Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 6349/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 840/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin Ziff. 1 wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2011 dahingehend abgeändert, dass der Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 ihr gegenüber vollständig aufgehoben wird. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin Ziff. 1 sowie der weiteren Kläger zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin Ziff. 1 ein Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Den Klägern werden Kosten des Gerichts in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 den Bewilligungsbescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 21. Juni 2006 in rechtmäßiger Weise ab 1. November 2011 aufgehoben hat, ferner ob der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007 zu bewilligen hat.
Die Kläger standen seit Februar 2005 im Leistungsbezug des Beklagten. Auf ihren Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Juni 2006 den Klägern sowie deren Mutter S. S. (Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis zum 31. Dezember 2006.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 21. Juni 2006 auf, weil es nach der Änderung des § 9 SGB II möglich sei, Einkommen von erwerbstätigen Hilfebedürftigen auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, selbst wenn insbesondere Kinder in der Bedarfsgemeinschaft lebten, die nicht die leiblichen Kinder des erwerbstätigen Hilfebedürftigen seien; ferner verwies der Beklagte auf einen Anspruch auf Kinderzuschlag. Dieser Aufhebungsbescheid wurde der Mutter der Kläger, S. S., übersandt. Am 30. Mai 2007 (Eingang beim Beklagten) erhoben die Kläger sowie deren Mutter hiergegen Widerspruch und begehrten ab dem 1. November 2006 weiterhin fortlaufend Leistungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Die Widerspruchsfrist sei nicht eingehalten worden. Ferner enthielt der Widerspruchsbescheid einen Hinweis darauf, dass in dem Widerspruchsschreiben eine erneute Antragstellung erfolgt sei; hinsichtlich der Entscheidung über diesen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II würden die Widerspruchsführer in den nächsten Tagen gesonderten Bescheid erhalten. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 30. Mai 2007 bis 31. Dezember 2007.
Am 10. Dezember 2007 haben die Kläger gegen den genannten Widerspruchsbescheid beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Zur Begründung haben sie ausgeführt, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2006 sei nicht verfristet gewesen; der Widerspruch sei während der hier geltenden Jahresfrist eingelegt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Aufhebungsbescheids sei fehlerhaft gewesen, weshalb die Jahresfrist (§ 66 SGG) gelte. Die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ergebe sich daraus, dass sich daraus nicht ergeben würde, dass jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft hiergegen Widerspruch einlegen müsse, um eine Bestandskraft ihm gegenüber zu vermeiden. In der Sache sei die Aufhebung rechtswidrig, der Leistungsantrag der zur Bewilligung der Leistungen bis Dezember 2006 geführt habe wirke auch auf den Zeitraum bis zum 29. Mai 2007 fort. Das SG hat mit Schreiben vom 17. März 2008 die Beteiligten zu der Absicht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden angehört; die Kläger hat es darauf hingewiesen, der Widerspruch sei verfristet. Mit Verfügung v. 23. November 2009 hat das SG die Beteiligten gebeten ihre Rechtsauffassungen nochmals zu überprüfen; Bedenken bestünden hinsichtlich der Bestandskraft des Bescheids v. 12. Oktober 2006 bzgl. der Klägerin Ziff. 1. Den Vergleichsanregungen des SG sind die Beteiligten nicht gefolgt. Mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2011 hat das SG den Bescheid vom 12. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1), S. S., für die Monate November und Dezember 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von monatlich 29,18 EUR zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, Streitgegenstand sei ein Leistungsanspruch nach dem SGB II für den Zeitraum 1. November 2006 bis zum 29. Mai 2007. Der Bescheid vom 12. Oktober 2006 sei für die minderjährigen Kinder (Kläger 2 bis 4) bestandskräftig geworden, weil der erhobene Widerspruch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG eingelegt worden sei. Die Bekanntgabe des Bescheids an die Mutter der minderjährigen Kinder sei ausreichend. Entgegen der Auffassung der Kläger gelte hier die Jahresfrist nicht; die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei korrekt. Gegenüber der (zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses volljährigen) Klägerin Ziff. 1 hätte eine gesonderte Aufhebung der Leistungen erfolgen müssen, weshalb die Aufhebungsentscheidung insofern rechtswidrig und aufzuheben sei. Einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007 hätten die Kläger mangels Antragstellung nicht.
