L 7 KA 26/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 201/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 26/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. April 1998 wird zurückgewiesen. Dem Kläger werden die dem Landessozialgericht durch die Prozessführung verursachten Kosten in Höhe von 1.000,00 DM auferlegt. Der Kläger hat dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger die Genehmigung zur gleichzeitigen Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung beanspruchen kann.

Der Kläger nimmt seit 1981 als Arzt für Innere Medizin ohne Teilgebietsbezeichnung mit Arztsitz in Berlin-Reinickendorf an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Er entschied sich für die Zeit ab 1. Januar 1996 zur Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung, stellte jedoch am 30. März 1996 den Antrag auf Zulassung zur gleichzeitigen fach- und hausärztlichen Versorgungstätigkeit. Den Antrag lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte durch Beschluss vom 17. April 1996 ab; den Widerspruch des Klägers wies der beklagte Berufungsausschuss durch Beschluss vom 14. August 1996 zurück. Es fehle für die beantragte zusätzliche Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung eine Rechtsgrundlage und daher eine Genehmigungskompetenz der Zulassungsinstanzen. Auch sei den Zulassungsinstanzen auf Grund der ihnen durch das Grundgesetz (GG) auferlegten Bindung an Recht und Gesetz die Nichtanwendung förmlicher Gesetze wegen einer möglichen Verfassungswidrigkeit verwehrt.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Gerichtsbescheid vom 15. April 1998 abgewiesen. Aus § 73 Abs. 1 a Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) folge, dass ab 1. Januar 1996 eine gleichzeitige Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Die Vorschrift sei aus den Gründen, die das Bundessozialgericht u. a. in seinem Urteil vom 18. Juni 1997 - 6 RKa 13/97 - dargelegt habe, und der sich das Gericht anschließe, mit dem GG vereinbar.

Gegen den ihm am 22. April 1998 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14. Mai 1998 eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt im Wesentlichen vor, eine gültige und uneingeschränkte Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin als Facharzt für Innere Medizin zu besitzen. Die aufgezwungene Entscheidung für den „Hausarzt“ oder den - ohnehin bestehenden - Facharzt, habe infolge ihrer Benachteiligung die Wirkung einer Sonderbelastung, die nicht durch verfassungsrechtlich tragfähige Zurechnungsgründe legitimiert werden könne. Er halte nach wie vor die Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in eine haus- und eine fachärztliche Versorgung für verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. April 1998 und den Beschluss des Beklagten vom 14. August 1996 aufzuheben und festzustellen, dass er berechtigt ist, im Rahmen seines Gebietes gleichzeitig an der haus- und fachärztlichen Versorgung teilzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat dem Kläger den in Auszügen veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 1999 - 1 BvR 2507/97 - (= NJW 1999, 2730 f.) zur Kenntnis übersandt, wonach das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 1997 - 6 RKa 13/97 - nicht zur Entscheidung angenommen hat, da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Beschluss des Beklagten ist rechtmäßig.

Der von dem Kläger begehrten gleichzeitigen Teilnahme an der haus- und an der fachärztlichen Versorgung steht die Vorschrift des § 73 Abs. 1 a SGB V entgegen. Diese durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eingeführte Regelung (Artikel 1 Nr. 33 b, Artikel 35 Abs. 1 GSG vom 21. Dezember 1992 - BGBl. I 2266) in ihrer bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung bestimmt, dass an der hausärztlichen Versorgung Ärzte für Allgemeinmedizin und Ärzte ohne Gebietsbezeichnung teilnehmen (Satz 1 a. a. O.). Kinderärzte und Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung wählen danach, ob sie an der hausärztlichen oder an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen (Satz 2 a. a. O.). Soweit diese bereits am 1. Januar 1993 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, treffen sie ihre Wahl bis zum 31. Dezember 1995 (Satz 3 a. a. O.). Mithin besaß auch der Kläger ein entsprechendes Wahlrecht, da er bereits seit 1981 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. Dieses hat er zu Gunsten der hausärztlichen Versorgung ausgeübt; dabei ist es auch nach der Neufassung des § 73 Abs. 1 a SGB V durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I 2626) geblieben.

