Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 66/07 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 519/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zeiten der Arbeitslosigkeit in Kroatien, für die keine Rentenbeiträge entrichet worden sind, sind keine Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 240 Abs. 2 S. 2 SGB VI)
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Rentenanspruch des Klägers wegen Erwerbsminderung, insbesondere, ob hierfür die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Der 1947 in Kroatien geborene Kläger war in der Zeit von September 1968 bis Mai 1982 in Deutschland - zuletzt als Maschinenarbeiter- versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend zahlte er noch bis August 1983 freiwillige Beiträge zur Beklagten ein. Nach seiner Rückkehr in die Heimat legte er vom 01.03.1983 bis 30.06.1991, vom 01.07.1991 bis 01.10.1991, vom 02.02.1993 bis 22.08.1995 und vom 01.12.2003 bis 30.04.2006, insgesamt für 13 Jahre 6 Monate und 22 Tage, Versicherungszeiten nach kroatischem Recht zurück.
Auf seinen Rentenantrag vom 04.08.2005 stellte der kroatische Versicherungsträger den Rentenanspruch aus der kroatischen Versicherung ab 31.10.2005, mit Zahlungsbeginn ab 01.05.2006, fest. Entsprechend dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (deutsch-kroatisches SV) leitete der kroatische Versicherungsträger den Antrag mit Formblatt HR-D 206, nebst Versicherungsverlauf und Rentenmitteilung sowie einer Bescheinigung über Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Beklagten zur Prüfung und Bescheidung zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.09.2006 lehnte die Beklagte die Rentengewährung im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe in den fünf Jahren vor Rentenantragstellung nur ein Jahr und neun Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten belegt.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger unter Vorlage einer Bescheinigung über Zeiten der Arbeitslosigkeit, die - wie bereits die vom kroatischen Versicherungsträger übersandte Bescheinigung - den Vermerk enthielt, dass er in den bezeichneten Zeiträumen keine Ersatzleistungen (als Arbeitsloser) erhalten habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2006 wies die Widerspruchsstelle den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, der Kläger habe statt der erforderlichen 36 nur 21 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die kroatischen Arbeitslosigkeitszeiten seien nicht zu berücksichtigen, da während dieser Zeit keine Leistungen gewährt worden seien. Dementsprechend seien die Zeiträume von November 1991 bis Januar 1993 und von September 1995 bis November 2003 nicht mit sogenannten "Anwartschaftserhaltungszeiten" belegt.
Die hiergegen am 15.01.2007 zum Sozialgericht Landshut (SG LA) erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass die Zeit der Arbeitslosmeldung in Kroatien durchaus eine Abkommenszeit darstellen müsse.
Mit Schreiben vom 15.03.2007 hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, dass das deutsch-kroatische SV die Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit nur dann vorsehe, wenn Arbeitslosengeld gewährt werde. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien damit letztmals bei Eintritt eines Leistungsfalls im Juni 1996 erfüllt. Diesbezüglich trage der Kläger die Beweislast. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung und die tatsächliche Berufsausübung nach 1996 habe die Klage demgemäß nur geringe Erfolgsaussicht.
Daraufhin hat der Kläger Kopien seiner Versicherungsunterlagen übersandt.
Das SG hat Erhebungen zum Umfang der Versicherungszeiten und zum Eintritt des Leistungsfalles vorgenommen. Unter Auswertung kroatischer Befund- und Krankheitsberichte, in denen auch ein jahrelanger Kriegseinsatz des Klägers erwähnt wird, hat die von Amts wegen beauftragte gerichtsärztliche Sachverständige, Dr. med. T., in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 04.09.2008 für die Zeit ab 1995 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Abdominelle Beschwerden bei chronisch rezidivierender Magenschleimhautentzündung und funktionellen Darmstörungen.
2. Wirbelsäulenabhängige Beschwerden mit Lumboischialgie.
3. Darüber hinaus seien seit 2001 zusätzlich ein Zervikobrachialsyndrom und ein depressives Syndrom mit Verdacht auf "posttraumatische Belastungsstörung" aktenkundig.
