Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1425/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1366/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verbescheidung seines Widerspruchs vom 02.10.2008.
Der am 18.01.1975 geborene Kläger steht mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leis-tungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Er führte und führt deswegen vor dem Sozial-gericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechts-streitigkeiten gegen die Beklagte. Diese unterbreitete dem Kläger unter dem 29.09.2008 einen Vermittlungsvorschlag betreffend einer Tätigkeit bei der Fa. A., den sie mit einer Rechtsfolgenbelehrung versah.
Mit seinem am 02.10.2008 hiergegen eingelegten Widerspruch brachte der Kläger vor, eine Tätigkeit bei der Fa. A. sei nicht zumutbar, die Rechtsfolgenbelehrung gehe deswegen ins Leere. Mit Schreiben vom 22.10.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Vermittlungsvorschlag sei gegenstandslos, da die vorgeschlagene Beschäftigung unzumutbar sei.
Am 01.04.2009 hat der Kläger unter Bezugnahme auf seinen Widerspruch vom 02.10.2008 "Untätigkeitsklage 6" zum SG erhoben, die unter dem Geschäftszeichen - S 11 AL 1418/09 - geführt und mit Gerichtsbescheid vom 04.01.2010 abgewiesen wurde. Eine hiergegen eingelegte Berufung wurde vom Landessozialgericht Baden- Württemberg mit Urteil vom 29.04.2010 - L 12 AL 128/10 - zurückgewiesen.
Gleichfalls am 01.04.2009 hat der Kläger "Untätigkeitsklage 15" zum SG erhoben, mit der er gleichfalls die Verbescheidung seines Widerspruchs vom 02.10.2008 gegen den Vermittlungsvorschlag vom 29.09.2008 geltend gemacht hat. Zur Begründung hat der Kläger vorgebracht, die Beklagte habe bislang noch nicht über den von ihm erhobenen Widerspruch entschieden. Am 03.07.2009 hat der Kläger den Vorsitzenden der 11.Kammer des SG abgelehnt. Dieser habe im Verfahren S 11 AL 280/08 ER eine fehlerhafte Rechtsauffassung vertreten, die gemeinsam mit den weiteren "Rechtsbeugungen, z.B. im Verfahren S 11 AL 653/09" die Besorgnis der Befangenheit begründe. Am 12.11.2010 hat der Kläger einen weiteren Befangenheitsantrag gestellt. Nach den bisherigen Entscheidungen gebe es, so der Kläger, nur zwei Optionen. Entweder fehle dem Vorsitzenden generell die Befähigung zum Richteramt oder er sei zu faul, seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis darauf, dass die geltend gemachte Untätigkeit bereits Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 1418/09 - sei, entgegengetreten.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 16.09.2010 hat das SG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über das Verfahren im Wege eines Gerichtsbescheides zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu bis zum 13.10.2010 zu äußern. Am 22.09.2010 hat der Kläger daraufhin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Übersendung einer Kopie der Akte beantragt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Befangenheitsgesuche hinderten das Gericht nicht daran, in der Sache zu entscheiden. Diese zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden aus dem Verfahren zu drängen. Sie seien offensichtlich rechtsmissbräuchlich gestellt. Gleiches gelte für den wiederholten Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht. Dem Kläger sei bereits im März 2010 Akteneinsicht in die gesamten Prozess- und Verwaltungsakten bei seiner Wohnortgemeinde ermöglicht worden. Hiervon habe der Kläger ohne Angabe von Gründen keinen Gebrauch gemacht. Hieran zeige sich, dass der Kläger mit seinem erneuten Antrag lediglich die Beendigung des Rechtsstreits zu verhindern suche. Inhaltlich sei die Untätigkeitsklage unzulässig, da die Verbescheidung des Widerspruchs vom 02.10.2008 bereits im Verfahren S 11 AL 1418/09 gegenständlich sei.
Gegen den am 01.04.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am gleichen Tag Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er bringt vor, das Verfahren müsse zurückverwiesen werden, da ihm das rechtliche Gehör dadurch verweigert worden sei, dass keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde und ihm keine Kopien der Akten übersandt worden seien. Ferner habe das SG unzulässigerweise selbst über das Befangenheitsgesuch entschieden. Zuletzt hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die Übersendung einer Kopie der Verfahrens- und der Verwaltungsakte sowie die Überlassung einer Fahrkarte für die Anreise zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.09.2011 beantragt. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.
Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2010 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen,
hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Widerspruch gegen den Vermittlungsvorschlag vom 29. September 2008 zu entscheiden.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, sowie die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Akte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 21.09.2011 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Auch der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran nichts. Zwar steht auch einem der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu, der Senat war jedoch nicht gehalten, dem Kläger die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2011 dadurch zu ermöglichen, dass seine Vorführung aus der Untersuchungshaft anzuordnen gewesen wäre, da der Kläger selbst insoweit zunächst alles ihm Zumutbare unternommen haben muss, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen, gegenüber den Strafvollstreckungsbehörden, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu beantragen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 31.10.2005 -B 7a AL 14/05 B - veröffentlicht in juris). Da jedoch ein solcher Antrag (vgl. § 6 des Zweiten Buches des Gesetzbuches über den Justizvollzug in Baden-Württemberg) nicht gestellt wurde, war der Senat nicht gehalten, den Kläger zur mündlichen Verhandlung vorführen zu lassen. Der Kläger ist vielmehr, da sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris).
Dem Antrag des Klägers, ihm eine Fahrkarte für die Teilnahme am Termin zur Verfügung zu stellen, war nicht stattzugeben. Infolge des Umstandes, dass sich der Kläger am Verhandlungstag in Untersuchungshaft befand, war eine -eigenständige- Anreise des Klägers zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.09.2011 mit öffentlichen Verkehrsmittel, deren Finanzierung der Kläger begehrt, nicht möglich; der Antrag hat sich durch die Inhaftierung erledigt.
Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm zuletzt beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besteht für die Beteiligten das Recht, sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen zu lassen. Der hiernach begründete Anspruch auf die Erteilung von Ablichtungen wird jedoch durch die allgemeinen Grundsätze zulässiger Rechtsausübung (§§ 226, 242 Bürgerliches Gesetzbuch) begrenzt. Der Anspruch setzt voraus, dass die abzulichtenden Aktenteile durch den Verfahrensbeteiligten eindeutig bezeichnet werden (vgl. BSG, Beschluss vom 30.11.1994 - 11 RAr 89/94 - veröffentlicht in juris). Diesen Anforderungen genügt der Antrag des Klägers nicht, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen. Die beanspruchte Anfertigung von Ablichtungen der gesamten Prozess- und Beiakten ist ohne jede Konkretisierung und ohne vorherige Prüfung auf Relevanz der Aktenbestandteile für die Rechtsverfolgung als rechtsmissbräuchlich anzusehen (vgl. BSG, Beschluss vom 30.11.1994, a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.11.1987 -9 C 235/86-; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.09.1995 - Bf IV 8/94 – jew. veröffentlicht in juris; Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -). Da der Kläger sein Begehren (zuletzt) auf die Überlassung von Mehrfertigungen beschränkt hat, war der Senat auch nicht gehalten, dem Kläger anderweitig Akteneinsicht, etwa auf der Geschäftsstelle, zu ermöglichen.
Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Rechtsstreit ist nicht, wie klägerseits beantragt, an das SG zurückzuverweisen. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, der zur Zurückverweisung an das SG führen könnte, liegt vor, wenn gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift verstoßen wurde und die Entscheidung des Sozialgerichts hierauf beruhen kann. Das Landessozialgericht entscheidet bei Vorliegen eines Mangels nach seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob es in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweisen will. Eine Verpflichtung zur Zurückverweisung besteht auch bei Vorliegen eines wesentlichen Mangels des Verfahrens nicht (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1956 - 6 RKa 14/55 - veröffentlicht in juris). Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist jedoch nicht mit einem wesentlichen Mangels des Verfahrens behaftet, er ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Das SG hat dem Kläger insb. in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BSG, Beschluss vom 2. April 2009 - B 2 U 281/08 B - m.w.N. veröffentlicht in juris). Zur Verwirklichung dieses Rechts eröffnet § 120 Abs. 1 SGG den Beteiligten das Recht auf Einsicht in die Akten. Der Kläger hat dies im erstinstanzlichen Verfahren einzig und ausschließlich dergestalt begehrt, ihm Kopien der Akte einschließlich der Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Dieser Antrag war jedoch, da er nicht auf einzelne Aktenbestandteile konkretisiert war, wie bereits oben ausgeführt, rechtsmissbräuchlich. Der Umstand, dass das SG dem Begehren des Klägers auf Übersendung von Kopien der Akten nicht nachgekommen ist, begründet hiernach keinen wesentlichen Verfahrensmangel i.S.d. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Auch ist ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht dadurch begründet, dass das SG selbst - im Rahmen des angefochtenen Gerichtsbescheides - über die Befangenheitsanträge des Klägers vom 03.07.2009 und vom 12.11.2010 entschieden hat. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 21.06.2011 - L 3 AL 1568/11 NZB - (veröffentlicht in juris) bereits entschieden hat, hat das Befangenheitsgesuch des Klägers vom 12.11.2010 ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens nicht erfordert; es wurde offensichtlich nur zum Zweck gestellt, den Vorsitzenden aus dem Verfahren zu drängen. Über das offensichtlich unzulässige Befangenheitsgesuch konnte das SG daher selbst (vgl. Littmann in SGG-Handkommentar, 3. Aufl., § 60 Rn. 25), ohne dass es eines - isolierten - förmlichen Beschlusses hierüber bedurft hätte, entscheiden. Gleiches gilt für das Befangenheitsgesuch vom 03.07.2009. Auch dieses Gesuch hat ein Eingehen auf den Gegenstand des konkreten Verfahrens nicht erfordert.