Gegen den dem Bevollmächtigten der Klägern am 28. Januar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28. Februar 2011 eingelegte Berufung der Kläger. Zur Begründung der Berufung führen sie aus, es sei eine Zurückverweisung an das SG angezeigt, denn die Richterbank sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Das SG habe nämlich durch Gerichtsbescheid entschieden, obwohl die Sache sehr wohl Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweise. Die Rechtslage sei kompliziert, das erstinstanzliche Gericht habe übersehen, dass ein sozialrechtliches Institut - der Herstellungsanspruch aus § 10, 14 SGB I - hier anzuwenden sei. Ein Fall des § 105 SGG dürfte somit kaum vorliegen. Der Bescheid vom 12. Oktober 2006 richte sich allein an S. S., weshalb aus der Rechtsbehelfsbelehrung nicht hervorgehe, dass auch der zum damaligen Zeitpunkt bereits volljährigen S. S. das Rechtsmittel des Widerspruchs eröffnet gewesen sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei daher insgesamt unzutreffend mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist ein Jahr betrage. Bereits erstinstanzlich sei auf die Entscheidung des BSG vom 7. November 2006 (B 7b AES 8/06) hingewiesen worden. Das erstinstanzliche Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Anspruch ab 1. Januar 2007 in Ermangelung eines Antrags nicht bestehe. Es verkenne, dass der rechtswidrige Bescheid vom 12. Oktober 2006 einen Rechtsschein gesetzt habe, der unzutreffend gewesen sei. Die Kläger hätten annehmen müssen, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht bestehe. Erst durch anwaltliche Beratung sei ihnen klar geworden, dass ein Anspruch sehr wohl bestanden habe. Der Anspruch sei im folgenden Jahr dann auch realisiert worden. Hier greife das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Kläger seien so zu stellen, als hätten sie bereits vor dem 1. Januar 2007 gewusst, dass ein Anspruch besteht. Aus dem Bescheid vom 11. Dezember 2007 gehe inzident hervor, dass der Beklagte letztlich anerkannt habe, das im streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch bestanden habe.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 aufzuheben; ferner den Beklagten zu verurteilen den Klägern vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Rechtsbehelfsbelehrung stehe mit der Rechtsprechung des BSG im Einklang. Der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid alle einzelnen Anspruchsberechtigten in tabellarischer Form namentlich aufgeführt. Aus der Rechtsmittelbelehrung "gegen diesen Bescheid ist der Widerspruch zulässig" sei somit eindeutig zu entnehmen, dass jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Widerspruch einlegen könne. Der Bescheid vom 12. Oktober 2006 sei im Übrigen auch nicht rechtswidrig. Den Klägern sowie deren Mutter hätten unter Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ein Leistungsanspruch nicht mehr zugestanden, Bedürftigkeit habe nicht vorgelegen. Das BSG habe in dem Urteil vom 13. November 2008 (B 14 AS 2/08 R) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestätigt. Der Bescheid vom 11. Dezember 2007 hingegen habe diese Rechtsprechung noch nicht beachten können, weil diese nicht bekannt gewesen sei. Dieser Bescheid sei rechtswidrig und zu Gunsten der Kläger eine fehlerhafte Einkommensberechnung durchgeführt worden. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Leistungen für die Zeit ab 1. Januar 2007. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien nicht gegeben, es fehle bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten.
Parallel zu diesem Verfahren haben die anwaltlich vertretenen Kläger (nunmehr auch S. S.) mit Schreiben vom 20. Mai 2009 die Überprüfung des Bescheids vom 12. Oktober 2006 gemäß § 44 SGB X beantragt; Leistungen nach dem SGB II seien ab dem 1.11.2006 zu bewilligen. Der Bekl. lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2010 ab. Die von den Klägern hiergegen am 31. März 2010 erhobene Klage ist beim Sozialgericht G. (S 37 AS 2423/10) anhängig. Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts G. beigezogen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz wird auf die beigezogenen Akten des Sozialgerichts G. (S 37 AS 2423/10) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin Ziff. 1 hat teilweise Erfolg. Im Übrigen hat die Berufung der Klägerin Ziff. 1 sowie der weiteren Kläger keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt. Die Berufung der Klägerin Ziff. 1 hat teilweise Erfolg.
Der Senat sieht von einer Zurückverweisung an das SG trotz Vorliegens eines Verfahrensmangels im Rahmen seines Ermessens ab. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 159 Rdnr. 3a). Die Kläger rügen nach Auffassung des Senats jedoch zu Unrecht, dass das SG durch Gerichtsbescheid entschieden habe, obwohl dieser eine Schwierigkeit rechtlicher Art aufweise, im Übrigen sei die Rechtslage so kompliziert, dass das SG übersehen habe, dass ein sozialrechtliches Institut, hier der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, anzuwenden sei. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid sind in § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG geregelt. Danach darf die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt muss geklärt sein. Darüber hinaus sind die Beteiligten vorher zu hören (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat sieht in der Sache keine derartigen Schwierigkeiten, die den Erlass eines Gerichtsbescheids ausschließen würden. Das vom Bevollmächtigten gerügte "Übersehen" eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führt nicht dazu, besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art anzunehmen.
Das SG hat die Beteiligten nicht ordnungsgemäß auf die Absicht hingewiesen, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Erforderlich ist ein konkreter fallbezogener Hinweis, mit dem die Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, mitgeteilt wird. Wegen des Verbots von Überraschungsentscheidungen muss das Gericht dabei auch auf solche Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, die bisher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erörtert worden sind (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 105 Rdnr. 10 m.w.N.). Der bereits am 17. März 2008 an die Beteiligten gerichtete Hinweis nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG ist nicht mehr ausreichend gewesen. Grundsätzlich ist eine Anhörungsmitteilung zwar nur einmal erforderlich; eine nochmalige Mitteilung ist aber ausnahmsweise notwendig, wenn sich die Prozesslage wesentlich geändert hat (Leitherer a.a.O. Rdnr. 11). Im Hinweisschreiben vom 17. März 2008 hat das SG ausgeführt, "bei vorläufiger Prüfung das Sach- und Rechtslage dürfte der Widerspruch verfristet sein", es "genügt die Belehrung, zumal die Klägerin zum Termin für ihre minderjährigen Kinder vertretungsbefugt" gewesen sei. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat das SG weitere Akten (des Sozialgerichts G.) beigezogen, mit Verfügung vom 23. November 2009 an die Beteiligten weitergehende rechtliche Hinweise gerichtet und auf eine vergleichsweise Regelung hingewirkt. Der Bekl. hat daraufhin mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 eingeräumt, dass der Bescheid vom 12. Oktober 2006 die Leistungen gegenüber der Klägerin S. S. aus dem Bewilligungsbescheid vom 21. Juni 2006 nicht ordnungsgemäß aufgehoben hat. Eine vergleichsweise Regelung kam nicht zu Stande. Damit ist nach der Anhörungsmitteilung v. 17. März 2008 eine wesentliche Änderung der Prozesslage eingetreten, die einen nochmaligen Hinweis gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG erfordert hätte.
