die EV sei nicht individuell auf seine Lebenssituation zugeschnitten. Es sei nicht eindeutig geregelt, in welcher Höhe die Kosten für die Bewerbungsbemühungen erstattet würden. Aus der EV erschließe sich nicht, ob die angebotene Maßnahme zusätzlich oder gemeinnützig sei.

Am 8. September 2010 hat der Antragsteller bei dem SG im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 3. September 2010 beantragt. Zur Begründung hat er seine Argumente aus dem Widerspruchsschreiben wiederholt und weiter ausgeführt, die EV überschreite die gesetzlich vorgesehene Dauer von sechs Monaten.

Der Antragsgegner hat im sozialgerichtlichen Verfahren ausgeführt, er bemühe sich bereits seit längerem um die berufliche Eingliederung des Antragstellers. Den Entwurf der EV vom 15. Juni 2010, der die Teilnahme an einer Maßnahme "Aktiv-Center O ... " vorsah, habe dieser nicht unterschrieben und auch nicht an der Maßnahme teilgenommen. Den erneuten Versuch zum Abschluss einer EV habe der Antragsteller sabotiert. Er habe die Vorsprache und damit die Vertragsverhandlungen beendet. Daraufhin sei die EV als Verwaltungsakt erlassen worden.

Unter dem 28. September 2010 hat der Antragsteller ergänzend ausgeführt, da der Antragsgegner seinerseits nicht bereit sei, über den Inhalt der EV zu verhandeln, könne man ihm den Abbruch der Verhandlungen nicht anlasten. Soweit in der EV die Teilnahme an der AG vereinbart worden sei, sei dies unzulässig. Per EV könne eine regelmäßige Teilnahme vereinbart werden, jedoch die Maßnahme selbst nicht verordnet oder angeboten werden. Zudem sei die Zuweisung einer AG nur dann zulässig, wenn sie hinreichend bestimmt sei und Art der Tätigkeit, Arbeitsort, zeitlichen Umfang und Verteilung sowie Höhe der Entschädigung erkennen lasse. Weiterhin seien Angaben zur Zusätzlichkeit und Gemeinnützigkeit erforderlich, damit der Leistungsberechtigte eine eigene Prüfung vornehmen könne. Hieran fehle es. Die pauschale Nennung einer Tätigkeit "im Helferbereich" sei nicht aussagekräftig, ein Berufszweig sei nicht ersichtlich. Die Angabe zum zeitlichen Umfang von 20 plus 20 Wochenstunden sei ungenau. Eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden sei unzulässig. Nach der Rechtsprechung würden bundesweit einheitlich maximal 30 Stunden pro Woche als zulässig angesehen. Konkrete Angaben zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit fehlten. Die Angabe "Vermittlung gewerblicher Kenntnisse" sei ungenau. Eine ungelernte Helfertätigkeit sei nicht geeignet, die Hilfebedürftigkeit zu beenden. Ein Eingliederungskonzept sei nicht ersichtlich. Da er weder Schulabschluss noch eine abgeschlossene Berufsausbildung habe, müssten zunächst diese ermöglicht werden. Es sei ihm nicht zumutbar, die Pflichten aus der EV zu erfüllen.

