L 8 AL 3191/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 2270/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3191/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Gewährung von Arbeitslosengeld I (Alg).

Der Antragsteller war ab 1998 als Redakteur bei der Firma M. prodoctions GmbH in B. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde in der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts Berlin am 15.04.2008 durch Vergleich ab 31.03.2008 gegen eine Abfindung in Höhe von 50.000 EUR beendet.

Für die Zeit vom 24.11.2007 bis 23.02.2010 bezog der Antragsteller von der Deutschen Krankenversicherung AG (DKV) Krankentagegeld. Gestützt auf ein Gutachten von Dr. D. vom 23.02.2010 lehnte die DKV ab 24.02.2010 die weitere Zahlung von Krankentagegeld an den Antragsteller ab, da die Versicherung durch den Eintritt von Berufsunfähigkeit geendet habe. Der Antragsteller erhob beim Landgericht Berlin gegen die DKV Klage auf Weiterzahlung von Krankentagegeld über den 23.02.2007 hinaus, das mit Beschluss vom 16.09.2010 den Rechtsstreit zuständigkeitshalber an das Landgericht Heilbronn verwies (Az. 4 O 175/10 Be). Das Landgericht Heilbronn holte das nervenärztliche Gutachten des Prof. Dr. T. vom 10.05.2011 ein, der nach einer ambulanten Untersuchung des Antragstellers am 18.04.2011 zu dem Ergebnis gelangte, der Antragsteller sei zumindest ab dem 18.04.2011 arbeitsfähig gewesen, weshalb der Zustand davor, zurückwirkend bis 23.02.2010 auch kein Zustand der Berufsunfähigkeit gewesen sei. Die DKV erhob - gestützt auf eine ärztliche Stellungnahme von Dr. P. vom 01.06.2011 - gegen die Bewertung von Dr. T. Einwendungen und hat u.a. die Anhörung des Sachverständigen im Termin beantragt. Mit Verfügung vom 02.08.2011 verlegte das Landgericht Heilbronn einen Termin zur Beweisaufnahme und Fortsetzung der mündlichen Verhandlung, zu dem Prof. Dr. T. zur Erläuterung seines Gutachtens geladen wurde, auf den 24.01.2012.

Derzeit bezieht der Antragsteller vom Job-Center des Landkreises Heilbronn aufgrund des Bescheides vom 04.05.2011 Leistungen nach den SGB II bis 30.09.2011.

Der Antragsteller meldete sich bei der Agentur für Arbeit B. am 30.11.2007 mit Wirkung zum 01.01.2008 arbeitslos und beantragte Alg. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 10.01.2008 abgelehnt, da der Leistungsanspruch wegen des Anspruches auf Krankengeld ruhe.

Am 20.07.2010 meldete sich der Antragsteller mit Wirkung zum 07.09.2010 bei der Agentur für Arbeit Heilbronn (AA) erneut arbeitslos und beantragte Alg. Der Antragsteller bestätigte unter dem 07.09.2010, arbeitsfähig zu sein. Mit Bescheid vom 08.09.2010 bewilligte die AA dem Antragsteller Alg ab 07.09.2010 (Anspruchsdauer 450 Kalendertage). Am 20.09.2010 teilte der Antragsteller der AA unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20.09.2010 (Folgebescheinigung) mit, wider Erwarten weiterhin arbeitsunfähig zu sein. Daraufhin nahm die AA mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.09.2010 die Bewilligung von Alg ab dem 07.09.2010 zurück, da der Antragsteller aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe.

Auf Anfrage teilte die AA dem Antragsteller mit Schreiben vom 28.12.2010 mit, sein Anspruch auf Alg erlösche am 08.09.2014.

Am 29.04.2011 meldete sich der Antragsteller mit Wirkung zum 01.05.2011 erneut bei der AA arbeitslos und beantragte wiederum Alg. Mit Veränderungsmitteilung vom 10.05.2011 teilte der Antragsteller der AA mit, ab 10.05.2011 arbeitsunfähig erkrankt zu sein, und legte hierzu eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) vor. Mit Bescheid vom 11.05.2011 lehnte die AA den Antrag des Antragstellers auf Alg ab, da er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe.