Der Senat macht hier von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen jedoch nicht im Sinne einer Zurückverweisung der Sache, die nur ausnahmsweise stattfinden soll (vgl. dazu u. a. BSG, Beschlüsse vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 91/08 B und vom 16. Dezember 2003 - B 13 RJ 194/03 B - beide veröffentlicht in Juris), an das SG Gebrauch. Trotz des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör und des damit vorliegenden erheblichen Verfahrensmangels kann der Senat in der Sache entscheiden (BSG, SozR 4-3520 § 2 Nr. 2 = BSGE 101, 49; SozR 3-5050 § 22b Nr. 1 = BSGE 88, 774; umstritten ist diese Frage wegen § 161 Abs. 4 VwGO nur für das Revisionsverfahren, vgl. dazu BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 59/04 R - SozR 4-1500 § 105 Nr. 1; Beschlüsse vom 27. März 2007 - B 13 RJ 44/05 R - und vom 26. Juni 2007 - B 4 R 11/07 S - beide veröffentlicht in Juris; Urteil vom 21. August 2008 - B 13 RJ 44/05 R - SozR 4-2600 § 96a Nr. 12). Hier überwiegt das Interesse an einer Beschleunigung der Verfahrenserledigung. Nachdem die Sache bereits seit dem Jahre 2007 gerichtlich anhängig ist, die Kläger beim Sozialgericht G. ein weiteres Klageverfahren diesbezüglich (Überprüfungsantrag) anhängig haben, erscheint es für den Senat zweckmäßig und sinnvoll über den hier anhängigen Streitgegenstand nunmehr abschließend zu entscheiden.
In der Sache ist der angefochtene Gerichtsbescheid insofern abzuändern, dass auf die Berufung der Klägerin Ziff. 1 der Bescheid vom 12. Oktober 2006 ihr gegenüber vollständig aufzuheben ist. Im Übrigen ist die Berufung sowohl der Klägerin Ziff. 1, als auch der übrigen Kläger unbegründet. Die auf die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007 gerichtete allg. Leistungsklage ist nicht statthaft. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007.
Soweit die Kläger die Aufhebung des Rücknahmebescheids vom 12. Oktober 2006 begehren, ist dies mit der hier allein statthaften Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zu verfolgen. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 hat der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 21. Juni 2006, mit dem den Klägern Leistungen bis 31. Dezember 2006 bewilligt worden war, mit Wirkung ab 1. November 2006 aufgehoben. Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist nicht statthaft, weil im Falle des Erfolgs der Anfechtung der ursprüngliche Bewilligungsbescheid weiterhin Wirkungen entfaltet und den Klägern für die Monate November und Dezember 2006 die bewilligten Leistungen zu gewähren sind (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG § 54 Rn. 38a m.w.N.).
Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2006 ist bezüglich der Klägerin Ziff. 1 auch begründet. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass bezüglich der bereits zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses volljährigen Klägerin Ziff. 1 die Bestandskraft nicht entgegengehalten werden kann. Hingegen ist die Anfechtungsklage der Kl. 2-4 unbegründet, gegenüber diesen Klägern ist Bestandskraft eingetreten, weil sie die Widerspruchsfrist versäumt haben. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben Widerspruch erst am 30. Mai 2007 (Eingang Bekl.), somit ( auch von den Klägern unbestritten) nach Ablauf der nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG einmonatigen Widerspruchsfrist erhoben. Der Bescheid ist ordnungsgemäß der gesetzlichen Vertreterin der Kl. 2-4 postalisch zugestellt worden. Gegenteiliges ist nicht ersichtlich. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist korrekt, sodass die Vorschrift des § 66 Abs. 2 SGG (einjährige Rechtsbehelfsfrist bei unterbliebener oder unrichtiger Erteilung der Rechtsbehelfsbelehrung) nicht zur Anwendung kommt. In dem angefochtenen Bescheid sind die Leistungsbezieher einzeln aufgeführt, womit die Adressaten des Bescheids individuell bezeichnet sind. Durch die Individualisierung der Adressaten des Verwaltungsakts kommt klar zum Ausdruck, dass sich die Rechtsbehelfsbelehrung auf jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bezieht. Die Entscheidung des BSG vom 7. November 2006 (B 7b AS 8/06) steht dem nicht entgegen. Darin hat das BSG zum Ausdruck gebracht, dass klargestellt sein müsse, dass jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft den maßgeblichen Rechtsbehelf einlegen müsse, nicht nur eine - wie auch immer geartete Bedarfsgemeinschaft - als solche. Da die Adressaten wie oben ausgeführt, einzelnen dargestellt sind, ist diesen Anforderungen Rechnung getragen. Der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids bereits volljährigen Klägerin Ziff. 1 kann hingegen die Bestandskraft nicht entgegengehalten werden. Die Vermutungsregelung des § 38 SGB II ersetzt insoweit eine entsprechende - hier der Mutter zu erteilende - Vollmacht nicht (vgl. Aubel in jurisPK-SGB II § 38 Rn. 31 ff.). Dementsprechend kann nicht ersehen werden, ob und wann der Klägerin Ziff. 1 der Aufhebungsbescheid vom 12. Oktober 2006 bekannt gegeben worden ist. Das SG hat den angefochtenen Bescheid bezüglich der Klägerin Ziff. 1 zu Recht aufgehoben. Bezüglich der Klägerin Ziff. 1 entfaltet der Bescheid somit keine Wirkungen; zur Klarstellung ist dieser gegenüber der Klägerin Ziff. 1 vollständig aufzuheben. Soweit das SG den Beklagten verurteilt hat, der Klägerin Ziff. 1 für den Zeitraum November und Dezember 2006 Leistungen in geringerer Höhe (29,18 EUR) zu gewähren, als im Bescheid vom 21. Juni 2006 bewilligt worden waren (151,64 EUR), ist der Gerichtsbescheid insofern aufzuheben. Folge der Aufhebung des Bescheids vom 12. Oktober 2006 ist, dass die ursprüngliche Bewilligung im Bescheid vom 21. Juni 2006 in ursprünglicher Höhe bestehen bleibt. Der Klägerin Ziff. 1 stehen somit Leistungsansprüche in Höhe der ursprünglichen Bewilligung zu.
