Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 18 SB 155/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 SB 74/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist belgischer Staatsbürger und wohnhaft in F. Belgien. Er bezieht in Belgien eine Altersrente, hat aber eine Versicherungsnummer der Deutschen Rentenversicherung. Seit Bescheiderteilung des Versorgungsamtes Aachen vom 14.02.2007 ist bei ihm ein GdB von 40 anerkannt wegen der Gesundheitsstörungen Herzminderleistung (Einzel-GdB 30) und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20)
Am 25.07.2008 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB und das Merkzeichen G. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11.02.2009 ab und führte zur Begründung aus, der Kläger gehöre nicht zu dem Personenkreis, der nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) Anspruch auf Feststellung einer Schwerbehinderung habe, da er weder in Deutschland wohne oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, noch in Deutschland arbeite. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2009 zurückgewiesen wurde. Hiergegen richtet sich die am 10.06.2009 erhobene Klage.
Der Kläger trägt vor, er wolle hauptsächlich die aus dem Merkzeichen G folgenden Vergünstigungen für den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Insbesondere besuche er mindestens 3 Mal im Jahr seinen Sohn, der in Niedersachsen lebe. In Deutschland besuche er außerdem Ärzte und Apotheken.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2009 zu verurteilen, beim Kläger einen GdB von mindestens 50 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G seit Antragstellung festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger falle nicht in den Geltungsbereich des SGB IX, da er weder einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt, noch einen Arbeitsplatz in Deutschland habe. Gelegentliche Besuche des Sohnes in Deutschland seien jedenfalls nicht ausreichend.
Das Gericht hat gemäß §§ 103, 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachtens von Dr. Q ... Wegen des Ergebnisses dieses Gutachtens sowie wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs.2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind.
Beim Kläger liegen nach dem Ergebnis des internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachtens von Dr. Q. die medizinischen Voraussetzung für die Anerkennung eines Gesamt-GdB von 60 zwar vor, ebenso liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G vor. Dies wird in der versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 03.12.2009 bestätigt und ist in der Sache zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die Feststellung einer Schwerbehinderung nach §§ 69 ff SGB IX und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichens G gemäß § 145 SGB IX, jeweils in Verbindung mit der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) und der dortigen Anlage 2 "Versorgungsmedizinische Grundsätze", denn er fällt nicht in den Anwendungsbereich des SGB IX.
Nach § 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) gelten die Vorschriften des Sozialgesetzbuches für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Das in § 30 Abs. 1 SGB I verankerte Territorialitätsprinzip gilt jedoch nur, soweit sich aus dem Gesetz nichts Abweichendes ergibt, § 37 Satz 1 SGB I. Eine solche abweichende Regelung ist in § 2 Abs. 2 SGB IX getroffen. Nach dieser Norm sind Menschen schwerbehindert im Sinne der §§ 69 ff. SGB IX, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Diese Ausnahme liegt darin begründet, dass die Schwerbehinderteneigenschaft einen besonderen Schutz am Arbeitsplatz (§§ 71 ff. SGB IX) nach sich zieht, der auch Grenzgängern zugutekommen soll (BT-Drucks 7/656 S 24 zur Vorgängerregelung § 5 ff SchwbG). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht, da er seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt unstreitig in Belgien hat und auch nicht in Deutschland arbeitet. Er kann sich somit grundsätzlich nicht auf die Regelungen des SGB IX berufen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer anschließt, erfährt diese in § 2 Abs. 2 SGB IX gesetzlich vorgesehene Durchbrechung des Territorialitätsprinzips dem Sinn und Zweck der §§ 69 ff SGB IX entsprechend jedoch eine weitere Ausdehnung. Insoweit führt das Bundessozialgericht im Urteil vom 05.07.2007, Az. B 9/9a SB 2/07 R aus:
