Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AL 417/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 169/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen Prozesskostenhilfe
Beschwerde gegen Ablehung einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Beschwerde gegen Ablehung einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.04.2011 aufgehoben.
II. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B., A-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I.
Streitig ist die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 01.08.1998 bis 11.07.2002 und eine sich daraus ergebende Erstattung in Höhe von insgesamt 22.488,22 EUR.
Nach Erschöpfung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld bezog die Klägerin ab dem 03.07.1995 mit kürzeren Unterbrechungen Alhi von der Beklagten. Bei den jeweiligen Antragstellungen gab die Klägerin bis zum Fortzahlungsantrag zum 01.08.2003 keine Vermögenswerte an.
Nachdem die Beklagte von der Staatsanwaltschaft bzw Zollverwaltung A-Stadt erfahren hatte, dass die Klägerin und ihr Ehemann in der Zeit vom 09.05.1992 bis 22.08.2001 insgesamt 383.860 DM, vom 15.02.2002 bis 30.07.2002 insgesamt 9.200 EUR und vom 10.10.2002 bis 29.01.2003 insgesamt 5.700 EUR in die Türkei überwiesen hätten, hörte sie die Klägerin hierzu an. Die Klägerin erklärte hierzu, es habe sich um Überweisungen zur Unterstützung von Verwandten in der Türkei gehandelt.
Mit Bescheid vom 20.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2008 nahm die Beklagte die Alhi-Bewilligung ab 01.08.1998 nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ganz zurück und forderte die Klägerin zur Erstattung von insgesamt 30.524,75 EUR auf (Alhi und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) auf.
Dagegen hat die Klägerin Klage (Az: S 1 AL 375/08) beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2009 stellte der Vorsitzende fest, dass die letzte nachweisbare große Vermögenssumme ab dem 12.04.2002 verbraucht gewesen sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Angaben der Klägerin im Antrag vom 12.07.2002 zu ihrer Bedürftigkeit zutreffend seien. Auf Vorschlag des Vorsitzenden vereinbarten die Beteiligten daraufhin in einem Vergleich, die Beklagte stelle die Rückforderungssumme im Bescheid vom 20.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2008 unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin im Antrag vom 12.07.2002 zutreffende Angaben gemacht habe, rechtsmittelfähig neu fest und erstatte 1/3 der außergerichtlichen Kosten für das Vorverfahren. Die Beteiligten waren sich auch darüber einig, dass der anhängige Rechtsstreit damit in vollem Umfang erledigt sei.
Mit Bescheid vom 26.03.2010 nahm die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Alhi vom 01.08.1998 bis 11.07.2002 nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X ganz zurück und forderte die Erstattung von insgesamt 22.488,22 EUR. In der Überschrift des Bescheides hieß es:
"Vollzug des Vergleichs beim Sozialgericht vom 28.10.2009
Rücknahme- und Erstattungsbescheid
Mein Bescheid vom 20.03.2008 - Rücknahme- und Erstattungsbescheid - ist somit als gegenstandslos zu betrachten "
In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde darauf verwiesen, dass gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden könne.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2010 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage beim SG erhoben und beantragt, den streitgegenständlichen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben. Zudem hat sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Mit Beschluss vom 28.04.2011 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Die Klage sei unzulässig, da ihr der zwischen den Beteiligten geschlossene Vergleich entgegenstehe. In der damaligen Sitzung sei der Vorsitzende davon ausgegangen, dass ab dem 12.07.2002 eine Bedürftigkeit der Klägerin vorgelegen habe, weshalb die Beteiligten den Vergleich geschlossen hätten, wonach alleine die Festsetzung der Rückforderungssumme nochmals rechtsmittelfähig erfolgen, nicht jedoch eine erneut angreifbare Rücknahmeentscheidung getroffen werden sollte. Über die Rücknahme habe die Beklagte auch in ihrem Bescheid vom 26.03.2010 nicht erneut entschieden. Für die Unwirksamkeit des Vergleichs würden keine Anhaltspunkte vorliegen.
Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Im Vergleich sei festgelegt worden, dass die Beklagte einen insgesamt rechtsmittelfähigen Bescheid erlassen sollte. Im Vergleich habe man sich nur darauf geeinigt, dass die Klägerin ab dem 12.07.2002 richtige Angaben bei der Antragstellung gemacht habe, für die Zeit zuvor habe man sich nicht angenähert. Hätte man damals gewollt, dass die alten Angaben rechtskräftig werden sollten, hätte man in den Vergleich einen entsprechenden Passus einfügen können und müssen. Zudem habe der Bescheid vom 26.03.2010 eine neue Entscheidung über die Rücknahme der Alhi-Bewilligung getroffen; der frühere Bescheid bestehe nicht mehr.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch begründet. Der Klägerin ist für das erstinstanzliche Verfahren PKH zu bewilligen.
Nach § 73a Abs 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Eine solche hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin aufgrund der Sachverhaltschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eine andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Selbst bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist in der Regel in den gerichtskostenfreien Verfahren PKH unbeschränkt zu bewilligen (vgl zum Ganzen: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 73a Rn 7 ff).
Maßgebender Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, auch des Beschwerdegerichts. Ein früherer Zeitpunkt kommt allenfalls in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den Antrag verzögert hat oder eine Änderung zum Nachteil des Antragstellers eingetreten ist (vgl Leitherer aaO Rn 7d).
Eine hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne besteht vorliegend. Die vom SG vorgenommene Auslegung des Vergleichs vom 28.10.2009 erscheint insofern fraglich, als dass in dem Vergleich ausdrücklich das Wort "rechtsmittelfähig" aufgenommen worden ist. Mithin sollte eine Überprüfung des den Vergleich ausführenden Bescheides in einem Widerspruchsverfahren bzw anschließendem Klageverfahren möglich sein. Die Beklagte hat insofern zutreffende Rechtsbehelfsbelehrungen erteilt, an denen sich die Klägerin orientiert hat. Unklar ist auch die Formulierung des Vergleiches dahingehend, dass danach die "Rückforderungssumme" neu festgesetzt werden sollte. Streng formal ausgelegt, könnte dies den Schluss zulassen, dass damit alleine eine Regelung iSv § 50 SGB X getroffen werden dürfte. Da der Bescheid vom 26.03.2010 aber auch darüber hinausgehende Regelungen enthält, könnte schon allein deshalb in jedem Fall eine Anfechtungsmöglichkeit bestehen. Hätten die Beteiligten im Vergleich seinerzeit einvernehmlich regeln wollen, dass für die Zeit vor dem 12.07.2002 bereits die Aufhebung und Rückforderung rechtskräftig bestehen bleiben sollte, hätte sich dies in der Formulierung wiederfinden müssen. Insofern hätte sich die Beklagte dann wohl nur bereit erklären dürfen, die Aufhebung und Rückforderung für die Zeit ab 12.07.2002 aufzuheben. Dies ist so gerade nicht im Vergleich geregelt worden. Die Behauptung der Klägerin, man habe sich in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2009 im Hinblick auf die Zeit vor dem 12.07.2002 nicht annähern können erscheint vor diesem Hintergrund zumindest nachvollziehbar und lässt eine Auslegung des Vergleichs dahingehend, dass eine volle Überprüfung des neuen Bescheides zugelassen werden sollte, jedenfalls als möglich erscheinen.
Unabhängig von der Frage der Auslegung des Vergleichs wirft der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010 erhebliche rechtliche Probleme auf, die eine Rechtswidrigkeit nicht von vornherein ausschließen. So könnte die "Überschrift" des Bescheides dahingehend zu verstehen sein, dass damit zunächst der ursprüngliche Bescheid vom 20.03.2008 aufgehoben wird ("Mein Bescheid vom 20.03.2008 - Rücknahme- und Erstattungsbescheid - ist somit als gegenstandslos zu betrachten"). Dies alleine würde die Klägerin nicht belasten, jedoch die anschließend unmissverständliche Neuregelung, nämlich die Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 01.08.1998 bis 11.07.2002. Hier erscheint es fraglich, ob für diese Verfügung der Vergleich eine hinreichende Rechtsgrundlage bietet. Insofern könnte sich dann die Frage stellen, ob der Bescheid insoweit nicht bereits deshalb rechtswidrig wäre, weil die Beklagte dabei die Jahresfrist nach § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X nicht beachtet hat. Möglicherweise hätte die Beklagte in Umsetzung des Vergleichs nur den Bescheid vom 20.03.2008 insoweit aufheben dürfen, als damit die Alhi-Bewilligung für die Zeit ab dem 12.07.2002 aufgehoben worden ist und die Rückforderungssumme entsprechend reduzieren müssen.