Gegenstand des Verfahrens ist weiter die Leistungsklage der Kläger, ihnen für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 29. Mai 2007 Leistungen zu gewähren. Diese allgemeine Leistungsklage ist nicht statthaft. Die allgemeine (echte) Leistungsklage ist nur dann statthaft, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (§ 54 Abs. 5 SGG). Über die Bewilligung der begehrten Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts hat der zuständige Leistungsträger einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) zu erlassen. Eine ablehnende Entscheidung, ebenso die bewilligende Entscheidung, hat durch Verwaltungsakt zu erfolgen. Ein Verwaltungsverfahren über die Bewilligung der genannten Leistungen hat nicht stattgefunden und folgerichtig ist ein entsprechender - hier ablehnender Verwaltungsakt - nicht ergangen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2006 hat der Beklagte (lediglich) die Bewilligungsentscheidung mit Wirkung ab 1. November 2006 aufgehoben, nicht jedoch über Leistungen ab 1. Januar 2007 entschieden. Der aufgehobene Bewilligungsbescheid umfasste lediglich den Leistungszeitraum bis 31. Dezember 2006. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 Leistungen für die Zeit vom 30. Mai 2007 bis 31. Dezember 2007 bewilligt, nicht jedoch Leistungen für den streitigen Zeitraum abgelehnt. Im Übrigen wäre dieser Bescheid auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil der streitgegenständliche Bescheid vom 12. Oktober 2006 weder abgeändert oder ersetzt worden wäre. Der beim Sozialgericht G. (S 37 AS 2423/10) angefochtene Bescheid vom 19. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010 regelt lediglich das Überprüfungsverfahren gemäß § 44 SGB X des Aufhebungsbescheids vom 12. Oktober 2006. Eine Regelung über den geltend gemachten Leistungszeitraum ist ebenfalls nicht enthalten. Im Übrigen ist ein gem. § 78 SGG vorgeschriebenes Vorverfahren für die in Betracht kommende kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist nicht durchgeführt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass die Berufung der Klägerin Ziff. 1 teilweise erfolgreich, im Übrigen die Berufung unbegründet gewesen ist.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unbegründet oder (wie hier) bereits offensichtlich unzulässig ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BVerfG zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (Urteil des erkennenden Senats vom 18. Mai 2010 - L 13 AS 5202/07 - veröffentlicht in Juris m.w.N.). Eine entsprechende Belehrung ist durch den Vorsitzenden in dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2011 erfolgt. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall deshalb (teilweise) missbräuchlich, weil die Kläger an dem nicht statthaften Leistungsantrag (Verurteilung zur Leistungsgewährung für den Zeitraum v. 1. Januar 2007 bis zum 29. Mai 2007) festhalten. Die damit weiterverfolgte allg. Leistungsklage ist offenkundig nicht statthaft. Hierüber hat der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich belehrt. Die Bevollmächtigte hat hierauf ausdrücklich erklärt, dass sie dies verstanden habe und an der Leistungsklage festhalte. Das Aufrechterhalten des Leistungsantrags, in Kenntnis dieser Umstände, stellt nach Auffassung des Senats einen gravierenden Fall des Missbrauchs verfahrensrechtlicher und prozessualer Rechte dar, zumal die Bevollmächtigte der Kläger in Kenntnis der Aussichtslosigkeit dieses Antrags keine Gründe für das Aufrechterhalten des Antrags genannt hat und auch mit der anwesenden Klägerin Ziff. 1 nach Hinweis bzgl. der Rechtsmissbräuchlichkeit mit dieser keine Rücksprache genommen hat. Jedenfalls ist die Kenntnis der Bevollmächtigten von der Rechtsmissbräuchlichkeit den Klägern zuzurechnen. Der Senat hält im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens deshalb die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Die Höhe der auferlegten Kosten entspricht der gesetzlichen Mindestgebühr (§ 192 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gegen diese Entscheidung liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Die Beklagte hat der Klägerin Ziff. 1 ein Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Den Klägern werden Kosten des Gerichts in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 den Bewilligungsbescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 21. Juni 2006 in rechtmäßiger Weise ab 1. November 2011 aufgehoben hat, ferner ob der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007 zu bewilligen hat.