Unter dem 6. Oktober 2010 hat der Antragsgegner das Konzept des Maßnahmeträgers zur "Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung für Jugendliche und junge Erwachsene" vorgelegt. Wegen des Inhalts wird auf Bl. 54 bis 60 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 hat das SG den Antrag abgelehnt. Im vorliegenden Fall habe das allgemeine öffentliche Vollzugsinteresse Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seinen Widerspruch vorläufig vom Vollzug des Bescheids verschont zu bleiben. Denn der die EV ersetzende Verwaltungsakt vom 16. August 2010 sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Er sei verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Da bereits im Juni 2010 der Versuch des Abschlusses einer EV gescheitert sei, sei der Antragsgegner nicht gehalten gewesen, mit dem Erlass des Bescheids zu warten. Es sei abzusehen gewesen, dass eine Einigung nicht zustande kommen würde. Die EV sei auch inhaltlich nicht offensichtlich rechtswidrig. Der Nachweis von mindestens fünf Bewerbungen im Monat sei zulässig und angemessen. Die Regelung zur Höhe der Erstattung der Bewerbungskosten sei ausreichend. Die Zuweisung der AG nach § 16d Satz 2 SGB II sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Der Antragsteller stehe im SGB II-Leistungsbezug und verfüge weder über einen Schulabschluss noch über eine abgeschlossene Ausbildung, sodass eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erwarten sei. Die Angaben zur AG seien hinreichend bestimmt. Es sei deutlich, dass es um 20 Wochenstunden praktische Arbeit und um 20 Stunden Theorie gehe. Dies sei nicht zu beanstanden, da gesetzlich keine Begrenzung des zeitlichen Umfangs vorgenommen sei. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Funktion der Eingliederung, den Antragsteller als langzeitarbeitslosen Hilfebedürftigen wieder an eine regelmäßige Arbeitstätigkeit zu gewöhnen und zu erproben, gewährleistet werde. Dem werde durch die geplante Teilung in einen praktischen und einen theoretischen Teil Rechnung getragen. Die Höhe der Entschädigung sei im Bescheid beziffert worden. Zudem sei bei der Vorsprache am 16. August 2010 ein Vertreter des Maßnahmeträgers anwesend gewesen und die konkrete AG erläutert worden. Es bestünden keine Zweifel daran, dass die Arbeiten im öffentlichen Interesse lägen und zusätzlich seien. Da jedoch das Merkmal Zusätzlichkeit auf den Schutz der Privatwirtschaft gerichtet sei, sei es zweifelhaft, ob es dem Antragsteller ein subjektives Recht verleihe. Die Auffassung des Antragstellers, EV und Arbeitsgelegenheiten müssten in unterschiedlichen Verwaltungsakten geregelt werden, finde im Gesetz keine Stütze. Schließlich die EV nicht schon deshalb rechtswidrig, weil sie einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten umfasse. In § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei eine sog. sechsmonatige Regellaufzeit normiert, von der das Gesetz Ausnahmen zulasse. Nach summarischer Prüfung sei nicht zu beanstanden, einen längeren Zeitraum zu wählen, da die dem Antragsteller angebotene AG die Option einer Verlängerung gehabt habe. Im Übrigen seien keine Gründe ersichtlich, die bei einer Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers sprächen.

Gegen den am 13. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 11. November 2010 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt, ein Ermessen zur Wahl einer längeren Laufzeit der EV bestehe nur in begründeten Ausnahmefällen. Die Notwendigkeit der Trennung von Angebot der AG und Abschluss der EV in zwei Verwaltungsakte ergebe sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Dezember 2008, Az. B 4 AS 60/07 R. Es sei nicht ersichtlich, welche Kenntnisse ihm vermittelt werden sollten. Helfer benötigten in der Regel keine Kenntnisse, denn es handele sich um eine ungelernte Tätigkeit. Insgesamt sei deutlich, dass der Antragsgegner kein Eingliederungskonzept verfolge; es sei auch kein Profiling erfolgt.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Oktober 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. August 2010 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf seine Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren. Er hat mitgeteilt, dass die Bearbeitung des Widerspruchs vom 3. September 2010 bis zur Beschwerdeentscheidung ausgesetzt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.

II.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war ursprünglich zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 173, 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beschwerde war nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 SGG beschränkt, da der angegriffene Verwaltungsakt nicht auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichtet ist und damit der wirtschaftliche Wert des Beschwerdegegenstands nicht maßgeblich ist. Die Beschwerde war wertmäßig unbeschränkt zulässig.

Die Beschwerde ist jedoch im Verlauf des Beschwerdeverfahrens unzulässig geworden.