"Die Feststellung des GdB hat eine dienende Funktion. Sie gewinnt erst dadurch Bedeutung, dass sie als Statusfeststellung auch für Dritte verbindlich ist (vgl BSGE 52, 168, 172 = SozR 3870 § 3 Nr 13 S 31; BSGE 69, 14, 17 = SozR 3-1300 § 44 Nr 3 S 9) und die Inanspruchnahme von sozialrechtlichen, steuerrechtlichen, arbeitsrechtlichen, straßenverkehrsrechtlichen und anderen Vorteilen ermöglicht. Das durch eine Feststellung nach § 4 SchwbG bzw § 69 SGB IX gewährte subjektive soziale Recht berührt den Rechtskreis des Antragstellers also immer dann, wenn sich hieraus weitere Rechte im Inland ergeben können. Soweit es derartige rechtliche Vorteile gibt, die nicht an einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, sondern an einen andersartigen Inlandsbezug anknüpfen, erfordert es schon der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Einheit der Rechtsordnung, dass die betreffenden Personen eine Feststellung iS von § 4 SchwbG bzw § 69 SGB X beanspruchen können (vgl dazu Vergleichsvorschlag BSG Breith 2003, 71, 77). Allerdings kann ein im Ausland wohnender Behinderter das Feststellungsverfahren nach § 4 SchwbG bzw § 69 SGB IX nur zur Ermöglichung konkreter inländischer Rechtsvorteile in Anspruch nehmen. Geht es nur um den Nachweis einer Behinderung gegenüber ausländischen Stellen, kann der behinderte Mensch auf die Möglichkeit entsprechender Feststellungen durch die für seinen Wohnort im Ausland zuständigen Stellen verwiesen werden. Ebenso wenig reicht insofern eine abstrakte, also rein theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile im Inland aus (so aber Sächsisches LSG, Urteil vom 21.12.2005 - L 6 SB 5/04 - juris). Vielmehr lässt sich eine Durchbrechung des Territorialitätsprinzips (§ 30 Abs. 1 i.V.m. § 37 Satz 1 SGB I) nur rechtfertigen, wenn dem behinderten Menschen trotz seines ausländischen Wohnsitzes aus der Feststellung seines GdB in Deutschland konkrete Vorteile erwachsen können."
Nach dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss der Antragsteller zur weiteren Durchbrechung des aus § 30 SGB I folgenden Territorialitätsprinzips durch die in der GdB-Feststellung liegenden verbindlichen Statusfeststellung konkrete Vorteile erlangen. Die abstrakte und rein theoretische Möglichkeiten der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile im Inland reicht nicht aus.
Fraglich ist vorliegend bereits, ob auch die Anerkennung eines Nachteilsausgleichs (hier das Merkzeichen G) eine Statusfeststellung gegenüber einem Dritten in dem Sinne beinhaltet, wie sie das Bundessozialgericht für die Feststellung eines GdB voraussetzt, und ob das Territorialitätsprinzip auch insoweit durchbrochen werden kann. Dies kann aber dahinstehen, denn die vom Kläger vorgetragenen und erhofften Vorteile stellen zur Überzeugung der Kammer keine "konkreten Vorteile" in dem Sinne dar, wie sie das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung fordert (BSG, Urteil vom 05.07.2007, Az. B 9/9a SB 2/07 R), so dass eine weitere Einschränkung des Territorialitätsprinzips nicht gerechtfertigt ist. Solche konkreten Vorteile wären nach Auffassung der Kammer etwa dann gegeben, wenn der behinderte Mensch im Inland steuerlich veranlagt ist und aus der festgestellten Behinderung einen steuerlichen Vorteil ziehen würde. Ebenso käme ein solcher konkreter Vorteil in Betracht, wenn eine festgestellte Behinderung bei dem Rentenversicherungsträger zu einer vorzeitigen oder veränderten Anerkennung seiner Rentenansprüche führen kann.
Konkrete Vorteile des Klägers in einem solchen Sinne sind für die Kammer hier aber nicht zu erkennen.