Die Kläger standen seit Februar 2005 im Leistungsbezug des Beklagten. Auf ihren Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Juni 2006 den Klägern sowie deren Mutter S. S. (Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis zum 31. Dezember 2006.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 21. Juni 2006 auf, weil es nach der Änderung des § 9 SGB II möglich sei, Einkommen von erwerbstätigen Hilfebedürftigen auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, selbst wenn insbesondere Kinder in der Bedarfsgemeinschaft lebten, die nicht die leiblichen Kinder des erwerbstätigen Hilfebedürftigen seien; ferner verwies der Beklagte auf einen Anspruch auf Kinderzuschlag. Dieser Aufhebungsbescheid wurde der Mutter der Kläger, S. S., übersandt. Am 30. Mai 2007 (Eingang beim Beklagten) erhoben die Kläger sowie deren Mutter hiergegen Widerspruch und begehrten ab dem 1. November 2006 weiterhin fortlaufend Leistungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Die Widerspruchsfrist sei nicht eingehalten worden. Ferner enthielt der Widerspruchsbescheid einen Hinweis darauf, dass in dem Widerspruchsschreiben eine erneute Antragstellung erfolgt sei; hinsichtlich der Entscheidung über diesen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II würden die Widerspruchsführer in den nächsten Tagen gesonderten Bescheid erhalten. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 30. Mai 2007 bis 31. Dezember 2007.
Am 10. Dezember 2007 haben die Kläger gegen den genannten Widerspruchsbescheid beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Zur Begründung haben sie ausgeführt, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2006 sei nicht verfristet gewesen; der Widerspruch sei während der hier geltenden Jahresfrist eingelegt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Aufhebungsbescheids sei fehlerhaft gewesen, weshalb die Jahresfrist (§ 66 SGG) gelte. Die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ergebe sich daraus, dass sich daraus nicht ergeben würde, dass jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft hiergegen Widerspruch einlegen müsse, um eine Bestandskraft ihm gegenüber zu vermeiden. In der Sache sei die Aufhebung rechtswidrig, der Leistungsantrag der zur Bewilligung der Leistungen bis Dezember 2006 geführt habe wirke auch auf den Zeitraum bis zum 29. Mai 2007 fort. Das SG hat mit Schreiben vom 17. März 2008 die Beteiligten zu der Absicht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden angehört; die Kläger hat es darauf hingewiesen, der Widerspruch sei verfristet. Mit Verfügung v. 23. November 2009 hat das SG die Beteiligten gebeten ihre Rechtsauffassungen nochmals zu überprüfen; Bedenken bestünden hinsichtlich der Bestandskraft des Bescheids v. 12. Oktober 2006 bzgl. der Klägerin Ziff. 1. Den Vergleichsanregungen des SG sind die Beteiligten nicht gefolgt. Mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2011 hat das SG den Bescheid vom 12. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1), S. S., für die Monate November und Dezember 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von monatlich 29,18 EUR zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, Streitgegenstand sei ein Leistungsanspruch nach dem SGB II für den Zeitraum 1. November 2006 bis zum 29. Mai 2007. Der Bescheid vom 12. Oktober 2006 sei für die minderjährigen Kinder (Kläger 2 bis 4) bestandskräftig geworden, weil der erhobene Widerspruch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG eingelegt worden sei. Die Bekanntgabe des Bescheids an die Mutter der minderjährigen Kinder sei ausreichend. Entgegen der Auffassung der Kläger gelte hier die Jahresfrist nicht; die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei korrekt. Gegenüber der (zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses volljährigen) Klägerin Ziff. 1 hätte eine gesonderte Aufhebung der Leistungen erfolgen müssen, weshalb die Aufhebungsentscheidung insofern rechtswidrig und aufzuheben sei. Einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007 hätten die Kläger mangels Antragstellung nicht.