Nach § 39 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, seit dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung hat der Widerspruch gegen einen Bescheid, der u.a. Pflichten bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Der Bescheid nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II legt dem Antragsteller bei der Eingliederung in Arbeit eine bestimmte Anzahl von Bewerbungsbemühungen pro Monat und die Teilnahme an einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit auf. Damit regelt er Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit (vgl. Conradis in LPK–SGB II, 3. Auflage 2009, § 39 RN 6) iSv § 39 Nr. 1 SGB II mit der Folge, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat. Durch die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragsstellers würden die ihm durch den die EV ersetzenden Bescheid auferlegten Verhaltenspflichten außer Vollzug gesetzt. Dies ist jedoch nur solange möglich gewesen, wie der angegriffene Bescheid Wirksamkeit entfaltet hat.

Denn der Streitgegenstand des Eilverfahrens erledigt sich durch Zeitablauf, wenn der Zeitraum, für den der Verwaltungsakt Geltung beansprucht, während des Eilverfahrens verstrichen ist (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 15. Juli 2009, Az. L 7 AS 243/09 B ER, juris RN 9; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Mai 2011, Az. L 19 AS 344/11 B ER, L 19 AS 345/11 B ER, juris RN 3). Dies gilt zumindest in den Fällen, in denen wie hier nicht um höhere Geldleistungen gestritten wird. Damit ist das Rechtschutzbedürfnis des Antragstellers mit dem Ablauf des Zeitraums, für den der Bescheid gültig war, entfallen.

Dies gilt selbst dann, wenn aufgrund des angegriffenen Verwaltungsakts Sanktionen (bestandskräftig) verhängt worden sein sollten. Ob dies der Fall war, ist dem Senat nicht bekannt, denn der Verwaltungsvorgang endet mit dem 22. November 2010. Es hätte dem Antragsteller oblegen, sich gegen etwaige Sanktionsbescheide mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten (Widerspruch, Klage) zu wehren. Jedenfalls sind die vom hier angegriffenen Bescheid ausgehenden Belastungen, die ihm auferlegten Verhaltenspflichten, mit Ablauf des 31. März 2011 entfallen. Ab dem 1. April 2011 hatte der Antragsteller daher kein rechtlich schützenswertes Interesse an der Fortführung des Beschwerdeverfahrens mehr. Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat weist jedoch darauf hin, dass – selbst bei unterstellter Zulässigkeit – die Beschwerde unbegründet gewesen wäre, weil die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16. August 2010 nicht anzuordnen gewesen wäre. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes abgelehnt.

Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 9. Auflage 2008, § 86b RN 12). Es trifft eine eigene Ermessensentscheidung über die Aufhebung der sofortigen Vollziehung nach denselben Gesichtspunkten wie die Widerspruchsbehörde in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG. Bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Hauptsache überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse, umgekehrt bei offensichtlicher Erfolgsaussicht der Hauptsache das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit des betroffenen Verwaltungsakts oder die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage können allein das besondere Vollzugsinteresse jedoch nicht begründen oder eine Prüfung ersetzen oder entbehrlich machen. Sie können nur zur Folge haben, dass die vorhandenen, ihrer Art nach dringlichen Vollzugsinteressen grundsätzlich als schwerwiegender anzusehen sind als das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei der zu treffenden Abwägung der Interessen sind vor allem die Natur, Schwere und Dringlichkeit der den Betroffenen auferlegten Belastung und die Möglichkeit (oder Unmöglichkeit) einer etwaigen späteren Rückgängigmachung der Maßnahme und ihrer Folgen zu berücksichtigen.

Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Es überwiegt daher das mit der gesetzlichen Regelung regelmäßig zu bevorzugende Interesse des Antragsgegners am Vollzug des Bescheids gegenüber dem Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs.