Zusammenfassend ließe sich aus den"abdominellen Beschwerden und dem Lendenwirbelsäulensyndrom" eine quantitative Beeinträchtigung nicht ableiten. Für die Zeit vor 1997 seien keine psychopathologischen Befunde erwähnt. Eine "psychiatrische Vorstellung" des Klägers sei erstmals im März 2001 erfolgt. Maßgebend hierfür seien ein ängstlich-depressives Syndrom und eine posttraumatische Belastungsstörung gewesen. In den Folgejahren habe sich der Kläger regelmäßig in psychiatrischer Behandlung befunden, wobei unter Therapie eine relative Stabilisierung erreicht habe werden können - bis zum Tode des Sohnes im Rahmen eines Verkehrsunfalls im Jahr 2005.
Auf die mündliche Verhandlung vom 23.10.2008 hat die 11. Kammer des SG LA die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, nach dem Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung habe der Kläger jedenfalls bis Dezember 1997 vollschichtig tätig sein können. Die Beschäftigung des Klägers in der Zeit von Dezember 2003 bis April 2006 spreche zudem gegen eine verminderte Erwerbsfähigkeit in dem Zeitraum, in dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt gewesen seien. Nach Art.26 Abs.2 des deutsch-kroatischen SV stellten die Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug in Kroatien keine Verlängerungstatbestände dar.
Die gegen das am 31.03.2009 zugestellte Urteil am 17.06.2009 eingelegte Berufung hat der Kläger damit begründet, dass die Zeiten der Arbeitslosigkeit in Kroatien anspruchsbegründend sein müssten. Zudem könnte man im Hinblick auf seine Beschäftigung von Dezember 2003 bis April 2006 "ein Auge zudrücken und ihm die Rente wegen der noch fehlenden 8 Monate" nicht weiter versagen.
Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger ab 01.12.2012 Anspruch auf (Regelalters-)Rente habe. Das erkennende Gericht hat den Kläger ferner mit Begleitschreiben zur Auskunft der Beklagten auf die Beweislage, insbesondere auf den Beweiswert der tatsächlichen Arbeitsleistung, wodurch das Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung im SG-Verfahren bestätigt werde, hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 15.05.2011 hat der Kläger erklärt, dass er seine Berufung nicht zurücknehme.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Landshut vom 23.10.2008 und des Bescheides der Beklagten vom 15.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2006 zu verurteilen, ihm ab August 2005 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen für zutreffend.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz
- SGG -) ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Das Sozialgericht und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung habe, da die hierfür erforderlichen beitragsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs.1 Nr.2 sowie des § 241 Abs.2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI - nicht erfüllt sind.
Der Nachweis, dass Erwerbsminderung spätestens im Juni 1996 eingetreten sei und daher die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Ziffer 2 des § 43 Abs.1 SGB VI noch erfüllt seien, ist nicht erbracht.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs.2 Satz 1 bzw. Abs.1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die
1. vor dem 01.01.1961 geboren und
2. berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit vom Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs.1 und 2 SGB VI).
Nach § 241 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung bzw. der Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI), in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben müssen, u.a. um Ersatzzeiten. Nach Abs.2 des § 241 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder der Berufsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Nach dem zwischenstaatlichen Abkommen zwischen Deutschland und Kroatien steht eine Pflichtbeitragsleistung im Herkunftsland einer entsprechenden Beitragsleistung in Deutschland gleich. Im Übrigen ist eine Gleichstellung von Zeiten (z.B. Anrechnungs- bzw. Ersatzzeiten) durch das Sozialversicherungsabkommen nicht erfolgt.
Der Kläger erfüllt diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Denn eine ununterbrochene Belegung der Zeit ab 01.01.1984 liegt nicht vor und zur Überzeugung des Senats steht fest, dass er jedenfalls erst nach 1997 maßgebend in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt war. Dies gilt sowohl für seinen zuletzt in Deutschland ausgeübten Beruf als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Neben den vorliegenden kroatischen medizinischen Unterlagen und dem Gutachten der gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. med. T. vom 04.09.2008 sprechen auch der Beweiswert der tatsächlichen Arbeitsleistung nach 2003 sowie der Zeitpunkt der erstmaligen Rentenantragstellung gegen den Eintritt eines früheren Leistungsfalles.