Gegen den dem Bevollmächtigten der Klägern am 28. Januar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28. Februar 2011 eingelegte Berufung der Kläger. Zur Begründung der Berufung führen sie aus, es sei eine Zurückverweisung an das SG angezeigt, denn die Richterbank sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Das SG habe nämlich durch Gerichtsbescheid entschieden, obwohl die Sache sehr wohl Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweise. Die Rechtslage sei kompliziert, das erstinstanzliche Gericht habe übersehen, dass ein sozialrechtliches Institut - der Herstellungsanspruch aus § 10, 14 SGB I - hier anzuwenden sei. Ein Fall des § 105 SGG dürfte somit kaum vorliegen. Der Bescheid vom 12. Oktober 2006 richte sich allein an S. S., weshalb aus der Rechtsbehelfsbelehrung nicht hervorgehe, dass auch der zum damaligen Zeitpunkt bereits volljährigen S. S. das Rechtsmittel des Widerspruchs eröffnet gewesen sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei daher insgesamt unzutreffend mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist ein Jahr betrage. Bereits erstinstanzlich sei auf die Entscheidung des BSG vom 7. November 2006 (B 7b AES 8/06) hingewiesen worden. Das erstinstanzliche Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Anspruch ab 1. Januar 2007 in Ermangelung eines Antrags nicht bestehe. Es verkenne, dass der rechtswidrige Bescheid vom 12. Oktober 2006 einen Rechtsschein gesetzt habe, der unzutreffend gewesen sei. Die Kläger hätten annehmen müssen, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht bestehe. Erst durch anwaltliche Beratung sei ihnen klar geworden, dass ein Anspruch sehr wohl bestanden habe. Der Anspruch sei im folgenden Jahr dann auch realisiert worden. Hier greife das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Kläger seien so zu stellen, als hätten sie bereits vor dem 1. Januar 2007 gewusst, dass ein Anspruch besteht. Aus dem Bescheid vom 11. Dezember 2007 gehe inzident hervor, dass der Beklagte letztlich anerkannt habe, das im streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch bestanden habe.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 aufzuheben; ferner den Beklagten zu verurteilen den Klägern vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Rechtsbehelfsbelehrung stehe mit der Rechtsprechung des BSG im Einklang. Der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid alle einzelnen Anspruchsberechtigten in tabellarischer Form namentlich aufgeführt. Aus der Rechtsmittelbelehrung "gegen diesen Bescheid ist der Widerspruch zulässig" sei somit eindeutig zu entnehmen, dass jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Widerspruch einlegen könne. Der Bescheid vom 12. Oktober 2006 sei im Übrigen auch nicht rechtswidrig. Den Klägern sowie deren Mutter hätten unter Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ein Leistungsanspruch nicht mehr zugestanden, Bedürftigkeit habe nicht vorgelegen. Das BSG habe in dem Urteil vom 13. November 2008 (B 14 AS 2/08 R) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestätigt. Der Bescheid vom 11. Dezember 2007 hingegen habe diese Rechtsprechung noch nicht beachten können, weil diese nicht bekannt gewesen sei. Dieser Bescheid sei rechtswidrig und zu Gunsten der Kläger eine fehlerhafte Einkommensberechnung durchgeführt worden. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Leistungen für die Zeit ab 1. Januar 2007. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien nicht gegeben, es fehle bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten.
Parallel zu diesem Verfahren haben die anwaltlich vertretenen Kläger (nunmehr auch S. S.) mit Schreiben vom 20. Mai 2009 die Überprüfung des Bescheids vom 12. Oktober 2006 gemäß § 44 SGB X beantragt; Leistungen nach dem SGB II seien ab dem 1.11.2006 zu bewilligen. Der Bekl. lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2010 ab. Die von den Klägern hiergegen am 31. März 2010 erhobene Klage ist beim Sozialgericht G. (S 37 AS 2423/10) anhängig. Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts G. beigezogen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz wird auf die beigezogenen Akten des Sozialgerichts G. (S 37 AS 2423/10) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin Ziff. 1 hat teilweise Erfolg. Im Übrigen hat die Berufung der Klägerin Ziff. 1 sowie der weiteren Kläger keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt. Die Berufung der Klägerin Ziff. 1 hat teilweise Erfolg.
Der Senat sieht von einer Zurückverweisung an das SG trotz Vorliegens eines Verfahrensmangels im Rahmen seines Ermessens ab. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 159 Rdnr. 3a). Die Kläger rügen nach Auffassung des Senats jedoch zu Unrecht, dass das SG durch Gerichtsbescheid entschieden habe, obwohl dieser eine Schwierigkeit rechtlicher Art aufweise, im Übrigen sei die Rechtslage so kompliziert, dass das SG übersehen habe, dass ein sozialrechtliches Institut, hier der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, anzuwenden sei. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid sind in § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG geregelt. Danach darf die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt muss geklärt sein. Darüber hinaus sind die Beteiligten vorher zu hören (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat sieht in der Sache keine derartigen Schwierigkeiten, die den Erlass eines Gerichtsbescheids ausschließen würden. Das vom Bevollmächtigten gerügte "Übersehen" eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führt nicht dazu, besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art anzunehmen.
Das SG hat die Beteiligten nicht ordnungsgemäß auf die Absicht hingewiesen, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Erforderlich ist ein konkreter fallbezogener Hinweis, mit dem die Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, mitgeteilt wird. Wegen des Verbots von Überraschungsentscheidungen muss das Gericht dabei auch auf solche Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, die bisher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erörtert worden sind (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 105 Rdnr. 10 m.w.N.). Der bereits am 17. März 2008 an die Beteiligten gerichtete Hinweis nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG ist nicht mehr ausreichend gewesen. Grundsätzlich ist eine Anhörungsmitteilung zwar nur einmal erforderlich; eine nochmalige Mitteilung ist aber ausnahmsweise notwendig, wenn sich die Prozesslage wesentlich geändert hat (Leitherer a.a.O. Rdnr. 11). Im Hinweisschreiben vom 17. März 2008 hat das SG ausgeführt, "bei vorläufiger Prüfung das Sach- und Rechtslage dürfte der Widerspruch verfristet sein", es "genügt die Belehrung, zumal die Klägerin zum Termin für ihre minderjährigen Kinder vertretungsbefugt" gewesen sei. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat das SG weitere Akten (des Sozialgerichts G.) beigezogen, mit Verfügung vom 23. November 2009 an die Beteiligten weitergehende rechtliche Hinweise gerichtet und auf eine vergleichsweise Regelung hingewirkt. Der Bekl. hat daraufhin mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 eingeräumt, dass der Bescheid vom 12. Oktober 2006 die Leistungen gegenüber der Klägerin S. S. aus dem Bewilligungsbescheid vom 21. Juni 2006 nicht ordnungsgemäß aufgehoben hat. Eine vergleichsweise Regelung kam nicht zu Stande. Damit ist nach der Anhörungsmitteilung v. 17. März 2008 eine wesentliche Änderung der Prozesslage eingetreten, die einen nochmaligen Hinweis gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG erfordert hätte.