Zu Unrecht bezweifelt der Kläger die Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften. Das Bundessozialgericht hat in seinen Entscheidungen vom 18. Juni 1997 zu § 73 Abs. 1 a SGB V a. F. (= 6 RKa 13/97 und 6 RKa 63/96 sowie 6 RKa 58/96 = BSG SozR 3 - 2500 § 73 Nr. 1) mit eingehender Begründung dargelegt, dass die Norm auf der Grundlage des Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ergehen durfte und dass keine Verstöße gegen Artikel 12 Abs. 1 GG und den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Annahme der Verfassungsbeschwerde gegen das oben genannte Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 1997 - 6 RKa 13/97 - mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt (Beschluss vom 17. Juni 1999 - 1 BvR 2507/97 - = NJW 99, 2730 f. = MedR 1999, 560 f.). Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen. Dies gilt auch für die Neufassung des Gesetzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192 Satz 1, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger nimmt für sich in Anspruch, bessere Einsichten in das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zu haben als das Bundesverfassungsgericht. Damit weicht er in seiner Prozessführung von dem ab, was ein verständiger Beteiligter, der Kosten des Verfahrens zu tragen hätte, im gleichliegenden Fall getan hätte (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 192 Rz. 3). Durch die Prozessführung hat er dem Gericht die durch seine Rechtsverfolgung verursachten Kosten nach § 192 SGG teilweise, und zwar in Höhe von 1.000,00 DM zu erstatten.

Da die Kosten der Gerichtshaltung nicht genau bezifferbar sind, waren sie nach § 202 SGG i. V. m. § 287 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - zu schätzen. Im Jahre 1998 beliefen sich die Ausgaben der Berliner Sozialgerichtsbarkeit auf ungefähr 26 Millionen DM aus Anlass von ungefähr 17.000 Verfahren in beiden Instanzen. Hieraus ergibt sich, dass im Durchschnitt jedes Verfahren Kosten in Höhe von 1.530,00 DM auslöst. Dieser Betrag liegt höher als derjenige, der bisher in der Rechtsprechung auf der Grundlage des § 192 SGG festgesetzt worden ist (vgl. Goedelt, Sozialgerichtsbarkeit 1986, 493, 500; Meyer-Ladewig, a. a. O., § 192 Rz. 9a und 9b m. w. N.); er bietet aber den Maßstab für die im Einzelfall festzusetzenden Gerichtshaltungskosten. Der von dem Kläger dem Gericht zu erstattende Betrag beläuft sich auf ungefähr 2/3 der tatsächlich entstandenen Kosten. Er bewegt sich in dem Rahmen der Missbrauchsgebühren in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Berliner Verfassungsgerichtshof. Ebenso wie in der Sozialgerichtsbarkeit sind die Verfahren vor den Verfassungsgerichten grundsätzlich kostenfrei; dafür können bei missbräuchlicher Anrufung dieser Gerichte Gebühren bis zu 5.000,00 DM auferlegt werden (§ 34 Abs. 1 und 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 33 Abs. 1 und 4 des Berliner Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof).

Wären in der Sozialgerichtsbarkeit wie in der Zivilgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit Gerichtskosten zu erheben, würden sich die Gebühren nach einem Streitwert von 136.000,00 DM (17 Quartale à 8.000,00 DM) berechnen. In diesem Fall würde eine Gebühr bereits 1.355,00 DM betragen. Diese Gebühr wäre mit 4,5 zu vervielfältigen (vgl. Nr. 1220 und 1226 bzw. 2121 und 2125 der Anlage 1 -Kostenverzeichnis- zum Gerichtskostengesetz).

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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