Die gerichtsärztliche Sachverständige hat in ihrem Gutachten eine überzeugende zusammenfassende Wertung abgegeben. Hiernach lässt sich die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung bis zum Jahr 2005 nach den vorliegenden Befunden nicht rechtfertigen. Erst nach dem Verkehrsunfall des Sohnes im Mai 2005, mit mehrmonatigem Koma und Tod des Sohnes im August 2005, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer maßgeblichen Verschlechterung der psychischen Erkrankung des Klägers und einer zeitlichen Leistungseinschränkung auszugehen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kriegseinsatz des Klägers bereits durchgehend zu einer quantitativen Leistungseinschränkung geführt hätte, liegen nicht vor. Das "posttraumatische Belastungssyndrom" mit "Flash- back- Symptomatik" machte eine psychiatrische Behandlung erst ab Ende der 90-er Jahre bzw. Anfang 2000 erforderlich. Dies bestätigen die kroatischen Befund- und Klinikberichte, insbesondere des Allgemeinkrankenhauses "Dr. I. P." -S., Abteilung für Psychiatrie, vom 02.10.2006.Den erforderlichen Beweis des rechtzeitigen Eintritts des Leistungsfalls (Meyer-Ladewig /Keller /Leitherer, Komm. zum SGG, 9.A., §128 Rdnr.3b) erbringen also auch diese medizinischen Unterlagen nicht.
Die Zeiten der Arbeitslosigkeit in Kroatien sind vom Sozialgericht und der Beklagten zu Recht nicht als die Rentenanwartschaft erhaltende bzw. die Anwartschaft begründende Zeiten gewertet worden. Auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird insoweit Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs.2 SGG abgesehen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen sind im Übrigen sowohl für die Beklagte als auch für die Gerichte bindend. Dies würde selbst dann gelten, wenn lediglich ein Monat zu ihrer Erfüllung fehlen würde. Dem Anliegen des Klägers in seiner Berufungsbegründung, ihm wegen der fehlenden acht Monate nicht die Rente zu versagen, kann demzufolge nicht entsprochen werden. Die Bindung an Recht und Gesetz der Verwaltung sowie der Gerichte ist ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, von dem nicht abgewichen werden kann (Art.20 Abs.3 Grundgesetz).Dem Kläger kann nur dringend anheim gestellt werden, rechtzeitig vor Vollendung des 65. Lebensjahres Regelaltersrente (§ 235 SGB VI) zu beantragen.
Der Berufung war nach alledem der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht gegeben.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Rentenanspruch des Klägers wegen Erwerbsminderung, insbesondere, ob hierfür die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Der 1947 in Kroatien geborene Kläger war in der Zeit von September 1968 bis Mai 1982 in Deutschland - zuletzt als Maschinenarbeiter- versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend zahlte er noch bis August 1983 freiwillige Beiträge zur Beklagten ein. Nach seiner Rückkehr in die Heimat legte er vom 01.03.1983 bis 30.06.1991, vom 01.07.1991 bis 01.10.1991, vom 02.02.1993 bis 22.08.1995 und vom 01.12.2003 bis 30.04.2006, insgesamt für 13 Jahre 6 Monate und 22 Tage, Versicherungszeiten nach kroatischem Recht zurück.
Auf seinen Rentenantrag vom 04.08.2005 stellte der kroatische Versicherungsträger den Rentenanspruch aus der kroatischen Versicherung ab 31.10.2005, mit Zahlungsbeginn ab 01.05.2006, fest. Entsprechend dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (deutsch-kroatisches SV) leitete der kroatische Versicherungsträger den Antrag mit Formblatt HR-D 206, nebst Versicherungsverlauf und Rentenmitteilung sowie einer Bescheinigung über Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Beklagten zur Prüfung und Bescheidung zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.09.2006 lehnte die Beklagte die Rentengewährung im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe in den fünf Jahren vor Rentenantragstellung nur ein Jahr und neun Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten belegt.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger unter Vorlage einer Bescheinigung über Zeiten der Arbeitslosigkeit, die - wie bereits die vom kroatischen Versicherungsträger übersandte Bescheinigung - den Vermerk enthielt, dass er in den bezeichneten Zeiträumen keine Ersatzleistungen (als Arbeitsloser) erhalten habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2006 wies die Widerspruchsstelle den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, der Kläger habe statt der erforderlichen 36 nur 21 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die kroatischen Arbeitslosigkeitszeiten seien nicht zu berücksichtigen, da während dieser Zeit keine Leistungen gewährt worden seien. Dementsprechend seien die Zeiträume von November 1991 bis Januar 1993 und von September 1995 bis November 2003 nicht mit sogenannten "Anwartschaftserhaltungszeiten" belegt.