Der Kläger ist in Deutschland steuerlich nicht veranlagt. Er hat auch nicht vorgetragen, hinsichtlich seines Rentenbezugs durch die Feststellung einer Schwerbehinderung irgendwelche Vorteile erlangen zu können. Solche Vorteile in Bezug auf die Rente sind unter Beachtung der vorgelegten deutschen Rentenversicherungsnummer auch nicht ersichtlich, da es sich um eine belgische Altersrente handelt. Der Kläger trägt hauptsächlich vor, er wolle durch die Feststellung des Merkzeichens G die aus § 145 SGB Abs. 1 IX folgende Freifahrtberechtigung im öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Nach Auffassung der Kammer reicht dies vorliegend zur Annahme eines konkreten Vorteils im Sinne der BSG-Rechtsprechung aber nicht aus. Zwar hat der Kläger entsprechende Fahrscheine vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass er seit jedenfalls seit 2007 zwei Mal im Jahr die Strecke von B. nach E. bei I. mit dem ICE gefahren ist. Außerdem hat der Kläger diverse Fahrscheine des Aachener Verkehrsverbundes (ASEAG) vorgelegt. Die Vorteile, die dem Kläger angesichts dessen aus einer Erteilung des Merkzeichens G erwachsen können, sind in ihrer Qualität mit konkreten steuerlichen oder rentenrechtlichen Vorteilen aber nicht vergleichbar. So könnte dem Kläger bereits, wie auch einem Auslandsdeutschen, kein Beiblatt mit einem Streckenverzeichnis ausgestellt werden, da er keinen Wohnsitz in Deutschland hat. Kostenfreie Fahrten in Zügen der Deutschen Bahn wären dem Kläger (in dem ohnehin auf 50 Kilometer beschränkten Umkreis um den Wohnort) somit nicht möglich. Die aus einer Feststellung des Merkzeichens G folgende Freifahrtberechtigung beschränkt sich daher von vorne herein auf den Nahverkehr der Verkehrsverbünde. Hierbei ist nach § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB IX zur Erteilung des Beiblattes mit Wertmarke eine Zuzahlung von 60,00 Euro pro Jahr bzw. 30,00 Euro pro halbem Jahr zu entrichten. Die ASEAG-Fahrscheine die der Kläger im Verfahren zur Untermauerung seines Anspruches vorgelegt hat, belaufen sich aber nur auf Beträge von 4,10 Euro im Jahr 2007, 27,10 Euro im Jahr 2008 und 27,60 Euro im 2009. Bereits aus dieser Gegenüberstellung der Kosten, die dem Kläger bei Inanspruchnahme des erwünschten Merkzeichens erwachsen würden, und der bisher tatsächlich aufgewandten Kosten ergibt sich, dass ein Vorteil des Klägers lediglich theoretisch ist, aber nicht konkret auf der Hand liegt. Dem steht auch nicht der Vortrag des Klägers entgegen, er suche in Deutschland Apotheken und Ärzte auf. Hiergegen spricht bereits, dass der Kläger im vom Gericht übersandten Fragebogen zur Person ausschließlich belgische Ärzte angegeben hat. Ein Vorteil ergibt sich vorliegend daher - im Gegensatz etwa zu einer Steuererleichterung - nicht direkt und ohne weitere Voraussetzungen, sondern ist überhaupt nur dann denkbar, wenn die Aufwendungen des Klägers für Fahrten im Verkehrsverbund den Zuzahlungsbetrag aus § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB IX übersteigen. Dies hängt aber einzig vom tatsächlichen zukünftigen Verhalten des Klägers ab und ist damit nicht eindeutig klar, sondern nur theoretischer Natur. Einen konkreten Vorteil des Klägers in der Qualität, wie ihn das Bundessozialgericht fordert, der es rechtfertigen kann, das in § 30 Abs. 1 SGB I vorgesehene Territorialitätsprinzip zu durchbrechen, kann die Kammer darin nicht erkennen.