Der Senat macht hier von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen jedoch nicht im Sinne einer Zurückverweisung der Sache, die nur ausnahmsweise stattfinden soll (vgl. dazu u. a. BSG, Beschlüsse vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 91/08 B und vom 16. Dezember 2003 - B 13 RJ 194/03 B - beide veröffentlicht in Juris), an das SG Gebrauch. Trotz des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör und des damit vorliegenden erheblichen Verfahrensmangels kann der Senat in der Sache entscheiden (BSG, SozR 4-3520 § 2 Nr. 2 = BSGE 101, 49; SozR 3-5050 § 22b Nr. 1 = BSGE 88, 774; umstritten ist diese Frage wegen § 161 Abs. 4 VwGO nur für das Revisionsverfahren, vgl. dazu BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 59/04 R - SozR 4-1500 § 105 Nr. 1; Beschlüsse vom 27. März 2007 - B 13 RJ 44/05 R - und vom 26. Juni 2007 - B 4 R 11/07 S - beide veröffentlicht in Juris; Urteil vom 21. August 2008 - B 13 RJ 44/05 R - SozR 4-2600 § 96a Nr. 12). Hier überwiegt das Interesse an einer Beschleunigung der Verfahrenserledigung. Nachdem die Sache bereits seit dem Jahre 2007 gerichtlich anhängig ist, die Kläger beim Sozialgericht G. ein weiteres Klageverfahren diesbezüglich (Überprüfungsantrag) anhängig haben, erscheint es für den Senat zweckmäßig und sinnvoll über den hier anhängigen Streitgegenstand nunmehr abschließend zu entscheiden.
In der Sache ist der angefochtene Gerichtsbescheid insofern abzuändern, dass auf die Berufung der Klägerin Ziff. 1 der Bescheid vom 12. Oktober 2006 ihr gegenüber vollständig aufzuheben ist. Im Übrigen ist die Berufung sowohl der Klägerin Ziff. 1, als auch der übrigen Kläger unbegründet. Die auf die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007 gerichtete allg. Leistungsklage ist nicht statthaft. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 29. Mai 2007.
Soweit die Kläger die Aufhebung des Rücknahmebescheids vom 12. Oktober 2006 begehren, ist dies mit der hier allein statthaften Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zu verfolgen. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 hat der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 21. Juni 2006, mit dem den Klägern Leistungen bis 31. Dezember 2006 bewilligt worden war, mit Wirkung ab 1. November 2006 aufgehoben. Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist nicht statthaft, weil im Falle des Erfolgs der Anfechtung der ursprüngliche Bewilligungsbescheid weiterhin Wirkungen entfaltet und den Klägern für die Monate November und Dezember 2006 die bewilligten Leistungen zu gewähren sind (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG § 54 Rn. 38a m.w.N.).
Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2006 ist bezüglich der Klägerin Ziff. 1 auch begründet. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass bezüglich der bereits zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses volljährigen Klägerin Ziff. 1 die Bestandskraft nicht entgegengehalten werden kann. Hingegen ist die Anfechtungsklage der Kl. 2-4 unbegründet, gegenüber diesen Klägern ist Bestandskraft eingetreten, weil sie die Widerspruchsfrist versäumt haben. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben Widerspruch erst am 30. Mai 2007 (Eingang Bekl.), somit ( auch von den Klägern unbestritten) nach Ablauf der nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG einmonatigen Widerspruchsfrist erhoben. Der Bescheid ist ordnungsgemäß der gesetzlichen Vertreterin der Kl. 2-4 postalisch zugestellt worden. Gegenteiliges ist nicht ersichtlich. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist korrekt, sodass die Vorschrift des § 66 Abs. 2 SGG (einjährige Rechtsbehelfsfrist bei unterbliebener oder unrichtiger Erteilung der Rechtsbehelfsbelehrung) nicht zur Anwendung kommt. In dem angefochtenen Bescheid sind die Leistungsbezieher einzeln aufgeführt, womit die Adressaten des Bescheids individuell bezeichnet sind. Durch die Individualisierung der Adressaten des Verwaltungsakts kommt klar zum Ausdruck, dass sich die Rechtsbehelfsbelehrung auf jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bezieht. Die Entscheidung des BSG vom 7. November 2006 (B 7b AS 8/06) steht dem nicht entgegen. Darin hat das BSG zum Ausdruck gebracht, dass klargestellt sein müsse, dass jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft den maßgeblichen Rechtsbehelf einlegen müsse, nicht nur eine - wie auch immer geartete Bedarfsgemeinschaft - als solche. Da die Adressaten wie oben ausgeführt, einzelnen dargestellt sind, ist diesen Anforderungen Rechnung getragen. Der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids bereits volljährigen Klägerin Ziff. 1 kann hingegen die Bestandskraft nicht entgegengehalten werden. Die Vermutungsregelung des § 38 SGB II ersetzt insoweit eine entsprechende - hier der Mutter zu erteilende - Vollmacht nicht (vgl. Aubel in jurisPK-SGB II § 38 Rn. 31 ff.). Dementsprechend kann nicht ersehen werden, ob und wann der Klägerin Ziff. 1 der Aufhebungsbescheid vom 12. Oktober 2006 bekannt gegeben worden ist. Das SG hat den angefochtenen Bescheid bezüglich der Klägerin Ziff. 1 zu Recht aufgehoben. Bezüglich der Klägerin Ziff. 1 entfaltet der Bescheid somit keine Wirkungen; zur Klarstellung ist dieser gegenüber der Klägerin Ziff. 1 vollständig aufzuheben. Soweit das SG den Beklagten verurteilt hat, der Klägerin Ziff. 1 für den Zeitraum November und Dezember 2006 Leistungen in geringerer Höhe (29,18 EUR) zu gewähren, als im Bescheid vom 21. Juni 2006 bewilligt worden waren (151,64 EUR), ist der Gerichtsbescheid insofern aufzuheben. Folge der Aufhebung des Bescheids vom 12. Oktober 2006 ist, dass die ursprüngliche Bewilligung im Bescheid vom 21. Juni 2006 in ursprünglicher Höhe bestehen bleibt. Der Klägerin Ziff. 1 stehen somit Leistungsansprüche in Höhe der ursprünglichen Bewilligung zu.