Der Antragsgegner hat in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eine EV durch Verwaltungsakt erlassen. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Beschluss vom 8. Oktober 2010 (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und macht sich diese zu Eigen. Ergänzend ist anzumerken: Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller rügt, es habe vor dem Erlass des Bescheids keine Verhandlung über den Inhalt einer EV gegeben und der Antragsgegner sei nicht gesprächsbereit gewesen, ist dies rechtlich nicht erheblich. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 13/09 R, juris RN 16 f.) entscheidet der jeweilige Sachbearbeiter des Leistungsträgers darüber, ob Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses einer EV geführt werden oder ob die EV durch einen Verwaltungsakt ersetzt bzw. von vornherein ein Verwaltungsakt über Eingliederungsleistungen erlassen wird. Zwar legt der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II nahe, dass der Abschluss einer EV der Normalfall und der Erlass eines die EV ersetzenden Verwaltungsakts die Ausnahme sein solle. Jedoch habe die Verwaltung das Initiativrecht und könne auch von Verhandlungen über die EV absehen. Es handele sich um eine nicht justiziable Opportunitätsentscheidung, welchen Verfahrensweg der Grundsicherungsträger im Einzelfall einschlage (BSG, a.a.O., RN 13). Unzureichende oder fehlende Vertragsverhandlungen über den Abschuss einer EV machten daher den sie ersetzenden Bescheid nicht rechtswidrig.

Dementsprechend hat der Antragsteller auch keinen Anspruch darauf, dass seine spezifischen Ausbildungs- und Berufswünsche Berücksichtigung finden. Leistungsempfängern sind, wie aus § 10 Abs. 1 SGB II folgt, unabhängig von ihrer Vorbildung grundsätzlich alle Arbeiten zur Überwindung der Arbeitslosigkeit zumutbar.

Der Antragsgegner hat durch den Bescheid auch eigene Pflichten im hinreichenden Maß übernommen. Er hat u.a. Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme der angemessenen Kosten zugesagt und damit ausreichend konkretisiert. Insoweit ist die gesetzliche Wertung zu berücksichtigen, nach der die Kosten der Beschäftigungssuche grundsätzlich der Leistungsempfänger selbst zu tragen hat und die Erstattung von Aufwendungen im Ermessen des Leistungsträgers steht (§ 16 Abs. 1 SGB II iVm § 45 Satz 2 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III)).

Die vom Antragsteller verlangten Eigenbemühungen begegnen ebenfalls keinen Bedenken. Die Verpflichtung, sich fünfmal monatlich zu bewerben und hierüber Nachweise zu führen, ist nicht unangemessen.

Auch die Verpflichtung zur Teilnahme an der AG mit Mehraufwandsentschädigung bei der WAK ist nicht zu beanstanden. Durch die Teilnahme an der vom Träger zur schrittweisen Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen konzipierten Maßnahme sollte der Antragsteller primär wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Ausweislich der vom Antragsgegner im Verfahren vorgelegten Beschreibung der Eingliederungsmaßnahme genügt diese nach summarischer Prüfung den gesetzlichen Anforderungen an eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d Satz 2 SGB II.

Zu der nahezu wortgleichen, bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Vorschrift des § 16 Abs. 3 SGB II a.F. hat das BSG im Urteil vom 16. Dezember 2008 (Az. B 4 AS 60/07 R, juris RN 18) ausgeführt, Ziel der AG sei die umfassende Unterstützung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit. Werde eine AG geschaffen, komme es entscheidend darauf an, ob diese iS eines Zwischenschritts im Einzelfall geeignet und erforderlich sei, um den Hilfebedürftigen zukünftig unabhängig von einer Leistungsgewährung zu machen. Der AG komme damit primär die Funktion zu, Hilfebedürftigen, die bereits über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausgeübt hätten, wieder an eine regelmäßige Arbeitstätigkeit zu gewöhnen und zu erproben, ob sie den sich daraus ergebenden Belastungen gewachsen seien (BSG, a.a.O., RN 23).