Die Kammer leitet auch aus der Tatsache, dass das Versorgungsamt mit Bescheid vom 14.02.2007 beim Kläger bereits einen GdB von 40 anerkannt hat, kein anderes Ergebnis ab. Dieser Bescheid dürfte nach dem zuvor Ausgeführten rechtswidrig sein. Eine Selbstbindung der Verwaltung, aus der gefolgert werden könnte, dass der Kläger auch auf den hier streitgegenständlichen Änderungsantrag einen Anspruch auf Feststellung einer Schwerbehinderung hat, vermag die Kammer daraus nicht zu folgern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Da weder eine Dienst-, noch eine Sach- oder Geldleistung, sondern die Feststellung einer Behinderung Streitgegenstand ist, kommt es auf den Wert des Streitgegenstandes nicht an (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Streitig sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist belgischer Staatsbürger und wohnhaft in F. Belgien. Er bezieht in Belgien eine Altersrente, hat aber eine Versicherungsnummer der Deutschen Rentenversicherung. Seit Bescheiderteilung des Versorgungsamtes Aachen vom 14.02.2007 ist bei ihm ein GdB von 40 anerkannt wegen der Gesundheitsstörungen Herzminderleistung (Einzel-GdB 30) und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20)
Am 25.07.2008 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB und das Merkzeichen G. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11.02.2009 ab und führte zur Begründung aus, der Kläger gehöre nicht zu dem Personenkreis, der nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) Anspruch auf Feststellung einer Schwerbehinderung habe, da er weder in Deutschland wohne oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, noch in Deutschland arbeite. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2009 zurückgewiesen wurde. Hiergegen richtet sich die am 10.06.2009 erhobene Klage.
Der Kläger trägt vor, er wolle hauptsächlich die aus dem Merkzeichen G folgenden Vergünstigungen für den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Insbesondere besuche er mindestens 3 Mal im Jahr seinen Sohn, der in Niedersachsen lebe. In Deutschland besuche er außerdem Ärzte und Apotheken.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2009 zu verurteilen, beim Kläger einen GdB von mindestens 50 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G seit Antragstellung festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger falle nicht in den Geltungsbereich des SGB IX, da er weder einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt, noch einen Arbeitsplatz in Deutschland habe. Gelegentliche Besuche des Sohnes in Deutschland seien jedenfalls nicht ausreichend.
Das Gericht hat gemäß §§ 103, 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachtens von Dr. Q ... Wegen des Ergebnisses dieses Gutachtens sowie wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs.2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind.
Beim Kläger liegen nach dem Ergebnis des internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachtens von Dr. Q. die medizinischen Voraussetzung für die Anerkennung eines Gesamt-GdB von 60 zwar vor, ebenso liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G vor. Dies wird in der versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 03.12.2009 bestätigt und ist in der Sache zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die Feststellung einer Schwerbehinderung nach §§ 69 ff SGB IX und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichens G gemäß § 145 SGB IX, jeweils in Verbindung mit der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) und der dortigen Anlage 2 "Versorgungsmedizinische Grundsätze", denn er fällt nicht in den Anwendungsbereich des SGB IX.