Gegen den Bescheid vom 11.05.2011 legte der Antragsteller am 20.05.2011 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, zur Erfüllung der Anwartschaftszeit sei der Bezug von Krankentagegeld ausreichend. Innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist habe ein Versicherungspflichtverhältnis von 9 Monaten und 23 Tagen vorgelegen. Er habe auch für die Zeit bis mindestens Ende Juni 2010 gegen seine private Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankentagegeld. Der Antragsteller verwies auf den beim Landgericht Heilbronn anhängigen Rechtsstreit. Mit Rechtskraft eines entsprechenden die private Krankenversicherung zur Zahlung von Krankentagegeld verpflichtenden Urteils wäre die Anwartschaftszeit erfüllt. Zur Vermeidung von systematisch bedingten Härten müsse ausreichen, dass ein entsprechendes Begehren auf Krankentagegeld bestehe und dies gerichtlich geltend gemacht werde. Dies finde in § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III eine Stütze. Es erscheine hinreichend wahrscheinlich, dass er einen Krankentagegeldanspruch zumindest bis Juni 2010 habe. Der Antragsteller berief sich auf das vom Landgericht Heilbronn eingeholte Gutachten von Prof. Dr. T. vom 10.05.2011. Die Anwartschaftszeit in der Rahmenfrist sei zumindest vorläufig als erfüllt anzusehen. Dies folge auch aus dem Schreiben der AA vom 28.12.2010. Zudem habe er wegen der Benennung des Erlöschensdatums 08.09.2014 im Schreiben vom 28.12.2010 einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch dahin, dass ihm Leistungen nach dem SGB III zu gewähren seien. Wäre er mit dem Schreiben vom 28.12.2010 zutreffend über den Zeitpunkt des Ablaufs der Anwartschaftszeit informiert worden, hätte er seine Genesung beschleunigt und sich sodann rechtzeitig als gesund bei der AA gemeldet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2011 wies die AA den Widerspruch des Antragstellers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, innerhalb der Rahmenfrist seien nur 299 Kalendertage zu berücksichtigen, in denen der Antragsteller versicherungspflichtig gewesen sei (01.05.2009 bis 23.02.2010 Krankentagegeld). Ein Anspruch auf Alg sei mangels Verfügbarkeit nicht entstanden. Eine vorläufige Bewilligung nach § 328 SGB III könne nicht erfolgen. Es lägen keine Unterlagen vor, aus denen ersichtlich sei, dass das bereits über ein Jahr laufende Klageverfahren vor dem Landgericht Heilbronn mit Sicherheit Erfolg haben werde. Die Annahme, dass die Klage voraussichtlich Erfolg haben werde, reiche für eine Bewilligung nach § 328 SGB III nicht aus.

Hiergegen erhob der Antragsteller am 08.06.2011 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage (S 7 AL 2120/11) mit dem Ziel, ihm Alg ab 01.05.2011 zu gewähren, über die das SG noch nicht entschieden hat.

Am 28.06.2011 stellte der Antragsteller den vorliegend streitigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Er hat zur Begründung sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III sei bereits dann gegeben, wenn mehr für als gegen das Bestehen der entsprechenden Voraussetzungen spreche. Nicht erforderlich sei, dass eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gegeben sei. Nach Aktenlage sei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Krankentagegeldbezuges über den 23.02.2010 hinaus zu bejahen. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Auch ein Anordnungsgrund liege vor. Er beziehe derzeit Leistungen nach dem SGB II. Ab 01.10.2011 würden Kosten der Unterkunft nur noch im angemessenen Umfang übernommen. Ohne die Zahlung von Alg werde es ihm unmöglich sein, seine bisherige Wohnung zu halten. Eilbedürftigkeit sei zu bejahen. Dem stehe der derzeitige Bezug von Leistungen nach dem SGB II wegen des Vorrangs von Sozialversicherungsleistungen vor Leistungen nach dem SGB II nicht entgegen.