Die hiergegen am 15.01.2007 zum Sozialgericht Landshut (SG LA) erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass die Zeit der Arbeitslosmeldung in Kroatien durchaus eine Abkommenszeit darstellen müsse.
Mit Schreiben vom 15.03.2007 hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, dass das deutsch-kroatische SV die Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit nur dann vorsehe, wenn Arbeitslosengeld gewährt werde. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien damit letztmals bei Eintritt eines Leistungsfalls im Juni 1996 erfüllt. Diesbezüglich trage der Kläger die Beweislast. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung und die tatsächliche Berufsausübung nach 1996 habe die Klage demgemäß nur geringe Erfolgsaussicht.
Daraufhin hat der Kläger Kopien seiner Versicherungsunterlagen übersandt.
Das SG hat Erhebungen zum Umfang der Versicherungszeiten und zum Eintritt des Leistungsfalles vorgenommen. Unter Auswertung kroatischer Befund- und Krankheitsberichte, in denen auch ein jahrelanger Kriegseinsatz des Klägers erwähnt wird, hat die von Amts wegen beauftragte gerichtsärztliche Sachverständige, Dr. med. T., in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 04.09.2008 für die Zeit ab 1995 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Abdominelle Beschwerden bei chronisch rezidivierender Magenschleimhautentzündung und funktionellen Darmstörungen.
2. Wirbelsäulenabhängige Beschwerden mit Lumboischialgie.
3. Darüber hinaus seien seit 2001 zusätzlich ein Zervikobrachialsyndrom und ein depressives Syndrom mit Verdacht auf "posttraumatische Belastungsstörung" aktenkundig.
Zusammenfassend ließe sich aus den"abdominellen Beschwerden und dem Lendenwirbelsäulensyndrom" eine quantitative Beeinträchtigung nicht ableiten. Für die Zeit vor 1997 seien keine psychopathologischen Befunde erwähnt. Eine "psychiatrische Vorstellung" des Klägers sei erstmals im März 2001 erfolgt. Maßgebend hierfür seien ein ängstlich-depressives Syndrom und eine posttraumatische Belastungsstörung gewesen. In den Folgejahren habe sich der Kläger regelmäßig in psychiatrischer Behandlung befunden, wobei unter Therapie eine relative Stabilisierung erreicht habe werden können - bis zum Tode des Sohnes im Rahmen eines Verkehrsunfalls im Jahr 2005.
Auf die mündliche Verhandlung vom 23.10.2008 hat die 11. Kammer des SG LA die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, nach dem Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung habe der Kläger jedenfalls bis Dezember 1997 vollschichtig tätig sein können. Die Beschäftigung des Klägers in der Zeit von Dezember 2003 bis April 2006 spreche zudem gegen eine verminderte Erwerbsfähigkeit in dem Zeitraum, in dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt gewesen seien. Nach Art.26 Abs.2 des deutsch-kroatischen SV stellten die Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug in Kroatien keine Verlängerungstatbestände dar.
Die gegen das am 31.03.2009 zugestellte Urteil am 17.06.2009 eingelegte Berufung hat der Kläger damit begründet, dass die Zeiten der Arbeitslosigkeit in Kroatien anspruchsbegründend sein müssten. Zudem könnte man im Hinblick auf seine Beschäftigung von Dezember 2003 bis April 2006 "ein Auge zudrücken und ihm die Rente wegen der noch fehlenden 8 Monate" nicht weiter versagen.
Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger ab 01.12.2012 Anspruch auf (Regelalters-)Rente habe. Das erkennende Gericht hat den Kläger ferner mit Begleitschreiben zur Auskunft der Beklagten auf die Beweislage, insbesondere auf den Beweiswert der tatsächlichen Arbeitsleistung, wodurch das Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung im SG-Verfahren bestätigt werde, hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 15.05.2011 hat der Kläger erklärt, dass er seine Berufung nicht zurücknehme.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Landshut vom 23.10.2008 und des Bescheides der Beklagten vom 15.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2006 zu verurteilen, ihm ab August 2005 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen für zutreffend.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz
- SGG -) ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Das Sozialgericht und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung habe, da die hierfür erforderlichen beitragsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs.1 Nr.2 sowie des § 241 Abs.2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI - nicht erfüllt sind.