Nach dem Konzept des Trägers richtet sich die Maßnahme vorrangig an Teilnehmer mit Vermittlungshemmnissen, die ohne Hilfe nur bedingt in der Lage sind, ihr Arbeitsleben selbst zu regeln. Sie soll Erkenntnisse über Eignungs- und Interessenschwerpunkte der Teilnehmer liefern, Hinweise über Motivation und Arbeitsbereitschaft geben und diese verstärken. Insbesondere, wenn vorangegangene Maßnahmen fehlgeschlagen seien, demotiviere dies die Teilnehmer. Sie sollten durch eine Kombination von Förderinstrumenten an den Arbeitsmarkt herangeführt und ggf. auf weitere Maßnahmen vorbereitet werden. Deshalb werde zusätzlich zum 20-stündigen Beschäftigungsanteil ein Qualifizierungsanteil angeboten. Praktische Arbeiten und theoretische Qualifizierung seien in einer Vielzahl von Bereichen möglich (u.a. Allgemeinbildung, Grundlagenwissen EDV, Metall-, Farb- und Raumgestaltungsarbeiten, Grünbereich und Dienstleistungen). Durch die Kombination von Wissensvermittlung und praktischer Tätigkeit unter sozialpädagogischer Begleitung und durch die Vermittlung von Erfolgserlebnissen sollten positive Effekte erzielt werden. Die am 1. August 2010 beginnende Maßnahme sei für eine Regelverweildauer der Teilnehmer von einem Jahr konzipiert, wobei die individuelle Verweildauer in Absprache mit dem Fallmanager festgelegt werde. Es sei angestrebt, die Teilnehmer noch im Verlauf der Maßnahme in Arbeit bzw. Ausbildung zu vermitteln. Würden Schlüsselkompetenzen bzw. individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten der Teilnehmer deutlich, sollten flexible Ein- und Umstiege bzw. der zeitnahe Übergang in andere Bildungsangebote des ersten und zweiten Arbeitsmarkts ermöglicht werden. Durch die Qualifizierungsbausteine sollten die Teilnehmer wieder an Lernprozesse herangeführt und ggf. der Wunsch nach einem Schulabschluss geweckt und gefördert werden.

Nach dieser Maßnahmebeschreibung gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Antragsgegner für den Antragsteller ausgewählte Maßnahme nach ihrem Ziel und ihren Voraussetzungen für diesen nicht geeignet sein könnte. Der Antragsteller hat nach seinen eigenen Angaben keinen Schulabschluss und auch keine Ausbildung erfolgreich absolviert. Er steht bereits seit mehreren Jahren im SGB II-Leistungsbezug und hat nach den – insoweit unwidersprochenen – Ausführungen des Antragsgegners während des Leistungsbezugs schon zwei Ausbildungsmaßnahmen abgebrochen. Insoweit erscheint eine schrittweise Wiedereingliederungsmaßnahme, die aufgrund der vielfältigen Betätigungsmöglichkeiten Erkenntnisse über Eignungs- und Interessenschwerpunkte vermitteln soll, angezeigt, um erst das vom Antragsteller geforderte Eingliederungskonzept aufstellen zu können. Insoweit dient die Maßnahme in seinem Fall nur in zweiter Linie der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten. Maßgeblich geht es um eine Heranführung an den Arbeitsmarkt.

Der Senat folgt den Ausführungen im angegriffenen Beschluss auch zu der Höhe der angemessenen Entschädigung und zum zeitlichen Umfang der Maßnahme. Nach dem Bescheid geht es um 20 Wochenstunden praktische Arbeit und 20 Wochenstunden theoretischen Unterricht. Aus dem – dem Antragsteller bei seiner Vorsprache erläuterten – Konzept ergibt sich weiterhin, dass die tägliche Arbeitszeit von 7.05 bis 15.05 Uhr dauert, wobei Unterrichtsstunden jeweils 45 Minuten und Beschäftigungsstunden jeweils 50 Minuten dauern, sodass sich eine effektive Arbeitszeit von 31,67 Wochenstunden ergibt.