Mit Beschluss vom 18.07.2011 lehnte das SG den Eilantrag des Antragstellers ab. Zur Begründung führte es aus, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass ein Anordnungsanspruch bestehe. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache seien derzeit noch völlig offen und letztlich wohl allein von dem Ausgang des Rechtsstreites bezüglich des Krankentagegeldes vor dem Landgericht Heilbronn abhängig. Ein Anspruch auf Leistung von Alg bestehe aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 08.09.2010 nicht. Dieser Bescheid sei aufgehoben worden. Auch aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.12.2010 lasse sich ein Anspruch auf Gewährung von Alg nicht herleiten. Dieses Schreiben stelle keine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X dar. Der Antragsteller habe auch nicht die erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt. Ebenso sei ein Anspruch auf eine vorläufige positive Entscheidung über die Gewährung von Alg gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht gegeben. Der Antragsteller habe die Anspruchsvoraussetzungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Er habe keine Nachweise dafür vorgelegt, dass sich ein Obsiegen im Zivilrechtsstreit abzeichne. Der geltend gemachte Anspruch könne auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergeleitet werden. Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass im Falle der Ablehnung des gerichtlichen Eilrechtsschutzantrages für den Antragsteller erhebliche, unabwendbare und unmittelbar bevorstehende Nachteile zu erwarten seien.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 19.07.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 19.07.2011 beim SG Beschwerde eingelegt, die dem Landessozialgericht am 29.07.2011 vorgelegt worden ist. Der Antragsteller hat zur Begründung unter Bezug auf sein bisheriges Vorbringen ergänzend ausgeführt, die Ansicht des SG, dass das Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.12.2010 nicht als Zusicherung zu werten sei, sei unzutreffend. Er habe aufgrund dieses Schreibens davon ausgehen dürfen, dass die Antragsgegnerin bis zu dem im Schreiben genannten Zeitpunkt Alg problemlos gewähren werde, weshalb er von einer Zusicherung habe ausgehen dürfen. Das SG habe auch irrig das Vorliegen der Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III verneint. Es verkenne den Umfang seines Vortrages und die vorgelegten Mittel der Glaubhaftmachung sowie die Reichweite der Amtsermittlungspflicht. Es wäre verpflichtet gewesen, die Akte des Landgerichtes Heilbronn beizuziehen, aus der sich ergebe, dass mehr für sein Obsiegen als für sein Unterliegen spreche, weswegen die Voraussetzungen des § 328 SGB III gegeben seien. Das Landgericht sei aus zivilprozessualen Gründen zur Anhörung des Sachverständigen zum Gutachten in einer mündlichen Verhandlung gehalten. Der Antragsteller hat sich auf das Gutachten von Prof. Dr. T. vom 10.05.2011 berufen. Das SG irre auch, soweit es einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint habe. Der Antragsteller hat sich hierzu auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 28.02.2008 berufen. Entgegen der Annahme des SG bestehe ein Anordnungsanspruch. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zum laufenden Verfahren vor dem Landgericht Heilbronn zeichneten sich durch Unkenntnis von Gerichtsverfahren unter der Geltung der ZPO aus. Seine behandelnden Ärzte teilten die Einschätzung von Prof. Dr. T. , der auf seinem Fachgebiet eine anerkannte Größe sei. Da insbesondere die Beweislast für das Vorliegen der Berufsunfähigkeit alleine bei der DKV liege, spreche mehr für ein Obsiegen in den Zivilrechtsstreit als dafür, dass er unterliege. Nach der Anhörung von Prof. Dr. T. dürfte das Landgericht Heilbronn aller Voraussicht nach ein Urteil fällen, welches maßgeblich in dem Gutachten seine Stütze finden werde. Von der Beauftragung eines Obergutachtens sei nicht auszugehen. Die Möglichkeit einer Berufung durch die DKV führe nicht dazu, den Ausgang des Rechtsstreits als offen zu bezeichnen. Die Berufsunfähigkeit bejahenden Ärzte Dr. P. und Dr. D. seien "Vertrauensärzte" der DKV, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zur DKV stünden. Das SG habe schließlich unzutreffend das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verneint.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Juli 2011 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe ab 28. Juni 2011 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alg mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorlägen. Das Gutachten von Prof. Dr. T. lasse es nicht als hinreichend wahrscheinlich erscheinen, dass sich ein Obsiegen des Antragstellers in Zivilrechtsstreit abzeichne. Über die Sichtweise von Prof. Dr. T. solle heftig gestritten werden. Ob dies zu Recht erfolge, sei im Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Der Ausgang des Verfahrens vor dem Landgericht Heilbronn sei völlig offen. Der Antragsteller habe den Job-Center Heilbronn mitgeteilt, dass er Ende Oktober 2011 nach B. umzuziehen gedenke. Es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.