Der Nachweis, dass Erwerbsminderung spätestens im Juni 1996 eingetreten sei und daher die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Ziffer 2 des § 43 Abs.1 SGB VI noch erfüllt seien, ist nicht erbracht.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs.2 Satz 1 bzw. Abs.1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die
1. vor dem 01.01.1961 geboren und
2. berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit vom Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs.1 und 2 SGB VI).
Nach § 241 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung bzw. der Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI), in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben müssen, u.a. um Ersatzzeiten. Nach Abs.2 des § 241 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder der Berufsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Nach dem zwischenstaatlichen Abkommen zwischen Deutschland und Kroatien steht eine Pflichtbeitragsleistung im Herkunftsland einer entsprechenden Beitragsleistung in Deutschland gleich. Im Übrigen ist eine Gleichstellung von Zeiten (z.B. Anrechnungs- bzw. Ersatzzeiten) durch das Sozialversicherungsabkommen nicht erfolgt.
Der Kläger erfüllt diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Denn eine ununterbrochene Belegung der Zeit ab 01.01.1984 liegt nicht vor und zur Überzeugung des Senats steht fest, dass er jedenfalls erst nach 1997 maßgebend in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt war. Dies gilt sowohl für seinen zuletzt in Deutschland ausgeübten Beruf als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Neben den vorliegenden kroatischen medizinischen Unterlagen und dem Gutachten der gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. med. T. vom 04.09.2008 sprechen auch der Beweiswert der tatsächlichen Arbeitsleistung nach 2003 sowie der Zeitpunkt der erstmaligen Rentenantragstellung gegen den Eintritt eines früheren Leistungsfalles.
Die gerichtsärztliche Sachverständige hat in ihrem Gutachten eine überzeugende zusammenfassende Wertung abgegeben. Hiernach lässt sich die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung bis zum Jahr 2005 nach den vorliegenden Befunden nicht rechtfertigen. Erst nach dem Verkehrsunfall des Sohnes im Mai 2005, mit mehrmonatigem Koma und Tod des Sohnes im August 2005, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer maßgeblichen Verschlechterung der psychischen Erkrankung des Klägers und einer zeitlichen Leistungseinschränkung auszugehen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kriegseinsatz des Klägers bereits durchgehend zu einer quantitativen Leistungseinschränkung geführt hätte, liegen nicht vor. Das "posttraumatische Belastungssyndrom" mit "Flash- back- Symptomatik" machte eine psychiatrische Behandlung erst ab Ende der 90-er Jahre bzw. Anfang 2000 erforderlich. Dies bestätigen die kroatischen Befund- und Klinikberichte, insbesondere des Allgemeinkrankenhauses "Dr. I. P." -S., Abteilung für Psychiatrie, vom 02.10.2006.Den erforderlichen Beweis des rechtzeitigen Eintritts des Leistungsfalls (Meyer-Ladewig /Keller /Leitherer, Komm. zum SGG, 9.A., §128 Rdnr.3b) erbringen also auch diese medizinischen Unterlagen nicht.
Die Zeiten der Arbeitslosigkeit in Kroatien sind vom Sozialgericht und der Beklagten zu Recht nicht als die Rentenanwartschaft erhaltende bzw. die Anwartschaft begründende Zeiten gewertet worden. Auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird insoweit Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs.2 SGG abgesehen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen sind im Übrigen sowohl für die Beklagte als auch für die Gerichte bindend. Dies würde selbst dann gelten, wenn lediglich ein Monat zu ihrer Erfüllung fehlen würde. Dem Anliegen des Klägers in seiner Berufungsbegründung, ihm wegen der fehlenden acht Monate nicht die Rente zu versagen, kann demzufolge nicht entsprochen werden. Die Bindung an Recht und Gesetz der Verwaltung sowie der Gerichte ist ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, von dem nicht abgewichen werden kann (Art.20 Abs.3 Grundgesetz).Dem Kläger kann nur dringend anheim gestellt werden, rechtzeitig vor Vollendung des 65. Lebensjahres Regelaltersrente (§ 235 SGB VI) zu beantragen.
Der Berufung war nach alledem der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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