Nach alledem ist vom Vorliegen hinreichender Erfolgaussichten auszugehen und der Klägerin PKH für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung liegen vor.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B., A-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I.
Streitig ist die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 01.08.1998 bis 11.07.2002 und eine sich daraus ergebende Erstattung in Höhe von insgesamt 22.488,22 EUR.
Nach Erschöpfung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld bezog die Klägerin ab dem 03.07.1995 mit kürzeren Unterbrechungen Alhi von der Beklagten. Bei den jeweiligen Antragstellungen gab die Klägerin bis zum Fortzahlungsantrag zum 01.08.2003 keine Vermögenswerte an.
Nachdem die Beklagte von der Staatsanwaltschaft bzw Zollverwaltung A-Stadt erfahren hatte, dass die Klägerin und ihr Ehemann in der Zeit vom 09.05.1992 bis 22.08.2001 insgesamt 383.860 DM, vom 15.02.2002 bis 30.07.2002 insgesamt 9.200 EUR und vom 10.10.2002 bis 29.01.2003 insgesamt 5.700 EUR in die Türkei überwiesen hätten, hörte sie die Klägerin hierzu an. Die Klägerin erklärte hierzu, es habe sich um Überweisungen zur Unterstützung von Verwandten in der Türkei gehandelt.
Mit Bescheid vom 20.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2008 nahm die Beklagte die Alhi-Bewilligung ab 01.08.1998 nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ganz zurück und forderte die Klägerin zur Erstattung von insgesamt 30.524,75 EUR auf (Alhi und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) auf.
Dagegen hat die Klägerin Klage (Az: S 1 AL 375/08) beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2009 stellte der Vorsitzende fest, dass die letzte nachweisbare große Vermögenssumme ab dem 12.04.2002 verbraucht gewesen sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Angaben der Klägerin im Antrag vom 12.07.2002 zu ihrer Bedürftigkeit zutreffend seien. Auf Vorschlag des Vorsitzenden vereinbarten die Beteiligten daraufhin in einem Vergleich, die Beklagte stelle die Rückforderungssumme im Bescheid vom 20.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2008 unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin im Antrag vom 12.07.2002 zutreffende Angaben gemacht habe, rechtsmittelfähig neu fest und erstatte 1/3 der außergerichtlichen Kosten für das Vorverfahren. Die Beteiligten waren sich auch darüber einig, dass der anhängige Rechtsstreit damit in vollem Umfang erledigt sei.
Mit Bescheid vom 26.03.2010 nahm die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Alhi vom 01.08.1998 bis 11.07.2002 nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X ganz zurück und forderte die Erstattung von insgesamt 22.488,22 EUR. In der Überschrift des Bescheides hieß es:
"Vollzug des Vergleichs beim Sozialgericht vom 28.10.2009
Rücknahme- und Erstattungsbescheid
Mein Bescheid vom 20.03.2008 - Rücknahme- und Erstattungsbescheid - ist somit als gegenstandslos zu betrachten "
In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde darauf verwiesen, dass gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden könne.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2010 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage beim SG erhoben und beantragt, den streitgegenständlichen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben. Zudem hat sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Mit Beschluss vom 28.04.2011 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Die Klage sei unzulässig, da ihr der zwischen den Beteiligten geschlossene Vergleich entgegenstehe. In der damaligen Sitzung sei der Vorsitzende davon ausgegangen, dass ab dem 12.07.2002 eine Bedürftigkeit der Klägerin vorgelegen habe, weshalb die Beteiligten den Vergleich geschlossen hätten, wonach alleine die Festsetzung der Rückforderungssumme nochmals rechtsmittelfähig erfolgen, nicht jedoch eine erneut angreifbare Rücknahmeentscheidung getroffen werden sollte. Über die Rücknahme habe die Beklagte auch in ihrem Bescheid vom 26.03.2010 nicht erneut entschieden. Für die Unwirksamkeit des Vergleichs würden keine Anhaltspunkte vorliegen.
Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Im Vergleich sei festgelegt worden, dass die Beklagte einen insgesamt rechtsmittelfähigen Bescheid erlassen sollte. Im Vergleich habe man sich nur darauf geeinigt, dass die Klägerin ab dem 12.07.2002 richtige Angaben bei der Antragstellung gemacht habe, für die Zeit zuvor habe man sich nicht angenähert. Hätte man damals gewollt, dass die alten Angaben rechtskräftig werden sollten, hätte man in den Vergleich einen entsprechenden Passus einfügen können und müssen. Zudem habe der Bescheid vom 26.03.2010 eine neue Entscheidung über die Rücknahme der Alhi-Bewilligung getroffen; der frühere Bescheid bestehe nicht mehr.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch begründet. Der Klägerin ist für das erstinstanzliche Verfahren PKH zu bewilligen.