Nach § 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) gelten die Vorschriften des Sozialgesetzbuches für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Das in § 30 Abs. 1 SGB I verankerte Territorialitätsprinzip gilt jedoch nur, soweit sich aus dem Gesetz nichts Abweichendes ergibt, § 37 Satz 1 SGB I. Eine solche abweichende Regelung ist in § 2 Abs. 2 SGB IX getroffen. Nach dieser Norm sind Menschen schwerbehindert im Sinne der §§ 69 ff. SGB IX, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Diese Ausnahme liegt darin begründet, dass die Schwerbehinderteneigenschaft einen besonderen Schutz am Arbeitsplatz (§§ 71 ff. SGB IX) nach sich zieht, der auch Grenzgängern zugutekommen soll (BT-Drucks 7/656 S 24 zur Vorgängerregelung § 5 ff SchwbG). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht, da er seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt unstreitig in Belgien hat und auch nicht in Deutschland arbeitet. Er kann sich somit grundsätzlich nicht auf die Regelungen des SGB IX berufen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer anschließt, erfährt diese in § 2 Abs. 2 SGB IX gesetzlich vorgesehene Durchbrechung des Territorialitätsprinzips dem Sinn und Zweck der §§ 69 ff SGB IX entsprechend jedoch eine weitere Ausdehnung. Insoweit führt das Bundessozialgericht im Urteil vom 05.07.2007, Az. B 9/9a SB 2/07 R aus:
"Die Feststellung des GdB hat eine dienende Funktion. Sie gewinnt erst dadurch Bedeutung, dass sie als Statusfeststellung auch für Dritte verbindlich ist (vgl BSGE 52, 168, 172 = SozR 3870 § 3 Nr 13 S 31; BSGE 69, 14, 17 = SozR 3-1300 § 44 Nr 3 S 9) und die Inanspruchnahme von sozialrechtlichen, steuerrechtlichen, arbeitsrechtlichen, straßenverkehrsrechtlichen und anderen Vorteilen ermöglicht. Das durch eine Feststellung nach § 4 SchwbG bzw § 69 SGB IX gewährte subjektive soziale Recht berührt den Rechtskreis des Antragstellers also immer dann, wenn sich hieraus weitere Rechte im Inland ergeben können. Soweit es derartige rechtliche Vorteile gibt, die nicht an einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, sondern an einen andersartigen Inlandsbezug anknüpfen, erfordert es schon der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Einheit der Rechtsordnung, dass die betreffenden Personen eine Feststellung iS von § 4 SchwbG bzw § 69 SGB X beanspruchen können (vgl dazu Vergleichsvorschlag BSG Breith 2003, 71, 77). Allerdings kann ein im Ausland wohnender Behinderter das Feststellungsverfahren nach § 4 SchwbG bzw § 69 SGB IX nur zur Ermöglichung konkreter inländischer Rechtsvorteile in Anspruch nehmen. Geht es nur um den Nachweis einer Behinderung gegenüber ausländischen Stellen, kann der behinderte Mensch auf die Möglichkeit entsprechender Feststellungen durch die für seinen Wohnort im Ausland zuständigen Stellen verwiesen werden. Ebenso wenig reicht insofern eine abstrakte, also rein theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile im Inland aus (so aber Sächsisches LSG, Urteil vom 21.12.2005 - L 6 SB 5/04 - juris). Vielmehr lässt sich eine Durchbrechung des Territorialitätsprinzips (§ 30 Abs. 1 i.V.m. § 37 Satz 1 SGB I) nur rechtfertigen, wenn dem behinderten Menschen trotz seines ausländischen Wohnsitzes aus der Feststellung seines GdB in Deutschland konkrete Vorteile erwachsen können."
Nach dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss der Antragsteller zur weiteren Durchbrechung des aus § 30 SGB I folgenden Territorialitätsprinzips durch die in der GdB-Feststellung liegenden verbindlichen Statusfeststellung konkrete Vorteile erlangen. Die abstrakte und rein theoretische Möglichkeiten der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile im Inland reicht nicht aus.
Fraglich ist vorliegend bereits, ob auch die Anerkennung eines Nachteilsausgleichs (hier das Merkzeichen G) eine Statusfeststellung gegenüber einem Dritten in dem Sinne beinhaltet, wie sie das Bundessozialgericht für die Feststellung eines GdB voraussetzt, und ob das Territorialitätsprinzip auch insoweit durchbrochen werden kann. Dies kann aber dahinstehen, denn die vom Kläger vorgetragenen und erhofften Vorteile stellen zur Überzeugung der Kammer keine "konkreten Vorteile" in dem Sinne dar, wie sie das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung fordert (BSG, Urteil vom 05.07.2007, Az. B 9/9a SB 2/07 R), so dass eine weitere Einschränkung des Territorialitätsprinzips nicht gerechtfertigt ist. Solche konkreten Vorteile wären nach Auffassung der Kammer etwa dann gegeben, wenn der behinderte Mensch im Inland steuerlich veranlagt ist und aus der festgestellten Behinderung einen steuerlichen Vorteil ziehen würde. Ebenso käme ein solcher konkreter Vorteil in Betracht, wenn eine festgestellte Behinderung bei dem Rentenversicherungsträger zu einer vorzeitigen oder veränderten Anerkennung seiner Rentenansprüche führen kann.
Konkrete Vorteile des Klägers in einem solchen Sinne sind für die Kammer hier aber nicht zu erkennen.