Der Antragsteller hat zum Vorbringen der Antragsgegnerin wegen des Umzuges nach B. ergänzend ausgeführt, zutreffend sei, dass er den Plan gefasst habe, nach B. umzuziehen und dass er dies mit dem Job-Center vorbesprochen habe. Es handele sich jedoch bei dem Umzug um einen vagen Plan und nicht um ein gefestigtes Vorhaben, das "spruchreif" geworden sei. Fakt sei, dass er nur für den Fall, dass ihm Leistungen nach dem SGB III gewährt werden würden, einen Umzug nach B. ins Auge fassen würde. Ob er für den Zeitraum ab dem 01.10.2011 Leistungen nach dem SGB II beantragen werde, hänge insbesondere vom Ausgang des Eilverfahrens ab.

Mit richterlichem Hinweisschreiben vom 18.08.2011 ist den Beteiligten ein Vergleich vorgeschlagen worden, dem die Antragsgegnerin nicht zugestimmt hat.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die vom Senat beigezogenen Akten des Landgerichts Heilbronn (Az. 4 O 175/10 Be) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft. Ausschlussgründe nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Hiervon ausgehend erweist sich die Beschwerde des Antragstellers als nicht begründet. Denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, wie das SG im angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zum nicht glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch (Seiten 5 bis 7 Absatz 2) an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend bleibt auszuführen:

Der Antragsteller hat nach derzeitiger Sachlage keinen Anspruch auf Alg. Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 118 Abs. 1 SGB III). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der (u.a.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht - Verfügbarkeit - (§ 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III). Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller (bislang) nicht.

Bei den Arbeitslosmeldungen des Antragstellers mit Wirkung zum 01.01.2008 und zum 07.09.2010 bestand kein Anspruch auf Alg, da der Antragsteller - unstreitig - arbeitsunfähig war und damit den Vermittlungsbemühungen der AA nicht zur Verfügung stand. Ein Anspruch auf Fortzahlung eines zu einem früheren Zeitpunkt entstandenen Anspruchs auf Alg besteht somit nicht. Einen solchen Anspruch macht der Antragsteller im Übrigen auch nicht geltend.

Hinsichtlich des vorliegend streitigen Antrages auf Alg (Arbeitslosmeldung mit Wirkung zum 01.05.2011) hat der Antragsteller nach derzeitiger Erkenntnislage - unstreitig - die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, da er innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren (§ 124 Abs. 1 SGB III) nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Allerdings steht im Hinblick auf den vom Antragsteller beim Landgericht Heilbronn geführten Rechtsstreit gegen seine private Krankenversicherung noch nicht abschließend fest, ob der Antragsteller über den 23.02.2010 hinaus für einen weiteren Zeitraum Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld hat und dadurch die Anwartschaftszeit erfüllt.

Bei derartigen Fallgestaltungen kann die Antragsgegnerin gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruches eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Nach Satz 3 dieser Bestimmung ist auf Antrag vorläufig zu entscheiden.

Der Antragsteller hat einen Anspruch auf (positive) vorläufige Entscheidung über die Gewährung von Alg gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht glaubhaft gemacht, denn die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Alg liegen derzeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor.

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, welche von an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einerseits und der bloßen Möglichkeit andererseits abzugrenzen ist, ist anzunehmen, wenn nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen bei Abwägung aller Umstände den für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III § 328 RdNr. 146; Düe in Niesel/Brand SGB III, 5. Aufl., § 328RdNr. 17; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr. 38; Schmidt-De Caluwe in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, § 328 RdNr. 31). Ob bereits ausreichend ist, dass mehr für als gegen das Bestehen der Voraussetzungen spricht (vgl. Winkler in LPK-SGB III, RdNr. 12; Gagel, SGB III, § 28 RdNr. 25) kann der Senat vorliegend offen lassen, denn auch ein solches Übergewicht ist nicht gegeben.

Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen steht nicht fest, ob der Antragsteller über den 23.02.2010 hinaus gegen seine private Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankentagegeld für einen Zeitraum hat, der zur Erfüllung der Anwartschaftszeit ausreicht. Hierüber hat das Landgericht Heilbronn in dem vom Antragsteller gegen seine Krankenversicherung geführten Rechtsstreit zu entscheiden. Zwar stützt das vom Landgericht eingeholte Gutachten von Prof. Dr. T. vom 10.05.2011, der entgegen der Ansicht der Krankenversicherung Berufsunfähigkeit des Antragstellers zum 23.02.2010 verneint hat, einen Anspruch des Antragstellers auf Krankentagegeld über den 23.02.2010 hinaus. Gegen das Gutachten des Prof. Dr. T. hat jedoch die Krankenversicherung des Antragstellers unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. P. substantiiert Einwendungen erhoben. Das Landgericht Heilbronn hat (deswegen) Prof. Dr. T. zur Erläuterung seines Gutachtens geladen (Termin am 24.01.2012). Welche Erläuterungen Prof. Dr. T. im Termin abgibt, ob er bei seinen Bewertungen im Gutachten vom 10.05.2011 bleibt, welche Beweiswürdigung das Landgericht vornimmt, ob das Landgericht zur Klärung des Sachverhaltes weitere Ermittlungen für geboten hält (Obergutachten) und zu welchem Urteil das Landgericht Heilbronn letztlich gelangt, ist für den Senat nach Auswertung der beigezogenen Gerichtsakten des Landgerichts Heilbronn derzeit nicht absehbar und - entgegen der Ansicht des Antragstellers - als offen anzusehen. An der im richterlichen Hinweisschreiben vom 18.08.2011 geäußerten vorläufigen Rechtsauffassung zu den Erfolgsaussichten der vom Antragsteller beim Landgericht Heilbronn erhobenen Klage, die vor Auswertung der beigezogenen Akten des Landgerichts Heilbronn mitgeteilt wurde, hält der Senat nicht fest.

Einen Anspruch auf Alg kann der Antragsteller auch nicht aus dem Schreibens der AA vom 28.12.2010 herleiten. Der Senat teilt die Auffassung des SG im angefochtenen Beschluss, dass sich aus diesem Schreiben keine Zusicherung entnehmen lässt, einen bestimmten Verwaltungsakt zu einem späteren Zeitpunkt zu erlassen. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Das Schreiben der AA vom 28.12.2010 ist für den Antragsteller ersichtlich eine Antwort/Auskunft auf seine Anfrage vom 22.12.2010 / 27.12.2010, bis wann sein Anspruch auf Alg erlösche und bis zu welchem Datum er einen Antrag spätestens einreichen müsse. Damit durfte der Antragsteller nicht berechtigt von einer Zusicherung dahin ausgehen, dass ihm bis zum mitgeteilten Erlöschenszeitpunkt Alg gewährt werden würde.

Ein Anspruch des Antragstellers auf Alg lässt sich entgegen seiner Ansicht auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch mit Erfolg stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung gerichtet, um den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis ordnungsgemäß erfüllt hätte. Der Sozialleistungsträger kann jedoch fehlende Tatbestandsmerkmale oder anspruchsschädliche Tatsachen, die außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegen, nicht durch rechtmäßige Amtshandlungen fingieren oder beseitigen. Veränderungen in der Lebens- oder Verhaltenssituation des Betroffenen, die - wie die Verfügbarkeit - Voraussetzungen eines Anspruches sind, können durch den Herstellungsanspruch weder negiert noch geschaffen werden (vgl. zum Vorstehenden Karmanski in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 147 RdNr. 24, 25). Ein früherer Eintritt der Arbeitsfähigkeit des Antragstellers kann nicht durch eine rechtmäßige Amtshandlung fingiert werden. Vielmehr bleibt die Tatsache bestehen, dass der Antragsteller vor seiner Arbeitslosmeldung am 29.04.2011 mit Wirkung zum 01.05.2011 wegen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht verfügbar und damit gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht arbeitslos war, weshalb die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Alg nicht vorlagen, wie bereits oben ausgeführt wurde. Die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 28.02.2008, auf die er sich im Beschwerdeverfahren berufen hat, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz zu Grunde liegende Sachverhalt (Ersetzung der fehlenden Arbeitslosmeldung im Wege des Herstellungsanspruchs) ist - entgegen der Ansicht des Antragstellers - mit der vorliegend zu beurteilenden Fallgestaltung nicht vergleichbar. Im Übrigen ist diese Entscheidung nach den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen vom Bundessozialgericht nicht bestätigt, sondern der Rechtsstreit durch Vergleich beendet worden.

Danach war die Beschwerde des Antragstellers mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches zurückzuweisen. Auf das zwischen den Beteiligten umstrittene Vorliegen eines Anordnungsgrundes kommt es mithin nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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