Nach § 73a Abs 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Eine solche hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin aufgrund der Sachverhaltschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eine andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Selbst bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist in der Regel in den gerichtskostenfreien Verfahren PKH unbeschränkt zu bewilligen (vgl zum Ganzen: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 73a Rn 7 ff).
Maßgebender Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, auch des Beschwerdegerichts. Ein früherer Zeitpunkt kommt allenfalls in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den Antrag verzögert hat oder eine Änderung zum Nachteil des Antragstellers eingetreten ist (vgl Leitherer aaO Rn 7d).
Eine hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne besteht vorliegend. Die vom SG vorgenommene Auslegung des Vergleichs vom 28.10.2009 erscheint insofern fraglich, als dass in dem Vergleich ausdrücklich das Wort "rechtsmittelfähig" aufgenommen worden ist. Mithin sollte eine Überprüfung des den Vergleich ausführenden Bescheides in einem Widerspruchsverfahren bzw anschließendem Klageverfahren möglich sein. Die Beklagte hat insofern zutreffende Rechtsbehelfsbelehrungen erteilt, an denen sich die Klägerin orientiert hat. Unklar ist auch die Formulierung des Vergleiches dahingehend, dass danach die "Rückforderungssumme" neu festgesetzt werden sollte. Streng formal ausgelegt, könnte dies den Schluss zulassen, dass damit alleine eine Regelung iSv § 50 SGB X getroffen werden dürfte. Da der Bescheid vom 26.03.2010 aber auch darüber hinausgehende Regelungen enthält, könnte schon allein deshalb in jedem Fall eine Anfechtungsmöglichkeit bestehen. Hätten die Beteiligten im Vergleich seinerzeit einvernehmlich regeln wollen, dass für die Zeit vor dem 12.07.2002 bereits die Aufhebung und Rückforderung rechtskräftig bestehen bleiben sollte, hätte sich dies in der Formulierung wiederfinden müssen. Insofern hätte sich die Beklagte dann wohl nur bereit erklären dürfen, die Aufhebung und Rückforderung für die Zeit ab 12.07.2002 aufzuheben. Dies ist so gerade nicht im Vergleich geregelt worden. Die Behauptung der Klägerin, man habe sich in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2009 im Hinblick auf die Zeit vor dem 12.07.2002 nicht annähern können erscheint vor diesem Hintergrund zumindest nachvollziehbar und lässt eine Auslegung des Vergleichs dahingehend, dass eine volle Überprüfung des neuen Bescheides zugelassen werden sollte, jedenfalls als möglich erscheinen.
Unabhängig von der Frage der Auslegung des Vergleichs wirft der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010 erhebliche rechtliche Probleme auf, die eine Rechtswidrigkeit nicht von vornherein ausschließen. So könnte die "Überschrift" des Bescheides dahingehend zu verstehen sein, dass damit zunächst der ursprüngliche Bescheid vom 20.03.2008 aufgehoben wird ("Mein Bescheid vom 20.03.2008 - Rücknahme- und Erstattungsbescheid - ist somit als gegenstandslos zu betrachten"). Dies alleine würde die Klägerin nicht belasten, jedoch die anschließend unmissverständliche Neuregelung, nämlich die Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 01.08.1998 bis 11.07.2002. Hier erscheint es fraglich, ob für diese Verfügung der Vergleich eine hinreichende Rechtsgrundlage bietet. Insofern könnte sich dann die Frage stellen, ob der Bescheid insoweit nicht bereits deshalb rechtswidrig wäre, weil die Beklagte dabei die Jahresfrist nach § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X nicht beachtet hat. Möglicherweise hätte die Beklagte in Umsetzung des Vergleichs nur den Bescheid vom 20.03.2008 insoweit aufheben dürfen, als damit die Alhi-Bewilligung für die Zeit ab dem 12.07.2002 aufgehoben worden ist und die Rückforderungssumme entsprechend reduzieren müssen.
Nach alledem ist vom Vorliegen hinreichender Erfolgaussichten auszugehen und der Klägerin PKH für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung liegen vor.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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