Inhaltlich hat das SG die Klage zu Recht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit abgewiesen. Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Hintergrund dessen ist der Rechtsgrundsatz, dass über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf. Als der vorliegende Rechtsstreit beim SG am 01.04.2009 (11.48 Uhr) anhängig und damit gemäß § 94 Abs. 1 SGG rechtshängig geworden sei, ist die Sache bereits rechtshängig gewesen, da der Kläger bereits zuvor, am 01.04.2009 (11.23 Uhr) Untätigkeitsklage (S 11 AL 1418/09) erhoben hatte. Mit beiden Untätigkeitsklagen begehrte der Kläger jeweils die Verbescheidung des Widerspruchs vom 02.10.2008 gegen den Vermittlungsvorschlag vom 29.09.2008. Die Klage war mithin bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 94, Rn. 7).
Die Berufung ist zurückzuweisen.
Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren PKH zu gewähren, ist abzulehnen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ff Zivilprozessordnung). Da der Antrag erst kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, entscheidet der Senat hierüber im Rahmen der mündlichen Verhandlung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl., 2008, § 73a Rn. 12a).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verbescheidung seines Widerspruchs vom 02.10.2008.
Der am 18.01.1975 geborene Kläger steht mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leis-tungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Er führte und führt deswegen vor dem Sozial-gericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechts-streitigkeiten gegen die Beklagte. Diese unterbreitete dem Kläger unter dem 29.09.2008 einen Vermittlungsvorschlag betreffend einer Tätigkeit bei der Fa. A., den sie mit einer Rechtsfolgenbelehrung versah.
Mit seinem am 02.10.2008 hiergegen eingelegten Widerspruch brachte der Kläger vor, eine Tätigkeit bei der Fa. A. sei nicht zumutbar, die Rechtsfolgenbelehrung gehe deswegen ins Leere. Mit Schreiben vom 22.10.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Vermittlungsvorschlag sei gegenstandslos, da die vorgeschlagene Beschäftigung unzumutbar sei.
Am 01.04.2009 hat der Kläger unter Bezugnahme auf seinen Widerspruch vom 02.10.2008 "Untätigkeitsklage 6" zum SG erhoben, die unter dem Geschäftszeichen - S 11 AL 1418/09 - geführt und mit Gerichtsbescheid vom 04.01.2010 abgewiesen wurde. Eine hiergegen eingelegte Berufung wurde vom Landessozialgericht Baden- Württemberg mit Urteil vom 29.04.2010 - L 12 AL 128/10 - zurückgewiesen.