Gegenstand des Verfahrens ist weiter die Leistungsklage der Kläger, ihnen für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 29. Mai 2007 Leistungen zu gewähren. Diese allgemeine Leistungsklage ist nicht statthaft. Die allgemeine (echte) Leistungsklage ist nur dann statthaft, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (§ 54 Abs. 5 SGG). Über die Bewilligung der begehrten Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts hat der zuständige Leistungsträger einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) zu erlassen. Eine ablehnende Entscheidung, ebenso die bewilligende Entscheidung, hat durch Verwaltungsakt zu erfolgen. Ein Verwaltungsverfahren über die Bewilligung der genannten Leistungen hat nicht stattgefunden und folgerichtig ist ein entsprechender - hier ablehnender Verwaltungsakt - nicht ergangen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2006 hat der Beklagte (lediglich) die Bewilligungsentscheidung mit Wirkung ab 1. November 2006 aufgehoben, nicht jedoch über Leistungen ab 1. Januar 2007 entschieden. Der aufgehobene Bewilligungsbescheid umfasste lediglich den Leistungszeitraum bis 31. Dezember 2006. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 Leistungen für die Zeit vom 30. Mai 2007 bis 31. Dezember 2007 bewilligt, nicht jedoch Leistungen für den streitigen Zeitraum abgelehnt. Im Übrigen wäre dieser Bescheid auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil der streitgegenständliche Bescheid vom 12. Oktober 2006 weder abgeändert oder ersetzt worden wäre. Der beim Sozialgericht G. (S 37 AS 2423/10) angefochtene Bescheid vom 19. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010 regelt lediglich das Überprüfungsverfahren gemäß § 44 SGB X des Aufhebungsbescheids vom 12. Oktober 2006. Eine Regelung über den geltend gemachten Leistungszeitraum ist ebenfalls nicht enthalten. Im Übrigen ist ein gem. § 78 SGG vorgeschriebenes Vorverfahren für die in Betracht kommende kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist nicht durchgeführt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass die Berufung der Klägerin Ziff. 1 teilweise erfolgreich, im Übrigen die Berufung unbegründet gewesen ist.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unbegründet oder (wie hier) bereits offensichtlich unzulässig ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BVerfG zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (Urteil des erkennenden Senats vom 18. Mai 2010 - L 13 AS 5202/07 - veröffentlicht in Juris m.w.N.). Eine entsprechende Belehrung ist durch den Vorsitzenden in dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2011 erfolgt. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall deshalb (teilweise) missbräuchlich, weil die Kläger an dem nicht statthaften Leistungsantrag (Verurteilung zur Leistungsgewährung für den Zeitraum v. 1. Januar 2007 bis zum 29. Mai 2007) festhalten. Die damit weiterverfolgte allg. Leistungsklage ist offenkundig nicht statthaft. Hierüber hat der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich belehrt. Die Bevollmächtigte hat hierauf ausdrücklich erklärt, dass sie dies verstanden habe und an der Leistungsklage festhalte. Das Aufrechterhalten des Leistungsantrags, in Kenntnis dieser Umstände, stellt nach Auffassung des Senats einen gravierenden Fall des Missbrauchs verfahrensrechtlicher und prozessualer Rechte dar, zumal die Bevollmächtigte der Kläger in Kenntnis der Aussichtslosigkeit dieses Antrags keine Gründe für das Aufrechterhalten des Antrags genannt hat und auch mit der anwesenden Klägerin Ziff. 1 nach Hinweis bzgl. der Rechtsmissbräuchlichkeit mit dieser keine Rücksprache genommen hat. Jedenfalls ist die Kenntnis der Bevollmächtigten von der Rechtsmissbräuchlichkeit den Klägern zuzurechnen. Der Senat hält im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens deshalb die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Die Höhe der auferlegten Kosten entspricht der gesetzlichen Mindestgebühr (§ 192 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gegen diese Entscheidung liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
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Aus
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