Der Kläger ist in Deutschland steuerlich nicht veranlagt. Er hat auch nicht vorgetragen, hinsichtlich seines Rentenbezugs durch die Feststellung einer Schwerbehinderung irgendwelche Vorteile erlangen zu können. Solche Vorteile in Bezug auf die Rente sind unter Beachtung der vorgelegten deutschen Rentenversicherungsnummer auch nicht ersichtlich, da es sich um eine belgische Altersrente handelt. Der Kläger trägt hauptsächlich vor, er wolle durch die Feststellung des Merkzeichens G die aus § 145 SGB Abs. 1 IX folgende Freifahrtberechtigung im öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Nach Auffassung der Kammer reicht dies vorliegend zur Annahme eines konkreten Vorteils im Sinne der BSG-Rechtsprechung aber nicht aus. Zwar hat der Kläger entsprechende Fahrscheine vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass er seit jedenfalls seit 2007 zwei Mal im Jahr die Strecke von B. nach E. bei I. mit dem ICE gefahren ist. Außerdem hat der Kläger diverse Fahrscheine des Aachener Verkehrsverbundes (ASEAG) vorgelegt. Die Vorteile, die dem Kläger angesichts dessen aus einer Erteilung des Merkzeichens G erwachsen können, sind in ihrer Qualität mit konkreten steuerlichen oder rentenrechtlichen Vorteilen aber nicht vergleichbar. So könnte dem Kläger bereits, wie auch einem Auslandsdeutschen, kein Beiblatt mit einem Streckenverzeichnis ausgestellt werden, da er keinen Wohnsitz in Deutschland hat. Kostenfreie Fahrten in Zügen der Deutschen Bahn wären dem Kläger (in dem ohnehin auf 50 Kilometer beschränkten Umkreis um den Wohnort) somit nicht möglich. Die aus einer Feststellung des Merkzeichens G folgende Freifahrtberechtigung beschränkt sich daher von vorne herein auf den Nahverkehr der Verkehrsverbünde. Hierbei ist nach § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB IX zur Erteilung des Beiblattes mit Wertmarke eine Zuzahlung von 60,00 Euro pro Jahr bzw. 30,00 Euro pro halbem Jahr zu entrichten. Die ASEAG-Fahrscheine die der Kläger im Verfahren zur Untermauerung seines Anspruches vorgelegt hat, belaufen sich aber nur auf Beträge von 4,10 Euro im Jahr 2007, 27,10 Euro im Jahr 2008 und 27,60 Euro im 2009. Bereits aus dieser Gegenüberstellung der Kosten, die dem Kläger bei Inanspruchnahme des erwünschten Merkzeichens erwachsen würden, und der bisher tatsächlich aufgewandten Kosten ergibt sich, dass ein Vorteil des Klägers lediglich theoretisch ist, aber nicht konkret auf der Hand liegt. Dem steht auch nicht der Vortrag des Klägers entgegen, er suche in Deutschland Apotheken und Ärzte auf. Hiergegen spricht bereits, dass der Kläger im vom Gericht übersandten Fragebogen zur Person ausschließlich belgische Ärzte angegeben hat. Ein Vorteil ergibt sich vorliegend daher - im Gegensatz etwa zu einer Steuererleichterung - nicht direkt und ohne weitere Voraussetzungen, sondern ist überhaupt nur dann denkbar, wenn die Aufwendungen des Klägers für Fahrten im Verkehrsverbund den Zuzahlungsbetrag aus § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB IX übersteigen. Dies hängt aber einzig vom tatsächlichen zukünftigen Verhalten des Klägers ab und ist damit nicht eindeutig klar, sondern nur theoretischer Natur. Einen konkreten Vorteil des Klägers in der Qualität, wie ihn das Bundessozialgericht fordert, der es rechtfertigen kann, das in § 30 Abs. 1 SGB I vorgesehene Territorialitätsprinzip zu durchbrechen, kann die Kammer darin nicht erkennen.
Die Kammer leitet auch aus der Tatsache, dass das Versorgungsamt mit Bescheid vom 14.02.2007 beim Kläger bereits einen GdB von 40 anerkannt hat, kein anderes Ergebnis ab. Dieser Bescheid dürfte nach dem zuvor Ausgeführten rechtswidrig sein. Eine Selbstbindung der Verwaltung, aus der gefolgert werden könnte, dass der Kläger auch auf den hier streitgegenständlichen Änderungsantrag einen Anspruch auf Feststellung einer Schwerbehinderung hat, vermag die Kammer daraus nicht zu folgern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Da weder eine Dienst-, noch eine Sach- oder Geldleistung, sondern die Feststellung einer Behinderung Streitgegenstand ist, kommt es auf den Wert des Streitgegenstandes nicht an (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
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