Dieser zeitliche Umfang ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Eine gesetzliche Regelung zum zeitlichen Umfang von AG existiert nicht und lässt sich auch nicht aus dem Zweck oder dem Zusammenhang mit anderen gesetzlichen Vorschriften herleiten (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, Az. B 4 AS 60/07 R, juris RN 19 ff.). Es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei AG um Förderungsleistungen handelt, die die Erwerbsfähigkeit des Leistungsberechtigten erhalten, verbessern oder wiederherstellen sollen. Um Personen, die bereits über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausgeübt haben, wieder an eine regelmäßige Arbeitstätigkeit zu gewöhnen und zu erproben, ob sie den daraus ergebenden Belastungen gewachsen sind, sollte eine Maßnahme die Person in einem zeitlichen Umfang in Anspruch nehmen, der auch einen Rückschluss auf ihre Leistungsfähigkeit zulässt (BSG, a.a.O., RN 23). Daher kann nach Auffassung des Senats die wöchentliche Arbeitszeit auch nahe an diejenige eines Regelarbeitsverhältnisses heranreichen.

Der hier geregelte zeitliche Umfang von knapp 32 Stunden lässt dem Antragsteller neben der Teilnahme an der Maßnahme noch hinreichend Zeit für die Eigenbemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes.

Schließlich ist auch der Umstand, dass im vorliegenden Fall die EV eine Gültigkeitsdauer von 7,5 Monaten besitzt, nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Mit dieser Dauer wird die sechsmonatige Regellaufzeit nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II überschritten. Wie der Antragsteller zutreffend ausführt, wird die gesetzliche Formulierung "Soll" zur Bezeichnung eines gebundenen Ermessens verwendet und bedeutet, dass der Leistungsträger in begründeten Ausnahmefällen von dieser Regellaufzeit abweichen darf. Ebenso trifft es zu, dass sich weder dem Bescheid selbst noch den Ausführungen des Antragsgegners im Verfahren entnehmen lässt, aus welchen Gründen hier genau die festgelegte Maßnahmedauer gewählt worden ist.

Da die am 1. August 2010 beginnende Maßnahme auf eine Dauer von einem Jahr konzipiert ist, können Teilnehmer auch solange dort verbleiben, ohne Maßnahmeteile doppelt zu absolvieren. Im vorliegenden Fall hat offensichtlich der zuständige Fallmanager die individuelle Situation des Antragstellers so eingeschätzt, dass er eine längere als sechsmonatige, jedoch nicht die vollständige Regelverweildauer von 12 Monaten für erforderlich gehalten. Dies ist wegen der beschrieben individuellen Vermittlungshemmnissen und der Vorgeschichte des Antragstellers nach vorläufiger Bewertung des Senats sachgerecht gewesen. Soweit hierin ein Begründungsmangel des angegriffenen Bescheids liegen sollte, kann diese im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden (§ 41 Abs 1 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X).

Soweit der Antragsteller darauf verweist, eine ungelernte Helfertätigkeit sei nicht geeignet, seine Hilfebedürftigkeit zu beenden, ist dem entgegenzuhalten, dass das konkrete Ziel dieser Arbeitsgelegenheit primär der flexible Ein- und Umstieg in andere Bildungsangebote (Schul- oder Ausbildung) ist. Ein direkter Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt dürfte nur bei optimalem Verlauf möglich sein.

Soweit der Antragsteller rügt, aus dem angegriffenen Bescheid ließen sich die notwendigen Fakten für eine rechtliche Überprüfung der angebotenen Tätigkeit nicht entnehmen, ist anzumerken, dass nach den – unwidersprochenen – Ausführungen des Antragsgegners beim Gespräch am 16. August 2010 ein Vertreter des Maßnahmeträgers zugegen war und alle Einzelheiten zur AG erläutert worden sind. Der Antragsteller hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine konkreten Fragen aufgeworfen, die unbeantwortet geblieben sind. Es ist nicht zu beanstanden, dass nicht jedes Detail zur angebotenen Tätigkeit in den Bescheid aufgenommen und erläutert worden ist.

Es muss im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzverfahrens nicht festgestellt werden, dass ein Widerspruch vollständig aussichtslos erscheint. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung führt jedoch die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs (Widerspruch) nach den vorstehenden Ausführungen dazu, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht erfolgen musste. Es sind nämlich keine Gesichtspunkte ersichtlich, die zwingend die Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts zur Folge hätten. Auch eine Verletzung von subjektiven Rechten des Antragstellers ist für den Senat nicht ersichtlich.

Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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