Gleichfalls am 01.04.2009 hat der Kläger "Untätigkeitsklage 15" zum SG erhoben, mit der er gleichfalls die Verbescheidung seines Widerspruchs vom 02.10.2008 gegen den Vermittlungsvorschlag vom 29.09.2008 geltend gemacht hat. Zur Begründung hat der Kläger vorgebracht, die Beklagte habe bislang noch nicht über den von ihm erhobenen Widerspruch entschieden. Am 03.07.2009 hat der Kläger den Vorsitzenden der 11.Kammer des SG abgelehnt. Dieser habe im Verfahren S 11 AL 280/08 ER eine fehlerhafte Rechtsauffassung vertreten, die gemeinsam mit den weiteren "Rechtsbeugungen, z.B. im Verfahren S 11 AL 653/09" die Besorgnis der Befangenheit begründe. Am 12.11.2010 hat der Kläger einen weiteren Befangenheitsantrag gestellt. Nach den bisherigen Entscheidungen gebe es, so der Kläger, nur zwei Optionen. Entweder fehle dem Vorsitzenden generell die Befähigung zum Richteramt oder er sei zu faul, seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis darauf, dass die geltend gemachte Untätigkeit bereits Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 1418/09 - sei, entgegengetreten.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 16.09.2010 hat das SG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über das Verfahren im Wege eines Gerichtsbescheides zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu bis zum 13.10.2010 zu äußern. Am 22.09.2010 hat der Kläger daraufhin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Übersendung einer Kopie der Akte beantragt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Befangenheitsgesuche hinderten das Gericht nicht daran, in der Sache zu entscheiden. Diese zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden aus dem Verfahren zu drängen. Sie seien offensichtlich rechtsmissbräuchlich gestellt. Gleiches gelte für den wiederholten Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht. Dem Kläger sei bereits im März 2010 Akteneinsicht in die gesamten Prozess- und Verwaltungsakten bei seiner Wohnortgemeinde ermöglicht worden. Hiervon habe der Kläger ohne Angabe von Gründen keinen Gebrauch gemacht. Hieran zeige sich, dass der Kläger mit seinem erneuten Antrag lediglich die Beendigung des Rechtsstreits zu verhindern suche. Inhaltlich sei die Untätigkeitsklage unzulässig, da die Verbescheidung des Widerspruchs vom 02.10.2008 bereits im Verfahren S 11 AL 1418/09 gegenständlich sei.
Gegen den am 01.04.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am gleichen Tag Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er bringt vor, das Verfahren müsse zurückverwiesen werden, da ihm das rechtliche Gehör dadurch verweigert worden sei, dass keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde und ihm keine Kopien der Akten übersandt worden seien. Ferner habe das SG unzulässigerweise selbst über das Befangenheitsgesuch entschieden. Zuletzt hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die Übersendung einer Kopie der Verfahrens- und der Verwaltungsakte sowie die Überlassung einer Fahrkarte für die Anreise zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.09.2011 beantragt. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.
Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2010 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen,
hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Widerspruch gegen den Vermittlungsvorschlag vom 29. September 2008 zu entscheiden.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, sowie die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Akte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 21.09.2011 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Auch der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran nichts. Zwar steht auch einem der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu, der Senat war jedoch nicht gehalten, dem Kläger die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2011 dadurch zu ermöglichen, dass seine Vorführung aus der Untersuchungshaft anzuordnen gewesen wäre, da der Kläger selbst insoweit zunächst alles ihm Zumutbare unternommen haben muss, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen, gegenüber den Strafvollstreckungsbehörden, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu beantragen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 31.10.2005 -B 7a AL 14/05 B - veröffentlicht in juris). Da jedoch ein solcher Antrag (vgl. § 6 des Zweiten Buches des Gesetzbuches über den Justizvollzug in Baden-Württemberg) nicht gestellt wurde, war der Senat nicht gehalten, den Kläger zur mündlichen Verhandlung vorführen zu lassen. Der Kläger ist vielmehr, da sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris).
Dem Antrag des Klägers, ihm eine Fahrkarte für die Teilnahme am Termin zur Verfügung zu stellen, war nicht stattzugeben. Infolge des Umstandes, dass sich der Kläger am Verhandlungstag in Untersuchungshaft befand, war eine -eigenständige- Anreise des Klägers zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.09.2011 mit öffentlichen Verkehrsmittel, deren Finanzierung der Kläger begehrt, nicht möglich; der Antrag hat sich durch die Inhaftierung erledigt.
Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm zuletzt beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besteht für die Beteiligten das Recht, sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen zu lassen. Der hiernach begründete Anspruch auf die Erteilung von Ablichtungen wird jedoch durch die allgemeinen Grundsätze zulässiger Rechtsausübung (§§ 226, 242 Bürgerliches Gesetzbuch) begrenzt. Der Anspruch setzt voraus, dass die abzulichtenden Aktenteile durch den Verfahrensbeteiligten eindeutig bezeichnet werden (vgl. BSG, Beschluss vom 30.11.1994 - 11 RAr 89/94 - veröffentlicht in juris). Diesen Anforderungen genügt der Antrag des Klägers nicht, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen. Die beanspruchte Anfertigung von Ablichtungen der gesamten Prozess- und Beiakten ist ohne jede Konkretisierung und ohne vorherige Prüfung auf Relevanz der Aktenbestandteile für die Rechtsverfolgung als rechtsmissbräuchlich anzusehen (vgl. BSG, Beschluss vom 30.11.1994, a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.11.1987 -9 C 235/86-; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.09.1995 - Bf IV 8/94 – jew. veröffentlicht in juris; Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -). Da der Kläger sein Begehren (zuletzt) auf die Überlassung von Mehrfertigungen beschränkt hat, war der Senat auch nicht gehalten, dem Kläger anderweitig Akteneinsicht, etwa auf der Geschäftsstelle, zu ermöglichen.
Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Rechtsstreit ist nicht, wie klägerseits beantragt, an das SG zurückzuverweisen. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, der zur Zurückverweisung an das SG führen könnte, liegt vor, wenn gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift verstoßen wurde und die Entscheidung des Sozialgerichts hierauf beruhen kann. Das Landessozialgericht entscheidet bei Vorliegen eines Mangels nach seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob es in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweisen will. Eine Verpflichtung zur Zurückverweisung besteht auch bei Vorliegen eines wesentlichen Mangels des Verfahrens nicht (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1956 - 6 RKa 14/55 - veröffentlicht in juris). Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist jedoch nicht mit einem wesentlichen Mangels des Verfahrens behaftet, er ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Das SG hat dem Kläger insb. in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BSG, Beschluss vom 2. April 2009 - B 2 U 281/08 B - m.w.N. veröffentlicht in juris). Zur Verwirklichung dieses Rechts eröffnet § 120 Abs. 1 SGG den Beteiligten das Recht auf Einsicht in die Akten. Der Kläger hat dies im erstinstanzlichen Verfahren einzig und ausschließlich dergestalt begehrt, ihm Kopien der Akte einschließlich der Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Dieser Antrag war jedoch, da er nicht auf einzelne Aktenbestandteile konkretisiert war, wie bereits oben ausgeführt, rechtsmissbräuchlich. Der Umstand, dass das SG dem Begehren des Klägers auf Übersendung von Kopien der Akten nicht nachgekommen ist, begründet hiernach keinen wesentlichen Verfahrensmangel i.S.d. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Auch ist ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht dadurch begründet, dass das SG selbst - im Rahmen des angefochtenen Gerichtsbescheides - über die Befangenheitsanträge des Klägers vom 03.07.2009 und vom 12.11.2010 entschieden hat. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 21.06.2011 - L 3 AL 1568/11 NZB - (veröffentlicht in juris) bereits entschieden hat, hat das Befangenheitsgesuch des Klägers vom 12.11.2010 ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens nicht erfordert; es wurde offensichtlich nur zum Zweck gestellt, den Vorsitzenden aus dem Verfahren zu drängen. Über das offensichtlich unzulässige Befangenheitsgesuch konnte das SG daher selbst (vgl. Littmann in SGG-Handkommentar, 3. Aufl., § 60 Rn. 25), ohne dass es eines - isolierten - förmlichen Beschlusses hierüber bedurft hätte, entscheiden. Gleiches gilt für das Befangenheitsgesuch vom 03.07.2009. Auch dieses Gesuch hat ein Eingehen auf den Gegenstand des konkreten Verfahrens nicht erfordert.
Inhaltlich hat das SG die Klage zu Recht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit abgewiesen. Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Hintergrund dessen ist der Rechtsgrundsatz, dass über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf. Als der vorliegende Rechtsstreit beim SG am 01.04.2009 (11.48 Uhr) anhängig und damit gemäß § 94 Abs. 1 SGG rechtshängig geworden sei, ist die Sache bereits rechtshängig gewesen, da der Kläger bereits zuvor, am 01.04.2009 (11.23 Uhr) Untätigkeitsklage (S 11 AL 1418/09) erhoben hatte. Mit beiden Untätigkeitsklagen begehrte der Kläger jeweils die Verbescheidung des Widerspruchs vom 02.10.2008 gegen den Vermittlungsvorschlag vom 29.09.2008. Die Klage war mithin bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 94, Rn. 7).
Die Berufung ist zurückzuweisen.
Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren PKH zu gewähren, ist abzulehnen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ff Zivilprozessordnung). Da der Antrag erst kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, entscheidet der Senat hierüber im Rahmen der mündlichen Verhandlung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl., 2008, § 73a Rn. 12a).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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